Die Jahrtausend-Party - 9. Kapitel
9. KAPITEL
Maggie richtete sich auf und schaute Luke betroffen an. War es möglich, dass sie ihn missverstanden hatte? „Du hast mit Colin gesprochen?“
Luke nickte. „Ja.“
„Wann?“
Er zögerte mit der Antwort, aber Maggie blieb beharrlich. „Wann?“
„Er rief mich Neujahr an.“ Luke schüttelte den Kopf. „Der Kerl hat Nerven. Zuerst verlässt er dich, dann sagt er, ich solle mich bis zu seiner Rückkehr um dich kümmern. Er behauptete, er habe noch etwas zu erledigen, bevor er …“ Luke atmete tief ein. „Er will dich noch immer heiraten.“
Ungläubig starrte sie ihn an. Sie und Luke waren immer ehrlich zueinander gewesen. Warum hatte er ihr so etwas Wichtiges verschwiegen? „Er hat dich angerufen, und du hast mir nichts gesagt?“
Luke zuckte mit den Schultern. „Ich hielt es nicht für wichtig. Es ist ja auch nicht wichtig, oder? Du liebst ihn nicht. Das hast du selbst gesagt.“
Sie vermochte ihre Empörung kaum noch zu verbergen. „Meinst du nicht, das hätte ich selbst entscheiden müssen? Colin Spencer war mein Verlobter und nicht deiner!“
„Bist du mir jetzt böse?“, fragte Luke sanft.
„Ja! Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich bin doch nicht blöd.“
Er lachte und küsste ihren Nacken. „Das weiß ich.“
Sie versteifte sich. „Warum hast du mir dann nichts davon erzählt?“
„Maggie, ich habe einfach nicht daran gedacht. Ich wollte es dir beim Schlittschuhlaufen sagen, aber du sahst so … glücklich aus. Da wollte ich dir den Tag nicht verderben.“
„Mein Verlobter läuft mit meiner besten Freundin weg, ruft dich an und du vergisst es? Das ist eine ziemlich lahme Ausrede.“ Maggie merkte, dass Luke langsam ärgerlich wurde, aber genau das war ihre Absicht. Sie wollte ihn mit einem Streit vertreiben, um sich zu beweisen, dass sie ihn nicht liebte.
„Ich suche keine Ausreden“, sagte er. „Ich hielt es einfach nicht für wichtig. Er ist fort aus deinem Leben. Ein für alle Mal.“
Sie stand auf und zog die Decke mit sich, sodass Luke unbedeckt da lag. Eine Welle des Verlangens durchflutete sie, als sie seine breiten Schultern sah und die schmalen Hüften. Rasch wandte sie sich ab, bevor ihr Blick noch tiefer gleiten würde.
„Ich bin es leid, dass du mich wie ein kleines Kind behandelst. Du brauchst mich nicht mehr zu beschützen.“
Das Bett ächzte, als er aufsprang. „Verdammt, Maggie, ich will dich es aber! Du bist das Wichtigste in meinem Leben. Warum sollte ich nicht alles tun, damit dein Leben so behütet und so schön wie möglich ist?“
„Weil es mein Leben ist!“, rief sie. „Meins! Und wenn ich Colin Spencer heiraten will, ist das nicht deine Sache!“
„Du willst Spencer doch gar nicht heiraten“, sagte er gepresst.
„Woher weißt du das?“, versetzte sie. „Vielleicht tue ich es, falls er mich noch haben will. Tatsache ist, dass ich es kann. Und dass du nicht das Geringste daran ändern kannst.“
Er packte sie am Arm und zog sie an seinen nackten Körper. Hitze erfasste sie, und ihre Knie wurden weich. Einen Moment lang dachte sie, er werde sie jetzt küssen. Wenn er sie küsste, würde sie ihm verzeihen, das wusste sie.
„Treib keine Spielchen mit mir, Maggie. Dafür ist die Sache zu ernst. Du wirst Colin nicht heiraten. Das lasse ich nicht zu. Du hast seinen Ring gestern Nacht abgelegt. Du bist nicht mehr mit ihm verlobt.“
Sie entzog sich ihm und begann, seine Sachen einzusammeln. „Das weiß er nicht.“
„Du wirst ihn nicht heiraten“, wiederholte Luke.
Sie warf ihm seine Sachen zu, die er geschickt auffing. „Es gab eine Zeit, da hätte ich auf dich gehört und alles getan, was du mir sagst. Weil ich dir vertraute, so wie ich Colin traute.“
„Und was mich betrifft, kannst du das immer noch.“
„Nein. Der einzige Mensch, dem ich vertrauen kann, bin ich.“ Sie schlang die Decke noch fester um ihren Körper. „Ich möchte, dass du gehst.“
„Warum?“ Ärgerlich ließ er seine Sachen fallen und verschränkte die Arme vor der nackten Brust. „Ich habe nicht die Absicht, fortzugehen. Nicht, bevor du zugibst, dass du Spencer gar nicht willst.“
„Na schön. Wo sind meine Sachen?“ Sie bückte sich und hob ihre verstreuten Kleider auf.
„Wo willst du hin?“
„Zur Arbeit.“ Und schon schlug sie die Badezimmertür hinter sich zu.
„Du willst einfach gehen?“, schrie er. „Was ist mit uns? Glaubst du, du kannst vergessen, was geschehen ist? Was wir hatten?“
Genau das war ihre Absicht. Hastig zog sie sich an. „Und was hatten wir? Es war bloß … eine flüchtige Affäre, mit der wir unsere Neugier befriedigen wollten. Mehr nicht.“
„Nein, es ist mehr, Maggie. Ich habe es in deinen Berührungen gespürt und es in deinem Blick gelesen. Du kannst es nicht verleugnen.“
Sie öffnete die Tür und kam zurück ins Schlafzimmer. Zum Glück hatte er seine Jeans inzwischen angezogen, obwohl sie vorn noch offenstand und gefährlich tief auf seinen Hüften saß.
„Du glaubst mir schon wieder nicht“, sagte sie. „Ich wusste sehr gut, was ich tat, als ich mit dir ins Bett stieg. Und ich weiß auch, was ich jetzt tue.“
„Du läufst davon“, erklärte er. „Das ist typisch. Du willst nie etwas riskieren. Wenn es nicht in einen deiner Pläne passt, drehst du dich um und rennst weg.“
„Und was ist, wenn ich bleibe?“
„Das werden wir erst wissen, wenn du es tust“, versetzte er.
„Ich weiß, was geschehen wird. Früher oder später wirst du anfangen, an deinen Job zu denken. Du wirst unruhig werden und das Gefühl haben, etwas zu verpassen.“
„Das ist nicht wahr. Denn sonst wäre ich längst in Albanien.“
„Glaub mir, nach einiger Zeit wird es so kommen, Luke. Es ist wie eine Sucht für dich.“
„Ich bin hier nicht derjenige, der verschwinden will.“
„Was wirst du also tun?“, forderte sie ihn heraus. „Deinen Job aufgeben und sesshaft werden? Eine glückliche Ehefrau aus mir machen?“ Ihre Worte klangen hart, aber sie wollte ihn zwingen, die Wahrheit über seine Gefühle zu erkennen. Er könnte ihr nie geben, was sie wirklich wollte. Zumindest sie war klug genug, es zuzugeben.
Luke schwieg lange, und ihr wurde zunehmend unbehaglicher zumute. Mit einem ungeduldigen Seufzer nahm sie schließlich den Ring und steckte ihn wieder an ihren Finger.
„Also gut“, sagte Luke, kam zu ihr hinüber und nahm ihre Hand in seine. „Ich hatte es romantischer gestalten wollen, mit Kerzen und Champagner, aber ich werde es trotzdem versuchen.“ Er ließ sich auf ein Knie sinken. „Maggie Kelley, möchtest du mich heiraten?“
Ihr war, als wiche alles Blut aus ihrem Körper. Erstens kam Lukes Antrag völlig unerwartet. Zweitens basierte er auf Leidenschaft, Lust und Verlangen und nicht auf praktischen Erwägungen. Obwohl alles in ihr sie dazu drängte, Ja zu sagen, siegte ihre Vernunft. Luke Fitzpatrick wollte sie genauso wenig heiraten wie sie ihn!
„Mach dich nicht lustig über mich, Luke.“
„Es ist mein Ernst, Maggie“, entgegnete er ruhig.
Sie entzog ihm ihre Hand und drehte Colins Ring an ihrem Finger. Mit diesem Antrag hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Luke war kein Mann zum Heiraten …
„Nun?“, beharrte er. „Ich warte noch immer auf eine Antwort.“
„Die Frage verdient keine Antwort“, murmelte sie und drückte ihm seine Jacke in die Hand. Dann nahm sie ihren Mantel und ihre Wagenschlüssel und ging zur Tür.
Luke verstellte ihr den Weg, aber sie schob ihn beiseite. Fröstelnd stand er, nur mit seiner Jeans bekleidet, in der Tür. „Geh nicht, Maggie. Du kannst jetzt nicht einfach gehen!“
„Und du kannst mich nicht aufhalten.“ Ohne ein weiteres Wort lief sie zu ihrem Wagen und schloss ihn auf. Sie hörte Luke fluchen und dann das laute Zuschlagen ihrer Eingangstür.
Erst als sie schon etwa die Hälfte des Wegs zu ihrem Laden zurückgelegt hatte, wurde ihr bewusst, was sie getan hatte – und aus welchem Grund. Sie war Luke nicht böse, weil er ihr Colins Anruf verschwiegen hatte. Eigentlich war sie ihm überhaupt nicht böse. Luke hatte das getan, was er in all den Jahren immer getan hatte – er hatte sie beschützt. Wie konnte sie ihm etwas verübeln, das so natürlich wie das Atmen für ihn war?
Und sein Heiratsantrag war nichts als ein Versuch gewesen, ihren Ärger zu beschwichtigen. Schließlich kannte sie ihn. Er würde nicht mehr glücklich sein, wenn er nicht in der Welt herumreisen und sich jeden Tag mit neuen Gefahren auseinandersetzen konnte. Sie konnte ihm nur ein ganz normales Leben bieten. Sie war nicht so aufregend wie Revolten und Regierungsumstürze. Sie war Maggie Kelley aus Potters Junction, Wisconsin. Eine Frau, die Dinge wollte, die er ihr nie geben könnte.
Vielleicht war es ganz gut, dass sie zusammen ins Bett gegangen waren. So würden sie sich zumindest niemals fragen, wie es gewesen wäre, wenn. Es war wundervoll gewesen, aber jetzt war es vorbei. Eines Tages würden sie wieder Freunde sein, aber erst einmal brauchte sie Zeit, um zu vergessen, was zwischen ihnen vorgefallen war. Vielleicht würde es gar nicht so lange dauern. Immerhin hatte sie Colin schon nach ein paar Tagen vergessen. Aber den hatte sie auch nie geliebt.
Der Duft von Rosen breitete sich im Laden aus, als Maggie die Blumen aus dem Kühlraum holte, um sie zu einem Brautstrauß zu verarbeiten.
Ich scheine dazu verdammt zu sein, für andere Brautsträuße zu arrangieren, dachte sie ein bisschen wehmütig. Wie sehr hatte sie sich auf ihren eigenen Hochzeitstag gefreut und ihn in Gedanken so genau geplant, dass jede Einzelheit perfekt gewesen wäre. Sie hätte einen Strauß gehabt wie diesen hier, aus duftenden roten Rosen, die ihren süßen Duft in der Kirche …
Das Klingeln der Ladenglocke ließ sie zusammenfahren, und sie richtete sich auf und wischte ihre feuchten Hände an einem Lappen ab. Das Geschäft war flau für einen Samstag, und sobald diese letzte Bestellung abgeholt wurde, konnte sie für heute schließen. Als sie aus dem Hinterzimmer trat, erstarrte sie.
Luke stand an der Theke. „Ich hätte vorher angerufen, aber ich dachte nicht, dass du mich sehen wolltest.“
Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie seine Worte fast nicht hörte, und im ersten Moment war sie zu keiner Antwort fähig. „Nein“, erwiderte sie dann leise. „Ich meine, ich freue mich, dass du vorbeigekommen bist.“ Sie warf einen Blick auf die Reisetasche in seiner Hand. „Fliegst du erst jetzt nach Albanien? Ich dachte, du wärst bereits unterwegs.“
Er trat näher. „Du freust dich, dass ich vorbeigekommen bin?“
„Ja, weil es mir Gelegenheit gibt, mich zu entschuldigen. Es tut mir leid, Luke. Ich wollte dich nicht kränken. Wir sind schon lange Freunde. Du hast das nicht verdient.“
Er seufzte und lächelte und kam noch einen weiteren Schritt auf sie zu. „Mir tut es auch leid, Maggie. Ich hätte dich nicht so bedrängen sollen.“ Luke zog sie an sich und küsste ihre Stirn.
Maggie schloss die Augen und lehnte sich an seinen warmen Körper. Sie hätte nicht gedacht, dass so einfach sein würde – ein paar Worte, ein Lächeln, und alles war verziehen. „Dann sind wir also wieder Freunde?“
Sie glaubte, einen unterdrückten Fluch zu hören, als Luke sie an den Schultern packte und sie praktisch zwang, ihn anzusehen. „Freunde?“
Sie nickte.
Er presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein, verdammt! Das reicht mir nicht. Als ich dich bat, mich zu heiraten, war das ernst gemeint. Ich möchte, dass du meine Frau wirst.“
„Ich kann nicht deine Frau werden.“
Luke fluchte laut. „Warum nicht? Ich habe mir alles überlegt. Wenn ich aus Albanien zurückkomme, rede ich mit Wilcox, damit er mir Aufträge hier in den Staaten gibt. Und falls das nicht klappt, gehe ich zum ‚Herald Tribune‘, der mir schon seit Jahren einen Job anbietet. Ich hätte lange Arbeitstage, wäre aber dafür jeden Abend zu Hause.“
„Warum solltest du deine jetzige Arbeit aufgeben?“
„Für dich. Für uns. Damit wir ein Leben zusammen haben können. Ich kann dich glücklich machen, Maggie.“
Sie entzog sich ihm. „Aber ich dich nicht, Luke. Als wir Kinder waren, erzähltest du mir von deinem Traum, als Reporter durch die Welt zu reisen und über wichtige aktuelle Ereignisse zu berichten.“
„Das kann ich hier auch“, beharrte er. „Ich liebe dich, Maggie. Und ich glaube, das habe ich immer schon getan. Aber fast hätte ich dich verloren, und das riskiere ich nicht noch einmal.“
„Aber ich kann dich nicht heiraten“, murmelte sie.
„Warum nicht?“
„Weil Liebe nicht genug ist. Es wird nicht genug sein, wenn du merkst, dass du meinetwegen etwas aufgegeben hast, was dir sehr wichtig war. Wir sollten beide in der Lage sein, zu haben, was wir wollen, ohne dafür Zugeständnisse zu machen.“
„Was, zum Teufel, hast du gegen Kompromisse?“
„Nichts, wenn man sie aus den richtigen Gründen schließt. Aber du willst mich heiraten, weil du Angst hast, ich könnte einen anderen heiraten. Und ich würde dich heiraten aus Angst, vielleicht keinen anderen mehr zu finden.“ Sie atmete tief ein. „Und wenn ich dir versprechen würde, keinen anderen zu heiraten? Dass ich in fünf oder zehn Jahren noch verfügbar sein werde, falls du mich dann immer noch heiraten willst? Würdest du dann auch bei deiner Presseagentur kündigen?“
Sein Schweigen war beredt genug, und lächelnd berührte sie seine Wange. „Seit wir Kinder waren, haben wir uns immer unsere Träume erzählt, Luke. Ich kenne dich besser als sonst jemand auf dieser Welt, und ich weiß, was du vom Leben willst. Und das ist keine Frau oder Familie.“
„Vielleicht kennst du mich doch nicht so gut, Maggie.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Aber ich kenne dich bestimmt. Und ich weiß, warum du Nein sagst. Weil du Angst hast.“
„Wovor?“
„Dass du die gleichen Fehler wie deine Mutter machen könntest. Aber das brauchst du nicht zu fürchten, Maggie. Du entscheidest selbst über dein Leben. So einfach ist das.“
„So einfach ist es eben nicht. Ich weiß, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich habe es bei meiner Mutter oft genug gesehen. Und ich glaube nicht, dass ich es ertragen würde, dich zu verlieren, Luke.“
„Du verlierst mich jetzt, Maggie.“
„Aber wir sind noch Freunde.“
„Nein, das sind wir nicht. Ich kann nicht mehr nur dein Freund sein und will es auch nicht mehr. Nenn es ein Ultimatum, wenn du willst. Es heißt jetzt alles oder nichts.“ Luke hob seine Reisetasche hoch. „Pass auf dich auf, Maggie. Und falls du es dir anders überlegen solltest, ruf mich an. In einigen Wochen bin ich wieder hier.“
Damit ging er, und sie starrte ihm betroffen nach. Hatte sie das Richtige getan? Er konnte sie doch nicht wirklich lieben, oder?
Nein, bestimmt nicht. So mühelos, wie er gegangen war, würde er auch das Geschehene wieder vergessen, sogar, dass er so weit gegangen war, ihr die Ehe anzubieten. Ein- oder zweimal in diesem Jahr würde er vielleicht noch an ihre gemeinsame Nacht zurückdenken, und dann würde sie, Maggie, irgendwann wieder den gleichen Platz wie früher in seinem Leben einnehmen.
Nur ein Mensch hatte bei dieser ganzen Sache verloren, und das war sie. Sie hatte nicht nur ihren besten Freund verloren, sondern den einzigen Mann, den sie je lieben konnte. Und mit ihm die einzige Chance auf ein glückliches Familienleben.
Maggie versuchte, nicht an Luke zu denken. Für den Rest des Morgens schuftete sie wie eine Besessene und hielt erst inne, als Eunice Spencers Chauffeur eintrat. Verwundert schaute sie zu dem großen, schlanken Mann hoch, der ihr ein Kuvert reichte.
„Was ist das?“, fragte sie unwirsch.
Hamilton straffte die Schultern. „Man bat mich, es Ihnen zu übergeben.“
„Ein weiterer von Eunices Bestechungsversuchen?“ Sie nahm den Umschlag und rieb ihn zwischen den Fingern. „Falls es Geld ist, ist es nicht viel. Aber es könnte natürlich auch ein Scheck sein.“
Die einzige Reaktion des Chauffeurs war ein leichtes Hochziehen einer seiner Augenbrauen. „Es ist von Mr. Spencer.“
„Von Edward Spencer? Jetzt hat sie sogar ihren Mann dazu gebracht, sich einzumischen?“
„Nein, Miss. Die Nachricht kommt von Mr. Colin Spencer.“
Maggie erschrak. Colin war zurück! So bald hatte sie nicht mit ihm gerechnet. Aber wenigstens war er nicht selbst gekommen. Rasch öffnete sie das Kuvert und las die kurzen Zeilen. Dann seufzte sie und drückte Hamilton Kuvert und Karte wieder in die Hand.
„Ihre Antwort, Miss?“
„Hier ist meine Antwort!“ Sie zerrte den Verlobungsring von ihrem Finger und gab ihn Hamilton. „Sagen Sie Mr. Spencer, ich hätte ihm nichts mitzuteilen und dächte nicht daran, mich mit ihm im Spencer Center zu treffen. Sagen Sie ihm, ich wünschte ihm das Beste, wolle ihn aber niemals wieder sehen und würde die Polizei anrufen, falls er sich noch einmal blicken ließe. Haben Sie das verstanden?“
Diesmal zog der Chauffeur beide Brauen hoch. „Miss Kelley, ich denke, das sollten Sie ihm lieber persönlich sagen. Ich fahre Sie gern zum Spencer Center. Der Wagen steht vor der Tür.“
„Nehmen Sie den verdammten Ring, und sagen Sie Colin, dass ich ihn nicht sehen will! Und noch etwas: sagen Sie ihm, ich wünschte ihm viel Spaß mit Isabelle, hoffte aber, auch ihr nie wieder zu begegnen.“
„Ist das alles, Miss?“
Maggie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja. Nein! Sie können ihm auch gleich noch etwas sagen.“
„Und das wäre, Miss?“
„Sie … Sie können ihm sagen, ich liebte einen anderen. Und zwar Luke Fitzpatrick. Sagen Sie ihm das!“
„Ist das alles?“, fragte Hamilton.
Maggie nickte, und der Chauffeur ging zur Tür.
„Warten Sie!“, rief sie.
Langsam drehte er sich um. „Ja?“
„Vergessen Sie, was ich über Isabelle gesagt habe.“
„Wie Sie wünschen, Miss.“
Rasch trat Maggie zu ihm und streckte ihre Hand aus. „Und geben Sie mir den Ring zurück. Ich werde ihn Colin mit einer Nachricht schicken. Das wäre doch bestimmt korrekter, nicht?“ Sie starrte auf den Ring und runzelte dann die Stirn. „Nein, das wäre falsch. Er könnte in der Post verloren gehen. Ich sollte ihn ihm persönlich geben.“
„Das wäre vielleicht das Beste.“
„Dann tue ich es gleich. Lassen Sie mich nur rasch meinen Mantel holen, und wir fahren.“
Hamilton wartete geduldig, bis sie fertig war, doch als sie in der Limousine saßen und er sich in den Verkehr einreihte, räusperte er sich. „Darf ich offen sprechen, Miss Kelley?“
Maggie schaute auf und sah, dass er sie im Rückspiegel betrachtete. „Sagen Sie, was Sie wollen“, erwiderte sie. „Aber es wird meinen Entschluss nicht ändern.“
„Ich kenne Mr. Colin, seit er ein kleiner Junge war. Seine Eltern haben ihm nie etwas abgeschlagen. Sie haben sich nach Kräften bemüht, ihn zu verwöhnen. Aber Mr. Colin wollte das alles nicht. Er hat ein gutes Herz, Miss. Und ich glaube, Sie sollten ihm eine zweite Chance geben, es zu beweisen, Miss.“
„Ich kann ihn nicht heiraten“, murmelte Maggie und schloss die Augen. „Ich liebe Luke.“
„Dann sollten Sie es ihm sagen“, meinte der Chauffeur.
„Was?“
„Dass Sie Luke lieben.“
Maggie riss die Augen auf. „Wer hat gesagt, ich liebte Luke?“
Hamilton zuckte mit den Schultern. „Sie, Miss. Eben gerade. Und vorhin auch.“
Das kann ich nicht gesagt haben! dachte Maggie aufgeregt. Sie hatte sich doch fest entschieden gehabt, Luke nicht mehr zu lieben! Doch wenn sie es nun laut gesagt hatte, ohne es zu merken, musste sie es auch gemeint haben. Oh Gott, sie liebte Luke Fitzpatrick! Nicht platonisch oder brüderlich, sondern so ausschließlich und unwiderruflich, dass dieses Gefühl sich bereits tief in ihrem Unterbewusstsein eingenistet hatte. So tief in ihrem Herzen und Verstand, dass nichts, was sie sagte oder tat und weder Zeit noch Distanz etwas an ihren Gefühlen für ihn würde ändern können.
Maggie stützte sich mit den Armen auf den Vordersitz und stöhnte. „Ich habe alles verdorben. Ich wollte ihn nicht lieben. Der Grund ist in meiner Vergangenheit zu suchen. Ich hatte eine Mutter, die sich in alles verliebte, was Hosen trug.“
„Liebe ist eine starke Macht, Miss. Wir können nicht immer selbst entscheiden, wen wir lieben. Manchmal wählt die Liebe uns.“
Und ihre Liebe galt Luke.
Maggie verspürte nun das dringende Bedürfnis, ihre Verlobung aufzulösen. Sobald sie frei von der Vergangenheit war, konnte sie in die Zukunft schauen, eine Zukunft, die sie heute schon beginnen wollte! Sie sah auf die Uhr und fragte sich, ob Luke schon abgeflogen war. Sie wollte keine drei Wochen auf seine Rückkehr warten.
Sie liebte Luke und war bereit, alles zu tun, um ihr Leben an seiner Seite zu verbringen. Wie hatte sie nur so blind sein können? Er war schon seit so vielen Jahren der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Dennoch war sie dumm genug gewesen, nicht auf ihn zu vertrauen. Auf seine Liebe.
Ich muss es wieder in Ordnung bringen, dachte Maggie. Und wenn es den Rest meines Lebens erfordern sollte.