Zu Hause ist, wo die Liebe wohnt

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Der kleine Mickey ist die Hauptperson in Karinas Leben. Doch leider teilt sie sich das Sorgerecht mit dem attraktiven Dr. Pascale - der das Haus, in dem sie leben, verkaufen will! Kann sie ihn überzeugen, dass unter diesem Dach das große Glück zu dritt wohnen könnte?


  • Erscheinungstag 29.05.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506830
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich fürchte, von unserer Bank heißt es leider Nein, Miss Brown.“ Der Geschäftsführer erhob sich abrupt als Zeichen dafür, dass er das Gespräch als beendet betrachtete.

Karina biss die Zähne zusammen, um eine scharfe Erwiderung zurückzuhalten. Miss Brown? In einem kleinen Ort, wo sich jeder, vom Millionär bis zum Landstreicher, mit Vornamen anredete, kam dies einer Beleidigung gleich. Obwohl sie erst seit knapp einem Jahr in Motueka lebte, wurde sie von niemandem Miss Irgendwas genannt. Sie hieß Karina Brown, Punkt.

Und zwar seit dem Tag, als sie Auckland in einem Blitzlichtgewitter verlassen hatte, bedrängt von aufdringlichen Reportern, die ihr ein Mikrofon unter die Nase hielten und sie mit Fragen bombardierten, die Karina nicht beantwortet hatte. Der Tag, an dem sie wieder ihren Mädchennamen angenommen und ihr altes Leben hinter sich gelassen hatte, um sich selbst neu zu finden.

„Danke für das Gespräch, Mr. Pederson“, gab sie ebenso förmlich zurück.

Als sie aufstand, merkte sie erstaunt, dass ihre Beine zitterten. Sie strich den knielangen Bleistiftrock glatt und straffte die Schultern in dem maßgeschneiderten Blazer, den sie seit Auckland nie wieder angehabt hatte. Dann stolzierte sie mit all dem souveränen Selbstbewusstsein ihres alten Ichs aus dem Büro des Filialleiters. Niemals würde sie um das Geld betteln, das sie dringend brauchte, um die zweite Hälfte des Hauses zu kaufen. Zumindest noch nicht. Dass ihr Antrag gerade abgelehnt worden war, bestärkte sie nur noch mehr in ihrer Entschlossenheit, ihr Ziel zu erreichen.

„Wie ist es gelaufen?“, rief Rebecca ihr gedämpft zu.

Karina ging zu ihrer Freundin am Schalter hinüber, die normalerweise Becca genannt wurde. „Eine absolute Nullnummer“, meinte sie kopfschüttelnd. „Offensichtlich bin ich keine gute Kandidatin für einen Kredit.“

In Anbetracht ihrer Herkunft schon beinahe absurd. Früher wären ein paar hunderttausend Dollar für sie nichts weiter als Peanuts gewesen. Heute jedoch lebte sie von ihrem Gehalt als Krankenschwester des Medizinischen Zentrums in dem ländlichen Kleinstädtchen Motueka, weit weg von ihrem früheren glamourösen Leben. Sie hatte ein bisschen Geld zur Seite gelegt, was aber bei Weitem nicht reichte, um Logan Pascale auszuzahlen.

„Glaub das bloß nicht“, erklärte Becca ungehalten.

„Ich habe ihm das Wertgutachten gezeigt und vorgeschlagen, den Kredit über dreißig Jahre abzuzahlen“, antwortete Karina. Dann stünde sie mit vierundsechzig zwar kurz vor der Rente, aber es wäre die Sache wert.

Becca lehnte sich zu ihr. „Eigentlich sollte das überhaupt keine Rolle spielen. Aber du bist eben keine Einheimische. Wenn man aus der Großstadt kommt, ist das hier fast so, als wäre man aus einem anderen Land.“

„Ja, ich weiß.“ Karina seufzte. „Ich wette, er hat im Internet nach mir recherchiert.“

„Willst du dich denn wirklich mit einer Hypothek belasten? Könntest du nicht ausnahmsweise mal jemanden aus deiner Familie um das Geld bitten?“, fragte Becca.

„Was?“ Karina schauderte. Und damit zugeben, dass ihr Vater mit seiner Ansicht recht behalten hätte, dass sie es alleine nicht schaffen würde? „Nein!“

Becca würde nicht verstehen, wie viel es Karina bedeutete, auf eigenen Beinen zu stehen und das Richtige für einen kleinen Jungen zu tun, der vollkommen auf sie angewiesen war.

„Das kann ich nicht“, fügte sie etwas ruhiger hinzu.

„Ich habe mir schon gedacht, dass du das sagen würdest. Aber lass dich nicht von deinem Stolz beherrschen“, entgegnete Becca, direkt wie immer.

„Für Mickey tue ich alles.“

Mickey, der Junge, den Karina liebte wie ein eigenes Kind. Als einer seiner beiden Vormunde war sie fest entschlossen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sein Zuhause zu erhalten. Das hatte sie seinen Eltern versprochen.

„Wie geht es dem kleinen Racker? Ich habe ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen“, stellte Becca fest.

„Mickey ist toll“, erklärte Karina. „Nur die üblichen kleinen Problemchen. Zu wenig Honig auf seinem Toast, der falsche Pullover für den Kindergarten, solche Sachen.“

„Du schlägst ihm bestimmt nie etwas ab, oder?“

„Wie könnte ich, wenn er mich so lieb angrinst? Aber heute Morgen ist er sehr anhänglich gewesen und wollte nicht in den Kindergarten“, erzählte Karina. „Ziemlich ungewöhnlich. Er meinte, ihm würde der Bauch wehtun.“

„Hast du darauf bestanden, dass er hingeht?“

Achselzuckend erwiderte sie: „Jonty passt auf ihn auf, solange ich hier bin.“

Becca wandte sich wieder dem ursprünglichen Thema zu. „Was willst du jetzt tun, um Dr. Pascale auszuzahlen?“

„Kennst du vielleicht einen Millionär mit einem Haufen Geld unterm Bett?“

„Soll er auch noch ein sexy Adonis sein?“, fragte Becca belustigt.

„Reich und sexy? Alles in einem Paket? Wo ist der Haken?“ Karina hatte genau dieses Paket schon gehabt und kannte die entsprechenden Fallstricke nur allzu gut.

„Einen solchen Kerl kenne ich hier in der Gegend leider nicht.“ Becca lachte.

Karina musste ebenfalls lachen. „Ist vielleicht auch besser so.“

„Du willst dich also immer noch nicht auf dem Dating-Markt umschauen?“

„Bloß nicht. Ich bin froh, selbst über mein Leben bestimmen zu können“, erklärte Karina.

„Hast du schon gehört, wann der gute Doktor hier eintreffen soll?“, erkundigte sich Becca neugierig.

„Kein Sterbenswörtchen. Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt schon aus Afrika abgereist ist.“ Hoffentlich war er immer noch in der Wildnis da draußen, um die Menschen dort medizinisch zu versorgen. „Je länger ich nichts von ihm höre, desto mehr Zeit habe ich, um eine Lösung für das Haus zu finden.“

Dennoch wurde es allmählich knapp.

„Hast du mal überlegt, wie er so ist?“, fragte Becca. „Auch wenn er keine Millionen unterm Bett hat, könnte er ja trotzdem sexy sein.“

„Als ob das irgendwas ändern würde!“

Die Situation war ohnehin schon kompliziert genug, dadurch dass sie das gemeinsame Sorgerecht für Mickey besaßen. Zudem waren sie auch beide zu gleichen Teilen Eigentümer des Hauses und des angeschlossenen Medizinischen Zentrums. Und dennoch hatten sich Logan Pascale und Karina noch nie kennengelernt, was ihr sehr angenehm war.

Seit dem Tod von Maria und James hatte sie alles in Gang gehalten. Dr. Pascale war nicht zur Beerdigung seines Bruders und seiner Schwägerin erschienen. Er hatte sich bisher überhaupt noch nicht bei Karina gemeldet, nicht mal telefonisch. Die einzige Kommunikation fand über die Anwälte statt, die für diese ungewöhnliche, nur zu Mickeys Schutz eingesetzte Partnerschaft tätig waren.

Als ein Brief dieser Anwälte eintraf, der besagte, dass Dr. Logan Pascale die Absicht hätte, das Haus zu verkaufen und den Erlös für Mickeys Zukunft zu investieren, war dies für Karina ein Schlag in die Magengrube gewesen. Ein Gefühl, das sie von früher her kannte. Nur dass sie diesmal nicht nachgeben würde. Dieses Mal würde sie standhalten und sich nicht herumstoßen lassen. Mickey durfte auf gar keinen Fall von all den Erinnerungen an seine Eltern getrennt werden.

Als Karina von Maria und James gefragt worden war, ob sie bereit wäre, Mickeys Vormund zu werden, falls das Undenkbare geschehen sollte, hatte sie versprochen, alles zu tun, um den Kleinen glücklich zu machen. Und nun musste sie dieses Versprechen auch halten.

„Ich sollte jetzt besser nach Hause gehen.“ Sie schaute durch die Glastür und fröstelte bei dem Anblick. „Als ich vorhin hergelaufen bin, hat’s noch nicht geregnet.“ Auch wenn der Himmel grau und düster ausgesehen hatte. „Mein Wagen braucht neue Reifen.“

„Ich würde dir ja meinen Truck anbieten, aber den hat sich mein Bruder heute ausgeliehen.“ Becca reichte ihr einen großen Schirm mit leuchtend blauen Logos darauf. Mit einem Augenzwinkern meinte sie: „Ein Gruß von der Bank. Die sind nur für unsere allerwichtigsten Kunden bestimmt.“

Karina sah die Frau an, die so unerwartet zu ihrer guten Freundin geworden war, und hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. „Danke.“

Der Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht, während sie die High Street hinunterging. Nach Hause, zu Mickey und zur Praxis. Ihr Leben, das sie unter Kontrolle hatte, wie sie gerne dachte.

„Meistens jedenfalls“, murmelte sie vor sich hin.

Da der Regen immer stärker wurde, war ihr Rock innerhalb weniger Minuten vollkommen durchnässt und die Bluse vorne mehr als feucht. Der Blazer war nicht dazu gedacht, zugeknöpft zu werden. Sehr elegant, aber total unpraktisch für ihren neuen, bodenständigeren Lebensstil. Sie eilte über den Gehweg, wobei sie es schnell aufgab, den Pfützen auszuweichen. Normalerweise wäre sie den ganzen Weg gejoggt, aber da sie acht Zentimeter hohe, dünne Absätze trug – nur um einen unfreundlichen Banker zu beeindrucken –, wäre das wohl doch etwas zu gewagt gewesen.

Die kühle Luft half kaum gegen ihren Ärger darüber, dass ihr der Kredit verweigert worden war. Jetzt musste Karina eine andere Möglichkeit finden, das nötige Kapital aufzubringen. Nur wie?

Rasch verbannte sie ihre Enttäuschung und das Gefühl von Ungerechtigkeit tief an den Ort in ihrem Innern, der unüberwindbaren Problemen vorbehalten war. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Vor dem Mittagessen musste sie noch Jontys Verband wechseln. Die Wunde hatte er sich zugezogen, als er im Hühnergehege gefallen und mit dem Unterarm an einem Pfahl hängen geblieben war.

Der gute alte Grumpy Jones. Insgeheim liebte Karina ihn. Trotz seiner mürrischen Art besaß er einen weichen Kern und war unglaublich hilfsbereit. Ohne ihn hätte sie den Garten nie rechtzeitig umgraben können, um Zwiebeln und Kartoffeln zu setzen. Zwar hatte er sich bei jeder Bewegung beklagt, aber als Karina ihm den Spaten abnehmen wollte, hatte Grumpy sie sofort angeraunzt.

Bei einer heftigen Windbö schlug der Schirm nach außen um, sodass Karinas sorgfältig gestylte Frisur einen Wasserguss abbekam und ihre Bluse auf einmal durchsichtig wirkte. Klar, dass der Schirm von der Bank nichts taugte. Das passte zu dem Image des miesepetrigen Filialleiters.

Nachdem sie das Tor zur Einfahrt hinter sich abgeschlossen hatte, drehte Karina sich zum Haus um und stöhnte. Das Loch im Asphalt lief über und verursachte einen strömenden Wasserbach zur Straße hinunter. Wasser, überall Wasser …

„Das ist ja so verlockend.“ Sie lachte. Dann konnte sie ja heute auch ein bisschen Spaß haben und sich wie die Übeltäterin benehmen, für die Mr. Pederson sie hielt. Auf einer solchen Hoffnungslosigkeit musste man einfach herumtrampeln. Und zum Teufel mit den Schuhen. Vermutlich würde sie sie sowieso nie wieder tragen.

Karina holte tief Luft, sprang in die Höhe und landete mit beiden Füßen mitten in dem flachen Loch. Das schlammige Wasser spritzte in alle Richtungen, ihre Beine eingeschlossen. Rauf, runter, platsch, platsch. Sie tat so, als wären die Tränen in ihren Augen Freudentränen und keine Tränen der Verzweiflung über ihre Unfähigkeit, die jetzige Krise zu bewältigen.

„Das will ich auch!“, schrie Mickey von der Veranda her.

„Na, dann komm.“

Das Bauchweh war also vorbei. Besorgt beobachtete Karina, wie er auf sie zurannte.

„Langsam!“, mahnte sie. Andererseits war ihr auch bewusst, dass seine Erkrankung ihn nicht einschränken sollte.

Platsch! Ein breites Grinsen erschien auf Mickeys rundem Gesicht. Mit gebeugten Knien sprang er mit voller Kraft in die tiefste Stelle, die er finden konnte. Sein begeistertes Geschrei erfüllte die Luft, und bald lachte auch Karina aus vollem Herzen. Zur Hölle mit Banken, Geld und all dem Kram. Das hier war das wahre Leben: sich über die kleinen Dinge zu freuen und vor allem Spaß mit diesem Jungen zu haben, den sie so sehr liebte.

Als Mickey völlig durchnässt war, nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn zum Haus. „Jetzt ziehen wir uns erst mal was Trockenes an, und dann gibt’s einen heißen Kakao.“

„Echt?“, schrie er. „Wirklich?“

„Na klar.“ Leichtfüßig lief Karina die Treppe hoch und schleuderte die Schuhe von sich. „Ist Mr. Grumpy hier oder im Schuppen?“

„Im Haus.“

Sie zog Mickey Schuhe und Socken aus. „Ab ins Bad mit dir, und zieh dich aus. Ich hol dir frische Sachen.“

„Und der Kakao?“

„Sobald du umgezogen bist.“ Liebevoll fuhr sie ihm übers Haar, schob ihn hinein und schlug die Tür hinter sich zu. In einer Ecke ließ sie ihre klatschnasse Handtasche und den nutzlosen Schirm stehen. Dann wollte sie in ihr Schlafzimmer gehen, blieb jedoch unvermittelt stehen, als ein Mann auf sie zukam.

„Wer sind Sie?“, stieß sie verblüfft hervor. Doch nach ihrer Gänsehaut zu schließen, hatte sie bereits eine Ahnung. So viel also zu der Hoffnung, es würde noch wochenlang dauern, bis er eintraf. Heute war einfach nicht ihr Tag.

„Logan Pascale.“ Der hochgewachsene, schlanke und braun gebrannte Mann streckte ihr die Hand entgegen. „Und Sie sind Karina Brown?“ Seine Augen waren groß und definitiv nicht auf ihr Gesicht gerichtet.

Mechanisch gab sie ihm die Hand und versuchte, ihn direkt anzusehen. Doch er starrte etwas unterhalb ihrer Kinnhöhe an. Als sie seinem Blick folgte, schnappte Karina nach Luft. Die nasse Kleidung klebte an ihr, und die Bluse wirkte transparenter, als wenn sie gar nichts angehabt hätte. Ihre Brüste wölbten sich deutlich unter dem durchsichtigen Spitzen-BH.

Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken.

Da jedoch nichts geschah, kratzte sie ihren letzten Rest an Stolz zusammen. „Ja, das ist richtig.“ Mit hoch erhobenem Kopf musterte sie den Fremden, in dessen warmer, kräftiger Hand die Zukunft von Mickeys Zuhause lag. Hastig befreite Karina sich aus seinem Griff, wich einen Schritt zurück und betrachtete den Mann erneut.

„Jonty hat mich reingelassen. Er ist kurz nach Hause gegangen“, erklärte er.

Obwohl ihr wegen der Nässe allmählich kalt wurde, spürte sie, wie eine plötzliche Hitze ihren gesamten Körper durchströmte. Vom Bauch hinunter zu den Zehen und bis zu ihrem Gesicht. Logan war für ihren Geschmack vielleicht etwas zu mager, doch ihrem Gefühl schien das egal zu sein. Sein Gesicht wirkte hager, als müsste er aufgepäppelt werden. Aber es waren seine Augen, die Karina fesselten. Durchdringend und zurückhaltend, aber zugleich mit einem Hauch von Humor und Mitgefühl. Eine beunruhigende Mischung.

Oh, Mann, das war absolut falsch. Trotzdem konnte sie nicht aufhören, ihn anzustarren.

Groß. Na schön, im Vergleich zu ihr war fast jeder groß. Dazu das fantastische, etwas zu lange schwarze Haar und dieser Eintages-Bart, was unglaublich sexy wirkte.

„Karina, ich brauch meine Sachen!“, brüllte Mickey.

„Ich komme!“, rief sie zurück.

„Ich warte in der Küche“, sagte der unverhoffte Gast. „Soll ich schon mal den Kakao machen, den Sie erwähnt haben?“

„Mit Marshmallows, danke.“

Er benahm sich schon so, als würde er hier wohnen. Karina zuckte die Achseln. Krieg dich wieder ein. Logan Pascale gehörte das halbe Haus, und er konnte kommen und gehen, wie es ihm beliebte. Die Hitze, die er in ihr ausgelöst hatte, schwand, und sie öffnete fröstelnd die Schubladen der Kommode, um Kleidung für Mickey herauszusuchen.

Logan hielt alle Trümpfe in der Hand. Er wollte das Haus verkaufen, das sie zu ihrem Heim gemacht hatte in dem Glauben, dass sie noch viele Jahre hier verbringen würde. Er hatte ebenso viele Rechte wie sie, über das Grundstück und Mickeys Zukunft zu entscheiden. Aber hatte er jemals etwas von gemeinschaftlichen Entscheidungen gehört? Sie seufzte, verärgert und frustriert zugleich. Falls Logan glaubte, der Hausverkauf würde seinem Neffen helfen, dann hatte er von Mickey keine Ahnung.

Natürlich nicht. Ein kurzer Besuch pro Jahr bedeutete, dass er den Kleinen kaum kannte. Er hatte keinen Alltag mit ihm erlebt, wusste nicht, was der Junge mochte oder nicht. Ebenso wenig würde er verstehen, welche Auswirkungen das Down-Syndrom auf seinen Neffen hatte.

Zweifellos hatte Logan die Absicht, seine Pläne möglichst schnell in die Tat umzusetzen, damit er bald wieder abreisen konnte. Und dann musste sie mit dem Chaos fertig werden, das er hinterlassen hatte.

Da irrst du dich aber gewaltig, Pascale! Ich bin aus härterem Holz geschnitzt. Damit kommst du nicht durch. Wegen solcher Männer wie dir habe ich ein Rückgrat entwickelt. Männer, die ihren Charme benutzen, um ihre Wünsche durchzusetzen.

2. KAPITEL

Logan ging zur Küche. Sein Lächeln wirkte angespannt. Obwohl er dieses Energiebündel jetzt nicht mehr anstarrte, hatte sich ihr Anblick in sein Gedächtnis eingebrannt. Ihre kleine Gestalt mit der nassen Kleidung, unter der sich jede einzelne ihrer Kurven deutlich abzeichnete. Und dann noch diese riesengroßen braunen Augen in dem elfenhaften Gesicht.

Nach dem Wenigen, was er von ihr wusste, hatte sie ein außerordentlich komfortables Leben mit allem, was dazugehörte, hinter sich gelassen. Ihre pure Lebensfreude überraschte ihn. Als Karina in der Einfahrt herumplanschte, bevor Mickey zu ihr kam, hatte Logan sie für einen Teenager gehalten, der gerade die Schule schwänzte. Jedenfalls nicht für die Krankenschwester, die sich um seinen Neffen kümmerte.

Es war ein angenehmer Schock gewesen, als er feststellte, dass die Kurven nicht zu einem Teenager, sondern zu einer erwachsenen Frau gehörten. Einer sehr verführerischen Frau. Es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, wie er seine Hände über diesen erotischen Körper gleiten ließ. Verdammt. Solche Ablenkungen konnte Logan sich nicht leisten. Auch wenn er in letzter Zeit wie ein Mönch gelebt hatte, musste das noch eine Weile so bleiben. Zumindest solange er in Motueka war, um Mickeys Zukunft zu organisieren. Angefangen mit dem Verkauf des Hauses.

„Kar…ina, wo bist du? Ich bin fertig!“, schrie Mickey, so laut er konnte.

„Ich komme, mein Schatz“, antwortete Karina in einem sanften, fast zärtlichen Tonfall.

Zärtlich. So wie streicheln, berühren. Logan riss sich zusammen und marschierte in die Küche, wo alles makellos sauber aussah. Der absolute Gegensatz zu dem, was er von den überbeanspruchten und unordentlichen Küchen in Nigeria gewohnt war. Dort wurde alle Energie dafür gebraucht, Menschen zu helfen, anstatt Dinge wegzuräumen, die sowieso gleich wieder benutzt wurden. Das hier war mal eine nette Abwechslung. Richtig heimelig.

Oh nein. Dieses Haus sollte verkauft werden. Es sich hier bequem und gemütlich zu machen, kam nicht infrage.

Problemlos fand Logan den Kakao für die Milch, die er zum Erhitzen auf den Herd gestellt hatte. In der Vorratskammer standen auch die Marshmallows gleich neben der Trinkschokolade. Er steckte sich ein Marshmallow in den Mund, während er die Milch umrührte, und genoss den süßen Geschmack auf der Zunge.

Dann kehrte Karina in die kleine Küche zurück und stieß ihn in dem engen Raum bei jeder Bewegung mit den Ellbogen oder ihren Hüften an. Obwohl ihre Rundungen nun unter einer Hose und einem Baumwollhemd verborgen waren, wusste Logan dennoch, wo sie sich befanden. Die Locken in ihrem feuchten Haar begannen zu fliegen.

„Schauen Sie sich das an.“ Mit einem Nicken wies sie auf das Fenster. „Jetzt hat es aufgehört zu regnen. Der war anscheinend nur für mich bestimmt.“ Sie kam näher, um in den Milchtopf zu blicken. „Sieht gut aus. Machen Sie den Kakao für Mickey, bevor die Milch zu heiß wird. Er kann nie warten, bis er abkühlt.“

Logan, der sich bemühte, den Duft nach Rosen und feuchtem Haar zu ignorieren, der Karina umgab, nahm den Becher, den sie ihm hinhielt. „Klar. Seit ich das letzte Mal hier war, ist er enorm gewachsen.“

„Kinder verändern sich oft sehr in einem Jahr.“ Sie stellte zwei weitere Becher auf den Küchenschrank. „Ich nehme an, Sie wollen an unserem Kakao-Gelage teilnehmen?“

„Ja, warum nicht?“

In ihrer Stimme hatte nicht die geringste Schärfe gelegen, und dennoch lösten ihre Worte ein Schuldgefühl in ihm aus, bei dem sich sein Magen schmerzlich zusammenzog. Logan war nicht der beste Onkel oder Bruder gewesen. Das wusste er besser als jeder andere. „Normalerweise wäre ich schon vor zwei Monaten zurückgekommen, wenn es keine außergewöhnlichen Umstände gegeben hätte.“

Wieso wollte er sich vor dieser Frau rechtfertigen? Das ging sie ja eigentlich nichts an. Außer …

„Es tut mir leid, dass Sie seit dem Tod von James und Maria die gesamte Verantwortung für Mickey alleine tragen mussten.“ Ganz zu schweigen von dem Medizinischen Zentrum, das James’ ganzer Stolz gewesen war, Logan jedoch als zu langweilig empfunden hatte.

Achselzuckend erwiderte Karina: „Kein Problem.“

„Sie lieben Untertreibungen, ja?“

Wegen mangelhafter Instandhaltung im Laufe der vergangenen Jahre gab es an dem Haus mehr als genug Schäden. Die Anwälte hatten Logan über jeden einzelnen Mangel informiert. Wenigstens das konnte und würde er in Ordnung bringen. Um zwei Uhr hatte er einen Termin mit einem Immobilienmakler, um das Haus zum Verkauf anzubieten. Die dafür erforderlichen Renovierungsarbeiten wollte Logan in den nächsten paar Wochen selbst durchführen.

„Nicht dass ich wüsste.“ Karina holte eine Dose aus dem Vorratsraum und legte einige Kekse auf einen Teller. „Es tut mir leid, dass Sie die Beerdigung verpasst haben. Wir haben sie so lange hinausgeschoben, wie es irgendwie ging, aber es gelang niemandem, Sie zu erreichen.“

Noch mehr Schuldgefühle.

„In der Regenzeit ist man oft tage- oder sogar wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten.“ Logan hatte nicht vor, ihr zu sagen, dass dort, wo er sich zu dieser Zeit aufgehalten hatte, überhaupt kein Kontakt mit irgendjemandem möglich gewesen war.

Sie legte ihm ihre kleine Hand mit den orangefarbenen Fingernägeln auf den Arm. Jede ihrer Fingerspitzen schien förmlich zu glühen, wärmte seinen kalten Körper und erinnerte ihn an leichtere, unbeschwerte Zeiten.

Leise sagte Karina: „Damit wollte ich Sie nicht kränken. Ich kann Ihre Situation nachvollziehen. James hatte erzählt, wie schwierig es manchmal ist, Sie in Nigeria zu erreichen.“

Wenn es doch nur so einfach gewesen wäre. Als er sie ansah, lag in ihrem Blick nichts als echtes Mitgefühl. Ein Mitgefühl, das seine Entschlossenheit untergrub, distanziert zu bleiben und so schnell wie möglich alles Notwendige zu veranlassen. Dann konnte er wieder zurück in eine Welt, die er verstand.

Nein, er verstand sie nicht mehr.

Seltsam, wie Karinas Blick die Sehnsucht in Logan weckte, sich eine Pause zu gönnen. Hier in diesem ruhigen kleinen Städtchen, wo man sicher war. Wo er jeden Tag langsam angehen konnte, um seinen Körper wieder in Form zu bringen, seinen Kopf zurechtzurücken und seinen Neffen kennenzulernen. Ja, sogar um Karina Brown näher kennenzulernen.

Abrupt entzog er ihr seinen Arm. „Wenn es mir irgendwie möglich gewesen wäre zu kommen, dann hätte ich es getan.“ Um sich zu beruhigen, holte er tief Luft. „Aber es ging einfach nicht.“

Hätte er auch nur einen Fuß aus seiner Gefängnishütte gesetzt, wäre er sofort von Kugeln durchlöchert und sein Körper den Fliegen und Geiern zum Fraß überlassen worden.

Heiße Milch spritzte auf die Arbeitsplatte, als er die Becher füllte.

Rasch wischte Karina sie auf, ehe sie zwei Marshmallows in jeden Becher legte. „Mickey, setz dich richtig an den Tisch. Und du kannst einen Keks vor dem Mittagessen haben.“

Sie setzte sich neben den Jungen und hielt mit nachdenklichem Ausdruck den Becher in beiden Händen.

„Wie ist es bei der Bank gelaufen?“, erkundigte sich Logan.

„Woher wissen Sie, dass ich dort war?“ Sie drehte den Becher zwischen ihren Händen.

„Jonty hat es erwähnt, nachdem ich mich vorgestellt hatte.“

„Das überrascht mich.“ Seufzend stand Karina auf. „Ich geh mal schnell rüber in die Praxis, um zu schauen, ob ich vor dem Lunch noch gebraucht werde. Passen Sie bitte solange auf Mickey auf, ja?“

Oh nein. Am Arm hielt Logan sie zurück. „Ich war schon drüben. Da ist alles unter Kontrolle.“

„Sie haben meine Praxis überprüft?“ Ihre Augen schienen noch größer zu werden.

„Ist es nicht unsere Praxis?“, fragte er ruhig. „Ich habe gar nichts überprüft. Ich habe mich nur vorgestellt.“

Karina ließ die Schultern sinken, befreite ihren Arm und setzte sich wieder auf ihren Stuhl. „Ja, ich war bei der Bank. Und nein, sie wollen mir das Geld nicht leihen, das ich brauche, um Sie auszuzahlen. Noch irgendwelche Fragen?“, fuhr sie ihn an.

Logan zog ebenfalls einen Stuhl hervor, drehte ihn um und setzte sich rittlings darauf, die Arme über der Lehne gekreuzt. „Warum wollen Sie mich auszahlen? Ist es nicht sinnvoller, diesen alten Kasten mit dem riesigen Gelände zu verkaufen und ein neues, komfortables Haus zu kaufen?“

„Nein. Das hier ist Mickeys Zuhause. Der Ort, an dem er sich an seine Mum und seinen Dad erinnern kann“, erklärte sie. „Ich werde ihn nicht von hier wegzerren. Er ist sowieso schon oft sehr traurig.“

„Verstehe.“

„Wirklich?“ Sie hob die perfekt gezupften Augenbrauen. „Was ist mit der Praxis? Wenn das Haus verkauft wird, wo soll die dann hin?“

„Ich dachte, das wäre das Letzte, womit Sie sich belasten wollen“, erwiderte er. „Ich weiß, dass Sie Mühe haben, einen Allgemeinmediziner in Vollzeit zu finanzieren.“

Bisher hatte Karina sich mit Vertretungsstellen beholfen. „Haben Sie vielleicht vor, die Praxis zu übernehmen?“

Logan sprang auf. „Sind Sie verrückt?“

In einer Kleinstadt arbeiten und so alltägliche Dinge wie Erkältungen, Magen-Darm-Erkrankungen und hohen Blutdruck behandeln? Für immer? „Das würde nicht funktionieren, glauben Sie mir.“

Er schaute aus dem Fenster auf die Einfahrt mit dem Loch, das dringend repariert werden musste, und fluchte im Stillen. Niemals. Er wollte Menschen helfen, die keine Wahl hatten. Die für jede Hilfe dankbar waren, die sie kriegen konnten. Menschen, die so schnell kamen und gingen, dass sie keinen bleibenden Eindruck in seinem Leben hinterließen.

Mickey hämmerte mit seinem Becher auf den Tisch. „Ich will mit Mr. Grumpy spielen!“

Autor

Sue MacKay
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