Das gewagte Spiel des Millionärs

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Was tut man nicht alles für seine Schwester! Ihretwegen reist Millionär Cristiano Verón nach London und engagiert die Frau, die behauptet, von seinem zukünftigen Schwager ein Kind zu erwarten: Isabelle Browne. Doch als Cristiano ihr zum ersten Mal begegnet, verschlägt es ihm fast die Sprache. Nie hätte er damit gerechnet, dass Isabelle einen so natürlichen Charme hat, so warmherzig und humorvoll ist … Spontan lädt er sie zum Dinner ein - um hinter ihre erpresserischen Pläne zu kommen. Damit, dass er sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen fühlt, hat es nichts zu tun. Oder doch?


  • Erscheinungstag 08.05.2010
  • Bandnummer 1614
  • ISBN / Artikelnummer 9783862955893
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Langsam, Baby, wir haben alle Zeit der Welt.“ Cristiano Verón streichelte sanft über Giseles Hals und schmiegte sich eng an sie, während er leise und beruhigend auf sie einredete. Ein letztes Mal bäumte sie sich auf, bis ihre Bewegungen schließlich dem Rhythmus folgten, den er vorgab.

„Genau so“, flüsterte er leise und streichelte weiter ihren Nacken. „Das machst du hervorragend.“

Gisele war sehr folgsam. Warum konnten nicht alle weiblichen Wesen in seinem Leben so sein wie sie? Auch wenn dieser Gedanke zynisch war, lächelte Christiano zufrieden und genoss diesen Moment. Die Luft duftete nach Frühling, und zum ersten Mal seit Wochen spürte er die wärmende Kraft der Sonne. Als er den Ball fixierte und mit dem Schläger ausholte, erfasste ihn ein absolutes Hochgefühl.

Einen Treffer auf dem Polofeld zu landen war fast so gut wie Sex und stand deshalb auf der Liste von Cristianos Lieblingsbeschäftigungen gleich an zweiter Stelle.

Er hatte gar nicht mehr gewusst, wie wunderbar es sich anfühlte, sich etwas Gutes zu tun. Er sehnte sich nach seinem Anwesen in Hertfordshire, auf dem er schon ewig nicht mehr gewesen war. Dios, er vermisste die Stallungen, seine Pferde und die Herausforderung, die dieses Spiel an seine Selbstbeherrschung stellte.

Mit leichtem Druck führte er sein Lieblingspferd elegant an allen Hindernissen vorbei. Sie gehorchte brav. Wären doch nur alle …

Leider wurde er aus seinen Tagträumen gerissen, weil am Spielfeldrand ein ungebetener Gast auftauchte. Aus Cristianos Hoch drohte ein kleines Tief zu werden. Diesmal wartete zwar keine seiner liebestollen Verehrerinnen auf ihn, aber dafür ein Besucher, auf den er ebenso gut hätte verzichten können.

Hugh Harrington, der Verlobte seiner Schwester.

Cristiano verfluchte seinen zukünftigen Schwager innerlich dafür, dass er seinetwegen das Training unterbrechen musste. Grundsätzlich hatte er ja nichts gegen ihn. Das Einzige, was ihn manchmal wahnsinnig machte, war dieser übertriebene Eifer, den Hugh andauernd an den Tag legte. Warum gab der Kerl sich nicht einfach damit zufrieden, Amandas Herz in rasender Geschwindigkeit erobert zu haben? Nein, auch auf dem Polofeld musste er offenbar immer wieder beweisen, was für ein Draufgänger er war. Manchmal fiel es Cristiano wirklich schwer, die nötige Gelassenheit für Hughs Ehrgeiz aufzubringen. Hoffentlich war er nicht hier, weil er mit ihm trainieren wollte. Gott sei Dank schien das nicht der Fall zu sein. Der junge Mann mit dem knabenhaften Gesicht trug keine Polouniform, sondern einen eleganten Anzug. Und er schaute ziemlich zerknirscht drein.

Bitte nicht noch ein Hochzeitsdrama, flehte Cristiano innerlich. Das bevorstehende Ereignis hatte mittlerweile lächerliche Ausmaße angenommen. Die Schreckensmeldungen, mit denen Amanda und seine Mutter ihn täglich bombardierten, raubten ihm allmählich den letzten Nerv. Und da Cristiano es war, der täglich neue Schecks ausstellen musste, konnte er sich den hysterischen Anfällen nur schlecht entziehen.

In weniger als einem Monat würde das ganze Theater endlich ein Ende haben. Amanda würde dann nicht mehr im vorehelichen Liebeswahn durch die Gegend rennen, Vivi ihre Suche nach Ehemann Nummer fünf fortsetzen, und das Leben würde endlich wieder so sein wie immer.

Nur noch achtundzwanzig Tage …

Er ritt seinem unliebsamen Besucher entgegen, blieb vor ihm stehen und sah mit skeptischem Blick auf ihn herab. „Ich dachte, du bist in der Provence, um dort ein Anwesen zu begutachten.“

„Schon längst erledigt. Danach bin ich sofort nach Hause geflogen“, antwortete Hugh und bemühte sich um Haltung. Der junge Mann holte tief Luft. „Tut mir leid, dass ich dich an einem Sonntag beim Training störe. Aber ich muss etwas mit dir besprechen. Dauert auch nicht lange.“

„Was ist es diesmal?“ Christiano seufzte. „Sind den Rosen die Köpfe abgefallen, oder den Angestellten vom Partyservice die Hände? Hat irgendeine Brautjungfer plötzlich festgestellt, dass sie schwanger ist?“

Trotz seiner Sonnenbräune sah Hughs Gesicht plötzlich fahl aus. „Leider keine der Brautjungfern“, murmelte er.

„Wer dann? Amanda?“

„Nein, eine andere Frau. Aber ich kenne sie überhaupt nicht“, fügte Hugh hastig hinzu. „Ich weiß nur, dass sie Australierin ist und mir diese schlimme Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen hat, während ich weg war. Sie behauptet, sie sei schwanger.“

Gisele warf ungeduldig ihren Kopf hin und her. Um sie zu beruhigen, klopfte Cristiano ihr sanft auf den Hals. Sein Blick ruhte fest auf dem jungen Mann, der nervös vor ihm stand und versuchte, die Fassung zu bewahren. „Willst du mir jetzt ernsthaft erzählen, dass diese Frau ein Kind von dir erwartet?“

„Das behauptet sie zwar, aber es ist natürlich absoluter Unsinn.“

„Du hast gesagt, du kennst sie nicht“, sagte Cristiano. Er klang zwar sehr ruhig, machte aber auch keinen Hehl daraus, dass er misstrauisch war. „Soll das heißen, du hast sie noch nie gesehen?“

„Ganz genau weiß ich das natürlich nicht. Du weißt ja, dass ich Anfang des Jahres knapp einen Monat lang in Australien war. Ich musste dort den Verkauf des Hillier-Anwesens abwickeln.“

Als Repräsentant des familiären Auktionshauses war Hugh häufig unterwegs. Doch an diese Geschäftsreise konnte sich Cristiano noch gut erinnern. Bei der Vorstellung, ihren Verlobten einen ganzen Monat lang nicht zu sehen, war seine Schwester von einem dramatischen Liebeskummer gepackt worden, der kaum auszuhalten gewesen war.

„Ich habe dort unzählige Menschen getroffen“, fuhr Hugh fort.

„Und Frauen.“

„Jetzt hör schon auf. Gut möglich, dass ich dieser Frau begegnet bin. Aber selbst wenn. Ich kann mich nicht einmal an ihren Namen erinnern. Seit ich Amanda kenne, interessiere ich mich nicht mehr für andere Frauen. Das musst du mir glauben.“

Allem, was Liebe und Ehe betraf, begegnete Cristiano grundsätzlich mit Sarkasmus. Darum hätte ihm Hughs leidenschaftliches Plädoyer eigentlich gleichgültig sein können. Aber wie hatte sein Stiefvater noch gesagt: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. „Weiß noch jemand von diesem Anruf?“, fragte er.

Hugh schüttelte den Kopf.

„Hast du Amanda davon erzählt?“

„Machst du Witze? Du hast ja keine Ahnung, wie sehr allein die Hochzeitsvorbereitungen sie mitnehmen.“

Doch. Das wusste Cristiano. Leider.

„Es ist ihr großer Tag. Es darf einfach nichts dazwischenkommen. Was, wenn diese Frau hier plötzlich auftaucht? Einen Tag vor der Hochzeit?“

„Was willst du tun?“, fragte Cristiano. „Ihr Schweigegeld zahlen?“

Hugh sah ihn bestürzt an. Cristiano fragte sich, ob sich sein Schwager in spe überhaupt schon die Mühe gemacht hatte, nach einer Lösung zu suchen. „Keine Ahnung, was ich tun soll“, antwortete Hugh. Cristianos Vermutung war damit bestätigt. „Ich hätte Justin gefragt, aber der ist in New York, um den Ruf von Harrington wiederherzustellen. Ich kann ihm nicht noch mehr zumuten, deshalb bin ich zu dir gekommen. Kannst du mir nicht helfen?“

Natürlich konnte Cristiano das. Er nickte ihm kurz zu. Er hatte großen Respekt vor Justin, Hughs älterem Bruder, der trotz des Todes seiner Frau versuchte, das Familienunternehmen zu retten. Nach allem, was man so hörte, sah es nicht sehr gut aus.

„Warum ausgerechnet ich?“ Hugh schüttelte hilflos den Kopf. „Warum tut sie mir das an?“

Cristiano hätte ihm spontan tausend Gründe nennen können. „Hat sie über Geld gesprochen?“

„Nein. Sie sagte nur, sie versuche, mich zu erreichen. Sie hat sogar ihren Namen buchstabiert. Und dann kam sie gleich zur Sache und erklärte, dass sie schwanger sei.“

„Diese Frau fackelt anscheinend nicht lange.“

„Ich würde sagen, diese Frau ist anscheinend sitzen gelassen worden. Was soll ich denn jetzt machen, Cristiano? Amanda darf auf keinen Fall etwas davon erfahren. Ich kann aber auch nicht so tun, als sei das … das …“ Hugh fuhr sich nervös mit einer Hand durchs Haar und seufzte verzweifelt. „Vielleicht ist das alles ja ein Missverständnis. Eine Verwechselung. Vielleicht sollte ich sie einfach anrufen.“

„Hast du dir ihre Telefonnummer aufgeschrieben?“

Als Hugh ein Stück Papier aus der Innentasche seines Jacketts kramte, bemerkte Cristiano, wie dessen Hand dabei zitterte. Trotz seiner Urlaubsbräune sah Hugh tatsächlich sehr mitgenommen aus, was Cristiano wunderte. Vielleicht hatte sich Hugh, der Playboy, der in der Vergangenheit nie etwas anbrennen ließ – und dem sein Bruder Justin mehr als nur einmal den Hals hatte retten müssen – in Australien doch noch einen Junggesellenabschied gegönnt.

Ein anderes Land, ein paar Drinks zu viel, eine verführerische Schönheit, die nicht lange fackelte …

Und vielleicht erklärte das ja auch, warum er lieber diese Frau anrufen wollte, als sich Amanda anzuvertrauen. Vielleicht spielte Hugh ihm die Unschuld vom Lande vor, weil er hoffte, Cristiano würde die Sache für ihn schon ausbügeln. Hugh wusste genau, dass die Familie für Cristiano heilig war, und dass er alles tun würde, damit seine Schwester glücklich war.

„Könntest du sie nicht für mich anrufen?“, fragte Hugh.

„Hör zu, ich fliege im Juni sowieso nach Australien.“ Cristiano musste nicht lange überlegen. Er begann bereits, einen Plan zu entwickeln. „Am besten, ich treffe diese Frau so schnell wie möglich und rede mit ihr. Dann wissen wir wenigstens genau, was sie will.“

„Das würdest du für mich tun?“

„Nein“, antwortete er trocken. „Nicht für dich. Für Amanda.“

Er beugte sich vor und nahm Hugh den Zettel aus der Hand. Isabelle Browne, las er. Darunter war eine Telefonnummer und so etwas wie ein Firmenname gekritzelt. At Your Service. Zu Ihren Diensten? Fragend blickte er seinen Schwager an. „Eine Begleitagentur? Sag mir jetzt nicht, diese Frau ist eine bessere Prostituierte!“

„Keine Ahnung. Ich habe nur aufgeschrieben, was sie aufs Band gesprochen hat. Kann schon sein, dass das irgendein Firmenname ist. Mir sagt er jedenfalls nichts.“

Hugh neigte den Kopf zur Seite und sah Cristiano vorsichtig an. „Du glaubst mir nicht, oder?“

„Ich glaube erst einmal gar nichts und würde mir lieber meine eigene Meinung bilden.“

„Das heißt also, du versuchst, Isabelle Browne zu finden?“

„Ich werde es nicht bloß versuchen. Ich werde sie finden“, korrigierte Cristiano ihn scharf. „Noch bevor ich meine Schwester zum Altar führe, werde ich herausfinden, ob an der Behauptung dieser Frau etwas dran ist. Solltest du mich anlügen, wird die Wahrheit ans Licht kommen und die Hochzeit platzen.“

„Ich habe nicht gelogen. Ich schwöre es dir, Cristiano.“

„Dann hast du ja auch nichts zu befürchten, nicht wahr?“

Isabelle Browne hatte sich geschlagene vierundzwanzig Stunden eingeredet, sie habe nichts zu befürchten. Der Mann, der sie als Haushälterin engagiert hatte, war Geschäftsführer einer privaten Fluggesellschaft. Wahrscheinlich hatte sie irgendein Kunde seiner Chisholm Air weiterempfohlen – genau diese Art Klientel wandte sich an At Your Service, wenn ein Gast während einer Geschäftsreise in Australien eine erstklassige Haushaltsführung benötigte. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf diese Weise eine Anstellung bekam. Denn sie war gut – nein, verdammt gut – in ihrem Job.

Weil er aber eine volle Stunde früher ankam als geplant und sie überhaupt noch nicht mit ihm gerechnet hatte, war sie gegen ihren Willen nervöser als sonst. Isabelle schloss die Augen, atmete tief ein und versuchte, sich zu konzentrieren. Er ist ein ganz normaler Kunde, sagte sie sich wieder und wieder. Er hat Geld und hohe Ansprüche, die sie erfüllen würde. Das war ihr Job.

Allmählich wurde sie innerlich zwar ruhiger, doch es fiel ihr schwer, ihre Neugierde zu bändigen. Isabelle klebte förmlich mit ihrem Gesicht an der Fensterscheibe, damit sie den Mann besser erkennen konnte, der da unten gerade aus dem Auto stieg. Sofort schaltete sie ihren iPod aus und nahm die Kopfhörer ab. Der Partymix hatte sie während der Vorbereitungen im Haus in Schwung gehalten, jetzt aber kamen ihr die schnellen Beats unpassend vor. Das dramatische Stakkato aus Der weiße Hai schien eher das Gebot der Stunde.

Schluss jetzt.

Als sie ihn dabei beobachtete, wie er seinen langen geschmeidigen Körper ausstreckte, fuhr ein Kribbeln durch ihren Magen. Bei seinem Anblick musste sie allerdings weniger an einen menschenfressenden Hai als an eine große Wildkatze denken, die sich behaglich in der Sonne streckte. Sein volles dunkelbraunes Haar glänzte sanft in der Sonne. Seine Hände steckten in weichen Lederhandschuhen. So, wie er über den Vorplatz der großen, im mediterranen Stil erbauten Villa schlenderte, hätte man meinen können, er gehöre hierher. Als Empfangsmusik hätte sie wahrscheinlich ein Stück von Ravel gewählt … Vielleicht aber auch ein paar lateinamerikanische Salsa-Rhythmen. Auf jeden Fall etwas Pulsierendes, Sinnliches; etwas, das den flirrenden, sommerlichen Beat betonte, der ihn zu umwehen schien. Eben etwas, dass einem Mann gerecht wurde, der wie ein römischer Gott aussah.

Ein ganz normaler Kunde? Sie konnte sich ein verblüfftes Lächeln nicht verkneifen. Von wegen.

Allein bei dem Namen Cristiano Verón hätte ihr bereits klar sein müssen, dass sich dahinter jemand verbarg, der sehr viel aufregender war als irgendein durchschnittlicher britischer Firmenboss. Nach ihrem Anruf in London hätte sie bei der Adresse des Kunden und seinem Wunsch, nur Isabelle – und ausdrücklich keine andere als Isabelle – zu engagieren, hellhörig werden müssen.

Kopfschüttelnd versuchte sie, sich zu beruhigen. Ein Zufall, Isabelle. London ist eine große Stadt.

Solange Apollo da unten sie nicht vom Gegenteil überzeugte, würde sie weiter davon ausgehen, dass er nichts mit Hugh Harrington zu tun hatte. Sie würde einfach Augen und Ohren offen halten und die persönlichen Grenzen wahren. Aus dem Grund sprach auch sicherlich nichts dagegen, ihn bei seiner Ankunft zu beobachten. Gut, vielleicht war es etwas ungehörig, auf sein, wie aus Stein gemeißeltes, Hinterteil zu starren, während er ausstieg und sich tief über den Kofferraum beugte, um sein Gepäck herauszuholen.

Trotzdem konnte Isabelle den Blick nicht abwenden. Als er mit einem geschmackvollen Lederkoffer in seiner Hand wieder zum Vorschein kam, griff Isabelle angespannt in den Vorhang, hinter dem sie stand. Jetzt konnte sie zum ersten Mal sein Gesicht sehen.

Er hatte hohe markante Wangenknochen, einen fein geschwungenen Mund, und er trug eine dunkle Pilotensonnenbrille. Als er sich umdrehte, um den Wagen abzuschließen, wünschte sich Isabelle, er würde die Brille abnehmen, damit sie ihn in Ruhe betrachten konnte.

Vielleicht hatte die sanfte Herbstbrise ja ihren Wunsch zu ihm hinuntergeweht, denn er nahm tatsächlich seine Brille ab und schob einen Bügel in den Kragen seines schokoladenbraunen Sweaters. Dann blickte er hinauf. Genau zu dem Fenster, hinter dem sie stand.

Ertappt trat Isabelle einen Schritt zurück. Ihr Herz pochte wild, und ihr Atem ging heftig. Als sie mit klopfendem Herzen noch einmal durch die Vorhänge spähte, war er nicht mehr zu sehen. Sie war enttäuscht. Wie albern. Dann wurde sie ganz schnell panisch.

Natürlich konnte sie ihn nicht mehr sehen, er stand bestimmt schon vor der Tür. Genau dort, wo sie in diesem Moment auch stehen sollte, um ihn formvollendet willkommen zu heißen. Miriam Horton, ihre Chefin, würde sie in Stücke reißen, wenn sie davon Wind bekam, wie sich Cristiano Verón vor verschlossener Tür gerade die Beine in den Bauch stehen musste. Sie sah auf ihre Schuhspitzen und stöhnte leise auf. Auch das noch. Sie hatte immer noch ihre bequemen Hausschuhe an. So konnte sie ihm unmöglich vor die Augen treten.

Sie schnappte sich die altmodischen Dienstschuhe, die zur Uniform von At Your Service gehörten, und stürzte hastig die Treppe hinunter.

Cristiano hatte sie bereits erspäht, als er die Auffahrt zum Vorplatz der Villa hinaufgefahren war. Er wusste in diesem Moment natürlich noch nicht, wer sie war. Aber er hatte hinter einem der oberen Fenster die Silhouette einer Frau gesehen, die glaubte, unbeobachtet zu sein, und vor sich hin tanzte.

Dann war ihm wieder eingefallen, dass es sich nur um Isabelle Browne handeln konnte. Und er wusste wieder, warum er die Strapaze dieser langen Reise auf sich genommen hatte. Die Fäden liefen bei der Frau in diesem Haus zusammen.

Als er herausgefunden hatte, dass At Your Service eine Agentur für Hauspersonal war, die bevorzugt von der Melbourner Oberschicht und deren Gäste aus aller Welt angefragt wurde, war ihm einiges klarer geworden. Das war wahrscheinlich die Verbindung zu Hugh Harrington. Nachdem Hugh seine Unterkunft in Melbourne gebucht hatte, hatte er auf Empfehlung eines Freundes wahrscheinlich auch Isabelle Browne als Haushälterin engagiert. Gut möglich, dass die beiden sich auf diese Weise getroffen hatten.

„Es tut mir leid, aber Ms. Browne ist im Urlaub“, erklärte der Geschäftsführer höflich. „Allerdings haben unsere anderen Mitarbeiter ebenfalls hervorragende Referenzen.“

„Vielleicht würde sie den Urlaub ja für das Doppelte von dem, was sie normalerweise verdient, unterbrechen?“

Geld war noch immer eines der besten Argumente. Keine Stunde nach dem Gespräch hatte Cristiano einen Rückruf von At Your Service und die gewünschte Haushälterin für seinen Aufenthalt in Australien erhalten.

Er würde einfach nur seinen Charme spielen lassen und die richtigen Fragen stellen. So könnte er sicherlich herausfinden, was es mit der vermeintlichen Beziehung zwischen ihr und Hugh auf sich hatte.

Als er sein Gepäck aus dem Wagen holte, bemerkte er, wie diese Isabelle ihn vom Fenster aus beobachtete. Er fragte sich, ob sie Hugh auf dieselbe Art und Weise unter die Lupe genommen hatte, bevor sie ihn zu ihrem Opfer und unfreiwilligen Vater ihres Kindes gemacht hatte.

Als er sich zum Haus umdrehte, konnte er nicht widerstehen und warf einen kurzen Blick zum Fenster. Er sah sie zwar nicht mehr, aber er wusste, dass sie sich hinter dem Vorhang versteckt hatte, um ihn von dort aus zu beobachten.

„Vielleicht, Ms. Isabelle Browne …“, sagte er sich leise und sah entschlossen ein letztes Mal zum Fenster hinauf. Als er den mit Säulen umrahmten Aufgang zur Villa erreichte, erschien ein feines Lächeln auf seinem Gesicht. „… werden Sie schon bald ein Geschäft machen, mit dem Sie nie gerechnet hätten.“

2. KAPITEL

Bereits auf dem Flugplatz war Cristiano von einem übereifrigen Mitarbeiter von At Your Service aufgehalten worden, der ihm die Schlüssel zur Villa samt einer Wegbeschreibung in die Hand gedrückt hatte. Nun stand er vor der verschlossenen Tür und wartete schon wieder. Da niemand auf sein Läuten reagierte, schloss er kurzerhand selbst auf. Als die schwere Tür leise aufsprang, trat er in das Foyer.

Das Erste, was ihm auffiel, war eine Frau, die am Fuß der Treppe unbeholfen und um ihr Gleichgewicht bemüht, auf einem Bein balancierte und sich krampfhaft mit einer Hand am Geländer festhielt. Das war vermutlich Isabelle Browne. Die es wohl nicht rechtzeitig geschafft hatte, ihre Schuhe zu wechseln. Zumindest schien das die logische Erklärung dafür zu sein, warum an einem Fuß lose ein Hausschuh baumelte, während der andere in einem konservativen Gesundheitsschuh steckte.

Als sie sich etwas reckte, sah er, dass sie den zweiten Hausschuh in der Hand hielt und hinter ihrem Rücken zu verstecken versuchte. Lange würde sie so nicht stehen bleiben können. Cristiano ließ dieses Bild in aller Ruhe auf sich wirken und musterte sie eingehend.

Äußerlich war sie das sprichwörtliche hübsche Mädchen von nebenan. Ihre honigblonden Locken waren streng aus dem Gesicht gekämmt. So war der Blick frei auf eine hohe, zarte Stirn und zwei große Augen, mit denen sie ihn entsetzt anstarrte. Ihre Wangen waren gerötet, und das leichte Zucken ihrer Mundwinkel verriet, dass sie um Haltung bemüht war. Soweit er es einschätzen konnte, trug sie kein Make-up. Und was ihren Körper anging … Was hätte er sagen sollen? Die Dienstkleidung, die sie trug, war alles andere als schmeichelhaft, und die frisch gestärkte Schürze, die sie umgebunden hatte, machte es auch nicht besser. Sie entsprach alles andere als dem klassischen Bild der verführerischen Schönheit. Vor allem aber entsprach sie definitiv nicht dem Frauentyp von Hugh Harrington.

„Herzlich willkommen in Melbourne, Mr. Verón“, sagte sie, während sie das Geländer losließ und unsicher knickste. Die Hand, mit der sie den Schuh versteckte, ließ sie tapfer hinter ihrem Rücken. „Ich bitte um Verzeihung, dass ich nicht rechtzeitig an der Tür war, um Sie angemessen zu begrüßen.“

„Umso schöner, dass Sie mich hier und jetzt begrüßen“, entgegnete Cristiano charmant, um es ihr etwas leichter zu machen. Er lächelte sie offen an und streckte seine Hand aus. „Ich bin Cristiano Verón.“

Statt auf seine Geste und sein Lächeln einzugehen, nickte sie nur leicht mit dem Kopf. „Darf ich Ihr Gepäck nehmen, Mr. Verón?“

Als sie den Koffer greifen wollte, kam Cristiano ihr blitzschnell zuvor. Da sie nicht rechtzeitig ausweichen konnte, streifte ihre Hand aus Versehen seinen Oberschenkel. Sie wich zwar sofort zurück, konnte aber nicht mehr vor ihm verbergen, dass ihr Gesicht knallrot anlief.

Hatte die Berührung auf sie eine ähnliche elektrisierende Wirkung wie auf ihn? Interessant.

„Entschuldigen Sie bitte, Mr. Ver…“

„Bitte, nennen Sie mich Cristiano“, unterbrach er sie und stellte den Koffer wieder ab. Irgendwie war diese Ms. Browne so gar nicht die Frau, die er erwartet hatte.

„Ist das hier nicht alles ein bisschen zu förmlich?“, fragte er vorsichtig.

At Your Service besteht auf tradierte Umgangsformen“, entgegnete sie steif. Ihr Verhalten stand ihrer Kleidung in nichts nach.

„Aber was denken Sie selbst, Isabelle? Mögen Sie solche Förmlichkeiten überhaupt?“, fragte er, während er langsam um sie herum ging und sprachlos ihre graue Uniform bestaunte. Wo war die Frau geblieben, die er eben noch hinter dem Fenster hatte tanzen sehen, die ihre Hüften und Arme im Takt bewegt hatte? Er lehnte sich etwas vor und schnappte sich den anderen Hausschuh, den sie in der Zwischenzeit diskret auf die unterste Treppenstufe hatte gleiten lassen. „Oder bevorzugen Sie so etwas hier?“

„Es geht nicht darum, ob ich die Uniform mag oder nicht“, antwortete sie leicht gereizt. „Sie gehört zu den Vertragsbedingungen. Vorschrift ist Vorschrift.“

„Wenn ich Sie aber nun lieber in etwas Zwangloserem sehen würde?“

Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, bevor sie an sich hinuntersah. „Dann würde ich Sie fragen, was Sie an meiner Dienstkleidung auszusetzen haben. Sie ist vorgeschrieben, nützlich, und … und …“

„Scheußlich?“, ergänzte er hilfsbereit.

Sie sah ihn überrascht an, und für eine Millisekunde trafen sich ihre Blicke. Ihre Augen wirkten plötzlich viel freundlicher und strahlten vor Wärme und Humor. In diesem Moment konnte sich Cristiano durchaus vorstellen, wie dieses Lächeln auf einen empfänglichen Mann wirken musste.

„Ich wollte natürlich sagen, bequem“, entgegnete sie.

„Sogar die ungewöhnlichen Schuhe?“

Das Lächeln verschwand schlagartig, und sie sah ihn wieder bestürzt an. „Es tut mir sehr leid. Ich habe nicht so früh mit Ihnen gerechnet. Ich …“

Cristiano hielt ihr den Hausschuh entgegen. „Tragen Sie die ruhig, wenn die für Sie bequemer sind.“ Dann senkte er lächelnd seine Stimme. „Ich sage es auch nicht weiter.“

Sie blinzelte nervös. Sie war kein bisschen so, wie er sie sich vorgestellt hatte – aber sie hatte wunderschöne lange Wimpern.

„Wie Sie meinen.“ Ihre Stimme klang zwar immer noch unsicher, doch sie nickte ihm sachlich zu. „Möchten Sie, dass ich Ihnen jetzt das Haus zeige?“

„Unbedingt“, entgegnete Cristiano lächelnd. „Sobald Sie sich für die richtigen Schuhe entschieden haben.“

´Nennen Sie mich Cristiano´ entsprach ganz und gar nicht dem typischen Kunden von At Your Service, dachte Isabelle, als sie eine halbe Stunde später die Treppe wieder hinunterging. Und die Sache mit ihrer Uniform und ihren Schuhen war erst der Anfang gewesen. Während sie die geräumige Villa besichtigt hatten, war er zwar die ganze Zeit aufmerksam und höflich geblieben, doch sie war sich sicher, dass ein Großteil dieser Aufmerksamkeit nicht den Besonderheiten des Hauses, sondern ihr selbst gegolten hatte.

In den mehr als zehn Jahren, die sie jetzt als Haushälterin arbeitete, hatte sie noch nie so extrem auf einen Kunden reagiert. Und in den ganzen achtundzwanzig Jahren, die sie nun lebte, noch nie so auf einen Mann. In der Sekunde, in der er durch die Tür getreten war, hatte er sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Wo sie ohnehin schon wie ein verwirrter Flamingo vor ihm auf einem Bein gestanden hatte.

Es lag nicht nur an seiner verfrühten Ankunft oder an ihrer Neugierde darüber, warum er ausgerechnet sie als Haushälterin engagiert hatte. Selbst sein überirdisch gutes Aussehen war nicht der Grund, weswegen sie so durcheinander war, obwohl sie sich seiner männlichen Ausstrahlung nicht entziehen konnte. Seine Nase trug Spuren eines alten Bruchs, und eine Narbe zog sich quer über Nasenwurzel und eine Augenbraue.

Doch diese kleinen Unebenheiten unterstrichen gerade die Schönheit seiner makellos geschwungenen Lippen, und sie passten zu seiner dunklen Stimme. Es waren kleine Hinweise darauf, dass er kein Gott, sondern ein Mann war.

Aber eben auch ihr Auftraggeber. Sie durfte nicht jedes Mal beim honigsüßen Klang seiner Stimme oder bei der Art, wie er das s aussprach, dahinschmelzen. Wie auch immer, ihr ganzes Leben war durch ihn von einem auf den anderen Moment auf den Kopf gestellt worden. Dabei hatte sie sich doch eigentlich eine Auszeit nehmen wollen, um darüber nachzudenken, was sie als Nächstes tun könnte. Andererseits wäre es leichtsinnig gewesen, das Gehalt, das er ihr geboten hatte, auszuschlagen.

Mit Unsicherheiten hatte sie gerechnet. Aber doch nicht mit einem Mann, der hypnotische Kräfte besaß. Sie seufzte. Hauptsache, er wahrte Abstand. Und wenn er doch ein paar Zentimeter zu dicht neben ihr stehen, ihr eine Sekunde zu lang in die Augen sehen würde? Dann würden ihre Hormone zu tanzen beginnen, und wahrscheinlich würde sie sich zu einem absolut kindischen Verhalten hinreißen lassen. Bloß keinen Fehler mehr machen.

Deswegen hatte sie eben auch alles darangesetzt, schleunigst aus seinem Schlafzimmer zu verschwinden, wo er dabei gewesen war, auf dem Weg ins Badezimmer sein Hemd auszuziehen. Das, was sie im Vorbeigehen von seinem athletischen Körper erspäht hatte, war fast zu viel für sie gewesen. Der Anblick seiner olivfarbenen glatten Haut hatte ihr den Rest gegeben. Sie hatte genug über Cristiano Verón erfahren!

„Kein Grund zur Panik“, redete sie sich ein, während sie sich mit ihrer Hand unaufhörlich Luft zufächelte. Sie war auf dem Weg zur Küche, ihrem Heiligtum. „Er ist nur eine Woche hier. Rein geschäftlich.“

Sie brauchte einfach nur etwas Zeit, um seine Eigenarten herauszufinden und sich an ihn zu gewöhnen.

Flirtete er? Und wie, da hatte Isabelle nicht den geringsten Zweifel. Aber jemand wie er beherrschte die Kunst des Flirts wahrscheinlich im Schlaf. So wie sie die Zubereitung ihrer köstlichen Biskuits, mit der sie gerade beschäftigt war.

Isabelle konnte kochen wie keine andere, und er konnte eben flirten.

Diese Einsicht tröstete sie. Nachdem sie das Blech in den Ofen geschoben hatte, stellte sie die Uhr und wischte die Arbeitsplatte sauber. In ihrer Küche verlor sie nie den Überblick. Sie würde mit Cristiano Verón klarkommen, ganz egal, was er als Nächstes tun würde … Hauptsache, er fing nicht wieder an, sich Stück für Stück auszuziehen.

Sie deckte im Salon den Tisch in einer Nische, aus der man einen fantastischen Blick über die Port Philip Bay hatte. Als sie seine festen Schritte hörte, stellte sie Teller mit frischem Roastbeef, Sandwiches und Zitronenkuchen bereit. Ihre kleinen Biskuits standen zum Abkühlen auf einer Anrichte.

Autor

Bronwyn Jameson
Es hat lange gedauert, bis Bronwyn Jameson wusste, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollte. In ihrer Kindheit träumte sie davon, Tierärztin zu werden – leider kann sie kein Blut sehen, sodass daraus nichts wurde. Danach spielte sie mit dem Gedanken, sich dem Journalismus zuzuwenden, war allerdings zu schüchtern, um sich...
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