Der wunderbarste Fehler meines Lebens

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Die vernünftige Poppy geht romantischen Gefühlen am liebsten aus dem Weg. Bis sie bei einer Party von dem umschwärmten Arzt Benedict Campbell unbemerkt unter den Mistelzweig geführt wird. Plötzlich hat sie unwiderstehliche Lust, ihn zu küssen. Ein Fehler - oder unverhofftes Glück?


  • Erscheinungstag 19.04.2021
  • Bandnummer 10
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506366
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Goldenes Licht spiegelte sich in den Fenstern des Hauses in den Bergen über Jackson Hole. Weihnachten war zwar schon fast einen Monat vorbei, aber die Veranda war noch immer mit Tannengrün und Kränzen geschmückt.

Poppy Westover parkte ihren praktischen Ford Fiesta neben den anderen Autos. Als sie ausstieg, blies ihr der scharfe Nordwind ins Gesicht und zerzauste ihr Haar. Winzige Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Obwohl der Weg beleuchtet war, umgab Poppy der dunkle Winterabend von allen Seiten.

Schon vor zwei Stunden hatte die Party angefangen. Poppy war stolz darauf, eigentlich immer pünktlich zu sein, doch heute hatte ein dringender Anruf kurz vor Dienstschluss sie aufgehalten. Es war um die Vermittlung einer Pflegefamilie in einem Notfall gegangen.

Poppy hatte gerade die Veranda erreicht, als hinter ihr ein schicker, schwarzer Mercedes langsam ankam. Noch ein Nachzügler. Der Gedanke heiterte sie auf. Gleichzeitig rümpfte sie beim Anblick des Autos unbewusst die Nase.

Ein ähnliches Coupé war der ganze Stolz ihres Exmanns gewesen. Er hatte darauf bestanden, mit dem Auto zu allen Veranstaltungen zu fahren. Und davon hatte es jede Menge gegeben. Als bekannter Neurochirurg in Manhattan hatte Bill Stanhopes Name auf jeder Gästeliste ganz oben gestanden.

Im Laufe der Zeit hatte Poppy genug davon gehabt, ihre Freizeit mit Leuten zu verbringen, die er beeindrucken wollte. Menschen, die einen extravaganten und freizügigen Lebensstil pflegten; verheiratete Männer und Frauen, die sich Geliebte nahmen wie ein Glas Champagner.

Heute Abend würde es anders sein. Denn sie würde ihn mit Freunden verbringen. Mit ehemaligen Schulkameraden.

Dr. Travis Fisher, der Gastgeber, war in ihrer Jahrgangsstufe auf der Jackson Hole High gewesen. Damals waren sie ein paarmal miteinander ausgegangen. Jetzt war er verheiratet, hatte fünf Kinder und war einer der besten Frauenärzte in Jackson Hole.

Poppy klingelte an der Haustür. Dann vergrub sie die Hände in den Manteltaschen und zog die Schultern hoch, um sich vor dem Wind zu schützen. Zum Glück musste sie nicht lange warten. Die Tür ging auf, und Wärme und köstliche Gerüche kamen ihr entgegen.

Nachdem sie aus ihrem Mantel geschlüpft war, streckte Poppy Travis beide Hände entgegen. „Vielen Dank für die Einladung.“

„Wir waren wild entschlossen, dir nachzustellen, bis du endlich mal zusagst.“ Er drückte ihre Hände und schenkte ihr ein warmes Lächeln. „Du siehst heute Abend zauberhaft aus.“

Poppy sah an sich herunter. Unglücklicherweise hatte sie beruflich immer zu viel um die Ohren, um sich was Neues zu kaufen. Daher hatte sie auf ein älteres Rollkragenkleid aus rotem Kaschmir zurückgreifen müssen.

Das Kleid hatte sie nach ihrer Scheidung gekauft. Ihr Exmann fand knallige Farben „billig“. Poppy strich mit der Hand über den rubinroten Kaschmir. Der Stoff umschmeichelte ihre Figur. Sie lächelte.

Travis führte sie ins Haus. Vor der Tür zum Wohnzimmer, in dem sich Damen in eleganten Abendkleidern und Männer in Anzughosen und sportlichen Blazern tummelten, blieben sie stehen. Der Stern an der Spitze eines riesigen Weihnachtsbaums blinkte. Im massiven Steinkamin prasselte ein fröhliches Feuer. Gesprächsfetzen und Gelächter hingen in der Luft.

„Ich habe gehört, dass du jetzt fürs Sozialamt arbeitest.“ Bewunderung lag in Travis’ Blick. „Die können sich glücklich schätzen, dass sie dich haben.“

„Ach was, ich bin diejenige, die es gut getroffen hat.“ Ihr Job, Pflegekindern zu helfen, war zwar eine echte Herausforderung, aber für sie war damit ein Traum in Erfüllung gegangen.

Der melodische Ton der Türklingel ertönte.

„Ich fürchte, du musst mich entschuldigen“, erklärte Travis. „Ich bin heute der Türsteher.“

Der andere Nachzügler, dachte Poppy.

„Kümmere dich um deine Gäste.“ Sie winkte ein paar Frauen zu. „Ich mische mich gerne unters Volk.“

Nach ein paar Schritten drehte Travis sich noch mal um. „Aber pass auf den Mistelzweig auf.“

Mistelzweig? Einen Moment lang war sie verwirrt. Weihnachten war doch vorbei. Doch dann erinnerte sich Poppy, dass Misteln eine große Rolle gespielt hatten, als Mary Karen und Travis zueinander gefunden hatten. Seither dekorierten sie jede Party damit.

Also nahm Poppy die Warnung ernst und hielt nach Problembeeren und olivgrünen Blättern Ausschau.

„Poppy“, rief Mary Karen Fisher und eilte auf sie zu. „Ich bin so froh, dass du es geschafft hast.“

Mary Karens Enthusiasmus brachte Poppy zum Lächeln. Sie kam gleich ins Gespräch mit Travis’ zierlicher Ehefrau, die in ihrem saphirblauen Tunikakleid einfach bezaubernd aussah.

Als eine der Bedienungen Mary Karen brauchte, wanderte Poppy zu der wunderschönen Weihnachtstanne.

In diesem Jahr war sie viel zu beschäftigt gewesen, um einen Baum aufzustellen. Außerdem waren ihre Eltern über die Feiertage in Kalifornien geblieben. Sie lebten jetzt in Sacramento, gleich um die Ecke von Poppys Schwester, ihrem Schwager und deren drei Kindern.

Ihre Eltern hatten zwar angeboten nach Wyoming zu kommen, aber Poppy wusste, wie sehr sie sich darauf gefreut hatten, zur Bescherung bei Aimee zu sein und ihren Enkeln beim Auspacken der Geschenke zuzusehen.

Poppy verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln. Solange sie denken konnte, war sie immer die hübsche, beliebte ältere Schwester gewesen. Doch jetzt hatte Aimee alles, wovon Poppy je geträumt hatte: ein erfülltes Leben, zu dem nicht nur eine zufriedenstellende Karriere gehörte, sondern auch ein liebevoller Ehemann und Kinder.

Als Poppy vor acht Jahren geheiratet hatte, da war sie überzeugt gewesen, dass ihre Ehe halten würde. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass ihr Mann sie betrügen würde. Oder dass sie im Alter von vierunddreißig Jahren kinderlos und geschieden von vorne anfangen müsste.

„Ich hätte dich beinahe nicht wiedererkannt“, murmelte jemand mit tiefer Stimme.

Unwillkürlich lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter. Sie schnappte sich ein Glas Champagner vom Silbertablett einer Bedienung. Dann drehte sie sich um und sah Dr. Benedict Campbell in die stahlgrauen Augen.

Wie immer sah der Mann einfach umwerfend aus. Heute Abend trug er eine braune Anzughose und ein cremefarbenes Button-down-Hemd mit offenem Kragen. Sein exakt geschnittenes, dunkles Haar war gerade noch kurz genug, um professionell zu wirken. Gleichzeitig aber auch lang genug, um eine Frau in Versuchung zu führen, mit den Fingern durch die kastanienbraunen Strähnen zu fahren. Nur um herauszufinden, ob es so seidig war, wie es aussah.

Benedikt war Orthopäde und Chirurg. Wie man so hörte, ein verdammt guter. Er war auch einer der begehrtesten Junggesellen von Jackson Hole. Sie hatte sich bei verschiedenen Gelegenheiten kurz mit ihm unterhalten. Obwohl er ein angenehmer Gesprächspartner war, gab sie sich Mühe, ihm aus dem Weg zu gehen. Sie hatte mehr als genug von arroganten Ärzten.

Er berührte eine Strähne ihres dunklen Haars. „Das sieht anders aus.“

„Habe ich gestern schneiden lassen.“ Sie unterdrückte den plötzlichen Drang, sich seiner Berührung zu entziehen.

„Steht dir gut“, sagte er beiläufig. Doch als ihr Blick seinem begegnete, betrachtete er sie mit einem Ausdruck eindeutig männlichen Wohlgefallens.

Er hob sein Glas und stieß mit ihr an.

Sie sollte sich entschuldigen und sich entfernen. Aber das pure Testosteron, das er ausstrahlte, sorgte dafür, dass sie sich nicht vom Fleck rührte.

Wenn überhaupt, musste sie gegen das Bedürfnis ankämpfen, sich ihm noch weiter zu nähern. Was sagte ihre Mutter immer? Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich die Finger.

Als das Schweigen sich in die Länge zog, platzte sie mit dem Erstbesten heraus, was ihr in den Sinn kam: „Travis hat mich wegen der Mistelzweige gewarnt.“

Benedict lächelte. „Ich bin überrascht, dass er überhaupt etwas gesagt hat. Er und Mary Karen haben eine diebische Freude daran, zuzusehen, wie ihre Freunde in die Falle gehen.“

„Ist doch irgendwie albern“, murmelte Poppy. Dann wünschte sie sich sofort, sie könnte die Worte zurücknehmen. Nur weil sie keine Lust hatte, sich öffentlich zum Narren zu machen, bedeutete das noch lange nicht, dass andere Leute an Überraschungsküssen keinen Gefallen fanden.

Spielverderberin. Hatte ihr Ex sie nicht immer so genannt? Vielleicht hatte er ja recht gehabt.

„Es ist noch viel zu früh, um so tief zu seufzen.“ Benedict warf ihr einen scharfen Blick zu.

Poppy spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. „Ich …“

„Ja, warum nicht. Ich würde gerne tanzen.“ Er nahm ihre Hand und lächelte. „Danke, dass du gefragt hast.“

Bevor sie sich weigern konnte, hatten sie auch schon die Tanzfläche erreicht. Er zog sie an sich. Er war kräftig, seine Tanzhaltung sicher.

Nach dem Tanz, sagte sich Poppy, entschuldige ich mich und halte mich fern von ihm. Im Augenblick aber war Tanzen immerhin besser als Reden. Nur war ihr bei ihrer Unterhaltung lange nicht so bewusst gewesen, wie breit seine Schultern waren und wie stark seine Arme. Und sie hatte nicht bemerkt, wie gut er roch.

Der Geruch war würzig und kribbelte ihr angenehm in der Nase. Sie wollte sich an ihn schmiegen, um besser riechen zu können.

In dem Song, der gerade lief, ließ sich eine Sängerin gerade darüber aus, wie wunderbar die Liebe war. Poppy widerstand dem Bedürfnis zu prusten. Früher war sie unheilbar romantisch und hoffnungslos optimistisch gewesen. Jetzt war sie älter. Klüger.

Wieso in aller Welt tanzt du dann mit Benedict und hast auch noch Spaß daran?

„Wie gefällt dir dein neuer Job?“, fragte er leise. Sein warmer Atem kitzelte ihr Ohr.

„Er ist sehr befriedigend.“ Sie machte den Fehler, ihm in die Augen zu schauen. Er hatte fantastische Augen – buschige Brauen und unglaublich lange Wimpern.

Der dunkle Blick seiner schiefergrauen Augen hatte etwas an sich, das sie stolpern ließ. Eine Glut, die sie nicht erwartet hatte. Noch viel weniger hatte sie damit gerechnet zu spüren, wie ein entsprechendes Verlangen ihr warm durch die Adern strömen würde.

Weil sie nahe daran war, in Panik zu geraten, versuchte sie sich an alles zu erinnern, was sie über den Mann wusste. Benedict war mit einer Kollegin liiert. Richtig. Er hatte überhaupt kein Interesse an ihr. Er war einfach nur höflich. „Wie geht’s Mitzi?“

Okay, vielleicht hätte sie das etwas diplomatischer ausdrücken können. Aber es war verdammt schwierig, einen kühlen Kopf zu bewahren, während sie die berauschende Mischung aus seinem Eau de Cologne und dem sauberen Geruch von Seife einatmete.

Er neigte den Kopf zur Seite. „Mitzi Sanchez?“

Sie nickte kurz.

„Ihr geht’s gut.“ Er wirkte verwirrt. „Aber warum fragst du?“

„Ihr seid doch zusammen“, sagte Poppy, fast ein wenig steif. „Da ist das nur höflich.“

Da lachte er.

„Mitzi und ich sind Freunde, Kollegen.“ Benedict führte sie in eine ruhigere Ecke, wo sie sich unterhalten konnten. „Wir sind schon seit Monaten nicht mehr ausgegangen.“

Poppy fragte sich, ob Bill sich während ihrer Ehe anderen Frauen gegenüber auch so verhalten hatte. Ob er ihre Existenz als seine Ehefrau so leichtfertig abgetan hatte. „Aber ich habe euch doch erst vor ein paar Wochen zusammen im Coffee Pot gesehen.“

Als Benedict sie verwirrt ansah, fuhr sie fort.

„Das war an einem Sonntagvormittag. Du hast neben ihr gesessen.“ Poppy reckte das Kinn. „Ich habe euch gesehen“, wiederholte sie.

Jetzt wirkte er nachdenklich. „War das ein großer Tisch? Ziemlich weit hinten?“

„Das ist richtig“, sagte sie zögernd.

Bei der Aufmerksamkeit, die er dieser Frage widmete, spürte sie einen unangenehmen Knoten in der Magengegend. Zu spät erkannte sie ihren Fehler. Jetzt dachte er, dass seine Beziehung mit Dr. Sanchez eine Rolle für sie spielte.

„Das ist unser Stammtisch. Eine ganze Gruppe von uns trifft sich da jede Woche nach der Kirche. Aber ich verstehe, wie du insofern den falschen Eindruck gewonnen hast.“

„Vergiss es einfach.“ Poppy winkte ab. „Du schuldest mir keine Erklärung.“

„Doch, das tue ich“, murmelte er.

Überrascht weitete sie die Augen. „Warum?“

„Weil ich dich küssen will.“ Benedict streichelte ihr mit einem Finger über die Wange. „Es wäre nicht richtig, das zu tun, wenn ich mit jemand anderem zusammen wäre. Oder wenn du das wärst. Triffst du dich zurzeit mit jemandem, Poppy?“

„Ich?“ Ihre Stimme wurde schrill. „Nein. Was soll das heißen, du willst mich küssen? Du kannst nicht…“

„Schau mal nach oben“, sagte er nur.

Poppy hob den Blick. Genau über ihrem Kopf hing ein Zweig mit matten, olivgrünen Blättern. Ihr Herz machte einen Satz. „Mistelzweig.“

Kaum hatte sie ausgesprochen, da küsste er sie auch schon. Sie wusste ja nicht viel über den Brauch mit den Mistelzweigen, aber die meisten Leute begnügten sich mit einem Küsschen auf die Wange. Davon hatte Benedict offensichtlich nichts gehört.

Und dann war es zu spät. Verlangen durchfuhr sie. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn enger an sich. Als der Kuss zu Ende war, atmete sie heftig und ihr Körper sehnte sich nach mehr.

Sie machte einen Schritt rückwärts. Dabei konnte sie spüren, wie er sie ansah. Poppy widerstand dem Bedürfnis, ihr Kleid zurechtzuzupfen und ihr Haar glatt zu streichen. Stattdessen setzte sie ein höfliches Lächeln auf … und flüchtete.

Poppy ignorierte ihn den Rest des Abends.

Von der anderen Seite des Zimmers aus beobachtete Benedict, wie sie sich mit Lexi Delacourt, die auch Sozialarbeiterin war, angeregt unterhielt.

„Die perfekte Poppy sieht richtig heiß aus“, sagte Tripp Randall, der Verwaltungschef vom Jackson Hole Hospital.

„Die perfekte Poppy?“ Benedict zog eine Augenbraue hoch.

„So haben sie auf der Highschool alle genannt.“

„Warum?“

„Vermutlich, weil sie schon immer perfekt ausgesehen hat.“ Tripp zuckte die Schultern. „Das war ja ein Kuss unter dem Mistelzweig, den ihr zwei da zum Besten gegeben habt.“

„Der war so gut, dass sie seither nicht mehr mit mir gesprochen hat.“ Benedict runzelte die Stirn.

„Wie merkwürdig.“ Tripp hob ein Glas Champagner an die Lippen. „Von hier aus hat das vorhin ausgesehen, als ob sie die Knutscherei mit dir genossen hätte.“

Benedict zuckte leicht die Schultern. Poppys Reaktion verwirrte ihn auch. Er war sich sicher oder zumindest fast sicher, dass er ihre Signale nicht falsch interpretiert hatte.

„Warum forderst du sie nicht noch mal zum Tanzen auf?“

„Warum kümmerst du dich nicht um deinen eigenen Kram?“, erwiderte Benedict.„Okay, okay.“ Tripp hob die Hände.

Als er die Frauen lachen hörte, warf Benedict rasch einen Blick in Poppys Richtung. Himmel, sie war wunderschön. Das rote Kleid schmiegte sich hauteng an ihren Körper.

„Begleitest du mich zum Flying Crane?“

Benedict zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder Tripp zuzuwenden.

„Am vierzehnten.“ Die Augen des Klinikchefs leuchteten hoffnungsvoll.

„Das ist doch Valentinstag“, erinnerte ihn Benedict. „Ich bin sicher, dass du den Abend nicht mit mir verbringen willst, wenn du bei ihr sein kannst.“

Er deutete mit einem Kopfnicken auf Tripps Braut, die sich gerade mit der Gastgeberin unterhielt. Anna war schlank mit ausgeprägten Rundungen, dichtem, dunklem Haar und einem Gesicht, das auf das Titelbild jeder Modezeitschrift gepasst hätte. Sie hatte außerdem einen ausgezeichneten Ruf als Hebamme.

Tripp sah sie an und Benedict verspürte einen Hauch von Eifersucht, als er den Stolz und die Liebe in den Augen seines frisch verheirateten Freundes sah.

„Anna ist selbst an dem Abend im Crane und macht bei diesem Gesangswettbewerb mit.“ Tripp schnappte sich ein Kanapee. „Das ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung fürs Community Safety Net.“

„Ein wirklich guter Zweck.“ Das Community Safety Net unterstützte die Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch.

„Ich habe gedacht, du hast vielleicht Lust mitzukommen und sie anzufeuern“, fügte Tripp hinzu.

Weil er im Augenblick keine ernsthafte Beziehung hatte, hatte Benedict nicht weiter über den Valentinstag nachgedacht.

„Ich schau mal in meinen Kalender“, versprach Benedict.

Als er sah, wie Winn Ferris selbstsicher auf Poppy und Lexi zuging, verflog seine gute Laune. Als Lexi dann verschwand und Poppy mit dem Mann allein ließ, verkrampfte sich sein Magen.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie Winn ein strahlendes Lächeln schenkte. Als Winn reagierte, indem er ihr freundschaftlich einen Arm um die Schultern legte, hatte Benedict das Gefühl, als ob ihm jemand ein Messer in den Bauch rammte. Eigentlich hatte er vorgehabt, den Abend zu genießen. Doch jetzt hatte Ben den Verdacht, wenn er nicht den Rückzug antrat, würde er eine Dummheit machen. Wie zum Beispiel Winn zu erklären, dass er sich gefälligst zurückhalten sollte.

Frust beschleunigte seine Schritte. Benedict war schon auf halbem Weg zur Tür, als Poppy ihn ansah. Einfach weitergehen, befahl er sich. Aber irgendetwas brachte ihn dazu, stehen zu bleiben.

Sie hielt seinen Blick lange genug gefangen, dass er die Glut in ihren wunderschönen grünen Augen wahrnahm. Diese Leidenschaft galt nicht Winn Ferris, sondern ihm. Dann berührte Winn ihren Arm und Poppy wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Geschäftsmann zu.

Doch es war nicht zu leugnen, dass einen Augenblick lang eine Verbindung zwischen ihm und Poppy bestanden hatte. Benedict pfiff vor sich hin, als er hinausging.

In den nächsten zwei Wochen dachte Benedict immer wieder an Poppy. Aber er hatte keine Gelegenheit, mehr zu tun. Eine regelrechte Epidemie von Ski- und Autounfällen sorgte dafür, dass sein Terminplan voll war.

Nachdem er mit der Notoperation einer offenen Schienbeinfraktur fertig war, verließ Benedict das Krankenhaus und fuhr wieder in seine Praxis. Er musste sich noch um ein paar Patienten kümmern. Zu seiner Überraschung war seine Kollegin Dr. Mitzi Sanchez dageblieben, um auszuhelfen. John Campbell, Bens Vater, der die beiden jungen Ärzte vor einigen Jahren dazugeholt hatte, war schon nach Hause gefahren.

Als der letzte Patient zur Tür hinausgehumpelt war, war die Arzthelferin schon weg. Anscheinend hatten die meisten Angestellten Pläne für den Valentinstag.

Abgesehen von mir, dachte er. Und Mitzi.

Früher hatte er mit seiner schönen Kollegin mal eine romantische Beziehung gehabt. Jetzt waren sie nur Freunde.

Benedict saß an seinem Schreibtisch und diktierte einen Brief an einen erstbehandelnden Arzt. Die vielen Operationen in den letzten zwei Wochen hatten dafür gesorgt, dass er mit dem Papierkram ins Hintertreffen geraten war.

„Sag jetzt nicht, dass du den ganzen Abend hier verbringen willst.“

Mitzis Stimme, erkannte Ben. Er hoffte, dass sie jetzt nichts Verrücktes vorschlagen würde, wie etwa zusammen essen zu gehen.

„Deine Sorge um mein Privatleben rührt mich.“ Er konzentrierte sich auf den Bildschirm.

„Was ist los, Ben? Hast du keine Verabredung abgekriegt?“

Er hörte einen Hauch von Belustigung aus Mitzis wie üblich spitzem Tonfall heraus.

Schließlich warf er ihr einen Blick zu. Sie hatte ihren weißen Arztkittel gegen ein silbernes Spitzenkleid eingetauscht, das ihre Figur umschmeichelte.

Erleichterung überkam ihn. So hatte sie sich auf keinen Fall für ihn zurechtgemacht. „Wer ist der Glückliche?“

Sie verzog die vollen Lippen zu einem Lächeln. „Kelvin Reid.“

Ben hatte den Footballspieler vor ein paar Monaten behandelt, als er beim Urlaub in Jackson Hole einen Skiunfall gehabt hatte. „Fraktur und Dislokation des Oberarmknochens.“

Mitzi lachte leise. „Kelvin wird sich freuen, dass du dich an ihn erinnerst.“

Benedict schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Wenn er zurückgekommen ist, um dich am Valentinstag auszuführen, muss es wirklich zwischen euch gefunkt haben.“

„Was soll ich sagen?“ Sie zuckte die Schultern. „Die Männer finden mich eben unwiderstehlich. Abgesehen von dir, natürlich.“

„Mitzi“, setzte er an.

„Jetzt schau mich nicht so an.“ Ihre Augen funkelten schelmisch. „Ich bin genauso über dich hinweg wie du über mich.“

„Gut zu wissen“, sagte er so trocken, dass sie lachen musste.

„Aber du bist mein Freund.“ Sie lockerte geschickt ihr Haar mit den Fingern. „Darum bin ich dageblieben, um dir zu helfen. Gern geschehen, übrigens.“

Obwohl er ihr bereits gesagt hatte, wie sehr er ihre Hilfe zu schätzen wusste, lächelte er. „Nochmals vielen Dank.“

„Weißt du, Ben …“ Sie hob einen manikürten Finger an den Mund und klopfte gegen ihre Lippen. „Du solltest heute wirklich bei dem Gesangswettbewerb im Flying Crane vorbeischauen.“

„Danke für das Angebot, Mitzi. Aber ich habe keinerlei Verlangen danach, den Abend mit dir und deinem Freund zu verbringen. Das wäre doch nur peinlich für alle Beteiligten.“

„Also, erstens ist Kelvin nur ein Freund, nicht mein Freund. Und ich habe dich auch nicht eingeladen den Abend mit uns zu verbringen. Kelvin und ich haben einen Tisch im Gun Barrel reserviert“, erklärte Mitzi. „Aber die Atmosphäre im Flying Crane wird dir gefallen. Vertrau mir.“

„Ich war schon mal da“, sagte Benedict. „Ist ja ganz nett, aber ich bin nicht in der Stimmung für Schnulzen.“

„Auch nicht, wenn Poppy Westover sie singt?“

Weil er Mitzis durchdringenden Blick spüren konnte, bemühte Benedict sich um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck. „Anna Randall macht auch mit. Tripp hat mich gebeten mitzukommen. Ich habe abgelehnt.“

Mitzi zeigte auf das Telefon. „Sag ihm, dass du deine Meinung geändert hast.“

„Warum sollte ich?“, fragte er langsam, obwohl er tatsächlich darüber nachdachte.

„Weil du eine wichtige Wohltätigkeitsveranstaltung unterstützen willst.“ Mitzi verzog die knallroten Lippen zu einem selbstgefälligen Grinsen. „Warum denn sonst?“

Poppy schaute in den Spiegel des Schminktischs. Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Cassidy Kaye, die Stylistin – und eine alte Schulfreundin –, hatte Poppys Haar im Retrostil frisiert und in voluminösen Locken nach hinten gesteckt. Zwei bunte, glitzernde Haarnadeln – eine über der Schläfe, die andere hinter dem Ohr – verliehen der Frisur außerdem etwas Festliches.

Autor

Cindy Kirk
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