Ein Happy End für uns zwei

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Den perfekten Mann zum Heiraten zu finden, steht ganz oben auf Mitzis Liste. Dumm nur, dass ausgerechnet der attraktive Bad Boy Keenan McGregor ihr Herz höher schlagen lässt. Denn jemand wie er ist vielleicht der Richtige für heiße Küsse, aber nicht für ein Happy End. Was jetzt?


  • Erscheinungstag 26.04.2021
  • Bandnummer 11
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506373
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Das Foyer der Villa war herbstlich dekoriert, und über dem Kamin hing ein Banner, auf dem in großen Buchstaben stand: Willkommen zu Hause, Keenan! Seitlich davon war ein opulentes Büfett angerichtet, das vom Roastbeef bis zum Zitronentörtchen alles anbot, was das Herz begehrte. Travis Fisher und seine Frau Mary Karen hatten keinerlei Kosten und Mühen gescheut, um Keenan einen würdigen Empfang zu bereiten – zur Feier seiner Entlassung aus dem Gefängnis.

Kellner in schwarzen Hosen und gestärkten weißen Hemden reichten auf silbernen Tabletts Häppchen und Getränke herum.

Dr. Mitzi Sanchez nahm sich ein Glas Champagner und stellte sich in eine Nische, um das Geschehen zu beobachten. Seit sie vor drei Jahren nach Wyoming gezogen war, hatte sie schon zahlreiche Partys mit ihren Freunden in Jackson Hole gefeiert.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Gästen war sie alleine gekommen. Ihrem letzten Freund, einem Profifußballer, hatte sie den Laufpass gegeben, weil der ständig mit anderen geflirtet hatte. Obwohl sie selbst nicht unbedingt an einer festen Beziehung interessiert gewesen war, legte sie dennoch Wert auf Treue.

Auf der anderen Seite des Raums stand Dr. Ben Campbell, ihr Kollege aus der Gemeinschaftspraxis, mit seiner Frau Poppy. Mit Ben war Mitzi bislang am längsten zusammen gewesen. Eigentlich hätten sie perfekt zusammengepasst, doch aus unerfindlichen Gründen hatten sie sich ständig gestritten. Nach der Trennung hatte Ben dann Poppy kennengelernt, und die beiden hatten von Anfang an harmoniert. Und nun war Ben ein glücklicher Ehemann und der Vater eines süßen kleinen Jungen.

Ein Kind wünschte Mitzi sich nicht unbedingt, doch jemanden zum Kuscheln hätte sie schon gern. Sie stieß einen Seufzer aus.

„Na, das hört sich aber dramatisch an.“

Als sie sich zu der klangvollen Stimme umdrehte, tat ihr Herz ein paar Schläge extra. Der Mann war genau nach ihrem Geschmack: groß und dunkelhaarig mit braunen Augen und einem sinnlichen Mund. Sein herb-männlicher Duft erregte ihre Sinne.

„Hallooo“, sagte Mitzi gedehnt und zeigte ihr strahlendstes Lächeln. „Wie kommt es, dass Sie mir noch nicht aufgefallen sind?“

„Weil Sie nur Augen für das Büfett haben?“

„Stimmt gar nicht …“, begann sie, doch dann sah sie das schelmische Grübchen in seiner linken Wange.

„Ich wollte mir nur in Ruhe die Leute ansehen.“ Sie sagte es so leise, dass er unwillkürlich den Kopf neigte. Sie bemerkte, wie seine Augen sich verdunkelten. Ob ihm ihr Parfüm gefiel?

Sie trank einen Schluck von ihrem Champagner. Vielleicht würde die Party ja doch ganz lustig werden. Mit kokettem Augenaufschlag streckte sie ihre Hand zur Begrüßung aus. „Mitzi Sanchez.“

Als sich seine Hand um ihre Finger schloss, durchzuckte es sie heiß. Verwirrt sah sie den Mann an, doch falls er dasselbe gespürt hatte, verriet er es mit keiner Miene.

„Ein hübscher Name für eine hübsche Frau.“

Komplimente dieser Art hörte Mitzi öfters, doch bei ihm wirkte es so aufrichtig, dass sie ihn geschmeichelt anlächelte.

Um nicht allzu auffällig ihr Interesse zu zeigen, wandte sie den Blick ab und beobachtete Mary Karen, die hübsche blonde Gastgeberin. Sie stand lebhaft gestikulierend inmitten einer Gruppe von Gästen und sah in ihrem blauen Kleid sehr elegant aus.

Auch Mitzi hatte sich durchaus in Schale geworfen, denn sie liebte schöne Kleider ebenso wie fantasievolle Frisuren. Aus einer Laune heraus hatte sie die Seitenpartien ihrer schulterlangen kastanienbraunen Haare mit etwas ungewöhnlichen Spangen über den Ohren festgesteckt.

„Was sind denn das für Knochen in Ihrem Haar?“

Sie lachte. „Ich bin Chirurgin in der Orthopädie. Und die beiden Clipse habe ich in einem Laden in L. A. entdeckt, als ich noch studiert habe. Ich fand die Spangen damals äußerst passend.“

Er trank einen Schluck aus seinem Glas. Der Inhalt sah aus wie Wasser, hätte aber genauso gut auch Wodka sein können.

„Als ich zehn war, musste ich mal zum Orthopäden, weil ich mir den Arm gebrochen hatte. Etwas haben wir also immerhin gemeinsam.“

„In meiner Freizeit rede ich nicht gern über meine Arbeit.“ Sie neigte sich zu ihm. „Vielleicht finden wir ja ein interessanteres Thema. Sie zum Beispiel.“

Wie es schien aus Verlegenheit nahm er erneut einen Schluck aus seinem Glas. „Ich bin nicht sonderlich interessant.“

Das fand Mitzi allerdings schon. Gern hätte sie alles über ihn gewusst. Aus einem Impuls heraus hängte sie sich bei dem Unbekannten ein. „Ich glaube, Sie sind zu bescheiden. Kommen Sie, erzählen Sie mir ein bisschen von sich.“

„Ich fliege gerne.“

„Sind Sie Pilot?“

„Das war ich.“ Sein Blick verdüsterte sich. „Gerade bin ich dabei, meinen Flugschein zurückzubekommen. Das steht ganz oben auf meiner Liste.“

Heute Morgen erst hatte Mitzi Eigenschaften aufgelistet, die sie sich von ihrem zukünftigen Mann wünschte. Denn nachdem sie jahrelang herumgeschwirrt war, konnte sie sich inzwischen durchaus eine feste Beziehung vorstellen. „Ich habe auch eine.“

„Eine Fluglizenz?“

Überrascht sah sie ihn an, dann lachte sie. „Nein, nein, eine Liste.“

„Und was steht auf Ihrer Liste?“

„Nein, nein.“ Sie wackelte mit dem Zeigefinger. „Wir reden nicht über mich, sondern über Sie. Ich kenne ja nicht einmal Ihren Namen.“

„Verraten Sie mir bloß noch eine Sache.“ Sein verwegenes Lächeln bewirkte ein seltsames Kribbeln in ihrem Bauch. „Woher kennen Sie Travis? Sie sind doch nicht aus Jackson Hole.“

„Nein, ich komme aus Kalifornien.“ Sofort gab sie den Ball wieder an ihn zurück. „Aber Sie sind anscheinend von hier.“

Er nickte und wandte den Blick ab.

„Kennen Sie diesen Keenan, für den die Party heute Abend veranstaltet wird?“, fragte Mitzi. „Merkwürdige Idee, eine Willkommensparty für einen entlassenen Sträfling zu organisieren.“

Er sah sie aus seinen schönen braunen Augen an. „Ja, ich kenne ihn ziemlich gut.“

„Zeigen Sie ihn mir doch mal. Ich kenne zwar Betsy, seine Schwester, aber Geschwister ähneln einander ja nicht unbedingt.“

Sie dachte an ihre eigene Schwester, die ihrer mexikanischen Mutter aufs Haar ähnelte, während Mitzi mit ihren blauen Augen und der hellen Haut ganz nach ihrem argentinischen Vater kam.

„Nein, da haben Sie recht.“ Er schob sich eine widerspenstige Haarlocke aus der Stirn, und Mitzi fand die kleine Geste ebenso sexy wie alles andere an diesem Mann.

„Kann man ihn von hier aus sehen?“

„Ja.“

„Wer ist es?“

Mit zwei Fingern fasste er sie am Kinn und sah ihr in die Augen. „Er steht direkt vor Ihnen.“

Für den Bruchteil einer Sekunde war Mitzi perplex, doch dann lachte sie. „Sie können mir ja viel erzählen.“

Irgendwie fand Keenan die Unterhaltung amüsant. „Ich würde Ihnen gern meinen Führerschein zeigen, aber den musste ich auch im Gefängnis abgeben.“

Er fand sie hübsch und so ganz anders als alle Ärztinnen, die er bisher kennengelernt hatte.

„Sie wollen mich ja bloß aufziehen.“

„Travis!“ Er winkte seinen Freund herbei.

Der attraktive blonde Frauenarzt kam zu ihnen herübergeschlendert.

Travis war einer von den Leuten gewesen, die unermüdlich für Keenans Freilassung gekämpft hatten.

„Ah, wie ich sehe, hast du Mitzi schon kennengelernt.“ Travis lächelte breit.

„Ja, wir sind gerade dabei, uns bekanntzumachen.“ Keenan zwinkerte Mitzi zu. „Ich habe ihr gerade verraten, dass ich meinen Führerschein im Gefängnis abgeben musste.“

„Du musst unbedingt einen neuen beantragen. Wenn du für Joel arbeiten willst, brauchst du ein Auto.“

„Ja, ich weiß.“ Keenan fand es ausgesprochen nett von Travis’ Freund Joel, ihm einen Job in seiner Baufirma anzubieten.

„Du hast ja früher schon viel handwerkliches Geschick gehabt.“ Travis’ Blick schien in die Vergangenheit zu wandern.

Ja, weil ich musste, dachte Keenan. Sonst wäre seine alte Schrottkarre unter ihm zusammengekracht. Und das baufällige Haus dazu, in dem sie gewohnt hatten.

„Danke für die Party, Trav. Ihr habt euch so viel Mühe gemacht!“

„Wir sind einfach sehr froh, dass du wieder da bist.“ Travis sagte das in so aufrichtigem Ton, dass Keenan ganz verlegen wurde.

Nachdem Travis sich wieder unter seine Gäste gemischt hatte, wandte Keenan sich an Mitzi. „Na, zufrieden?“

„Ja“, sagte sie lächelnd, „aber Sie sehen Betsy wirklich kein bisschen ähnlich.“

Bevor Keenan etwas erwidern konnte, drehte sich Mitzi auf dem Absatz um. „Ich hole mir jetzt was zu essen.“ Sie hob ihr leeres Glas. „Und zu trinken − obwohl, mehr als zwei Gläser darf ich mir nicht erlauben. Ich habe Bereitschaftsdienst.“

Früher hatte Keenan gern Alkohol getrunken, doch dann hatte er beschlossen, damit aufzuhören. Nicht, weil er alkoholabhängig war, sondern weil er Angst hatte, es zu werden.

Etwas enttäuscht blickte er der hübschen Ärztin nach. Er hatte gerne mit ihr geplaudert.

Plötzlich drehte sie sich um und winkte ihm zu. „Hey, wollen Sie nicht mitkommen?“

Mitzi war im Eastend von Los Angeles aufgewachsen, und dort lebten viele Männer mit Knasterfahrung. Auch ihre Mutter hatte öfters solche angeschleppt, und ihre Schwester war zudem nicht gerade wählerisch im Umgang mit Männern. Mitzi war dieses Milieu schon früh zuwider gewesen. Sobald sie die Highschool beendet hatte, zog sie von zu Hause weg − wild entschlossen, niemals zurückzukehren.

Obwohl Keenan unschuldig im Gefängnis gewesen war, würde sie sich nie näher mit ihm einlassen. Sie wünschte sich einen erfolgreichen Mann voller Energie und Ehrgeiz. Nach allem, was sie über Keenan gehört hatte, entsprach er eher einem leichtlebigen Typ. Aber deswegen könnte sie ja trotzdem ein wenig mit ihm plaudern.

„Tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe“, sagte sie.

Er zuckte die Achseln. „Sie haben ja recht.“

Auf dem Weg zum Büfett wurden sie immer wieder angehalten, weil jemand Keenan begrüßen und ihm gratulieren wollte.

Er ging ziemlich souverän damit um, wie sie fand. Dennoch spürte sie, dass es ihm schwerfiel, sich locker zu unterhalten.

„Das ist heute Abend sicher schwierig für Sie.“

„Ja, ich bin nicht mehr daran gewöhnt, unter so vielen Leuten zu sein. Aber es tut gut zu wissen, dass man trotzdem gemocht wird.“

„Mögen Sie Krabbenmuffins?“

„Ist das eine Fangfrage?“

„Ich würde gern davon probieren, will aber kein Ganzes essen.“

„Lassen Sie doch einfach den Rest auf Ihrem Teller.“

Mitzi schüttelte den Kopf. Sie war in einem Haushalt aufgewachsen, wo man sparen musste. Auch wenn sie in manchen Dingen verschwenderisch war, mit Essen ging sie sorgsam um.

Er lächelte leise. „Okay, dann will ich mal nicht so sein.“

Mit einem zufriedenen Lächeln legte Mitzi sich einen Krabbenmuffin auf den Teller. „Wenn Sie von irgendwas auch nur die Hälfte wollen, brauchen Sie mich nur zu fragen.“

„Normalerweise bin ich kein Mann, der halbe Sachen macht.“

Das hörte sich nicht nur nach Scherz an. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Wir teilen, das ist etwas anderes.“

„Sie sind ziemlich bestimmend.“

„Ja, das sagt man mir öfters.“ Sie griff nach einem frittierten Bällchen mit undefinierbarem Inhalt und stopfte es sich in den Mund.

Er tat es ihr nach. „Hm, lecker.“

„Besser als im Gefängnis?“

„Viel besser.“

So gingen sie am Büfett entlang, sie deutete auf etwas, er schüttelte den Kopf, dann war es umgekehrt. Schließlich hatten sie beide ihre Teller gefüllt.

Mitzi fand es angenehm, mit Keenan zu plaudern. Sie sprachen weder über Medizin noch Theateraufführungen oder bekannte Weinsorten, sondern über ganz alltägliche Dinge. Gerade waren sie beim Thema Katzen angelangt.

„Mr. Tubs war nicht sonderlich hübsch, aber ziemlich clever und ein guter Mäusefänger. Betsy und ich haben ihm alle möglichen Tricks beigebracht.“ Er nahm sich einen übrig gebliebenen Happen von Mitzis Teller.

„Ich hatte auch einen Kater. Den hatte ich im Müllcontainer gefunden. Aber inzwischen lebt er nicht mehr.“

„Mr. Tubs sicher auch nicht.“

„Wissen Sie das nicht genau?“

„Meine Mutter hat ihn weggegeben.“ So wie er das Wort Mutter aussprach, schien das Verhältnis nicht sonderlich innig zu sein.

Mitzi stellte ihren leeren Teller ab. „Kommen Sie, wir gehen ein bisschen nach draußen.“

Sie traten hinaus auf die festlich beleuchtete Terrasse. Paare standen leise redend beieinander und schauten den Vollmond an.

Als sie an das Geländer traten, sog Keenan tief den Blütenduft ein, der aus dem Garten herüberwehte. „Wie oft habe ich mich gefragt, ob ich das jemals wieder erleben würde.“

„Und jetzt ist es so weit.“

„Ja, ein Neuanfang.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das stimmt nicht ganz. Ich beginne die nächste Phase meines Lebens.“

Genau so hatte Mitzi sich gefühlt, als sie aufs College gegangen war und ihr Zuhause hinter sich gelassen hatte. Doch mittlerweile wusste sie, dass die Vergangenheit sich immer wieder ungebeten in die Gegenwart schlich.

„Was ist denn das?“

Keenans Frage riss Mitzi aus ihren Grübeleien. Sie folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger, dann lächelte sie. „Oh, ein Mistelzweig.“

„Wer hängt denn mitten im September einen Mistelzweig auf?“

„Das ist bei Travis und Mary Karen so üblich.“ Sie erzählte ihm die Geschichte, wie die beiden sich unter einem Mistelzweig zum ersten Mal geküsst hatten.

Er hörte ihr lächelnd zu, und als sie zu Ende gesprochen hatte, und sie einander in die Augen sahen, knisterte es zwischen ihnen vor Spannung. Mitzi spürte, wie ihre Lippen sehnsüchtig prickelten, gleichzeitig war ihr klar, dass Keenan nie den ersten Schritt machen würde.

Keenan McGregor war zwar nicht der Mann, den sie als Partner näher in Erwägung zog, doch gegen einen kleinen Kuss war ja wohl nichts einzuwenden.

Man könnte es doch als harmlosen Willkommenskuss ansehen.

Spontan stellte sie sich auf die Zehenspitzen, schloss die Augen und näherte sich seinem Mund.

2. KAPITEL

Ehe sich ihre Lippen treffen konnten − schob Keenan Mitzi sanft, aber bestimmt von sich. Überrascht riss sie die Augen auf.

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Mistelzweig. „Sich nur wegen diesem Ding da küssen? Nein!“

In Mitzi kroch die Schamesröte hoch. Es kam selten vor, dass ein Mann sie zurückwies. Allerdings war sie selbst auch selten derart impulsiv.

„Sie haben recht“, sagte sie lächelnd. „Ich weiß gar nicht, was gerade in mich gefahren ist.“

Mit dem Handrücken streichelte er ihre Wange. „Ich fand es ja selbst unglaublich verlockend.“

Seine zarte Berührung verstärkte noch ihre Sehnsucht nach einem Kuss. Aber sie würde sich hüten, es erneut zu versuchen.

Das war auch nicht nötig, denn er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie sachte auf den Mund.

Verwirrt und leicht benommen blinzelte Mitzi ihn an.

Er schien die Frage in ihrem Blick zu bemerken. „Wir haben uns geküsst, weil wir es wollten, nicht wegen irgendwelcher Blätter und Beeren.“

Vielleicht lag es ja auch am Vollmond, der wie ein riesiger Lampion am Himmel hing, überlegte sie. Oder weil sie noch nie einen Ex-Häftling geküsst hatte.

Bei diesem Gedanken schrak sie zusammen. Sie hatte sich doch vorgenommen, nicht mehr wild herumzuflirten, sondern ernsthaft nach einem Partner Ausschau zu halten. Und als solcher käme Keenan McGregor für sie garantiert nicht infrage.

Wozu hatte sie sich denn all die Jahre angestrengt, um sich von ihrer Familie zu lösen? Als Teenager hatte sie genau wie ihre Mutter und ihre Schwester eher leichtlebige Jungs bevorzugt, mit denen sie Spaß haben konnte. Die Ernsthaften hatten sie nie interessiert.

Gut, diesen Keenan McGregor kannte sie nicht genügend, um sich ein Urteil zu erlauben, doch spontan würde sie ihn zur ersten Kategorie zählen.

Und so stellte sie sich ihre Zukunft nicht vor − das Bild ihrer Schwester stand ihr als abschreckendes Beispiel vor Augen. Die hatte zwei Kinder von verschiedenen Männern und musste jeden Penny dreimal umdrehen.

Nicht umsonst hatte sie selbst studiert, hart gearbeitet und ganz gezielt ein besseres Leben angestrebt. Sie war glücklich mit ihrem Leben und sie würde sich keinen Mann suchen, der nicht in ihr Konzept passte – und sei er noch so attraktiv.

Keenan bemerkte sofort den Zweifel in ihren schönen blauen Augen. Bestimmt war ihr plötzlich klar geworden, dass sie einen entlassenen Sträfling geküsst hatte.

Er konnte sie gut verstehen, doch das Bedauern darüber ballte sich wie ein Kloß in seinem Magen zusammen. Wenn sie ihm nur eine Chance gäbe, könnte vielleicht eine schöne Beziehung entstehen, das spürte er.

Allerdings hatte er im Moment sowieso andere Sorgen, als sich für Frauen zu interessieren. Erst musste er wieder hier ankommen. Bisher standen seine Sachen noch immer unausgepackt im Gästezimmer seiner Schwester.

Am Montag würde er in Joels Baufirma anfangen und sich dann eine kleine Wohnung suchen. Auch wenn Ryan und Betsy ihm angeboten hatten, bei ihnen wohnen zu bleiben – er verspürte den dringenden Wunsch, sich schnellstmöglich wieder ein eigenes Leben aufzubauen.

Er sah Mitzis unschlüssigen Blick. „Ich mische mich dann mal unter die Leute“, sagte er, um ihr zuvorzukommen. „Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.“ Er betrachtete sie lächelnd. „Und danke für den Willkommenskuss.“

Mit einem Augenzwinkern drehte er sich um und verschwand im Haus.

Ungläubig blickte Mitzi ihm nach. Gerade hatte sie sich einen schönen Satz zurechtgelegt, um sich höflich von ihm zu verabschieden, und nun war ihr Keenan zuvorgekommen.

Er hatte sie einfach stehen lassen und ihr zu allem Überfluss noch zugezwinkert. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Ein solches Benehmen ließ Mitzi sich von keinem Mann bieten. Sie würde hineingehen und ihn zur Rede stellen …

Schnell merkte sie, dass sie völlig überzogen reagierte. Wie würde sie denn dastehen, wenn sie ihrer spontanen Eingebung folgen würde? Jemandem nachzulaufen hatte sie doch gar nicht nötig.

Sie trat an das Geländer und sog tief den Blumenduft ein, um sich zu beruhigen. Erst nach einer Weile bemerkte sie, dass ihre Freundin Kate neben ihr stand.

„Gerade bist du doch mit Keenan zusammen rausgegangen, und jetzt ist er allein wieder reingekommen“, sagte Kate mit betont gleichgültiger Miene.

„Ja, er wollte seine Freunde begrüßen, und ich wollte lieber noch ein bisschen draußen bleiben.“ Triumphierend stellte sie fest, dass ihre Stimme ganz lässig geklungen hatte.

Kate stupste sie mit dem Ellenbogen an. „Er ist ein toller Typ, oder?“

Mitzi zuckte die Achseln. „Ja, wem’s gefällt. Ich finde ihn ein bisschen arrogant.“

Kaum hatte sie das gesagt, meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Es war ungerecht, so über ihn zu reden.

Kate schien überrascht. „Hoffentlich bekommt Joel mit ihm keine Probleme. Er hat ihn eingestellt, weil alle ihn empfohlen haben.“ Sie biss sich auf die Lippen. „Wenn er sich Kunden gegenüber schlecht benimmt …“

Mitzi wusste, dass es zwischen Kate und Joel keine Geheimnisse gab. Bestimmt würde Kate ihrem Mann von Mitzis Bemerkung brühwarm berichten. Ein schlechter Anfang für Keenan, und es wäre ihre Schuld.

„Nein, nein, ich übertreibe, er ist nicht wirklich arrogant“, sagte sie schnell und merkte, wie sie unter Kates prüfendem Blick rot wurde.

„Und wieso hast du es dann gesagt?“

„Wir haben uns geküsst, und danach hat er mich einfach stehen lassen!“, stieß sie hervor.

Kates besorgte Miene wandelte sich schlagartig in Belustigung. „Du hast ihn geküsst?“

„Hast du Probleme mit deinen Ohren?“, fragte Mitzi mürrisch.

„Aber ihr habt euch doch gerade erst kennengelernt.“

„Ein Kuss, Kate“, sagte Mitzi aufgebracht. „Ich war nicht mit ihm im Bett.“

Aufmerksam studierte Kate das Gesicht ihrer Freundin. „Aber du hättest nichts dagegen.“

Zuerst wollte Mitzi wütend werden, doch dann musste sie lachen. „Na ja, er ist schon ein heißer Typ. Und trotzdem nichts für mich.“

„Denkst du etwa immer noch an diesen schrecklichen Fußballer?“

Ein Kellner kam vorbei, und Mitzi nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett. Genüsslich trank sie einen Schluck. „Diese falsche Ratte? Nein, der kann mir gestohlen bleiben. Aber ich will nicht schon wieder einen Fehler machen.“

Kate trank ebenfalls von ihrem Champagner. „Du meinst also, es wäre ein Fehler, sich mit Keenan einzulassen.“

„Er hat im Gefängnis gesessen, Kate.“

„Unschuldig!“

„Trotzdem, ich brauche einen seriösen Mann, einen wie …“, sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, „… Tim Duggan.“

Tim Duggan war Arzt und Witwer mit Zwillingstöchtern.

„Ja, der ist nett“, erwiderte Kate vorsichtig, als ob sie ihre Worte abwog. „Wir haben letztes Jahr zusammen in einem Ausschuss für Medizinethik gearbeitet. Würde mich freuen, wenn es mit euch was würde. Obwohl, ihr beide als Paar …“, sie schüttelte den Kopf, „… kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“

„Und wieso nicht?“, fragte Mitzi leicht pikiert. „Weil er in einer Eliteschule war und ich im Eastend von L. A. aufgewachsen bin?“

In Kates Augen zuckte es, doch sie blieb ruhig. „Nein, weil er sehr ruhig und familienbewusst ist. Er lebt praktisch nur für seine Töchter.“

„Warum sollte ich nicht auch familienbewusst sein?“

„Komm, Mitzi, du hast bei Tim noch nie einen zweiten Blick riskiert.“

„Aber ich würde ihn gern näher kennenlernen.“ Mitzi bemühte sich, nicht allzu sentimental zu klingen. „Ich bin es leid, immer nur auf die falschen Männer hereinzufallen. Schließlich werde ich auch nicht jünger.“

Autor

Cindy Kirk
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