Julia Saison Band 73

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SINNLICHE FRÜHLINGSNÄCHTE IN PARIS von AMANDA CINELLI
Eine sinnliche Frühlingsnacht in Paris, verzehrende Küsse … alles scheint so zauberhaft wie damals! Stopp! Nicht noch einmal wird sich Nicole von Rigo Marchesi das Herz brechen lassen. Das hat sie sich geschworen. Schließlich steht jetzt viel mehr auf dem Spiel als nur ihre Unschuld!

MEIN UNWIDERSTEHLICHER HERZENSFEIND von KATE HARDY
Ihr blutet das Herz! Alicia ist entsetzt, als sie erfährt, was der neue Besitzer von Allingford Hall mit ihrer liebevoll angelegten Parklandschaft plant. Hat sie nicht genug gelitten, als sie ihr Erbe verkaufen musste? Diesem neureichen Jack Goddard wird sie es zeigen! Doch der Börsenmakler aus London ist ganz anders als erwartet …

UNSER SCHOTTISCHER FRÜHLING von CATHERINE O’CONNOR
Obwohl Bill ihre Liebe schon kurz nach der Hochzeit verriet, geht Fiona auf sein Angebot ein: Sie gibt ihrer Ehe noch eine Chance, wenn Bill dafür ihre Whiskybrennerei vor dem Ruin rettet. Denn insgeheim sehnt sie sich noch immer nach ihm …


  • Erscheinungstag 21.04.2023
  • Bandnummer 73
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519823
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Amanda Cinelli, Kate Hardy, Catherine O’Connor

JULIA SAISON BAND 73

1. KAPITEL

Sie wurde definitiv verfolgt.

Nicole umklammerte den Griff des Kinderwagens fester und beschleunigte ihre Schritte. Derselbe schwarze Jeep war während ihres Morgenspaziergangs durch das Dorf schon mindestens dreimal an ihr vorbeigefahren. Zwei Männer saßen darin. Auch die dunklen Sonnenbrillen, die sie trugen, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf die junge Mutter gerichtet war. Jetzt schlich der glänzende Wagen sogar ganz offen und in kurzer Entfernung hinter ihr her. Nicole spürte, wie Panik in ihr aufstieg.

Das Kopfsteinpflaster, das zu ihrem kleinen Farmhaus führte, war glatt und rutschig vom leichten Aprilregen. Sie zwang sich, auf ihre kleine Tochter hinabzulächeln und sich äußerlich gelassen zu geben. Sie waren ja fast zu Hause. Gleich würde sie die Tür hinter sich abschließen, und dann war alles in Ordnung.

Doch als Nicole um die letzte Kurve bog, die zu La Petite führte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Etliche Fahrzeuge verstopften die Toreinfahrt. Weitere Autos parkten entlang der Straße. Bestimmt ein Dutzend Reporter und Fotografen versperrten ihr den Weg. Nicole rauschte das Blut in den Ohren. Ihr Herz hämmerte plötzlich wie wild.

Sie hatten sie gefunden.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Im nächsten Moment riss sie sich die leichte Jacke von den Schultern und breitete sie hastig über dem Kinderwagen aus, sodass niemand hineinschauen konnte. Dann wurde sie auch schon von der Reportermeute eingekesselt, und die Kameras blitzten auf. Nicole hielt den Kopf gesenkt, während sie sich mühsam durch die Menge kämpfte.

Den Paparazzi war es völlig egal, dass sie ein kleines Kind bei sich hatte. Ein Mann stellte sich ihr bewusst in den Weg. „Kommen Sie, ein schnelles Foto von der Kleinen, Miss Duvalle.“ Sein Lächeln erinnerte sie an einen Haifisch – messerscharf und gefährlich. „Sie haben das Kind bislang sehr gut versteckt, nicht wahr?“

Nicole biss sich auf die Unterlippe. Am besten gar nichts sagen. Wenn man ihnen kein Futter gab, verschwanden sie vielleicht wieder. Plötzlich ertönte hinter ihr ein lautes Hupen. Der schwarze Jeep war ebenfalls um die Ecke gebogen und erzwang sich seinen Weg durch die Menge. Verärgert sprangen die Fotografen zur Seite. Das war genau die Ablenkung, die sie brauchte. Nicole eilte so schnell wie möglich weiter.

Es schien endlos lang zu dauern, bis sie das Tor, das zu ihrem Privatbesitz führte, durchquert hatte. Jetzt konnten sie ihr nicht mehr folgen, wenn sie nicht gegen das Gesetz verstoßen wollten. Doch sie war nicht so naiv zu glauben, dass sie die aufdringlichen Presseleute damit los war.

Hier würde sie nie wieder ungestört sein, erkannte Nicole mit jähem Entsetzen, worauf sich ihrer Kehle ein leises Schluchzen entrang.

Nur mit Mühe hielt sie sich davon ab, einen Blick zurückzuwerfen. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, mit zitternden Händen nach dem Schlüsselbund in ihrer Handtasche zu suchen. Als sie endlich im Inneren des Hauses war, schob sie sofort den schweren Türriegel vor und nahm Anna in ihre Arme. Der warme Duft ihrer Tochter beruhigte sie. So fröhlich blickte die Kleine sie mit ihren kobaltblauen Augen an – das Kind hatte ja keine Ahnung, in welcher Lage sie sich befanden!

Nicole musste unbedingt herausfinden, was da los war. Jetzt gleich! Sanft legte sie ihre Tochter auf einer weichen Krabbeldecke mit Stofftieren und Spielzeug ab, dann machte sie sich an die Arbeit. Es dauerte ewig, bis der alte Computer, der zum Inventar des Farmhauses gehörte, hochgefahren war. Eine ihrer ersten Entscheidungen, nachdem sie von London nach Frankreich aufs Land gezogen war, hatte darin bestanden, ihr Smartphone wegzuwerfen. Sie war schon ewig nicht mehr im Internet gewesen …

Nachdem Nicole endlich ein paar Schlüsselwörter in die Suchmaschine getippt hatte, wünschte sie sofort, sie hätte es nicht getan.

„Uneheliches Kind von Multimillionär Rigo Marchesi entdeckt!“

Die Worte schwarz auf weiß zu sehen, erfüllte Nicole mit eiskalter Angst. Rasch überflog sie das anonyme Interview, in dem sogar ihr Aufenthaltsort ausgeplaudert worden war. Dann wandte sie sich angewidert ab. Sollte ihr Leben für immer und ewig Gegenstand der Klatschpresse sein? Voller Bitterkeit schlug sie die Hände vors Gesicht und biss sich fest auf die Lippe. Nein, sie würde nicht weinen.

Dennoch war es schwer, nicht zu verzweifeln. Das kleine Dorf L’Annique war jetzt schon seit mehr als einem Jahr ihre Zuflucht. Sie hatte sich schnell in die freundlichen Nachbarn und die ruhige Atmosphäre verliebt. Ganz im Gegensatz zu London, wo ihr Name für jede Menge Skandale stand, hätte sie ihre Tochter hier in allem Frieden großziehen können. Doch nun wurde sie auch in diesem beschaulichen kleinen Dorf von ihrem alten Leben eingeholt.

Sie besaß nicht die Macht, ihr Kind vor den Medien zu schützen. Nicole kannte nur eine Person, der das gelingen konnte. Aber der Mann, an den sie dachte, gab sich nicht mit sensationsheischendem Boulevard-Klatsch ab. Rigo Marchesi würde keinen Gedanken daran verschwenden, ihr zu helfen.

Sie zog den Vorhang zurück und starrte hinaus. Mit einem Stirnrunzeln beobachtete sie, wie die Reporter verscheucht wurden. Zwei Polizeiwagen waren eingetroffen, und die Polizisten sorgten dafür, dass sich der Medienauflauf rasch auflöste.

In diesem Moment gesellte sich ein zweiter schwarzer Jeep zu dem ersten. Dieser hatte schwarz getönte Scheiben. Ein paar Männer in dunklen Anzügen stiegen aus, um auf die Straße und in die umliegende Gegend auszuschwärmen.

Nicole hielt den Atem an, als der letzte Mann ausstieg. Er war groß und trug einen teuren Anzug und eine dunkle Sonnenbrille. Mit lässiger Geste nahm er die Brille langsam ab. Ein langer Augenblick verging, ehe sie erleichtert ausatmete.

Er war es nicht.

Ganz kurz hatte sie tatsächlich geglaubt, dass … Nun, das spielte keine Rolle. Im Moment war nur von Bedeutung, dass der große, fremde Mann auf ihr Haus zukam.

Nicole schob sich die Haare hinters Ohr, räusperte sich und schob den Riegel zurück. Allerdings ließ sie die Kette im Schloss, sodass sie den einschüchternden Fremden nur durch einen zehn Zentimeter großen Spalt betrachten musste. Irgendetwas an ihm kam ihr vage bekannt vor.

„Miss Duvalle?“ Der Mannes hatte einen starken italienischen Akzent. „Mein Name ist Alberto Santi. Ich arbeite für Signor Marchesi.“

Plötzlich lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Das war der Mann, der die schmutzigen Jobs für Rigo erledigte. Er blickte sie genauso missbilligend an wie an jenem Abend, als er sie durch den überfüllten Raum von dem spöttischen Gelächter seines Chefs weggeführt hatte.

„Ich bin hier, um Ihnen zu helfen“, sagte er ruhig.

„Sie haben vielleicht Nerven, hier einfach so vor meinem Haus aufzutauchen“, versetzte Nicole kopfschüttelnd. Dann machte sie Anstalten, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch er schob blitzschnell einen auf Hochglanz polierten Schuh in den Spalt.

„Ich habe den Auftrag, Sie unter den Schutz der Marchesi-Gruppe zu stellen.“

„Ich nehme keine Befehle von Rigo Marchesi entgegen.“ Sie verschränkte die Arme über der Brust. Keinesfalls würde sie sich von Rigos kleiner Machtdemonstration einschüchtern lassen.

„Ich habe mich unglücklich ausgedrückt.“ Der Mann zwang sich zu einem dünnen Lächeln. „Ich wurde hergeschickt, um Ihnen Hilfe anzubieten. Vielleicht können wir das in Ruhe drinnen besprechen?“

Nicole überlegte kurz. Es war nicht so, dass sie große Wahlmöglichkeiten gehabt hätte. Vielleicht konnte er wirklich eine Art Schutz für sie organisieren. Also löste sie die Kette, trat zurück und bedeutete ihm, hereinzukommen.

Nachdem Alberto Santi eingetreten war, musterte er ihr einfaches Heim mit kühler Missbilligung. Dann wandte er sich ihr wieder zu. „Miss Duvalle, in Paris wurde ein Meeting angesetzt, um sich mit dieser … Situation zu befassen. Wenn Sie sich entschließen, zu kooperieren, wird Ihnen jede Hilfe angeboten.“

Die Art und Weise, wie er sich ausdrückte … wie er von einer „Situation“ sprach, ließ in Nicole sofort den Eindruck aufkeimen, nur ein lästiges, kleines Problem zu sein.

„Ich habe keine Kontrolle über diese Situation, wie Sie es nennen, Mr. Santi. Mir ist einzig und allein wichtig, meine Tochter aus allem rauszuhalten.“

„Die Presse wird nicht lockerlassen – das wissen Sie“, erwiderte er gewichtig. „Mit dieser Aufmerksamkeit werden Sie doch gerechnet haben.“

„Warum in aller Welt hätte ich damit rechnen sollen?“

Der Mann zuckte nur kurz die Achseln und wich dann ihrem Blick aus, womit er deutlich machte, was er meinte. Nicole spürte, wie die Schamesröte in ihr hochkroch. Natürlich würde Rigo glauben, dass sie das Interview gegeben und ihre Tochter bereitwillig der Boulevardpresse zum Fraß vorgeworfen hatte. Immerhin war sie Goldie Duvalles Tochter, nicht wahr?

Sie zwang sich, Zorn und Ärger abzuschütteln und dem Mann zu antworten. „Nur damit ich das recht verstehe – wenn ich mich weigere, mit Ihnen zu kommen, wird die Polizei dann hierbleiben und meine Privatsphäre schützen?“

„Ich fürchte, nein.“

Damit war alles klar. Nicole spürte, wie sie Gänsehaut bekam. Man hatte ihr ein Ultimatum gestellt: Steig in den Wagen, komm mit und geh einen Deal mit dem Teufel ein, oder bleib hier und sieh zu, wie du allein mit den Paparazzi klarkommst.

Sicher, sie könnte jederzeit gehen und sich eine neue Bleibe suchen, aber die Presse würde ihr unweigerlich folgen. Sie und Anna würden nie wieder ein normales Leben führen können.

Mit einem Mal wurde ihr ganz eng ums Herz. Anna war zu klein, um mitzubekommen, welches Drama sich gerade um sie abspielte. Aber Nicole wusste besser als jeder andere, dass sich das mit der Zeit ändern würde. Erinnerungen an ihre eigene Kindheit kamen hoch. Es war, als würde sie wieder den Druck spüren, für die Kameras und die Pressemeute posieren zu müssen.

Kopfschüttelnd trat sie erneut ans Fenster. Der Gedanke an die Männer da draußen, die sich gegenseitig zuvorzukommen versuchten, um ein Foto von ihrer Tochter an den Höchstbietenden zu verkaufen … Es löste etwas in ihr aus. Genau aus diesem Grund hatte sie ihr altes Leben hinter sich gelassen.

Sie wollte Rigos Hilfe nicht, aber sie war darauf angewiesen. Ganz sicher würde er die Angelegenheit so schnell wie möglich erledigen wollen. Immerhin hatte er seine Einstellung in Sachen Vaterschaft bereits mehr als deutlich gemacht!

Also würde sie nach Paris fahren. Sie würde ihren Stolz hinunterschlucken und Rigo um Hilfe bitten. Er würde die Medien zum Schweigen bringen, und dann konnten sie alle wieder zur Normalität zurückkehren.

Der Hauptsitz der Marchesi-Gruppe lag in einem gigantischen Büroturm aus Chrom und Glas im Herzen von Paris. Es handelte sich um ein relativ neues Gebäude, dessen Erwerb zu den ersten Maßnahmen gehörte, die Rigo Marchesi ergriffen hatte, als er vor fünf Jahren die Geschäftsleitung übernahm.

Den Firmensitz des altehrwürdigen Modehauses von Mailand nach Paris zu verlegen, hatte für viel Unruhe gesorgt, doch Rigo hegte eine bestimmte Vision für die Zukunft des Familienunternehmens. Diese Vision erforderte nun mal Veränderungen.

Während er einen Löffel Zucker in seinen doppelten Espresso rührte, starrte er stirnrunzelnd auf den Computerbildschirm. Große Führer ließen sich nicht von einem Skandal beirren, auch wenn dieser schon seit einigen Stunden das Internet beherrschte. Vor allem aber ließen sich große Führer nicht wenige Wochen, bevor der wichtigste Deal der Firmengeschichte über die Bühne gehen sollte, von den Medien kreuzigen.

Rigo trank den heißen Kaffee in einem Schluck aus, stand auf und ging zum Fenster hinüber.

Nicole Duvalle war ein Ausrutscher gewesen. Ein Moment des Wahnsinns, dem er sich trotz seiner sonst so messerscharfen Urteilskraft hingegeben hatte. Normalerweise stellte er sicher, dass die Frauen, mit denen er ins Bett ging, den Großteil ihrer Zeit ihrer eigenen Karriere widmeten. Er war sehr wählerisch, was seine Affären anging, und er hatte keinerlei Zeit für Frauen, die sich nur aufgrund seiner Verbindungen und seines Reichtums zu ihm hingezogen fühlten.

Doch als er auf Nicole getroffen war, hatte sein Verstand ausgesetzt. Die sexuelle Anziehung zwischen ihnen war so groß gewesen, dass er sich nicht um die Konsequenzen seines Tuns scherte.

Nun, jetzt holten ihn die Konsequenzen ein. Miss Duvalle hatte ja keine Ahnung, was sie da ins Rollen gebracht hatte!

Als sich die Glastür zu seinem Büro öffnete, drehte Rigo sich um. Alberto trat ein. Sein wichtigster Mitarbeiter wirkte heute keinesfalls so gefasst wie sonst.

„Ich gehe davon aus, dass dein Tag nach Plan verlaufen ist?“ Rigo hob fragend die Augenbraue.

„Sie ist nach knapp fünf Minuten gegangen.“ Alberto atmete schwer aus. „Sie haben ihr den Deal angeboten, aber sie hat rundheraus abgelehnt.“

Rigo schwieg einen Moment. Damit hatte er durchaus gerechnet. Wenn Nicole genauso geldgierig war wie ihre Mutter, dann würde sie wohl kaum das erste Angebot akzeptieren. Er hatte ihr das Geld ohnehin nur angeboten, weil er die Sache so schnell wie möglich bereinigen wollte – vorzugsweise außerhalb des Gerichtssaals.

Die Verhandlungen, die er zurzeit mit dem französischen Juwelierhaus Fournier führte, waren in die sensible Phase eingetreten. Das familiengeführte Unternehmen war zu Beginn sehr zurückhaltend gewesen, weil es nicht mit so einer großen Firma fusionieren wollte. Rigo hatte Monate gebraucht, um an diesen Punkt zu gelangen. Frustriert fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Wie konnte ein einziges Interview nur einen solchen Schaden anrichten?

Man hatte ihn bereits darüber informiert, dass einige Shareholder die Seiten wechselten und die Vorstandsmitglieder nervös wurden. Sein verstorbener Großvater hatte sich einst einen Skandal erlaubt, der das Traditionsunternehmen beinahe in den Bankrott getrieben hätte. Nachdem sich sein Vater halb zu Tode geschuftet hatte, um die Firma wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen, würde Rigo jetzt keinesfalls zulassen, dass alles wieder den Bach runterging.

Ein Geschäftsführer, der eine Geliebte erst schwängerte und dann sitzen ließ, war eindeutig schlechte Presse.

Selbst wenn es die unverschämte Lüge einer Frau war, die nur hinter seinem Geld her war.

„Wo ist sie jetzt?“, fragte Rigo.

Alberto wirkte verlegen. „Das Kind musste schlafen. Deshalb haben wir sie in eins der Firmenapartments auf der Avenue Montaigne gebracht.“

„Sie lehnt den Deal ab, und das Erste, was du tust, ist, sie in einem Luxusapartment unterzubringen?“ Er hob eine Augenbraue. „Alberto, du wirst weich.“

„Wir konnten nicht riskieren, dass die Presse Wind bekommt von ihrem neuen Aufenthaltsort“, verteidigte sich sein Assistent rasch.

„Vergiss es. Ich werde mich selbst darum kümmern“, knurrte Rigo und griff nach seinem Jackett.

Es war an der Zeit, das zu verdeutlichen, was diese Frau bei ihrer letzten Begegnung offensichtlich nicht verstanden hatte.

Ein Rigo Marchesi ließ sich von niemandem zum Narren halten.

Nicole ignorierte das unangenehme Magenbrennen und warf die Reste der nur halb gegessenen Mahlzeit in den Müll. Dann schenkte sie sich ein kleines Glas Weißwein ein. Sie brauchte ein wenig Entspannung, musste die Nervosität abschütteln, damit sie einen Plan entwickeln konnte. Ein Plan, der nicht darin bestand, wie eine verängstigte Prinzessin in einem schicken Apartment eingesperrt zu sein.

Sie ging zum Fenster hinüber und schaute auf die funkelnden Lichter der Stadt herab. Das Luxusapartment bestach durch minimalistische Eleganz. Eine kindgerechte Umgebung sah jedoch anders aus! Es hatte über eine Stunde gedauert, bis die kleine Anna in der fremden Umgebung eingeschlafen war. Höchste Zeit, dass Nicole sich zusammenriss. Auf keinen Fall wollte sie ihr Kind mit ihrer inneren Unruhe anstecken!

Dass ihr ganzes Leben in sich zusammengestürzt war, hatte sie nur sich selbst zuzuschreiben.

Nicole trank einen großen Schluck Wein, wobei sie weiterhin auf die Stadt unter sich herabstarrte. Alberto hatte ihr versichert, dass sie hier ungestört waren und dass die Presse sie hier nicht finden würde. Mehr brauchte sie im Moment nicht – zumindest bis sie herausgefunden hatte, was ihre Optionen waren.

In den vergangenen Monaten hatte sie kaum an Rigo gedacht, was gar nicht so leicht gewesen war in Anbetracht der Tatsache, dass sie jeden Tag in die kobaltblauen Augen ihrer Tochter blickte. Eine Augenfarbe, die die kleine Anna ganz eindeutig von ihrem Vater geerbt hatte.

Den Nicole seit jener verhängnsvollen Nacht vor über einem Jahr nicht mehr gesehen hatte …

Plötzlich erklang ein Klopfen an der Wohnungstür. Nicole drehte sich langsam um. Alberto hatte gesagt, dass niemand ihren Aufenthaltsort kannte. Niemand außer Alberto – und seinem Boss.

„Wer ist da?“, rief sie durch die geschlossene Tür. Ihr Herz pochte dabei wie wild.

„Du weißt genau, wer hier ist, Nicole.“

Der tiefe Bariton ging ihr durch und durch. Ihr Magen zog sich krampfhaft zusammen, als sie langsam die Hand nach der Klinke ausstreckte.

Im nächsten Moment hatte sie die Tür geöffnet, und er stand vor ihr. Ein Meter neunzig geballte italienische Männlichkeit. Das dunkle Haar war perfekt frisiert, der Maßanzug saß makellos.

„Darf ich reinkommen?“, fragte er barsch.

Nicole trat einen Schritt zurück, öffnete die Tür weiter und bedeutete ihm, einzutreten.

Sie war sich bewusst, wie sein Blick über ihren Körper glitt. Er schaffte es immer noch, dass ihr der Atem stockte. Zweifellos bemerkte er, wie sehr sie sich seit ihrer letzten Begegnung verändert hatte. Sie wog mindestens zehn Pfund mehr, und ihr glattes braunes Haar hatte schon seit über einem Jahr keinen Friseur mehr gesehen. Zu allem Überfluss hatte sie auch noch etliche Flecken von Annas Abendessen auf der Jeans.

Verlegen zog sie das schlichte weiße T-Shirt weiter hinunter.

Rigo lehnte sich lässig gegen die Theke in der offenen Küche.

„Hast du nichts zu sagen, Nicole?“, fragte er.

„Ich würde ja gerne sagen: ‚Schön, dich zu sehen!‘ Aber wir wissen beide, dass das eine Lüge wäre.“ Sie wich seinem Blick aus. „Ich schätze, ich sollte mich geehrt fühlen, dass du überhaupt persönlich mit mir redest.“

Er hob eine Augenbraue. „Glaub mir, es gibt tausend Dinge, die ich lieber tun würde als das hier.“

„Zumindest sind wir ehrlich.“ Sie zuckte die Achseln und sagte sich, dass es unvernünftig war, verletzt zu sein. Sie waren praktisch Fremde. Also schön, er mochte der biologische Vater ihrer Tochter sein, aber sie hatten nur eine einzige Nacht miteinander verbracht.

„Oh, ich würde nicht sagen, dass wir ehrlich sind, Nicole“, versetzte er langsam. „Wenn du es auf mehr Geld abgesehen hast, dann lass dir gesagt sein, dass du deine Zeit verschwendest. Du hast schon Glück, dass ich dir überhaupt etwas anbiete und dich nicht wegen Verleumdung vor Gericht zerre.“

„Ich will keinen einzigen Cent von dir“, entgegnete sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will einfach nur, dass sich die Presse zurückzieht und mir meine Privatsphäre zurückgibt.“

Rigo lachte harsch. „Oh, das ist also dein Plan, ja? Wir wissen doch beide, dass du dein Recht auf Privatsphäre in dem Moment verwirkt hast, als du meinen Namen in den Schmutz gezogen hast.“

„Damit hatte ich nichts zu tun“, erwiderte sie und begegnete ohne zu zögern seinem Blick.

„Das hier ist kein Spiel, Nicole.“ Seine Stimme hatte einen gefährlichen Unterton angenommen. „Ich habe dir bei unserer letzten Begegnung deutlich gesagt, dass man sich mit mir besser nicht anlegt.“

„Ich wäre dankbar gewesen, dir nie wieder begegnen zu müssen. Dein Ego ist so groß, dass ich mich frage, wie du morgens überhaupt aus dem Bett kommst!“ Wütend blitzte sie ihn an.

Rigo machte einen Schritt auf sie zu. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. „Nun, das ist wirklich interessant. Bislang habe ich Nicole, die unschuldige Verführerin, erlebt, gefolgt von Nicole, der Jungfer in Not.“ Er hob eine Braue. „Aber diese leidenschaftlich, zornige Version gefällt mir, glaube ich, am besten.“

Nicole war sprachlos. Die Art, wie er sie anblickte … so voller Verachtung … Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wie hatte sie jemals glauben können, dass dieser Mann auch nur annähernd das gefühlt haben könnte, was sie in jener Nacht empfunden hatte? Er war ihr absolut fremd. In diesem Augenblick wirkte es völlig absurd, dass sie einmal eine leidenschaftliche Liebesnacht miteinander verbracht hatten.

„Rigo, du drohst, mich wegen Gerüchten zu verklagen, auf die ich keinen Einfluss habe.“

„Warum hast du den Behauptungen nicht widersprochen?“, konterte er.

„Mein Schweigen ist das Beste, was du bekommst. Ich gebe mich nicht mehr mit der Presse ab.“

„Du wirst öffentlich erklären, dass das Kind nicht von mir ist, Nicole.“

Sie bekämpfte die Gefühle, die in ihr aufstiegen und sie zu ersticken drohten. Es war ja lächerlich, dass seine Worte sie nach so langer Zeit noch verletzen konnten. Immerhin hatte er seinen Standpunkt in Sachen Vaterschaft mehr als deutlich gemacht. Dennoch hatte ein kleiner Teil von ihr gehofft, dass er irgendwann zu ihr kommen würde in jenen Wochen nach der Geburt.

Die Empörung siegte über die Traurigkeit, und so straffte sie die Schultern und begegnete seinem Blick. „Ich habe dir gesagt, dass ich ein Kind von dir bekomme. Du hast dich entschlossen, keinen Anteil daran zu nehmen, was in Ordnung ist. Aber ich werde nicht öffentlich lügen und gegen meine Prinzipien als Mutter verstoßen, nur um deinen verdammten Familiennamen zu schützen!“

Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Glaubst du wirklich, ich hätte dich einfach so ziehen lassen, wenn ich nicht hundertprozentig überzeugt gewesen wäre, dass ich nicht der Vater deines Kindes bin?“

Nicole ging zum Küchentisch hinüber und begann, in den Tiefen ihrer Handtasche zu kramen. Endlich fand sie, was sie suchte, und drehte sich wieder zu ihm um.

„Und ich sage dir, dass du dich gewaltig täuschst, Rigo.“ Dann streckte sie ihm ein Foto entgegen. „Anna ist deine Tochter, und hier ist der Beweis.“

2. KAPITEL

Rigo betrachtete die Frau, die vor ihm stand. Nicole war ganz anders als in seiner Erinnerung. Diese umwerfende Brünette, diese Tigerin in zerissenen Jeans, hatte nur wenig gemeinsam mit der leichtsinnigen Verführerin von einst!

Er nahm ihr das Foto ab und warf einen Blick darauf, während sie ihn nicht aus den Augen ließ. Das Bild zeigte ein niedliches Baby mit braunen Löckchen und heller Haut. Er schaute wieder zu Nicole.

„Das beweist gar nichts.“

Schmerz durchzuckte kurz ihr Gesicht, ehe sie den Kopf schüttelte und ihm das Foto wieder entriss. „Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Ich war von Anfang an absolut ehrlich zu dir. Ich habe dir gesagt, dass ich schwanger bin und habe keine Szene gemacht, als du dich entschieden hast, nichts damit zu tun haben zu wollen.“

Rigo biss sich frustriert auf die Unterlippe. Also blieb sie nach wie vor bei ihrer Geschichte. Er wusste zwar, dass sie schon in ganz jungen Jahren als Kinderdarstellerin gearbeitet hatte, aber er hätte nicht damit gerechnet, dass sie so stur an ihrer Scharade festhalten würde.

„Du inszenierst mich als den Schurken in deinem Drama“, versetzte er betont ruhig.

„Rigo, im Moment bitte ich dich nur darum, deinen Einfluss zu nutzen, damit ich mit meiner Tochter nach Hause fahren kann und dich nie wieder belästigen muss.“

„Und ich soll dir glauben, dass du keinen Penny von mir willst?“

Sie seufzte hörbar. „Überleg doch mal: Die Geburt ist bereits sechs Monate her. Warum sollte ich meine Geschichte erst jetzt an die Presse verkaufen, wenn ich doch angeblich so verzweifelt bin? Das ergibt doch keinen Sinn.“

„Du hast recht. Es ergibt keinen Sinn.“ Er zuckte die Achseln. „Aber es schert mich nicht, was in deinem Kopf vor sich geht. Ob du die Geschichte nun der Presse zugespielt hast oder nicht, interessiert mich nicht.“

„Du willst nur, dass ich deinen Namen reinwasche.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Doch das kann ich nicht, Rigo. Ich werde nicht lügen.“

Rigo bezwang den Impuls, die Hände zu ringen. „Nicole, ich bin vielleicht in der Lage, der Presse einen Maulkorb zu verpassen und weitere Veröffentlichungen zu unterbinden, aber ich kann den Schaden, der bereits angerichtet wurde, nicht wiedergutmachen. Die einzige Möglichkeit, das Gerede der Leute zu unterbinden, besteht darin, den Skandal aus der Welt zu schaffen.“ Er hielt inne, um seinen Worten größeres Gewicht zu verleihen. „Ich bin bereit, das Angebot, das dir heute unterbreitet wurde, um zwanzig Prozent zu erhöhen. Bitte tu das, was für uns alle das Richtige ist.“

Nicole reckte ihr Kinn in die Höhe, holte tief Luft und schob beide Hände in ihre Jeans. „So sehr ich mir meine Privatsphäre auch zurückwünsche – ich werde keine Lüge verbreiten, die auf immer und ewig Auswirkungen auf das Leben meiner Tochter hat.“ Sie schaute ihn aus ihren karamellfarbenen Augen ernst an. „Mach einen Vaterschaftstest. Wenn er negativ ausfällt, werde ich jede Erklärung abgeben, die du willst.“

„Ich sehe keinen Sinn darin, einen Test zu machen, dessen Ergebnis ich jetzt schon kenne.“ Er gab sich größte Mühe, nicht lauter zu werden. Ein Vaterschaftstest würde nur für eine weitere Verzögerung sorgen. Jeder neue Tag, den der Skandal nicht aus der Welt geschafft wurde, hatte negative Auswirkungen auf das Unternehmen.

„Wenn du dir absolut sicher bist, dass sie nicht deine Tochter ist, dann hast du doch nichts zu verlieren“, wandte sie ein.

„Also schön – ich werde den verdammten Test in Auftrag geben. Aber Nicole, sobald sich bestätigt hat, dass ich nicht der Vater bin, wirst du diese Erklärung abgeben.“

„Wenn der Test wirklich negativ ist, hast du einen Deal.“ Sie nickte.

„Gut, dann sind wir jetzt fertig.“ Er steuerte zielstrebig auf die Tür zu.

„Warte!“, rief sie, worauf er abrupt stehen blieb. „Wir haben noch nicht darüber gesprochen, was passiert, wenn der Test positiv ist.“

Rigo schüttelte den Kopf. „Wenn der Test positiv ist …“, sagte er und schaute erneut auf das Foto in ihren Händen. Die Augen der Kleinen waren kobaltblau. Wenn er nicht so sicher wäre, zeugungsunfähig zu sein, hätte er einen perfekten Namen für dieses Blau gehabt. Marchesiblau …

Nicole beobachtete ihn aufmerksam. Er riss seinen Blick los, ging zur Tür hinüber und öffnete sie. Plötzlich wollte Rigo nur noch weg.

„Das wäre ein absolutes Wunder“, erklärte er eisig. „Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass der Vaterschaftstest nichts ändern wird.“

Und damit schloss er die Tür hinter sich.

Der Konferenzraum des Marchesi-Vorstands befand sich im fünfundvierzigsten Stock. Nicole saß allein an dem einen Ende des riesigen schwarzen Marmortischs, während sie auf der anderen Seite von zahlreichen Männern und Frauen in teuren Designeranzügen feindselig angestarrt wurde. Sie wünschte, sie könnte mit Anna tauschen, die glücklich und zufrieden in ihrem Korb lag und an ihren Zehen nuckelte.

Ein älterer weißhaariger Mann saß am gegenüberliegenden Kopfende des Tischs und beobachtete sie, während man eine schmale Ledermappe vor sie legte. Nicole traute sich kaum, die Mappe aufzuschlagen. Sie spürte überdeutlich, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren. Der Scheck, der sich in der Mappe befand, bestand aus so vielen Nullen, dass ihr der Atem stockte.

Der weißhaarige Mann beugte sich vor und räusperte sich. „Als ältestes Mitglied des Vorstands präsentiere ich Ihnen unser finales Angebot, Miss Duvalle.“

„Das kann nicht stimmen …“, hauchte sie. Die Zahlen verschwammen vor ihren Augen.

„Die Marchesi-Gruppe bietet Ihnen einen äußerst großzügigen Deal an dafür, dass Sie im Gegenzug öffentlich verlautbaren, dass Rigo Marchesi nicht der Vater Ihres Kindes ist.“

„Das war nicht der Deal.“ Unter dem Tisch ballte Nicole ihre Finger zusammen. Sie hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Das hier war kein Meeting. Es war ein Überfall.

„Eins sollten Sie wissen, Miss Duvalle: Über die Zahl auf dem Scheck werden wir nicht weiter verhandeln. Wenn es Ihnen also um Geld geht, würde ich Ihnen raten, das Angebot jetzt anzunehmen.“ Der Mann setzte sich wieder zurück und ließ seinen Blick ganz ungeniert über ihr Dekolleté wandern.

Nicole verschränkte die Arme über der Brust. Sie kam sich sehr klein und verlassen vor in diesem Raum mit all den unerbittlichen Geschäftsleuten. Dennoch weigerte sie sich, sich einschüchtern zu lassen. Deshalb holte sie tief Luft. „Ich werde gar nichts unterschreiben, ehe ich nicht erst mit Mr. Marchesi gesprochen habe.“

Eine Frau in einem beigefarbenen Kostüm ergriff das Wort. Ihre Augen sprühten Feuer. „Mir ist klar, dass Sie über eine gewisse Erfahrung verfügen, weil Sie Ihre Mutter wohl bei einigen … rechtlichen Verhandlungen beobachtet haben. Aber sind Sie wirklich bereit, sich mit einem milliardenschweren Unternehmen vor Gericht anzulegen?“

Nicole spürte, wie ihre Haut prickelte. Diese Leute gaben ihr das Gefühl, billig und absolut wertlos zu sein.

Plötzlich wichen alle ihrem Blick aus. Jeder schien nur auf die Tür hinter ihr konzentriert zu sein.

Sie drehte sich um – und sah Rigo im Türrahmen stehen.

Daraufhin erhob sie sich. Die Wut, die sie empfand, verlieh ihr Mut. „Das hier kann ich nicht akzeptieren. Ich werde mich nicht einschüchtern lassen.“

„Ich habe diesem Meeting nicht zugestimmt, Nicole“, erklärte Rigo, wobei seine Stimme tiefer als sonst klang. Ganz kurz fiel sein Blick auf Anna, die zunehmend unruhiger wurde in ihrem Körbchen. „Geh und warte in meinem Büro. Ich komme gleich.“

Rigo verhielt sich gefährlich ruhig, während er darauf wartete, dass Nicole mit dem Baby den Raum verließ. Erst dann ergriff er das Wort. „Es sollte mich besser jemand darüber aufklären, warum dieses Meeting ohne mein Wissen arrangiert wurde!“

Der Mann am Kopfende beugte sich erneut vor. Sein Onkel Mario war ein weißhaariger Dummkopf Ende fünfzig. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Autorität seines Neffen bei jeder sich bietenden Gelegenheit infrage zu stellen. „Wir hatten die Zustimmung des restlichen Vorstands. Dein Plan wurde abgelehnt. Rasches, kompromissloses Handeln ist im besten Interesse der Firma.“

Rigo räusperte sich. Sein Blick fiel auf die dünne Ledermappe, die er mit lautem Knall schloss. „Diese Angelegenheit wird nicht durch finanzielle Deals geregelt.“ Er musterte die Anwesenden mit eisigem Blick. „Ich muss jetzt mit meinem Onkel sprechen. Verlassen Sie bitte alle auf der Stelle den Raum. Sofort.

Er trat ans Fenster und holte dreimal tief Luft, während sich die Männer und Frauen beeilten, seinem Befehl zu gehorchen. Dieser Nachmittag hatte es in sich – und das lag nur halb an diesem geheimen Meeting.

Als sie allein waren, erhob sich sein Onkel. „Diese Frau verleumdet unsere Familie und gefährdet den gesamten Fournier-Deal, um Himmels willen!“

„Es ist keine Verleumdung“, widersprach Rigo barsch. Er konnte selbst kaum glauben, was er da sagte. „Ich habe vor zwanzig Minuten das Ergebnis des DNA-Tests bekommen. Das Kind ist von mir.“

Im ersten Moment war Mario völlig sprachlos. Mit offenem Mund starrte er seinen Neffen an. „Du hast einem Vaterschaftstest zugestimmt, ohne vorher unsere Rechtsabteilung hinzuziehen?“ Ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Bist du völlig verrückt geworden? Nicht mal dein Großvater war so dumm!“

Mario schien von der Neuigkeit an sich überhaupt nicht überrascht – ganz im Gegensatz zu Rigo. Er war immer noch damit beschäftigt, das Ganze zu verdauen. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Entgegen aller Erwartung hatte Nicole die Wahrheit gesagt. Dabei war er sich so sicher gewesen, dass sie log. Vor langer Zeit hatte er endgültige Maßnahmen ergriffen, um nie wieder in diese Situation zu geraten. Und jetzt hatte es ihn doch erwischt.

Sein Onkel räusperte sich. Er warf einen bedeutsamen Blick auf die Ledermappe. „Alle Marchesi-Männer haben sich Indiskretionen geleistet, Rigo. Es scheint eine Familienschwäche zu sein. Aber jeder Mensch hat seinen Preis. Finde heraus, wie hoch ihrer ist. Aber schnell.“

Nicole tigerte von dem einen Ende von Rigos Büro zum anderen. Mit pochendem Herzen überlegte sie, was ihre Optionen waren.

Plan A bestand darin, ohne ein weiteres Wort an Rigo Marchesi oder seine Gorillas von hier zu verschwinden. Sie konnte ihr Glück mit der Presse versuchen und um Privatsphäre bitten – oder sich endgültig von ihrem Traum, ein normales Leben zu führen, verabschieden. Letzteres war wahrscheinlicher.

Plan B … Nun, Plan B sah so aus, dass sie all ihre moralischen Prinzipien über Bord warf.

Nicole setzte sich auf den nächstbesten Stuhl und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren.

Merkwürdigerweise wünschte sie sich, dass ihre Mutter hier wäre und ihr zur Seite stünde. Nein, korrigierte sie sich sofort, sie wünschte sich, dass ihre Mutter genug Mutter wäre, um ihr zu helfen. Aber Goldie Duvalle spielte komplett nach eigenen Regeln. Zwischen ihren diversen Hochzeiten schneite sie immer mal wieder in das Leben ihrer Tochter hinein. Aber nur, wenn sie gerade etwas von ihr wollte.

Das letzte Mal, dass Nicole ihre Mutter gesehen hatte, war der Tag gewesen, an dem sie Goldie ihre Schwangerschaft gestanden hatte. Wenn Nicole daran zurückdachte, überkam sie noch heute kalte Wut. Nein, ihre Mutter war keine Option – es sei denn, sie brauchte ein paar Kontakte zu Klatschreportern.

In dem von Marmor, Chrom und Glas dominierten Büro kam sich Nicole klein und verlassen vor. Immerhin war Anna in ihrem Körbchen vor dem Fenster zufrieden eingeschlafen.

Als Rigo den Raum betrat, fiel die schwere Holztür mit einem dumpfen Knall hinter ihm zu. Sein sonst so perfekt frisiertes Haar wirkte an diesem Tag auffallend zerzaust.

Er blieb stehen und blickte sich um. „Das Kind?“

Die Frage erwischte sie auf dem falschen Fuß. Mit einem Stirnrunzeln deutete sie auf das Körbchen am Fenster, wo ihre Tochter friedlich schlief.

„Wird sie aufwachen, wenn wir uns unterhalten?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. Verdammt sollte sie sein, wenn sie sich von seiner plötzlichen Fürsorge beeindrucken ließ. „Gott sei Dank schläft sie immer tief und fest. Alles in Ordnung.“

Rigo nickte brüsk. Sein Blick verweilte auf der blassgelben Decke, ehe er sich wieder zu ihr wandte. In seinen Augen sah sie eine seltsame Mischung aus Zorn und – einem anderen, unbekannten Gefühl.

Eine Weile standen sie voreinander und starrten sich schweigend an, ehe Rigo schließlich das Wort ergriff.

„Zunächst möchte ich dir versichern, dass ich nichts mit diesem Meeting zu tun hatte.“ Sein Gesichtsausdruck wirkte harsch. „Die Vorstandsmitglieder sind unruhig geworden und haben beschlossen, im Alleingang zu agieren. Es tut mir leid, dass du da mit hineingezogen worden bist.“

Mit seiner Entschuldigung hatte sie nicht gerechnet. Sie fühlte sich überrumpelt. „Ich habe dir ja gesagt, dass ich ohne den Test nichts unterschreiben würde.“

„Ja, das hast du.“ Er atmete lange aus. Dann ging er an ihr vorbei zu seinem Schreibtisch hinüber. Er bedeutete ihr, auf dem Ledersessel ihm gegenüber Platz zu nehmen. Nachdem sie seiner Einladung gefolgt war, setzte er sich ebenfalls.

„Ich habe heute einen Anruf von dem Labor erhalten“, erklärte er ruhig. Geistesabwesend trommelte er mit dem Daumen auf den Tisch. Dann schaute er sie an. „Der DNA-Test war positiv.“

Nicole erwiderte seinen Blick schweigend. Sie wusste nicht, was sie auf diese emotionslose Aussage hin erwidern sollte. „Ich verstehe“, sagte sie schließlich und beobachtete, wie er weiterhin mit dem Daumen auf den Tisch klopfte.

„Ist das alles, was du zu sagen hast?“, entgegnete er.

Sie zuckte kurz die Achseln. „Ich wusste schon vorher, wie das Ergebnis ausfallen würde.“

Da lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete sie nachdenklich. „Aufgrund der mir bekannten Fakten habe ich dir nicht geglaubt, Nicole. Jetzt, wo ich weiß, dass ich mich getäuscht habe … Nun, unsere Situation ist bedauerlich.“

Es war, als würde sie mit einem Roboter sprechen. War es wirklich nur „bedauerlich“, dass er die ersten sechs Monate seines Kindes verpasst hatte? Zorn stieg in ihr auf.

Rigo schien von ihrem inneren Aufruhr nichts mitzubekommen. „Das Interesse der Medien ist eine Sache, die uns beide bekümmert“, fuhr er fort, „aber ich denke, dass wir das zu unserem Vorteil ummünzen können.“

Sie verschränkte die Arme über der Brust. Wie konnte er immer noch von Geschäftlichem reden, wo er doch gerade herausgefunden hatte, dass er eine Tochter hatte? „Ich habe dir bereits mehrfach gesagt, dass ich die Presse nicht belügen werde, nur um dein öffentliches Image zu retten.“

„Ich bitte dich nicht darum, zu lügen“, versetzte er. „Jetzt, wo ich weiß, dass dieses Kind von mir ist, habe ich nicht vor, das abzustreiten. Weder öffentlich noch sonst wie.“

Da waren sie. Die Worte, auf die sie vor einem halben Leben gewartet hatte. Nur dass sie jetzt keine Erleichterung darüber empfand, dass ihre Tochter eine Beziehung zu ihrem Vater haben würde. Stattdessen fühlte sie eisige Furcht.

Nicole stand auf und zog sich einige Schritte zurück. „Zunächst einmal: Du magst ja der biologische Vater sein, aber alles andere musst du dir verdienen. Im Moment will ich nicht mehr von dir, als dass du mir dabei hilfst, mir die Presse vom Hals zu schaffen.“

Er sagte nichts, sondern beobachtete sie nur weiter mit jener Intensität, die so charakteristisch für ihn war.

Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ich weiß, dass das in deiner Macht liegt.“

„Gerichtliche Schutzverfügungen können ganz leicht überrollt werden. Die Fotografen werden dich trotzdem jagen. Die Story ist draußen. Anna wird immer das Ergebnis eines Skandals sein. Das wird lebenslang an ihr haften.“

„Es muss aber doch eine Möglichkeit geben …“ Nicole wurde zusehends verzweifelter. Natürlich hatte er recht. Der Schaden war bereits angerichtet. Skandale wie dieser ließen sich nicht wieder unter den Teppich kehren.

War sie wirklich so naiv gewesen zu glauben, dass er alles wegzaubern konnte? Sie hatte ihre Tochter in diese Welt gebracht und geschworen, dass sie niemals die gleichen Dinge erleben musste, die sie selbst als Kind durchgemacht hatte. Schon an der Schulpforte von Kameras verfolgt zu werden und ständig vor den Medien eine Rolle spielen zu müssen …

Rigo räusperte sich. Er erhob sich, umrundete den Schreibtisch und lehnte sich an dessen Kante. „Es gibt einen Weg, Nicole. Einen, den ich dir anbieten will und der uns beiden zum Vorteil gereichen wird.“

„Und wie in aller Welt soll das gehen?“ Sie schaute ihn ratlos an.

Seine Stimme klang kühl und geschäftsmäßig. „Der schnellste und effizienteste Weg, eine Story aus den Medien zu vertreiben, besteht darin, der Meute eine noch größere Story zu geben.“

„Und was könnte größer sein als das hier?“ Sie runzelte die Stirn.

„Eine Hochzeit. Unsere Hochzeit, um genau zu sein.“

Nicole war sprachlos. Sie konnte kaum glauben, was er da sagte. Wenn sie ihn richtig verstanden hatte, dann war sein Vorschlag völlig lächerlich und überhaupt keine Lösung.

„Du willst, dass wir vorgeben, verheiratet zu sein?“, fragte sie fassungslos. „Das würde gar nichts bringen – jeder würde sofort wissen, dass es eine Lüge ist.“

„Ich rede nicht von einer Lüge.“ Als er auf sie herabblickte, war da wieder diese undeutbare Emotion in seinen Augen. „Nicole, wir können den Skandal nur dadurch ein für alle Mal beilegen, indem wir beweisen, dass ich mein Kind und seine Mutter niemals im Stich gelassen habe. Wir müssen verdeutlichen, wie sehr sich die Presse getäuscht hat. Und das gelingt uns am besten … wenn du tatsächlich meine Frau wirst.“

Rigo beobachtete, wie jegliche Farbe aus Nicoles Gesicht wich. Nicht gerade die Reaktion, die er sich erhofft hatte.

„Das kann nicht dein Ernst sein“, wisperte sie.

Rigo verschränkte die Arme ineinander und blickte in ihr blasses Gesicht. „Das ist nicht unbedingt das, was ein Mann erwartet, wenn er einen Heiratsantrag macht.“

„Du hast mir keinen Heiratsantrag gemacht. Du hast mir einfach nur einen weiteren Deal vorgeschlagen. Einen, den ich unter gar keinen Umständen akzeptieren werde. Da nehme ich eher das Geld und laufe davon!“

„Ich versichere dir, dass ich es absolut ernst meine. Hier geht es nicht ums Geschäft! Nicht jetzt, wo ich weiß, dass ich Vater bin.“ Beinahe strauchelte er über das Wort. Ein Wort, das er nie geglaubt hatte, im Zusammenhang mit sich selbst zu benutzen. „Nicole, ob dir das nun gefällt oder nicht – du, ich und Anna sind von nun an für immer miteinander verbunden. Ich schlage lediglich vor, dass wir diese Verbindung dauerhaft und öffentlich machen. Auf diese Weise lösen wir all unsere Probleme auf einen Schlag.“

„Ich kann nicht glauben, dass du mich tatsächlich heiraten willst, nur um deine kostbare Firma zu retten“, versetzte sie schockiert.

„Es wäre eine rechtmäßige Verbindung – eine richtige Heirat. Was ich vorschlage, dient dazu, unser beider Interessen zu wahren. Jetzt, wo ich weiß, dass ich ein Kind habe, möchte ich eine Rolle im Leben meiner Tochter spielen.“

„Wäre das auch noch so, wenn deine Aktien nicht gerade im Fallen wären?“

Rigo spürte den Stich. Sofort verspannte er sich. „Ich habe das hier vielleicht nicht geplant, Nicole, aber ich würde meinem eigen Fleisch und Blut niemals den Rücken kehren.“

Sie senkte den Blick. Dann schlang sie die Arme schützend um sich, so wie sie das in seiner Nähe immer zu tun schien. Schließlich räusperte sie sich und schaute wieder zu ihm auf. „Ich wollte sie vom ersten Moment an, seit ich von ihrer Existenz erfuhr. Und du?“

Darauf konnte Rigo nichts erwidern. Er wollte sie davon überzeugen, das Beste für ihr Kind zu tun, dabei hatte er bereits das Schlimmste getan, was ein Vater tun konnte. Plötzlich traf ihn das Ausmaß seines Vorschlags mit aller Wucht.

Er wollte sich eine ganze Familie zulegen!

„Wenn wir heiraten, hätte sie das Beste aus unserer beider Welten“, argumentierte er rasch und wählte seine Worte mit Bedacht. „Nicole, denk doch mal nach. Wir haben ein gemeinsames Kind, und wir wollen beide, dass diese Geschichte so schnell wie möglich aus den Schlagzeilen verschwindet. Dazu brauchen wir eine dauerhafte Lösung, die Anna an die erste Stelle setzt.“

„Hör auf, wie über einen Geschäftsdeal zu reden, um Himmels willen.“

Sie entfernte sich einige Schritte von ihm. Im ersten Moment fürchtete er, dass sie einfach aus der Tür gehen würde. Doch er sah an der Art, wie sie ihn aus dem Augenwinkel heraus anschaute und dann aus dem Fenster starrte, dass sie unsicher war. Er war ein absoluter Verhandlungsprofi. Daher wusste er ganz genau, wann es an der Zeit war, dem Gegner den Todesstoß zu versetzen, und wann man ihm eine Atempause lassen musste.

Deshalb schwieg er jetzt und ließ Nicole die Möglichkeit, ihren inneren Kampf auszufechten. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm um. Ihr Gesichtsausdruck gab ungewollt all ihre Gedanken preis.

„Ich habe alles geopfert, damit mein Kind ein gutes Leben hat. Und jetzt wird es nie wieder dasselbe sein. Egal, welche Entscheidung ich treffe.“

„Dann kannst du nur gewinnen, wenn du mich heiratest.“ Er machte zwei Schritte auf sie zu – gerade weit genug, dass er ihr Gesicht ganz deutlich sehen konnte.

„Ich kann nicht fassen, dass ich das überhaupt in Erwägung ziehe.“ Sie blickte ihn an. „Du willst dich tatsächlich an eine Frau binden, die für dich nichts weiter als eine geldgierige Schlange ist?“

„Deine Vergangenheit wird vergessen sein, sobald du dich verpflichtest, mir eine respektable Partnerin zu sein, die meinem öffentlichen Image nicht schadet“, erwiderte Rigo achselzuckend.

Nicoles Augen weiteten sich. „Wie romantisch!“

„Wenn du dir Blumen und Liebesbriefe erhofft hast, so muss ich dich enttäuschen. Diese Art Ehemann bin ich nicht.“

„Das ist alles ein bisschen viel, Rigo. Vor drei Tagen habe ich noch ein ruhiges, ganz normales Leben geführt, und jetzt bittest du mich, mich wieder dem Medienzirkus auszusetzen …“

„Du musst so oder so mit der Pressemeute klarkommen. Für die Öffentlichkeit ist unser Leben nur ein Spiel. Aber manchmal können wir den Spieß umdrehen und mit der Öffentlichkeit spielen! Nun, wie entscheidest du dich?“

3. KAPITEL

Nicole schaute den Mann an, der ihr gleichzeitig anbot, sie zu retten und zu ruinieren. Welche Art Frau wäre sie, wenn sie sich auf eine solche Heirat einließ? Die Antwort lag auf der Hand: eine wie ihre Mutter.

Nur dass ihre Mutter ihre Ehemänner nie danach ausgewählt hatte, was für ihre Tochter das Beste war. Goldie war es immer nur um Geld gegangen. Und um Schlagzeilen in der Boulevardpresse.

„Wenn ich mich darauf einlasse, will ich dein Wort darauf, dass Anna niemals Teil deines öffentlichen Images sein wird. Sie wird keine Fotoshootings machen müssen.“

„Ich werde sie beschützen. Das verspreche ich dir.“

Nicole nickte und schluckte dabei den Kloß hinunter, der ihr plötzlich in der Kehle steckte.

„Auf die genauen Details können wir uns später noch einigen. Liege ich erst mal recht in der Annahme, dass du meinen Antrag annimmst?“

Sie holte tief Luft. „Ja, ich werde dich heiraten.“

Triumph flackerte in seinen Augen auf. „Bene. Ich werde meine PR-Leute zusammentrommeln und den Ball ins Rollen bringen.“

Rigo hielt ihr die Tür auf, damit sie ihm mit der schlafenden Anna in den geschäftigen Vorraum seiner Büro-Etage folgen konnte.

Nicole runzelte die Stirn. Das war’s? Sie hatte sich gerade bereiterklärt, ihn zu heiraten – da gab es doch sicher noch jede Menge zu bereden, oder? Wo sie leben würden … die Hintergrundgeschichte für diese lächerliche Scharade … Mein Gott, ob sie das Richtige tat?

„Rigo, warte!“ Sie packte ihn am Arm und hielt ihn fest. „Ich muss wissen, was als Nächstes passiert. Das alles geht viel zu schnell.“

„Ich kümmere mich darum. Du musst nur dafür sorgen, dass du deine Rolle spielst.“

Die Kälte seiner Worte ließ sie erschauern. Da sie keinen Ton herausbrachte, nickte sie nur stumm und wich seinem Blick aus.

Rigo begann, eine Nummer in sein Handy zu tippen. „Ich werde euch beide sofort in mein Apartment bringen lassen. Du kannst Alberto eine Liste mit all den Dingen geben, die du aus deinem Haus brauchst.“

„Wir sollen sofort zu dir ziehen?“, fragte sie schockiert und warf rasch einen Blick auf Anna, die nach wie vor friedlich schlief.

„Wir müssen gleich eine gemeinsame Front aufbauen. Dazu werden wir der Presse deutlich machen, dass wir nichts zu verheimlichen haben.“ Rigo wandte sich brüsk ab und begann ein Gespräch mit seinem Assistenten.

Nicole versuchte, ruhig hinzunehmen, dass er überhaupt keine Anstalten machte, sich seiner Tochter zu nähern. Wahrscheinlich musste sie in dieser Hinsicht ihre Erwartungen deutlich runterschrauben!

Rigo hatte ihr einen Antrag gemacht, um den Skandal zu entschärfen. Mehr durfte sie nicht von ihm erwarten …

Rigo blieb so lange wie möglich in seinem Büro, ehe er in sein Apartment zurückkehrte. Das Penthouse lag im sechzehnten Arrondissement und war sein erster Kauf gewesen, nachdem er vor fünf Jahren Geschäftsführer geworden war. Es verfügte über eine riesige Dachterrasse, und der Blick über den Bois de Boulogne war atemberaubend.

Rigo spitzte kurz die Ohren und war erleichtert, als er keine Geräusche aus den Schlafzimmern hörte. Nicole und das Kind waren am frühen Nachmittag eingezogen, und er hatte absichtlich bis weit in den Abend gewartet, ehe er nach Hause kam. Er brauchte Zeit zum Nachdenken. Zeit, die fundamentalen Veränderungen in seinem Leben zu verdauen.

Das Ergebnis des Vaterschaftstests hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen.

Die ganze Zeit war er felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Nicole einfach nur versuchte, die Schwangerschaft ihrem reichsten Verehrer anzuhängen. Geldgierige Frauen fühlten sich vom Namen Marchesi magisch angezogen. Davon konnte Rigo ein trauriges Lied singen.

Und jetzt war er Vater.

Vor Langem hatte er eine schwierige Entscheidung getroffen – in dem Wissen, dass er den Eingriff rückgängig machen könnte, wenn er das je wollte. Er hätte jedoch nie geglaubt, dass die Natur das selbst in die Hand nehmen würde. Der Arzt hatte ihm am Nachmittag versichert, dass dieses Phänomen sehr selten war. „Natürliche Umkehrung“ hatte er das Ganze genannt. Rigo nannte es Meuterei. Er hatte sich an den Gedanken gewöhnt, nie selbst ein Kind zu haben. Sich einer Vasektomie zu unterziehen, war eine endgültige Entscheidung gewesen.

Wie groß waren die Chancen? Die eine Nacht, in der er vergessen hatte, ein Kondom zu benutzen … Eine Nacht, die ihm auf immer im Gedächtnis bleiben würde …

Nicole Duvalle war genau die Sorte Frau, die er in den vergangenen zehn Jahren gemieden hatte wie der Teufel das Weihwasser, und trotzdem war er mit ihr ins Bett gegangen, ohne an die Konsequenzen zu denken. In jener Nacht hatte er alle Vorsicht in den Wind geschlagen und sich ein einziges Mal das genommen, was er begehrte. Das Liebesspiel mit ihr weckte in ihm den Wunsch, aus seinem starren Gefängnis auszubrechen. Und dann fand er heraus, wer sie war, und der Wunsch erlosch mit brutaler Endgültigkeit.

Rigo ging zum Fenster hinüber und blickte auf die Dunkelheit des Bois du Boulogne hinab. Es spielte keine Rolle mehr, was vielleicht möglich gewesen wäre. Jetzt war er mit einer Frau verlobt, deren Ruf anrüchiger war als der vieler Politiker. Während des Großteils ihres Erwachsenenlebens hatte sie für einen Skandal nach dem anderen gesorgt, und dabei war sie erst fünfundzwanzig. Nicole behauptete zwar, sich geändert zu haben und dass sie nichts mehr mit den Medien zu tun haben wollte, aber er wusste ganz genau, wie gut Frauen lügen konnten.

Als er spürte, wie die Müdigkeit von ihm Besitz ergriff, ging er den Flur hinunter zu seinem Schlafzimmer und stutzte, als er einige weibliche Kleidungsstücke auf seinem Bett liegen sah. Im nächsten Moment öffnete sich die Badezimmertür, und Nicole tauchte auf. Ihr Haar war noch nass von der Dusche. Und sie trug nur einen kurzen Bademantel.

Bei seinem Anblick zuckte sie erst zusammen, dann erstarrte sie.

Rigo stockte der Atem. Ein verführerischer Duft nach Vanille und Honig drang zu ihm herüber.

Rasch zog Nicole den Gürtel um ihre schmale Taille fester. Was jedoch nur dazu führte, dass sich ihre Brüste noch deutlicher gegen den Stoff abzeichneten. Rigo ballte die Hände zu Fäusten.

„Sie haben all meine Sachen in dein Schlafzimmer gebracht“, erklärte sie verlegen und wich dabei seinem Blick aus. „Deine Haushälterin war sehr … aufgeregt.“

„Ich verstehe.“

Kurz schaute er auf die beiden cremefarbenen Schenkel, die unter ihrem Bademantel hervorlugten. Sein Körper versteifte sich noch mehr. Wahrscheinlich zeichnete sich ein Teil seiner Gedanken auf seinem Gesicht ab, jedenfalls räusperte sich Nicole, und dann schnappte sie sich blitzschnell ihre Kleider vom Bett. Ohne ein weiteres Wort verschwand sie wieder im Bad und schloss die Tür sorgfältig hinter sich.

Rigo ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand fallen. Das war eine unvorhergesehene Komplikation in seinem sonst so perfekten Plan. Sein Personal kam von der besten Agentur in ganz Paris, aber in dieser Welt war nichts wirklich geheim. Sie präsentierten den Medien eine romantische Liebesgeschichte. Natürlich erwartete man da, dass er ein Bett mit seiner frisch gebackenen Verlobten teilte. Wie es jeder normale Mann tun würde.

Er hatte geglaubt, dass die Erkenntnis, wer und was Nicole war, sein Verlangen nach ihr löschen würde. Doch sein Körper hatte offensichtlich ganz andere Vorstellungen.

Müde öffnete er seine Gürtelschnalle, zog das Lederband aus den Schlaufen und wickelte den Gürtel fest zusammen, während er zu seinem Ankleidezimmer hinüberging. Dass wenigstens dort peinliche Ordnung herrschte, vermittelte ihm ein Gefühl des Friedens.

Als er jedoch die Gürtelschublade öffnete, stellte er fest, dass sie nur halb mit seinen Sachen gefüllt war. Die andere Hälfte beinhaltete ein wildes Sortiment bunter Schals und Tücher. Mit finsterem Gesicht zog er die nächste Schublade auf und sah, dass auch diese völlig neu geordnet war.

Darauf kehrte er ins Schlafzimmer zurück, wo er Nicole in eine blassrosa Pyjamahose und ein weißes Top gekleidet vorfand. Sie stopfte gerade ihre Sachen in einen kleinen Koffer.

„All deine Kleider sind in meinem Ankleidezimmer verstaut worden.“

Das kam barscher heraus, als er beabsichtigt hatte. Nicole schaute ihn ungläubig an.

„Ist das etwa mein Fehler?“

Rigo strich sich mit der Hand über die Wange. Seine Gedanken überschlugen sich. So vieles hatte er nicht bedacht. „Wir werden ein Bett teilen müssen, bis die Hochzeit über die Bühne gegangen ist“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, löste seine Krawatte und legte sie auf der antiken Kommode ab. „Wir können nicht riskieren, dass das Personal Gerüchte in die Welt setzt.“

Nicole hob eine Augenbraue. „Dem habe ich nicht zugestimmt, Rigo. Das ist kein … angemessenes Arrangement.“

„Glaub mir, ich bin keine Gefahr für dich. Auch ich zähle die Tage, bis diese Hochzeit vorbei ist.“

„Nun, warum in aller Welt müssen wir dann in einem Bett schlafen? Du wirst doch wohl deinen eigenen Angestellten vertrauen?“

„Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, niemandem zu vertrauen.“ Er begann, die Knöpfe seines Hemds zu öffnen, und bemerkte, wie ihre Augen seiner Bewegung folgten. „Angeblich haben wir eine romantische Liebesbeziehung. Wir werden ein Bett teilen. Ende der Diskussion.“

„Wie schön, dass ich dazu auch etwas zu sagen habe.“

„Ungefähr genauso viel wie ich, cara“, gab er zurück. „In ein und demselben Bett zu schlafen ist noch das geringste unserer Probleme.“ Er zog das Hemd aus, faltete es ordentlich zusammen und öffnete dann seine Hose. Als er aufschaute, sah er, dass Nicole ihn beobachtete.

Beinahe hätte er gelächelt, als sie rasch seinem Blick auswich, ins Bett schlüpfte und sich die Decke bis zum Kinn hochzog. Doch dann wurde er wieder ernst. Die erotische Anziehung zwischen ihnen war unbestreitbar und es würde Rigo verdammt schwerfallen, sich zu beherrschen.

Eine lange, schlaflose Nacht lag vor ihm …

Als Nicole am nächsten Morgen in Rigos Bett erwachte, brauchte sie einen Augenblick, um sich zu orientieren. Mit angehaltenem Atem drehte sie sich um und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass die andere Hälfte des Betts bereits leer war. Da Decke und Kissen noch warm waren, konnte er allerdings noch nicht allzu lange fort sein. Neben einem halbnackten Rigo zu schlafen, war ihr zuerst vollkommen unmöglich vorgekommen, doch schlussendlich hatte sich die Erschöpfung durchgesetzt und sie war eingeschlafen.

Im Apartment war es still. Anna war in der Nacht einmal kurz aufgewacht, dann aber schnell wieder in dem Bettchen eingeschlummert, das Rigo zusammen mit den anderen Sachen aus Nicoles Haus in L’Annique hatte herbringen lassen. Während die Kleine noch friedlich schlief, nutzte Nicole die Zeit, um zu duschen und ein leichtes Make-up aufzulegen. Im Stillen dankte sie dem Personal dafür, dass sie ihre Sachen so schnell von La Petite hierher transportiert hatten.

Dass das wunderschöne kleine Haus bald von neuen Mietern bewohnt werden würde, brach ihr jedoch beinahe das Herz. Sie hatte sich so viel Mühe mit der Einrichtung gegeben, hatte alle Zimmer frisch gestrichen und schön dekoriert … Bald würde dort alles verändert werden. Ihr dortiges Leben verblasste bereits zur Erinnerung.

Nicole war froh, als Anna aufwachte und sie sich um sie kümmern konnte, denn so blieb ihr keine Zeit mehr, ihren trübseligen Gedanken nachzuhängen. Allerdings musste sie feststellen, dass es gar nicht so einfach war, der normalen Routine nachzugehen, wenn man eine Haushälterin um sich hatte, die alle Wünsche und Bedürfnisse schon im Vorfeld zu erahnen schien.

Alle Babyflaschen waren mit heißem Wasser ausgekocht worden, ihre Kleider gewaschen und gebügelt, der Frühstückstisch gedeckt … Nicole kam sich ziemlich überflüssig vor.

„Nicole, die Nannys sind zum Vorstellungsgespräch eingetroffen.“ Rigos Assistent Alberto stand so plötzlich in der Tür, dass sie zusammenzuckte.

„Nannys?“ Rasch schluckte sie einen Bissen Melone hinunter und stand auf. „Ich habe keine Vorstellungsgespräche vereinbart.“

„Rigo hat eine Vorauswahl von einer der besten Agenturen der Stadt getroffen.“ Der Assistent strich sich geistesabwesend das Hemd glatt. Die Geste machte deutlich, wie sehr ihn seine heutige Aufgabe langweilte.

„Ich habe einer Nanny nicht zugestimmt“, beharrte Nicole. „Das ist etwas, was er vorher mit mir hätte klären müssen.“

„Ich bin lediglich der Überbringer der Botschaft. Wenn Sie ein Problem damit haben, müssen Sie das mit ihm ausmachen“, entgegnete Alberto.

Genervt griff sie nach ihrem Handy. Sie würde Rigo anrufen und ihm klarmachen, dass er nicht einfach über sie hinweg bestimmen konnte, nur weil sie sich bereit erklärt hatte, ihn zu heiraten. Sie holte tief Luft, dann hielt sie inne, weil ihr urplötzlich aufging, dass sie nicht mal die Handynummer ihres Verlobten besaß.

Alberto verdrehte die Augen, als sie ihn um die Nummer bat. Rasch holte er sein eigenes Mobiltelefon heraus, drückte ein paar Tasten und reichte es ihr dann.

Rigos tiefer Bariton meldete sich mit einem knappen: „Si?“

„Hast du veranlasst, dass sich jemand Fremdes um meine Tochter kümmern soll, ohne das vorher mit mir abzusprechen?“

Sie hörte, wie im Hintergrund Papiere raschelten und ein gedämpftes Gespräch geführt wurde, ehe er ihr antwortete. „Ja, ich habe arrangiert, dass sich ein paar Bewerberinnen heute Morgen vorstellen.“

„Und wie kommst du auf die Idee, dass ich Hilfe benötige, Rigo? Ich bin in den vergangenen sechs Monaten sehr gut allein klargekommen – oder hältst du mich etwa für unfähig?“ Sie hörte die Feindseligkeit in ihrer Stimme, aber das war ihr egal.

Rigo seufzte schwer. „Nicole. Es gibt einige Veranstaltungen und ein komplettes Hochzeitswochenende, das du durchstehen musst. Ich halte es nicht für praktisch, den Gang zum Altar mit dem Kind auf dem Rücken zurückzulegen, oder du etwa?“

Sie biss sich auf die Lippe. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Bislang hatte sie nie fremde Hilfe gebraucht, sondern sich ganz allein um ihre Tochter gekümmert. Vielleicht brauchte sie tatsächlich eine vertrauenswürdige Person, die ihr helfen konnte – nur bis die Hochzeit vorbei war.

„Ich fasse dein Schweigen als Entschuldigung auf“, meldete sich Rigo wieder zu Wort. „Gibt es sonst noch etwas, das du mir heute Morgen vorwerfen willst, oder war es das?“

„Nein, das war’s“, erwiderte sie rasch. Ihre Wangen brannten vor Scham. „Es tut mir leid, dass ich davon ausgegangen bin, du würdest …“

„Mach dir deshalb keine Gedanken“, unterbrach er sie. Im Hintergrund wurde das Stimmengemurmel lauter. „Ich muss jetzt Schluss machen. Sei heute Abend um sieben Uhr fertig.“

„Fertig? Für was?“ Sie runzelte die Stirn.

„Wir gehen zum Dinner aus.“

Damit beendete er das Gespräch. Nicole starrte konsterniert auf das Smartphone in ihrer Hand. Er hatte ihr gerade befohlen, zu einer bestimmten Uhrzeit parat zu stehen – war das die Art und Weise, wie ihre Beziehung laufen würde?

Alberto räusperte sich vernehmlich, woraufhin sie die Augen verdrehte. „Ja, schon gut“, erklärte sie erbost und gab ihm das Telefon zurück. „Ich komme gleich.“

„Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“ Nicoles Augen weiteten sich, als sie den vergoldeten Namen über dem Restauranteingang las. „Wir hätten uns genauso gut ungestört in deinem Apartment unterhalten können.“

„Das Essen hier...

Autor

Amanda Cinelli
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Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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Catherine Oconnor
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