Zum 50-Jahre-Jubiläum: 5 starke Prinzen

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Seit 50 Jahren steht Julia für Liebesromane der Extraklasse: starke, mächtige Männer, hinreißende Frauen, zärtliche Romantik und prickelnde Leidenschaft an glamourösen Schauplätzen – Happy End garantiert! Der CORA Verlag möchte dieses Jubiläum gebührend feiern – feiern Sie mit!
Dieses Jubiläums-eBundle enthält die schönsten Prinzen-Romane aus der Reihe Julia:

DER PRINZ UND DIE SCHÖNE UNSCHULD von CAITLIN CREWS
"Darf ich Ihnen im Namen des Königreichs Atilia mein Beileid aussprechen?" Pia ist schockiert! Als sie diesen Mann das letzte Mal gesehen hat, lag er schlafend im Bett, während sie sich heimlich aus der Suite des Luxushotels stahl: nicht länger unschuldig, erschrocken über die Dinge, die er ihr beigebracht hat, und überzeugt davon, dass sie ihn nie wiedersieht. Doch jetzt trifft die schöne Erbin ihn beim Begräbnis ihrer Eltern: Er ist der Kronprinz von Atilia! Der ihr tief in die Augen sieht - bis ihr Bruder ihn vor allen Trauergästen wütend zur Rede stellt …

CINDERELLA UND DER GRIECHISCHE MÄRCHENPRINZ von JULIA JAMES
"Heiraten Sie mich!" Fassungslos schaut Rosalie den feurigen Xandros Lakaris an. Gestern noch war sie eine bettelarme Putzfrau im verregneten London, jetzt sitzt sie in einem eleganten Jachthafen-Restaurant in der Ägäis und muss nur Ja zu dem einflussreichen Tycoon sagen. Dann erwartet sie ein Leben in Luxus! Doch das verlockende Arrangement ist gefährlich: Rosalie hat sich auf den ersten Blick in diesen griechischen Märchenprinzen verliebt – für den die Ehe auf Zeit nur ein Geschäftsdeal mit ihrem Vater ist!

DER LIEBESSCHWUR DES PRINZEN von MAYA BLAKE
Kronprinz Remirez Montegova, einer der begehrtesten Junggesellen der Welt, will sie heiraten? Kellnerin Maddie ist fassungslos! Sie weiß natürlich, dass er das nur vorschlägt, um von einem Skandal abzulenken. Aber im Gegenzug ist er dazu bereit, die teure Operation ihres schwer kranken Vaters zu bezahlen, und so sagt sie Ja. Doch der pikante Deal mit dem Prinzen wird für Maddie zu einem Desaster – für ihr eigenes Herz. Denn in atemlosen Nächten verliebt sie sich rettungslos in Remi. Während er doch seine Liebe einer anderen geschworen hat …

MEIN GELIEBTER, MEIN PRINZ von SHARON KENDRICK
Er ist ihr Held – ihr Retter aus höchster Not: Nico, ein blendend aussehender Italiener, hat Ella vor Schlimmem bewahrt. Doch sie empfindet nicht nur Dankbarkeit für den charmanten Mann und schwebt im siebten Himmel, als er sie voller Begehren küsst. Aber ihre süßen Tage der zärtlichen Leidenschaft enden jäh: Nico hat verschwiegen, wer er wirklich ist: ein Prinz, der schon bald in seinen Palast zurückkehren muss. Traurig reist Ella allein nach England zurück. War sie für Nico nur eine Gespielin auf Zeit?


  • Erscheinungstag 01.06.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522236
  • Seitenanzahl 800
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Caitlin Crews
Originaltitel: „His Two Royal Secrets“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 122020 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733714215

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Für uns zählt nur das Blut − das königliche Geblüt“, hatte Kronprinz Ares’ herrischer Vater seinem Sohn schon als Fünfjährigem erbarmungslos gepredigt.

Doch natürlich hatte Ares nicht begriffen, was der König damit meinte. Er wusste nicht, was sein Vater unter Geblüt verstand, oder was das ihm, dem jungen Prinzen, abverlangte. Mit fünf war Ares wichtig, wie viele Stunden er täglich durch die Palastanlagen toben konnte − außerhalb der Befehlsgewalt seiner Nanny, die ständig versuchte, einen Gentleman aus ihm zu machen.

Dennoch hatte Ares schmerzlich erfahren müssen, dass keiner es wagen durfte, seinem Vater zu widersprechen.

Der König hatte immer recht. Sich gegen den König aufzulehnen, war töricht.

Mit zehn wusste Prinz Ares dann genau, was sein Vater mit königlichem Blut meinte − aber er konnte es nicht mehr hören. Es war doch nur Blut. Niemand machte eine große Sache daraus, wenn er sich das Knie schrammte − dennoch musste er sich unerbittlich das Gerede von der Wichtigkeit des Geblüts anhören.

Schließlich war es das gleiche Blut, das aus den Schrammen quoll, wenn Ares ungezogen war, was seiner alten Nanny graue Haare bescherte.

„Du bist nicht wichtig“, hielt sein Vater ihm erbost vor, wenn er zu ihm bestellt wurde. „Du bist nur ein Glied in einer endlosen Folge von Königen − nicht mehr!“

Unbeherrscht schleuderte der König Flaschen und Karaffen nach Ares, wenn er sich in seinen Privatgemächern wieder einmal über seinen Sohn austobte. Ares hasste diese Vorladungen, doch niemand fragte ihn, ob sie ihm gefielen.

Wie oft hatte man ihn ermahnt, sich nicht zu rühren, wenn sein Vater wütete. Dann hieß es stillsitzen, geradeaus blicken, keine Regung zeigen. Für den zehnjährigen Ares die reinste Qual.

„Dein Vater sucht eine Art Blitzableiter“, versuchte seine Mutter ihm mitfühlend klarzumachen, wenn sie sich später zu ihm setzte und ihm liebevoll die Wangen streichelte. „Sitze aufrecht und gerade da, wenn es wieder einmal so weit ist … du darfst nicht blinzeln, dir nie anmerken lassen, was in dir vorgeht.“

„Und wenn ich etwas zurückschleudere?“

Das entlockte der Königin nur ein trauriges Lächeln. „Auf keinen Fall. Bitte nicht, mein Sohn.“

Im Lauf der Zeit war das Ganze für Ares zu einer Art Spiel geworden. Stocksteif mimte er die Statue, als die er die königliche Galerie im Nordpalast des sagenumwobenen Inselreichs Atilia eines Tages zieren würde − ganz aus Marmor und Gold, mit einer Abstammungsplakette, auf der seine Errungenschaften verzeichnet sein würden.

„Seit Jahrhunderten trägt unser Königshaus die Krone Atilias“, donnerte sein Vater wieder einmal, während Ares sich einzureden versuchte: Ich bin aus Stein . „Und jetzt ruht die Königswürde ausgerechnet auf deinen Schultern … eines Schwächlings, von dem ich kaum glauben kann, dass ich ihn gezeugt habe.“

Ein Block aus Stein, sagte Ares sich dann, während er starr aus den Fenstern aufs Meer hinausblickte.

Als junger Mann hatte Ares die Kunst perfektioniert, in Gegenwart seines Vaters tödlich stillzusitzen. Ja, er hatte diese Kunst sogar noch verfeinert, weil er inzwischen sicher war, keinen Tropfen des Blutes des alten Königs in den Adern zu haben. Er hasste seinen Vater und konnte unmöglich mit ihm verwandt sein.

„Solche Dinge darfst du nie aussprechen“, warnte seine Mutter ihn dann ermattet und blickte ihn flehend an. „Niemand am Hof deines Vaters darf je an deiner Abstammung zweifeln, Ares. Versprich es mir.“

Und natürlich hatte er es ihr versprochen. Für seine Mutter tat er alles.

Dennoch war dem Kronprinzen nicht immer danach, Statue zu spielen. Gelegentlich funkelte er seinen Vater so rebellisch an, dass der König sich vergaß und etwas nach ihm schleuderte, statt an die Palastmauern.

„Du bist eine einzige große Enttäuschung für mich“, brüllte der Alte ihn bei jeder Vorladung an – die glücklicherweise nur wenige Male im Jahr stattfand. Normalerweise wurde Ares auf irgendein Internat in Europa abgeschoben. „Wieso hat das Schicksal mich mit einem so schwachen, unverschämten Erben bestraft?“

Was Ares natürlich veranlasste, die schlimmsten Erwartungen seines Vaters zu erfüllen.

Er stürzte sich ins pralle Leben … genoss das süße Leben in allen Teilen der Welt in vollen Zügen.

Für ihn war Europa ein einziger großer Spielplatz. Er fand Freunde in den schrecklich vornehmen Internaten, aus denen er regelmäßig schnell wieder herausflog. Gemeinsam mit seinen reichen, gelangweilten Kumpeln zog er über den Kontinent − von den Alpen zu den Stränden am Mittelmeer und zurück. Er tummelte sich auf Underground-Partys in Berlin, feierte wilde Orgien auf exklusiven Superjachten an den glamourösen Plätzen des Mittelmeers.

„Du bist jetzt ein Mann“, erklärte sein Vater ihm verbittert an Ares’ einundzwanzigstem Geburtstag. „Jedenfalls dem Alter nach.“

Nach den Gesetzen des Inselreichs wurde der königliche Erbe nun offiziell zum Kronprinzen und Nachfolger des Königs ernannt. Damit war Ares’ Platz in der Thronfolge und damit auch die Rangfolge seiner Nachkommen endgültig festgeschrieben.

Noch mehr Geschwafel über das Geblüt, dachte Ares, der das einfach nicht mehr hören konnte. Längst fand er viel mehr Spaß an gesellschaftlichem Glanz − und was er anstellen konnte, wenn er erst einmal Zugriff auf sein eigenes Riesenvermögen hatte.

„Keine Sorge, Vater“, versicherte er dem Monarchen nach der Ernennung zum Thronfolger. „Ich habe nicht vor, dich jetzt als dein endgültiger, offizieller Erbe weniger zu entsetzen als bisher.“

„Du hast dich genug ausgetobt, um den Planeten doppelt zu bevölkern“, erboste sich der alte König.

Ares machte sich nicht die Mühe, ihm zu widersprechen − weil der alte Herr da gar nicht so falschlag. Das wäre zu unverschämt gewesen … obwohl König Damascus selbst berüchtigt war für sein wildes Sexleben …

Aber er war ja auch seit der Kindheit mit Ares’ Mutter verlobt gewesen.

Ein weiterer Grund, warum Ares seinen Vater hasste.

„Du billigst das nicht?“ Längst hatte Ares aufgehört, in den Gemächern seines Vaters Statue zu spielen.

Inzwischen war er ein erwachsener Mann − der Thronerbe und zukünftige Herrscher über das Inselkönigreich – und war berechtigt, überall im Namen der Krone aufzutreten, die er eines Tages tragen würde. Selbstbewusst stand er am Fenster und ließ den Blick auf sanfte Hügel und das kristallklare blaue Wasser auf sich wirken.

Vor ihm breitete sich das Ionische Meer aus … mit dem Gemurmel der Wellen, dem zarten Blütenduft, den die Brise herübertrug. Das alles würde irgendwann sein Atilia sein …

Dann brauchte er keine Rücksicht mehr zu nehmen auf den König und dessen Gewohnheit, Vasen zu zerschmettern und in Wutanfälle auszubrechen.

„Höchste Zeit, dass du heiratest“, fuhr der Alte fort.

Amüsiert drehte Ares sich zu ihm um, lachte schallend, als er merkte, dass sein Vater es ernst meinte. „Sicher kannst du dir denken, wie scharf ich darauf bin.“

„Ich wage nicht, mir auszumalen, was du als unverheirateter Thronerbe alles anstellen wirst.“

„Dir wird wohl nichts anderes übrigbleiben“, hielt Ares ihm nur spöttisch vor, was sein Vater an ihm nicht kannte. „Ich habe nicht die Absicht, jemals zu heiraten.“

An dem Tag zerschmetterte sein Vater die kostbare Karaffe, ein dreihundertfünfzig Jahre altes, unschätzbares Familienerbstück. Direkt neben Ares zerbarst das Prunkstück in tausend Scherben, doch er zuckte mit keiner Wimper, blickte den Alten nur ungerührt an.

Doch damit war etwas in Ares zerbrochen.

Nicht wegen des Splitterregens, der auf ihn hinunterprasselte, sondern wegen des Wutausbruchs seines Vaters. Ares ertrug es einfach nicht mehr.

Es war der ganze hässliche Auftritt … das Titelgehabe, das hochtrabende Gerede vom Königreich, das Geschwafel vom königlichen Geblüt, das seinem Vater so viel bedeutete. Seine Eltern hatte Ares kaum zu Gesicht bekommen … nur eine endlose Parade von Bediensteten, die ihn gelegentlich seinem Vater vorgeführt hatten. Und auch nur dann, wenn sie hoffen konnten, dass der Prinz sich anständig aufführte.

Wenigstens halbwegs.

Am liebsten würde Ares darauf verzichten, ein Prinz zu sein. Dann müsste er das idiotische Blut nicht an die nächste Generation weitergeben.

Er hatte nicht die Absicht zu heiraten.

Und Kinder wollte er schon gar nicht.

Vielleicht lag es sogar an dem Geblüt und der Krone, dass aus seinem Vater ein Monster geworden war. Für Ares war der Mann ein Ungeheuer. Seiner Frau, der Königin, gegenüber verhielt er sich eiskalt, aber beherrscht … doch Ares bekam die Karaffen und Wutanfälle ab. Und er hatte nicht vor, das Blut eines Tobsüchtigen an seine Kinder weiterzugeben. Nie und nimmer.

„Du hättest deinen Vater nicht so reizen dürfen, Ares“, hielt seine Mutter ihm Jahre später sanft vor, nachdem sein Vater ihn wieder einmal mit Gerede vom Heiraten in den Ohren gelegen hatte. Da war Ares sechsundzwanzig. „Sonst müssen wir Kristallkaraffen aus dem Südpalast kommen lassen.“

Das Wirtschafts- und Handelszentrum mit dem offiziellen Regierungssitz der Herrscherfamilie befand sich auf der nördlichsten Insel des alten Königreichs Atilia, während der Südpalast mit seinen herrlichen mediterranen Stränden der Erholung und Freizeit diente, wo man atmen und sich frei fühlen konnte, wenn die Last der Staatsgeschäfte zu erdrückend wurde.

Nicht dass Ares diese Bürde auf sich zu nehmen gedachte. Er hielt sich lieber auf der Südinsel auf. Nach offiziellen Pflichtreisen durch die Welt gönnte er sich dort ausgiebige Erholungswochen, bis sein Vater ihn zu sich bestellte, wo Ares endlos langweilige Predigten über Geblüt und Verpflichtungen über sich ergehen lassen musste.

„Ich verstehe einfach nicht, was den Alten antreibt“, bemerkte Ares trocken. „Täte ich es, wären die letzten zwanzig Jahre anders verlaufen. Dann hätte es im Palast nicht so viel Krach und Scherben gegeben.“

Wie so oft, hatte seine Mutter daraufhin nur traurig gelächelt. Weil sie ihn vor seinem Vater nicht retten, den König nicht dazu bringen konnte, den Kronprinzen so zu behandeln wie sie – eiskalt und gleichgültig. „Es ist nicht verwerflich, sich Gedanken über die nächste Generation zu machen“, hatte sie zu bedenken gegeben.

„Ich habe es einfach nicht in mir“, hatte Ares ausgesprochen, was er seit Jahren wusste, und die verhärmten Züge seiner geliebten Mutter betrachtet. „Falls du mir das Heiraten schmackhaft machen willst und etwas gut daran findest, Königin dieser Inseln zu werden, kann ich dieses zweifelhafte Vergnügen niemandem empfehlen.“

Das stimmte leider. Auch, dass Ares das Leben genießen wollte. Zwar bewohnte er im Saracen House auf der Nordinsel einen separaten Palastflügel, doch dort ließ er sich praktisch nie blicken. Lieber hielt er sich im turbulenten Berlin oder in London auf, wo das wahre Leben pulsierte. Oder im aufregend verrückten New York, wo es Tag und Nacht rundging.

Eigentlich an jedem Ort, wo sein Vater nicht in Erscheinung trat.

Im Übrigen hatte Ares noch keine Frau kennengelernt, mit der er mehr als eine Nacht verbringen wollte. Und schon gar nicht ein ganzes Leben – voller Pomp, Tradition und Standesdünkel . Die Frau, für die er seine Meinung änderte, musste erst noch geboren werden.

Dass es sie nicht gab, bereitete ihm keinerlei Kopfschmerzen.

„Ich sehe, wie du mich betrachtest, Ares“, bemerkte seine stets elegante Mutter. Wie so oft saß sie würdevoll und kerzengerade in ihrem Lieblingsraum des Palasts, in das die Sonne hell hereinschien. „Aber ich weiß noch gut, wie es war, jung und voller Lebenshunger zu sein.“

„Bitte komm mir nicht mit Geschichten aus deiner tollen Jugendzeit“, wehrte Ares ab. „Mir kommt es eher so vor, als hättest du sie im Kloster verbracht.“

Das geheimnisvolle Lächeln der Königin beruhigte Ares. Er konnte nur hoffen, dass seine Mutter auch Schöneres kennengelernt hatte als die trostlose Ehe mit seinem gefühlskalten Vater.

„Du musst dir eine Frau aus deinen Kreisen suchen“, drängte seine Mutter ihn liebevoll. „Wie immer eure Beziehung wird – was ihr Eheleute untereinander ausmacht –, sie muss eine Königin ohne Makel sein. Das gilt auch für die Kinder, die ihr habt. Verstehst du, was ich meine?“

Das verstand Ares nur zu gut. Doch da hatte er eigene Vorstellungen.

„Klar.“ Ares lachte unbekümmert. „Dass ich mit dem Heiraten möglichst lange warten sollte.“

Als Ares Mitte dreißig war, starb seine Mutter unerwartet: Krebs im Endstadium, der viel zu lange unentdeckt geblieben war. Ares stand immer noch unter dem Schock des Verlusts, als sein Vater ihn Monate nach ihrer Beerdigung in den Nordpalast zitierte.

„Es war der Herzenswunsch deiner Mutter, dass du heiratest“, eröffnete der König ihm und schwenkte drohend ein schweres Kristallglas. „Dein königliches Geblüt gebietet, dass du endlich deine Pflicht erfüllst, Ares. Spiel und Spaß sind vorbei.“

Doch Ares war nun mal nicht nach Pflichten zumute, die sein königliches Geblüt ihm auferlegten.

Seine geliebte Mutter hatte ihm ihre wie einen Schatz gehüteten Tagebücher hinterlassen, und da Ares sie schmerzlich vermisste, vertiefte er sich in die Eintragungen, um sich ihr nahe zu fühlen.

So erfuhr Ares die Wahrheit über seine Eltern – oder, besser gesagt, seinen Vater und ihre königliche Ehe. Nach Ares’ Geburt hatten die Ärzte seinen Eltern klargemacht, dass die Königin keine Kinder mehr haben konnte. Danach hatte sein Vater sich keinen Zwang auferlegt und war öffentlich mit wechselnden Geliebten aufgetreten.

Natürlich hatte Ares schon als Junge gemerkt, welche Rolle die „netten Damen“ bei Hof in Wirklichkeit spielten.

Sein Vater hatte seiner Mutter das Herz gebrochen … rücksichtslos, wenn er mit wieder einer anderen Geliebten ins Bett ging.

Das machte Ares’ Beziehung zu seinem Vater noch unerträglicher. Er hasste den Mann aus tiefstem Herzen.

„Sie haben meine Mutter ständig schamlos betrogen.“ Bewusst siezte er den Alten und ballte die Hände zu Fäusten. „Und jetzt, nach ihrem Tod, wagen Sie es, auf ihre Herzenswünsche zu pochen?“

Der König verdrehte die Augen. „Ich bin es leid, dich mit Samthandschuhen anzufassen und deine dreisten Weigerungen hinzunehmen.“

„Wenn Ihnen so viel an der königlichen Abstammung liegt, schlage ich vor, Sie kümmern sich selbst um die Nachfolge, Hoheit! Ich habe nicht vor, die Drecksarbeit für Sie zu machen. Also müssen Sie sich schon selbst ins Zeug legen, mein ach so frauenfreundlicher königlicher Vater und Gebieter. Merken Sie sich eins: Mit mir können Sie nicht rechnen.“

Wütend brauste der König auf: „Das überrascht mich nicht. Schwächling bleibt Schwächling! Am liebsten würdest du deinen Thron verschenken.“

Warum nicht? dachte Ares. Er hatte den Thron nie gewollt. Und schon gar nicht Kinder. Er wollte frei sein − mehr nicht! In dem kalten Lügenpalast sollten keine Kinder aufwachsen.

Nie und nimmer würde er eine Frau behandeln wie sein Vater seine Mutter.

Der König heiratete sofort wieder – eine Frau, die jünger war als Ares. Der mit seiner Weigerung, zur Hochzeit zu erscheinen, einen Skandal auslöste.

Das Königreich stand Kopf. Die königlichen Berater waren außer sich.

„Der Thron ist befleckt“, ereiferte sich der Kabinettsminister Sir Bartholomew, der mit einem Beratergefolge extra nach New York City eingeflogen war. Er musste Ares zur Vernunft bringen, der sich seit der katastrophalen Auseinandersetzung mit seinem Vater weigerte, sich mit ihm im selben Raum aufzuhalten. „Das Königreich ist in Aufruhr. Ihr Vater hat seine Geliebte als neue Königin installiert, welche Schande! Falls sie Kinder haben, will der König ihnen Vorrang in der Thronfolge einräumen. Das dürfen Sie nicht zulassen, Hoheit.“

„Wie sollte ich es verhindern?“, fragte Ares ungerührt.

Er lebte am anderen Ende der Welt, verbrachte seine Zeit mit royalen Auftritten und Wohltätigkeitsveranstaltungen im Namen seiner Mutter und genoss das Leben. Die Regenbogenpresse feierte ihn. Je freier er den Hass auf seinen Vater auslebte, desto begeisterter bejubelte man seine Kapriolen, die sie dem jungen Kronprinzen nachsahen.

Ares dachte nicht daran, sich dem Hof zu unterwerfen. Er hatte keine Lust, den typischen Royal zu spielen.

„Sie müssen nach Atilia zurückkehren, Hoheit“, beschwor Sir Bartholomew ihn in der Penthouse-Suite seines Hotels in Manhattan. Selbst wenn Sie es nur tun, weil Ihr Vater Sie als Playboy-Prinz hinstellt, unter dessen Lotterleben das Volk leidet. Wenn Sie wenigstens zurückkehren würden, um dem Volk einen Weg in die Zukunft aufzuzeigen.“

„Ich bin nicht der König, den Sie brauchen“, wehrte Ares zum Entsetzen des Ministers ab. „Dieser König werde ich nie sein. Ich habe nicht die Absicht, das verflixte königliche Blut pflichtschuldigst weiterzugeben.“

Nachdem die Minister gegangen waren, dachte Ares wie so oft an seine sanfte Mutter. Was gäbe er jetzt für ihren Rat, ihr trauriges Lächeln, die liebevollen Berührungen, ihren feinsinnigen Humor!

„Du musst heiraten“, hörte er sie behutsam drängen.

Sie fehlte ihm schrecklich.

Dennoch hatte er nicht vor, dem Beispiel seiner Eltern zu folgen.

In seiner Tasche summte das Handy. Das waren garantiert wieder Einladungen zu Partys, auf denen er sich amüsieren konnte, als sei er ein ganz normaler Mann und kein königlicher Erbe.

Ares erhaschte einen Blick in den Spiegel, aus dem ihm das verhasste Ebenbild des Königs entgegenschaute.

Könnte seine Mutter ihn jetzt sehen …

Er straffte die Schultern und schlenderte in die laue New Yorker Nacht hinaus.

2. KAPITEL

„Schwanger?“

Gespielt gleichmütig blickte Pia Alexandrina San Giacomo Combe ihren älteren Bruder Matteo an.

Zwei Monate lang hatte sie diesen Blick vor dem Spiegel geübt, um überzeugend, ruhig und selbstbewusst zu wirken.

„Du hast richtig gehört, Matteo.“

Auch das hatte sie einstudiert.

„Das kannst du unmöglich ernst meinen!“, ereiferte sich ihr Bruder.

Pia stand vor seinem mächtigen Schreibtisch im Arbeitszimmer des alten Herrenhauses. Dieses war im Besitz der Familie ihres Vaters, seit der erste Vorfahr der Combes es aus der Fronarbeit in der Textilfabrik ganz nach oben geschafft und das Anwesen gebaut hatte. So jedenfalls hieß es in der hochtrabenden Familiengeschichte der Combes. Nach langem Hin und Her hatten ihre Eltern sich stillschweigend auf diese Version geeinigt.

Jetzt stand Pia im schwarzen Trauerkleid vor ihrem Bruder, das ihr schon sechs Wochen nach dem Tod ihrer Mutter etwas zu eng saß. Entschieden taktlos blickte Matteo auf ihren Bauch.

Der trotz aller Tricks leider nicht mehr so flach aussah wie früher. Ob es Pia gefiel oder nicht − um ein Geständnis kam sie nun nicht mehr herum.

Natürlich war ihrer Mutter in den letzten zwei Wochen vor ihrem Tod aufgefallen, dass ihre Tochter um die Taille voller geworden war, obwohl Pia stets peinlich auf ihre schlanke Linie geachtet und eher wie eine scheue Gazelle gewirkt hatte.

„Babyspeck ist Gift für die Heiratschancen eines Mädchens“, hatte die legendäre Alexandrina San Giacomo schon ihre zwölfjährige Tochter ermahnt − was alles nur noch schlimmer machte. „Du bist eine San Giacomo. Und Giacomos haben keine Pausbäckchen. Lass die Finger von Süßigkeiten.“

Danach hatte Pia sich eisern an den Rat ihrer Mutter gehalten, obwohl sie es mit der elfenhaften, ewig schlanken und schönen Alexandrina nie würde aufnehmen können. Schon als junges Mädchen hatte Pia sich ihre Mutter tapfer als Vorbild vor Augen gehalten, obwohl sie immer zur Molligkeit neigte … bis sie mit zweiundzwanzig eines Morgens feststellen musste, voller und rundlicher geworden zu sein.

Entsetzt war sie daraufhin nach New York City gejettet.

Ein Gedanke hatte sie die ganze Zeit verfolgt: Warum hatte ihre skandalträchtige Mutter sie so komisch darauf angesprochen?

Weil ihre ledige Tochter schwanger war und ein Skandal drohte? Alexandrina hatte ihrer Tochter aus gutem Grund eingeschärft, peinlichst auf einen makellosen Ruf zu achten, das wusste Pia. Wenn sie in die höchsten gesellschaftlichen Kreise aufsteigen wollte, musste er so unbefleckt sein wie frisch gefallener Schnee.

Davon konnte jetzt nicht mehr die Rede sein. Pia war schwanger von einem Fremden, dessen Namen sie nicht einmal kannte. Mit unabsehbaren Folgen …

Doch nicht nur deshalb war ihre Mutter bedrückt gewesen …

Sechs Wochen waren seitdem vergangen.

Alexandrina war viel zu früh gestorben, und die Familie und ihre zahllosen Bewunderer waren untröstlich. Dann war Pias Vater, der mächtige, lebensstrotzende Eddie Combe, den Pia für unsterblich gehalten hatte, vor drei Tagen einem Herzinfarkt erlegen.

Und an all dem trug sie, Pia, vermutlich eine Mitschuld …

„Ist das dein Ernst?“, wiederholte Matteo fassungslos.

Sie versuchte, sich gefasst zu geben – wie ihre Mutter selbst in den schrecklichsten Momenten ihres Lebens. „Leider ja.“

Matteo machte ein Gesicht, als hätte er auf Glasscherben gebissen. „Ist dir klar, dass wir in wenigen Augenblicken unseren Vater zu Grabe tragen?“

Doch Pia hatte andere Sorgen. Schicksalsergeben faltete sie die Hände und blickte aus dem Fenster auf die üppig grüne Landschaft und den bleiernen Sturmhimmel hinaus, der sich über Yorkshire zusammenbraute.

Eine Weile betrachtete Matteo sie schweigend, gab sich den Anschein, die schockierende Botschaft erst verkraften zu müssen.

Als er sich wieder gefangen hatte, sagte er leise. „Man sieht dir an, dass du schwanger bist, Pia.“

Das war ihm also nicht entgangen. „Ja.“

„Bei der Beerdigung dürften sich Horden von Paparazzi überall tummeln. Vor sechs Wochen bei Mutters Beerdigung haben sie keine Sekunde verpasst, und heute dürfte es noch schlimmer werden. Kannst du dir vorstellen, was los ist, wenn die Leute merken, dass du schwanger bist?“

Pia musste es ihm lassen, Matteo hielt sich tapfer, versuchte die Zähne zusammenzubeißen.

„Und was soll ich tun? Was schlägst du vor?“, fragte Pia kühn, obwohl sie seit dem Tod ihres Vaters kaum ein Auge zugetan hatte. Wenn sie der Beerdigung fernblieb, würde das unabsehbare Folgen haben.

„Wie … konnte es so weit kommen?“, fragte Matteo düster.

Sie waren einander stets sehr nahe gewesen. In der turbulenten Beziehung ihrer Eltern hatte es nicht viel Raum für die Kinder gegeben.

Matteo, ein gutaussehender, in sich gekehrter junger Mann, war sich seiner tragenden Rolle als letzter San Giacomo-Erbe und Nachfolger seines Vaters im Familienunternehmen stets bewusst gewesen – er war der Sohn, den man aus einer solchen Verbindung erwartete.

Pia dagegen hatte sich eher scheu im Hintergrund gehalten, weil sie sich zu dick fand. Schließlich hatten die Eltern sie in eine Klosterschule gesteckt, danach in ein Mädchenpensionat. Die Familie hatte versucht, sie der Öffentlichkeit möglichst zu entziehen.

Natürlich unter dem Vorwand, sie beschützen zu wollen.

Doch Pia hatte Bescheid gewusst. Sie neigte dazu, zuzunehmen, wenn sie nicht aufpasste, war nicht sehr weltgewandt. Die schönste Frau der Welt, eine schwanengleiche Erscheinung, konnte unmöglich eine so unscheinbare Tochter haben. Selbst jetzt sah Pia sich eher als hässliches junges Entlein.

„Du willst wissen, wie es dazu kommen konnte?“ Am liebsten hätte sie schallend gelacht. Nur die besorgte Miene ihres Bruders hielt sie davon ab. „Ich hätte gedacht, das liegt auf der Hand.“

„Danke, dass du deine Eskapade wie einen schlechten Witz hinzunehmen scheinst, Pia“, bemerkte Matteo vorwurfsvoll. „In einer Stunde wird unser Vater beerdigt. Du hättest mich wenigstens warnen können, damit …“ Erneut betrachtete er sie kritisch.

„Ich hielt es für schonender, es dir unter vier Augen zu sagen.“ Pia schämte sich. Am liebsten hätte sie ihrem Bruder gar nichts erzählt. „Außerdem bist du erst in London, seit …“ Über den Tod ihrer Mutter wollte sie jetzt nicht sprechen, „Na ja, ich wusste, dass du zur Beerdigung kommst. Da wollte ich lieber warten, bis wir uns wiedersehen.“

Sie war jetzt zweiundzwanzig und sehr behütet aufgewachsen, immer noch die kleine Schwester – schüchtern und empfindlich – besonders, wenn ihr älterer Bruder sie so entsetzt ansah.

„Es ist eine Katastrophe“, stöhnte er. „Das ist kein Spiel mehr, Pia.“

„Du bist es nicht, dem die Sachen im Schrank nicht mehr passen, Matteo“, appellierte sie an sein Mitgefühl. „Also hör auf, mir klarzumachen, dass ich mich der brutalen Wirklichkeit stellen muss.“

Kopfschüttelnd sah er sie an. Sie hatte versucht, es irgendwie durchzustehen, aber natürlich fühlte sie sich schrecklich.

Diese Schande würde sie nie abschütteln können. Matteo war bitterlich enttäuscht von ihr. „Tut mir leid“, sagte sie leise.

„Wer ist der Vater?“, wollte er streng wissen.

Jetzt fühlte Pia sich wirklich elend. „Das hat Dad mich auch gefragt“, erwiderte sie ausweichend.

Weil die Antwort demütigend, absolut erbärmlich war. Dabei war sie in New York so stolz gewesen. Endlich hatte sie ein Geheimnis wie andere moderne Frauen, hatte ihr Leben forsch selbst in die Hand genommen und sich ins pralle Leben gestürzt. Sie hatte sich nicht mehr länger wie eine jungfräuliche Tempelpriesterin zurückhalten wollen, nachdem ihre skandalträchtige Familie sie einmütig davor bewahren wollte, die eigenen Fehler zu wiederholen.

Alles war Spiel und Spaß gewesen – bis die Morgenübelkeit einsetzte.

Matteos Miene umwölkte sich. „Dad wusste Bescheid?“

„Beide … Mom und Dad“, gestand Pia ihm kleinlaut.

Von allem, was sie für unmöglich gehalten hatte, war das neue Leben, das sich in ihr regte, am unfasslichsten.

Wie konnte die Welt sich ohne ihre Eltern weiterdrehen? Selbst im Salon war ihre Mutter ihr wie ein schützender Himmel erschienen, unter dem ihr, der scheuen Pia, nichts zustoßen konnte. Und ihr Dad wie ein allgewaltiger Vulkan gewesen, der notfalls ausbrach.

Wie konnten diese unerschütterlichen Säulen der Stärke sie im Stich lassen?

Und wie sollte sie mit dem Bewusstsein leben, dass sie vielleicht nicht ganz unschuldig an ihrem Tod war?

Unwillkürlich tastete Pia nach ihrem Bauch und hielt inne, als Matteos Blick der Bewegung folgte. Wieder schwieg sie beschämt.

„Was …“ Ungläubig schüttelte ihr Bruder den Kopf, doch der Albtraum wollte nicht verschwinden. „Was zum Teufel haben sie dazu gesagt?“

„Wie erwartet …“ Pia straffte sich. Hatte ihre Mutter ihr nicht gepredigt, gerade zu stehen, weil man in gebeugter Haltung kleiner wirkte? „Mum hoffte, dass es ein Junge wird, weil Mädchen einem die Schau stehlen.“ Dabei hätte ihrer schönen Mutter keine Frau gefährlich werden können. Als Matteo etwas einwenden wollte, fuhr Pia schnell fort: „Dad bemerkte nur trocken, ich sei sowieso bloß durchschnittlich.“ Sie ahmte den breiten Yorkshire-Dialekt ihres Vaters nach, dem sich niemand zu widersetzen gewagt hatte.

Einen Moment lang blickten die Geschwister sich vielsagend an.

Pias Magen spielte verrückt, nicht nur, weil ihr morgens meist übel war. Warum ergriff ihr Bruder nicht Partei für sie? Statt sich vernünftig zu äußern, waren ihre Eltern gleich in einen Wutanfall ausgebrochen, wenn etwas Schreckliches passierte. Oder sie versuchten, darüber hinwegzutäuschen, indem sie irgendwohin fuhren. Oder sie hatten unerwartet auf Liebe und Zärtlichkeit gemacht.

Eins wusste Pia: Die Eltern waren von ihr enttäuscht gewesen. Wahrscheinlich hätten die Wogen sich bald wieder geglättet, aber das würde sie nun nie mehr erfahren.

Geräusche vor dem Arbeitszimmer kündigten an, dass das Personal sich zur Aussegnung und Beerdigung versammelte. Danach würden die Größen aus Industrie und Wirtschaft sich im Haus einfinden und Trauer vorschützen − wahre Freunde hatte Eddie Combe nie gehabt. Und natürlich würden auch die europäischen Regierungen Vertreter und Abgesandte schicken, weil Eddie Combe zwar aus trostlosen Fabrikslums stammte, aber eine San Giacomo geheiratet hatte, eine Nachfahrin aus uraltem venezianischen Adel, der obendrein mit einem Prinzen aufwarten konnte. Somit würde die Crème de la Crème Europas bei der Beerdigung vertreten sein, egal, wie die Leute zu Eddie Combe gestanden hatten.

Am liebsten hätte Pia sich dem ganzen Rummel entzogen. Nicht nur, weil sie in ihrem Zustand Aufsehen erregen würde. Irgendwie konnte sie immer noch nicht fassen, dass ihre Eltern nicht mehr da waren. Hatte sie nicht doch viel zu wenig Zeit mit ihnen verbracht? Nun würde sie nie erfahren, ob ihre Eltern wirklich von ihr enttäuscht waren, oder ob sie sich damit abgefunden hatten, eine nicht ganz so glamouröse Tochter zu haben.

Vater und Mutter betrauern zu müssen, erschien ihr viel zu früh …

Und das in aller Öffentlichkeit − als gehörte das zu der Schau, die es für die Welt abzuziehen galt.

„Weißt du wenigstens, wer dich in diese vertrackte Situation gebracht hat?“, fragte Matteo eisig. „Oder willst du ein Geheimnis daraus machen?“

Vielleicht bin ich ein verkapptes Seelchen, dachte Pia, weil das Ganze mich so mitnimmt.

„Dafür bin ich selbst verantwortlich“, gab sie zu. „Niemand hat mich überfallen – oder vergewaltigt, falls du darauf hinauswillst, Matteo. Ich habe bereitwillig mitgemacht und war keine ahnungslose Unschuld, die jetzt im Schlamassel sitzt.“

Irgendwie wäre es ihr gar nicht so peinlich gewesen, schwanger zu sein, wenn alle sie nicht so gut gekannt hätten. Sie hatte sich immer eine Familie gewünscht – allerdings keine wie ihre −, sondern eine echte Familie wie ganz normale Menschen.

Ihr Bruder betrachtete sie zweifelnd. Fast war ihm anzusehen, was hinter seiner Stirn vorging. „Der Trip nach York − das war’s, stimmt’s?“

„Wenn du die Reise mit meiner Abiturklasse meinst, mit der ich den Collegeabschluss feiern wollte, liegst du richtig.“

Und ach, wie verzweifelt sie sich diesen Ausbruch erkämpft hatte! Schließlich war es sogar Matteo gewesen, der sich für sie eingesetzt und ihren Eltern klargemacht hatte, dass seine Schwester jetzt erwachsen sei und ihr Leben selbst in die Hand nehmen könne wie andere auch. Was musste er von ihr denken? „Wir hatten viel Spaß in New York. Und dann kam ich mit Extragepäck zurück …“

„Wie soll ich das verstehen? Du …?“

Hinter der Arbeitszimmertür wurden Schritte laut − und über den Hügeln von Yorkshire ballten sich dunkle Wolken zusammen.

Pias Wangen brannten. „Weißt du, Matteo, ich hatte dich in den Hochglanzmagazinen mit ständig wechselnden Damen gesehen, aber ans Heiraten hast du nie gedacht. Warum nicht? Du gibst dich so puritanisch, da darf ich mir auch die Frage erlauben, wie du es mit der Tugend hältst?“

„Hör mal! Ich pflege keine intimen Beziehungen zu Damen, die ich nicht kenne.“

„Na gut.“ Pia richtete sich kerzengerade auf. „Dann bin ich wohl eine Hure.“

„Natürlich nicht“, protestierte Matteo.

Doch das Wort hing in der Luft, trommelte unbarmherzig auf Pia ein.

Im nächsten Moment wurde die Arbeitszimmertür aufgestoßen, und die Angestellten, die Matteo bewusst im Hintergrund gehalten hatte, strömten herein.

Lauren, sein in aller Eile ernannter Assistent, flüsterte ihm diskret zu, es sei Zeit für den letzten traurigen Gang …

Pflichterfüllung hätte ihr Vater selbst jetzt von ihr erwartet, das wusste Pia.

Ehe er vor drei Tagen einem Herzinfarkt erlegen war, hatte Eddie Combe sie scharf zur Rede gestellt − ihr vorgehalten, sich wie eine Hure verhalten zu haben.

Dennoch hätte ihr jähzorniger Vater ihr den Fehltritt vermutlich verziehen − wäre ihm nur mehr Zeit geblieben.

Aber natürlich konnte Pia sich dessen nicht sicher sein. Verloren drückte sie sich in den Rücksitz der Limousine ihres Bruders.

Vor seinem unerwarteten Ende hatte Eddie seine Tochter für eine Hure gehalten … hatte es ihr unmissverständlich ins Gesicht gesagt. Und war wenige Tage später gestorben.

Und Mutter fand mich immer viel zu dick, dachte Pia traurig. Eine Frau wie Alexandrina musste das als schrecklich empfinden. Sie hatte nicht einmal versucht, ihre unglückliche Tochter zu trösten.

Jedenfalls waren ihre Eltern nun beide tot, sie und Matteo blieben als Waisen zurück.

Bin ich nicht sogar mitschuldig an der Katastrophe? fragte Pia sich schmerzlich.

Unwillkürlich legte sie sich die Hand auf den Bauch, als könnte sie die nächste Generation so schützen.

Die Beerdigung war schlicht und überraschend berührend. Auf einmal erschien der Vater Pia sehr viel zugänglicher und sympathischer als im täglichen Leben. Sie hatte das Gefühl, den schroffen, leicht aufbrausenden Mann nun besser zu verstehen. Vielleicht würden die Erinnerungen ihn zu einer Vaterfigur werden lassen, ihn ihr näherbringen.

Unter den Trauergästen herrschte gedrückte Stimmung. Fast war Pia dankbar, dass das Wetter düster und verhangen war. Dunkle Wolken hingen über dem Land, und obwohl der Regen ausblieb, harrte die Trauergemeinde noch ein Weilchen im scharfen, unangenehmen Wind aus, nachdem Eddies Sarg in die Familiengruft hinabgelassen wurde.

Der Geistliche, den Eddie nicht gemocht hatte, murmelte ein von ihrem Vater im Testament bestimmtes Gebet – vermutlich, um den frommen Mann nachträglich zu ärgern. Pia blickte starr auf den Sarg, das Einzige, was von ihrem Vater geblieben war, bis alles vor ihren Augen verschwamm.

Und irgendwie schaffte sie es auch, die Tränen zurückzuhalten … wegen der zahllosen Kameras. Hatte Alexandrina ihr nicht gepredigt, rote Augen und geschwollene Züge machten hässlich?

Wieder wurde Pia bewusst, dass ihre Mutter nicht mehr da war. Auch Eddie war gegangen …

Nichts würde mehr wie früher sein.

Dann spürte sie Matteos Hand auf ihrem Rücken, und sie bewegten sich vom Grab zu der Gruppe Trauergäste. Gut, dass Pia im Mädchenpensionat zur Genüge gelernt hatte, Hände zu schütteln, Royals aus ganz Europa bedeutsam anzusehen, ohne sie wirklich wahrzunehmen.

„Darf ich Ihnen im Namen des Königreichs Atilia und meines Vaters, seiner Majestät König Damascus, mein Beileid aussprechen?“

Etwas an dieser Stimme elektrisierte Pia. Wie aus einer Trance gerissen blickte sie den Mann vor sich an, reichte ihm die Hand.

Ein Schauer überlief sie. Seine Augen waren grün, mit winzigen goldenen Sprenkeln. Der Fremde schien nicht weniger schockiert zu sein als sie.

Panik überkam Pia. Wie war das möglich? Als sie diesen Mann das letzte Mal gesehen hatte, lag er schlafend auf dem Bett … in der Penthouse-Suite hoch über Manhattan. Bebend hatte sie ihre Sachen aufgesammelt, erschrocken über die Dinge, die er ihr beigebracht hatte, und war auf Zehenspitzen davongeschlichen.

Nie hätte sie erwartet, ihn je wiederzusehen.

Benommen brachte Pia nur hervor: „New York …“

Als der Ungekannte wissend lächelte, wurde ihr trotz des eisigen Windes heiß. Er schien sich ebenso lebhaft an sie zu erinnern wie sie an ihn.

Doch im Moment blieb Pia keine Zeit für aufregende oder gefährliche Erinnerungen. Hilflos stand sie neben ihrem Bruder. Dieser wandte sich dem Fremden zu, der keine Anstalten machte, die Hand seiner Schwester freizugeben.

„New York?“, wiederholte Matteo verblüfft. „Sie kennen meine Schwester aus New York?“

„Matteo, nicht!“

Der Mann lächelte immer noch, schien nicht zu ahnen, in welcher Gefahr er schwebte. „Ich habe Ihre Schwester vor einigen Wochen in New York kennengelernt“, erklärte er freundlich und wandte sich wieder Pia zu. „Sind Sie öfter dort?“

„Miss Combe, meine jüngere Schwester war ein einziges Mal dort“, eröffnete Matteo dem Fremden grimmig. „Und raten Sie, was passiert ist? Sie brachte ein Souvenir mit.“

Der Fremde reagierte höflich, als wollte er sich entschuldigen, die Trauergemeinde gestört zu haben. „So?“

„Meine Schwester ist im sechsten Monat schwanger“, erklärte Matteo ihm schneidend.

Pia hatte das Gefühl, in einen Karambolage-Stunt verwickelt zu sein, der wie im Film in Zeitlupe ablief. Fast konnte sie das Quietschen der Autoreifen, das Krachen von Metall hören … alles schien sich in abgestuften Nuancen zu steigern. Entsetzt beobachtete sie, wie ihr Bruder die Fäuste ballte. Doch der Mann, der sich ihr in Manhattan als Eric vorgestellt hatte, wich nicht zurück.

„Was geht es mich an, dass Ihre Schwester schwanger ist?“, erwiderte der Fremde nicht mehr ganz so freundlich.

Schrecklicher konnte Pia sich kaum fühlen! Sie saß in der Falle! Verstört griff sie sich an die Brust, weil ihr Herz wie wahnsinnig hämmerte.

„Pia“, sagte Matteo drohend. „Ist das der Mann?“

„Hast du vergessen, wo wir sind?“, versuchte sie die Katastrophe abzuwenden, obwohl sie kaum noch atmen konnte.

„Ich habe nur eine einzige Frage“, beharrte ihr Bruder.

„Mit den Umständen Ihrer Schwester habe ich nichts zu tun“, wehrte der Fremde kühl ab.

Typisch Mann!

Wenn Pia sich an irgendeinen wegwerfen wollte, hätte sie es längst getan. Doch dieser Mann sah einfach umwerfend aus. Und wie er sie aus seinen unwiderstehlichen grüngoldenen Augen angeschaut hatte, war ihr wie Feuer unter die Haut gegangen. Sein dichtes dunkles Haar, die markanten Züge machten sie selbst jetzt schwach. Dieser Traummann aus einer anderen Welt war ausgerechnet in dem Moment bei der Party aufgetaucht, als Pia sich verloren und fehl am Platz gefühlt hatte.

Und sein strahlendes Lächeln hatte ihr gegolten …

Bewundernd hatte er sie betrachtet − und keine Ahnung gehabt, wer sie war.

Dieser Mann interessierte sich für sie. Und wie er ihren Namen ausgesprochen, ihr tief in die Augen geblickt hatte …

Er hatte sie gewollt …

Nur sie. Einfach Pia.

Dabei hätte sie es bewenden lassen sollen. Doch dann hatte er mehr gewollt, als sie eigentlich zu geben bereit gewesen war.

„Danke, dass du für mich eintrittst, Matteo“, versuchte Pia, vornehm wie ihre Mutter, zu retten, was zu retten war. „Ich hatte nur mit einem einzigen Mann Sex.“

Sie blickte den Unbekannten an und erinnerte sich an alles. „Es tut mir leid, dass ich offen sein muss − aber dieser Mann waren Sie.“

Die Eröffnung hatte nicht die erwartete Wirkung.

Der umwerfende Fremde lachte schallend. „Was fällt Ihnen ein?“, konterte er spöttisch.

Das war der Moment, als Matteo ausholte und ihm mit der Faust mitten ins Gesicht schlug.

3. KAPITEL

Sekundenlang stand Ares nur stocksteif da und stellte sich seiner Vergangenheit.

Dann lachte er. Was konnte er sonst tun?

Er musste sich eingestehen, das Partymädchen längst vergessen zu haben … wie ihre grauen Augen geleuchtet hatten, als er mit ihr flirtete, ihr scheues Lächeln … wie sie geschmeckt hatte …

Vielleicht hatte er sich in den letzten Wochen sogar kurz danach gesehnt, sie erneut zu küssen …

Im nächsten Moment ging er zu Boden.

Der Combe-Erbe hatte ihn niedergeschlagen.

Ziemlich unsanft … direkt vor den Schaulustigen und Paparazzi, die gebannt näherrückten und mit gezückten Kameras unentwegt Fotos schossen, um keine Einzelheit des köstlichen Schauspiels zu verpassen. Der Kronprinz von Atilia landete niedergestreckt von einem Fausthieb während einer Beerdigung wenig majestätisch auf dem matschigen Rasen.

Benommen blickte Ares zu dem Mann auf, der ihn zu Boden geschickt hatte. Sollte er es ihm mit gleicher Münze heimzahlen? Tapfer unterdrückte Ares die Rachegelüste. Er war zwar noch nicht König, aber auch als Kronprinz konnte er sich sowas nicht erlauben. Prinzen ließen sich nicht herausfordern, sie prügelten sich nicht. Außerdem konnte er sich Skandalbilder in den Medien zurzeit nicht leisten, weil sein Vater ihm gerade jetzt das Leben schwermachte.

Der Kerl mochte ihn niedergeschlagen haben, doch jetzt galt es, sich wie ein Prinz zu benehmen, sonst machte er alles noch schlimmer.

Würdevoller als er zu Boden gegangen war, rappelte er sich auf, klopfte sich ab und wandte sich grimmig dem Angreifer zu. Als Ares sich an die Lippe griff, bemerkte er das Blut.

Aus dem Augenwinkel fing Ares eine Bewegung auf und hob abwehrend eine Hand. Dass sein Leibwächter eingriff, fehlte ihm gerade noch. Er blickte zu dem Combe-Erben, dessen Namen er auf der Trauerkarte keine Beachtung geschenkt hatte.

Im Nachhinein eine folgenschwere Unterlassung.

„Sie wissen sicher, dass ich der Kronprinz von Atilia bin?“, stellte er seinen Widersacher kühl zur Rede. „Mich anzugreifen, kommt einer Kriegserklärung gleich.“

„Das schreckt mich nicht“, erwiderte dieser ungerührt.

„Passt lieber auf, dass euer Wortgefecht nicht auch noch aufgezeichnet wird“, warnte Pia die Kampfhähne.

Und plötzlich klickte es bei Ares. Ihr Name fiel ihm wieder ein. Pia hieß sie.

Die Erkenntnis traf ihn härter als der Angriff ihres Bruders.

Jetzt folgte Schlag auf Schlag.

Auf einmal bemerkte Ares auch, was ihm gleich hätte auffallen müssen: Um die Taille war sie voller geworden. Die Wölbung war nicht zu übersehen.

Nun war ihm alles klar.

Aber sie konnte unmöglich von ihm schwanger sein …

„Ich habe in meinem Leben noch nie ungeschützten Sex gehabt“, erklärte er königlich erhaben.

Worauf der Combe-Erbe wütend wurde, während Pia einen entsetzten Blick zur fasziniert herüberstarrenden Trauergemeinde schickte, ehe sie sich wieder ihrem Bruder zuwandte.

„Wenn ihr beide euch jetzt im Matsch wälzen und euch schlagen wollt, kann ich euch nicht davon abhalten“, zischte sie. „Ich jedenfalls denke nicht daran, der Boulevardpresse zum Fraß vorgeworfen zu werden.“

Ohne ein weiteres Wort drehte Pia sich um und ging.

Als Ares in die Runde schaute, begegnete er den taxierenden Blicken der Umstehenden. Pias Bruder hatte zum Schlag ausgeholt, sie selbst war davongestürmt, und nach einem Blick auf ihren gewölbten Bauch konnte jeder sich zusammenreimen, was los war.

„Ich schlage vor, Sie folgen meiner Schwester zum Haus“, fuhr ihr Bruder ihn drohend an.

„Sonst … was?“ Ares schlug einen arrogant royalen Ton an. „Wollen Sie mir noch einen verpassen? Sie können mir nichts befehlen, Mr. Combe.“

„Warten Sie es ab.“

Ares lachte verächtlich für die Zuschauer, nicht, weil er die Situation komisch fand.

Und weil ihm offenbar nichts anderes übrigblieb, drehte er sich um und schlenderte die lange Auffahrt zum imposanten Familiensitz der Combes betont gelassen hinauf. Er ließ sich Zeit. Plauderte hie und da umgänglich mit anderen Trauergästen, als wollte er zu einer Party. Als gäbe es seine anschwellende Lippe nicht.

Als hätte der erzürnte Hausherr ihn nicht vor laufenden Kameras beschuldigt, seine Schwester geschwängert zu haben.

Er könnte einfach gehen, das wusste Ares. Niemand konnte ihn zwingen zu bleiben, egal, wie Pias Bruder sich aufführte. Ein Wink genügte, und sein Leibwächter holte ihn aus dem Schlamassel heraus.

Außerdem konnte er unmöglich der Vater von Pias Kind sein.

Er würde das Ganze im Handumdrehen aufklären.

Beim Betreten des Herrenhauses fragte Ares sich nicht zum ersten Mal, wie Nordeuropäer es in so schlecht belüfteten, düsteren Gemäuern aushielten. Die Paläste in Atilia schwelgten im heiter eleganten Stil der Inseln, wo in allen Ecken und Bogengängen eine laue Brise vom Mittelmeer her durchfächelte.

Im großen Empfangssalon erkundigte Ares sich nach Pia und wurde in eine Bibliothek geführt, die ihn an die typischen Schuldirektorenbüros erinnerte, die er während seine er Internatstage von innen gesehen hatte − meist unterwegs zu einem weiteren Rauswurf.

Pia stand am Fenster und blickte auf die unwirtlich kalte, verregnete englische Landschaft hinaus. Steif und abweisend kehrte sie ihm den Rücken zu und wollte ganz offensichtlich nicht mit ihm sprechen.

Sollte er sie darauf ansprechen, sie angeblich geschwängert zu haben?

Nun erinnerte er sich sogar gut an die Nacht mit ihr …

Es war nach der zweiten, vielleicht dritten Runde gewesen, als er aufgewacht war und sie mit einem Glas in der Hand, in ein Laken aus dem zerwühlten Bett gehüllt, am Fenster entdeckt hatte.

Unter ihnen hatte sich das glitzernde Lichtermeer Manhattans ausgebreitet.

Gebannt, wie magnetisch angezogen, war Ares zu ihr gegangen, hatte ihr seidiges Haar angehoben und sie auf den Nacken geküsst.

Erregend lustvoll hatte sie aufgestöhnt, dann hatte er ihr Glas kalt an seiner Hand gespürt, die sexy Partyeroberung an sich gezogen und von hinten genommen …

Ares versuchte, die Erinnerungen an die Nacht abzuschütteln, die bloße Vorstellung machte ihn ganz heiß.

„Ich bin nicht der Vater des Kindes“, erklärte er Pia fest.

Sie drehte sich nicht um, hielt die Arme schützend vor den gewölbten Bauch. „Als ich merkte, dass ich schwanger bin, habe ich natürlich versucht, dich ausfindig zu machen. Aber niemand kannte einen Partygast namens Eric.“

„Na gut, ich habe mich unter falschem Namen vorgestellt. Aber hast du mich nicht auch belogen − über etwas sehr Wichtiges?“

Sie seufzte schwer, drehte sich aber immer noch nicht um.

„Als ich dich nicht fand, sagte ich mir: Okay, das bleibt mein kleines Geheimnis. Niemand muss davon erfahren. Die Familie braucht von dem One-Night-Stand in New York City nichts zu wissen, da ich den Namen des Mannes sowieso nicht kenne. Aber rate mal, was ich dann feststellen musste? Dass ich schwanger bin.“

„Das Baby ist nicht von mir.“

„Ich habe die Schande auf mich genommen“, fuhr Pia schulterzuckend fort. „Und werde es weiter tun. Nie hätte ich erwartet, dich je wiederzusehen − am allerwenigsten hier.“

„Das glaube ich dir sogar“, erwiderte Ares scharf. „Sonst würdest du dich mit dieser dreisten Lüge nicht an die Öffentlichkeit wagen.“

Unvermittelt drehte sie sich um … ruhig, fast heiter. Was für ihn wie ein Schlag ins Gesicht war.

Dann bemerkte er, dass ihre grauen Augen gerötet waren.

„Und das Komische an der Schande ist, dass man irgendwann das Gefühl hat, sie nicht mehr ertragen zu können. Sie fängt an, einen zu ersticken.“

Etwas geschah mit ihm, in seinem Kopf dröhnte es.

Ares ignorierte den Aufruhr. „Du kannst nicht herumlaufen und überall hinausposaunen, dass du ein Kind von mir erwartest“, fuhr er sie an. „Das ist Rufmord − für jeden Mann. Und ganz besonders für den Thronerben Atilias. Ist dir überhaupt klar, was das bedeutet?“

Pia war bleich geworden. „Wie könnte ich? Bis vor fünfzehn Minuten wusste ich nicht einmal, wer du bist. Dass du ein Prinz bist, konnte ich wirklich nicht ahnen. Meine Güte, ein Prinz …

Wie sie es aussprach … so anklagend …

Ares ließ sich nicht beirren. „Jetzt weißt du es. Also nimm deine Behauptung zurück … auf der Stelle!“

„Willst du abstreiten, dass wir miteinander geschlafen haben?“ Ihre Stimme bebte.

„Von schlafen konnte nicht die Rede sein! Was soll das Ganze?“

„Ich habe überhaupt nur mit einem Mann Sex gehabt“, beharrte sie. „Und das warst du!“

Erst jetzt ging ihm auf, was das bedeutete.

„Wenn du nicht der Vater meines Babys bist, hast du ein Problem.“ Nun lächelte sie sogar, was das Dröhnen in seinem Kopf unerträglich machte. „Soll ich den Vatikan von einer zweiten unbefleckten Empfängnis in Kenntnis setzen? Oder übernimmst du das?“

Wie versteinert stand Ares da. Die Frage hing erdrückend im Raum.

Verdammt, er war ein Prinz … so unverschämt hatte noch keiner mit ihm gesprochen!

Überall wurde er höchst respektvoll behandelt. Doch heute hatte ein Mann ihn kurzerhand niedergeschlagen. Und jetzt versuchte eine Frau, ihm abgebrüht die Vaterschaft für ihr Baby unterzuschieben.

Nun schluckte Pia und rang die Hände. Ganz so kaltblütig war sie wohl doch nicht.

„Glücklicherweise ist es gleichgültig, ob du mir glaubst oder nicht“, bemerkte sie. „Es gibt ja immer noch die Möglichkeit eines DNA-Tests.“

„Es geht nicht darum, ob ich dir glaube oder nicht. Ich mache dir keinen Vorwurf“, fuhr Ares großmütig fort. „An deiner Stelle würde mich die Entdeckung, schwanger zu sein, auch aus der Fassung bringen.“ Jetzt musste er so herrschaftlich erhaben wie seine königlichen Vorfahren in der Ahnengalerie wirken.

„Ich habe das Gefühl, du erinnerst dich nicht mehr an Einzelheiten jener Nacht … oder an mich“, meinte Pia. „Warum auch? Wenn ich dich richtig einschätze, sind One-Night-Stands bei dir an der Tagesordnung.“

Auf diese Frage ging er besser nicht ein.

„Etwas verstehe ich nicht.“ Die Vorstellung, dass diese tolle Frau noch Jungfrau gewesen sein sollte, war unfassbar. „Du behauptest, bis zu der Nacht in New York unberührt gewesen zu sein. Wieso? Immerhin bist du kein Kind mehr.“

„Müssen nur Kinder unschuldig sein?“

„Das würde ich nicht sagen.“ Ares zögerte. „Ich bin meine Unschuld schnell losgeworden − was wohl auch der Zweck der Internate war, die ich durchlaufen habe.“ Langsam, ohne sie aus den Augen zu lassen, kam er auf sie zu. „Hatte man dich in einem Nonnenkloster versteckt, Pia?“

Sie lächelte ironisch. „Genau.“

Nicht zu fassen! Er blieb vor ihr stehen. „Ein echtes Kloster? Mit echten Nonnen …?“

„Natürlich. Sonst wäre es wohl kaum ein Kloster.“

„Meine Güte, Pia, was wolltest ausgerechnet du in einem Kloster?“

Sie zog es vor, ihn nicht anzusehen. „Ich war dort untergebracht, um ehrbar und jungfräulich zu bleiben. Was sonst?“

„Ja, was sonst? Und sobald du aus den Klostermauern in die große böse Welt hinausgetreten bist, wolltest du die Bürde schleunigst loswerden − mit dem erstbesten Mann, der dir über den Weg lief?“

Er ignorierte das Machoteufelchen, das sich in ihm regte. Aber er war ja auch nicht irgendein dahergelaufener Kerl, sondern ein Prinz von erhabenem Geblüt.

„Erst war ich in einem Mädchenpensionat.“ Ihre Augen waren unnatürlich groß, ihr Gesicht sehr blass, das fiel Ares auf. Aber sie schlug sich tapfer. „Dort habe ich alles gelernt, was man im späteren Leben braucht: Grundbegriffe der politischen Wissenschaften, Wirtschaftslehre, Konversation. Selbstverständlich auch die Gesellschaftstänze, eine gute Gastgeberin mit besten Manieren zu sein. Ich war für die Familie eine Art Geheimwaffe, weißt du?“

„Geheimwaffe?“ Er war ihr viel zu nahe, fühlte sich magisch zu ihr hingezogen − wie in der Nacht in New York. „Aber na ja, bis heute hast du wohl noch keine Bombe platzen lassen.“

„Vor sechs Monaten habe ich das Abitur gemacht.“ Stolz warf Pia den Kopf zurück. „Das wollten meine Freunde und ich in New York groß feiern. Eine Freundin kannte jemanden, der diese Party gab. Und dort traf ich dich. Etwas Ausschweifendes oder gar eine Sexorgie hatte ich nicht erwartet.“

„Spar dir das Märchen von der ahnungslosen Jungfrau, cara “, unterbrach Ares sie gelangweilt. „Mir hat noch keine vorgeworfen, sie geschwängert zu haben.“

„Hör mal … ich bin hier nicht aus heiterem Himmel aufgetaucht, sondern du ! Zur Beerdigung meines Vaters.“ Ihre grauen Augen funkelten empört. „Meine Güte, lassen wir das. Reden wir über dich − wie du dich jetzt fühlst.“

„Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um die Frage, was möglich oder unmöglich ist“, wehrte er ab.

Pia zuckte die Schultern. „Da gibt es nur eine Möglichkeit: Die eine Nacht − mit einem einzigen Mann − mit dir .“

„Aber ich sehe nicht ein …“

„Bitte!“, unterbrach sie ihn. „Keine Diskussion. Es gibt eine unwiderlegbare Lösung: Du stimmst einem DNA-Test zu. Punkt.“

„Pia, du befürchtest doch hoffentlich nicht, dass ich mich drücke.“ Ares legte ihr die Hände auf die Schultern, als fürchtete er, sie würde ihm davonlaufen. „Oder hoffst du das insgeheim?“

Ein seltsamer Ausdruck huschte über ihr Gesicht, ihre hellgrauen Augen wurden ganz dunkel.

„Das solltest du dich selbst fragen“, schlug sie vor. „Solange wir keine Testergebnisse haben, besteht die Frage: Wer ist der Vater? Bis auf Weiteres halte ich mich zurück.“

Ares wurde eiskalt. Ein schwere Last senkte sich auf seine Schultern.

Noch könnte er gehen. Die geschwollene Lippe würde heilen. Sollte die Boulevardpresse Vermutungen anstellen − das taten die Paparazzi immer. Solange er schwieg, würden die Gerüchte bald verstummen.

Dann könnte er weitermachen wie bisher.

Unwillkürlich musste er an seine Mutter denken. Wenn sie noch lebte, wäre sie jetzt bitter enttäuscht von ihm.

Nichts war der Königin wichtiger gewesen als die Familie. Wie oft hatte sie sich gewünscht, dass er heiratete, eine Familie gründete, Kinder hatte …

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Autor

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