Ein Mann, ein Ring und mehr …

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"Das kann nicht wahr sein!" Schockiert erblickt Mary Karen den funkelnden Diamantring an ihrem Finger, als sie im Hotel in Las Vegas erwacht. Doch sie hat wirklich ihren besten Freund Travis geheiratet. Und es geschah noch viel mehr - in dieser Nacht in der Stadt der Sünde …


  • Erscheinungstag 08.03.2021
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505765
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Rauschen von Wasser riss Mary Karen Vaughn aus dem Schlaf. Trotzdem ließ sie die Augen geschlossen, denn sie wollte nicht aus dem köstlichen Traum auftauchen, der ihr ein stundenlanges Liebesspiel mit Travis vorgaukelte – anstelle des Quickies bei der letzten Weihnachtsfeier.

Sie seufzte, weil sie wusste, dass es nur Wunschdenken war. Wenn sie und der attraktive Doktor miteinander Sex hatten, dann jedes Mal schnell und wild. Er war Single mit ausgefülltem Terminkalender und sie alleinerziehende Mutter mit jeder Menge Verpflichtungen.

Obwohl sie wusste, dass es unmöglich war, wünschte sie sich in letzter Zeit immer häufiger, Travis könnte sie noch eine Weile länger im Arm halten und ihr zuflüstern, wie wundervoll er sie fand.

Als renommierter Frauenarzt mochte Dr. Fisher einer der begehrtesten Singles der Stadt sein, für Mary Karen war er seit Kindertagen einfach ein lieber Freund und seit einigen Jahren ein fabelhafter Geliebter. Zu Collegezeiten waren sie kurz liiert gewesen, und sie hatte sich damals sehnlichst gewünscht, dass es auf Dauer funktionierte. Im Gegensatz zu ihm war sie allerdings seit frühester Jugend dazu entschlossen, eines Tages eine eigene Familie zu gründen. Da er sich keine Zukunft mit Kindern vorstellen konnte, nachdem er sechs jüngere Geschwister hatte aufziehen müssen, hatte sie sich von ihm getrennt und ihr Glück bei einem anderen Mann gesucht.

Leider vergeblich, denn ihre Ehe mit Steven hatte nur drei Jahre gehalten.

Mary Karen seufzte und schlug die Augen auf. Nach der Scheidung hatten sie und Travis ihre Freundschaft aufgefrischt, und er war ihr Gelegenheitsliebhaber geworden. Da war es nur zu verständlich, dass er die Hauptrolle in ihrem von einem Mai-Tai-Cocktail beflügelten Traum spielte. Sie rollte sich auf die Seite und stellte erstaunt fest, dass sie nackt unter dem Seidenlaken war. Sie grinste. Selbst ein bisschen Rum konnte offensichtlich gefährlich sein.

Zu schade, dass Travis nicht hier ist. Er hätte Gefallen an meinem Anblick gefunden und wäre auf allerlei interessante Ideen gekommen … Sie streckte sich und genoss, wie die glatte Seide ihre Haut streichelte.

Zwei sonnige Tage lagen hinter ihr. Die meisten Leute kamen nach Las Vegas, um ins Spielcasino zu gehen, sie selbst begnügte sich jedoch damit, am Pool zu sitzen und zu lesen. Einige Männer hatten versucht, sie anzubaggern. Sie war jedoch nicht interessiert. In ihrem wohlverdienten Kurzurlaub von den Kindern legte sie Wert auf Ruhe und Erholung ohne Ablenkungen.

Wie sie so dalag und an die Zimmerdecke blickte, fiel ihr auf, dass das Rauschen verstummt war. Beinahe hätte sie schwören können, dass es aus ihrem eigenen Badezimmer gekommen war, aber der Gedanke erschien ihr lächerlich. In Wahrheit waren die Wände ihres Luxuszimmers im Las Vegas Strip recht dünn.

Selbstironisch verzog sie die Mundwinkel – zu dünn zu sein, das war ein Problem, das sie in ihrem Leben nur zu gern einmal erfahren hätte. Obwohl sie noch immer in Kleidergröße sechsunddreißig passte, war sie eher kurvenreich als gertenschlank und ihr Bauch wölbte sich ein bisschen vor. Trotzdem, für eine sechsundzwanzigjährige dreifache Mutter sah sie gut aus – vor allem jetzt, da sie richtig ausgeruht war. Nach zwei Tagen am Pool in ihrem neuen roten Bikini schimmerte ihre normalerweise helle Haut goldbraun.

Dieser Kurztrip – der Hauptgewinn eines Preisausschreibens – war Balsam für Körper und Seele. Leider ging der Spaß bald zu Ende. In wenigen Stunden musste sie nach Hause zurückkehren.

Obwohl eine wundervolle Zeit hinter ihr lag, vermisste sie ihre Söhne – und umgekehrt, ihren Stimmen am Telefon nach zu urteilen. So gesehen war es gut, dass die Heimfahrt direkt bevorstand. Da das Hotelzimmer bis elf Uhr geräumt werden musste, wurde es allmählich Zeit, die Sachen zu packen.

Mary Karen schlug die Decke zurück, setzte sich auf und schwang die Beine aus dem Bett.

„Du bist ja wach!?“

Erschrocken wirbelte sie herum, rang nach Atem und zog sich das Laken vor die Brüste.

„Ist es nicht ein bisschen spät für falsche Scham, M. K.?“ Travis schlenderte durch das Zimmer. Er trug lediglich ein Handtuch um die Hüften und das sandfarbene Haar war noch nass vom Duschen.

Sie konnte ihn nur sprachlos anstarren.

Er war gute ein Meter achtzig groß, eher drahtig als muskulös und hatte einen hellen Teint mit Sommersprossen auf dem Nasenrücken. An diesem Morgen wirkten seine nussbraunen Augen, die normalerweise frech funkelten, ungewöhnlich ernst.

Er trat an das Bett. Die Matratze schaukelte, als er sich setzte. Winzige Wassertropfen hingen noch an seiner Brust. Er roch nach Seife und Shampoo und diesem undefinierbaren maskulinen Geruch, der ihr Blut stets in Wallung brachte.

Abrupt fiel ihr das Ende ihres Traums ein. Ihr Magen drehte sich um und sie begann zu zittern. War ich wirklich so dumm?

Sie hatte einige große Fehler in ihrem Leben begangen, aber das würde allem die Krone aufsetzen. Am vergangenen Abend war sie zwar angeheitert gewesen, aber keinesfalls betrunken. Ihre wilden Fantasien mit einem Mann auszuleben, den sie als ihren besten Freund ansah, das konnte sie verkraften. Jedoch vor einen die Bibel schwingenden Elvis-Presley-Imitator zu treten …

Mary Karen forschte in Travis’ Gesicht. Die Verzweiflung in seinen Augen verriet ihr, was sie nicht wissen wollte. „S-sag mir, dass wir es nicht g-getan haben!“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. „Bitte, Trav! Sag es mir.“

Anstatt zu antworten, griff er nach ihrer Hand. Ein gelber Diamant mit Smaragdschliff funkelte im Morgenlicht. „Ich wünschte, ich könnte es als einen meiner üblichen Scherze abtun.“ Er versuchte zu schmunzeln, aber es misslang.

Das Herz hämmerte in ihrer Brust. Der Raum schien sich zu drehen. „Das kann nicht wahr sein, oder!?“

„Doch. Wir beide haben gestern Abend geheiratet.“ Er drückte ihre Finger. „Jetzt müssen wir uns überlegen, was wir dagegen unternehmen.“

Auf den Tag genau vier Wochen später setzte Mary Karen ihre Söhne mit einem Videospiel vor den Fernseher, zog sich in das einzige Badezimmer des Hauses zurück und verschloss die Tür.

Ihr Blick fiel in den Spiegel. Stressfältchen umrahmten ihre Augen. In der vergangenen Woche hatte sie kaum geschlafen vor lauter Sorge, was dieser Test ergeben könnte.

Solange sie zurückdenken konnte, kam ihre Periode sehr regelmäßig. Seit der betreffende Tag jedoch wie jeder andere vergangen war, ahnte sie, dass sie in Schwierigkeiten steckte.

Ihre Finger zitterten, als sie den Schwangerschaftstest durchführte. Vergeblich befahl sie sich, auf den Stick zu schauen. Ihre Augen verweigerten die Mitarbeit.

Travis zu heiraten und es mit leidenschaftlichem Sex zu feiern, war eine Sache. Sie erinnerte sich nur vage, wie es dazu gekommen war. In einem Moment hatten sie bei einem Drink – einem einzigen – am Pool herumgealbert, im nächsten hatten sie ihre Treueschwüre vor einem Friedensrichter abgelegt, der dem King of Rock ’n’ Roll verdammt ähnlich sah.

Hätte Travis nicht zu seiner alljährlichen Missionsreise nach Afrika aufbrechen müssen, hätten sie die Ehe gleich in Nevada annulliert. Stattdessen hatte sie auf seine Rückkehr nach Jackson Hole warten müssen. Und nun war er wieder da – endlich konnten sie den Fehler ausbügeln und daraufhin die ganze Sache vergessen.

Mary Karen holte tief Luft und hob den Stick auf Augenhöhe.

Ihr Herz setzte sekundenlang aus und hämmerte dann lauter und hektischer als je zuvor. Sie hätte sich einreden können, dass der Test nicht richtig funktionierte, aber sie wusste es besser. Schließlich hatte sie bereits zwei Schwangerschaften hinter sich und kannte die Symptome nur zu gut – die Übelkeit, die Müdigkeit, das emotionale Auf und Ab.

Tränen stiegen ihr in die Augen und rannen ihr über die Wangen. Sie stieß einen Eimer mit Badespielzeug beiseite und drehte das Wasser voll auf, damit ihre Söhne sie nicht schluchzen hörten.

Du meine Güte, ich kann nicht noch ein Baby kriegen!

Sie hätte Travis die Schuld in die Schuhe schieben können, war sich aber selbst in ihrer Verzweiflung bewusst, dass sie ganz allein verantwortlich war. Sie hätte darauf bestehen sollen, dass er Kondome besorgte, bevor sie sich von ihm anfassen ließ. Die beiden vorangegangenen Schwangerschaften waren nämlich trotz Einnahme der Pille zustande gekommen.

Inzwischen flossen die Tränen wie Sturzbäche.

„Mommy!“ Eine kleine Faust hämmerte an die verschlossene Badezimmertür. „Ich muss mal.“

Sie schluckte die Tränen hinunter und atmete tief durch. Mit zitternden Fingern wischte sie sich mit einem Kosmetiktuch über die Augen und putzte sich die Nase. Dann steckte sie den Schwangerschaftstest weg, bevor sie die Tür öffnete.

„Tut mir leid, Honey.“ Sie ging beiseite, als ihr Jüngster hereinstürmte.

Logan war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf sie zu achten. Die Zwillinge, die im Flur standen, waren weit aufmerksamer.

„Was hast du denn?“ Der fünfjährige Connor mit seinen goldenen Locken und großen blauen Augen hätte als Engel durchgehen können, wenn seine Augen nicht gerade teuflisch funkelten. „Wieso siehst du so komisch aus!?“, fragte er vorwurfsvoll.

„Deine Augen sind so dick und dein Gesicht ist ganz rot“, fügte sein eineiiger Zwilling Caleb hinzu.

„Ich … äh … habe etwas ins Auge gekriegt.“ Mary Karen wischte sich die letzten Tränenspuren ab. „Genau wie du letzte Woche, Cal. Weißt du noch?“

Er nickte. „Das hat ganz schön wehgetan.“

Connor ließ sich nicht so leicht täuschen. Er zog die blonden Brauen zusammen und fragte misstrauisch: „Wenn du bloß was in ein Auge gekriegt hast, warum sind dann beide rot?“

Anstatt zu antworten, senkte sie den Blick. „Du hast Schokolade auf deinem Spider-Man-Shirt. Hast du die M&Ms gemopst?“

Ihm blieb eine Antwort erspart, denn Logan kam mit strahlendem Gesicht aus dem Badezimmer. Ein Blatt Toilettenpapier hing an einer Schuhsohle. „Ich war ganz allein auf dem Pott!“

Das war in der Tat eine große Sache für ihn als Dreijährigen. Nach fast fünf Jahren wurde das Haus endlich zur windelfreien Zone.

Aber für wie lange noch?

Mary Karen verdrängte diesen aufwühlenden Gedanken und umarmte ihr Kind. „Ich bin ja so stolz auf dich!“

Er gönnte ihr fünf Sekunden, bevor er sich zu winden begann. „Lass los. Wir spielen grade Autos.“

Widerstrebend gab sie ihn frei. „Na gut, dann geh mit deinen Brüdern. Mommy muss sich für die Party fertigmachen.“

Obwohl Travis schon am Vortag aus Kamerun zurückgekehrt war, hatte sie bisher nichts von ihm gehört. Er ging wohl davon aus, sie bei dem Willkommensfest zu treffen, das ihr Bruder David – ein Arbeitskollege von Travis und dessen bester Freund – veranstaltete.

Trotzdem hatte sie einen Anruf erwartet. Schließlich war Travis ebenso von der Heirat betroffen. Obwohl sie gute Freunde waren und die sexuelle Energie zwischen ihnen im Laufe der Jahre immer stärker geworden war, wussten beide nur zu gut, welch großen Fehler die Eheschließung bedeutete.

Ich wünschte ja, es könnte anders sein! Aber Travis machte immer wieder deutlich, dass er keine Kinder wollte. Und sie hatte gleich drei.

Falls sie sich je wieder auf eine Ehe einließ, dann mit einem Mann, der nicht nur sie allein, sondern auch ihre Söhne liebte. Ihr Ex hatte weder Ehemann noch Vater sein wollen und ihr vom ersten Tag an bei jeder Gelegenheit vorgeworfen, ihn in die Falle gelockt zu haben. All ihre Bemühungen um eine funktionierende Beziehung waren fehlgeschlagen.

Wer behauptet, dass sich in einer Ehe Liebe und Kinderwunsch mit der Zeit einstellen, der irrt gewaltig.

Wenn Travis von der Schwangerschaft erfuhr, bestand er garantiert darauf, Verantwortung zu übernehmen, weil er nun einmal so gestrickt war. Dies konnte sie nicht zulassen, da sie nicht bereit war, noch einmal eine Pflichtehe einzugehen. Dies bedeutete also, dass sie auf sich allein gestellt war. Auf viel Unterstützung von ihren Eltern konnte sie nicht zählen. Die waren vollauf mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Und ihr Bruder, der ihr nach der Trennung von Steven hilfreich zur Seite gestanden hatte, war inzwischen selbst Familienvater. Nein, die Kinder fielen ganz allein in ihren Verantwortungsbereich.

Und im Übrigen muss ich dieses Baby ja nicht kriegen.

Der Gedanke schlich sich in ihren Kopf.

Sie wollte nicht zulassen, dass er sich festsetzte. Sie konnte dieses Leben nicht einfach beenden, das in ihr heranwuchs.

„Du bist ja ein Blödmann!“, hörte sie Connor aus dem Nebenzimmer rufen.

„Mo-om!“, schrie Caleb. „Connor sagt Blödmann zu mir!“

Einem lauten Poltern folgte schrilles Geschrei von Logan.

Mary Karen schloss eine Sekunde lang die Augen und atmete tief durch. Schließlich straffte sie die Schultern und eilte ins Wohnzimmer. Sie wollte über die chaotische Entwicklung in ihrem Leben zu einem späteren Zeitpunkt nachdenken.

Travis Fisher hielt vor dem Apartmentkomplex an, in dem Dr. Kate McNeal wohnte. Nicht zum ersten Mal beschlich ihn das Gefühl, dass es ein Fehler war, sie zu seiner Begrüßungsparty mitfahren zu lassen.

Am vergangenen Abend war er – kaum in der Stadt angekommen – ins Krankenhaus gerufen worden, um einen Notkaiserschnitt durchzuführen. Kate hatte als Kinderärztin Bereitschaftsdienst im Kreißsaal geleistet.

Nach der Entbindung waren sie auf eine schnelle Tasse Kaffee ins Ärztezimmer gegangen und ins Gespräch gekommen. Dabei hatte sie erwähnt, dass sie zu der Party eingeladen war, und bat ihn, sie in seinem Wagen mitzunehmen.

Da sie nur wenige Häuserblocks voneinander entfernt wohnten, war es ihm durchaus sinnvoll erschienen, zusammen hinzufahren – abgesehen davon, dass er nicht mehr der Mann war, den sie vor seiner Reise nach Kamerun kennengelernt hatte. Inzwischen war er verheiratet.

Verheiratet.

Es fiel ihm immer noch schwer, daran zu glauben. Er wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie sein bester Freund auf diese Neuigkeit reagieren würde. Obwohl David Wahl seine Schwester Mary Karen gern etwas neckte, so war er doch ihr treuester Anhänger. Nein, er wäre sicherlich nicht erfreut.

Zum Glück ließ sich das Problem durch eine Annullierung schnell lösen. Niemand brauchte je von der Heirat zu erfahren.

Travis stellte den BMW Roadster ab und stieg aus. Er konnte immer noch nicht begreifen, dass er und Mary Karen so unüberlegt gehandelt hatten. Schon seit ewigen Zeiten bestand eine starke körperliche Anziehungskraft zwischen ihnen. Doch selbst damals, als sie noch das College besucht und er als Assistenzarzt im Krankenhaus gearbeitet hatte, war ihnen klar gewesen, dass sie nicht füreinander bestimmt waren. Er lebte für den Moment, während sie sich nach einer Familie sehnte.

Sie war außerdem seine beste Freundin und die Person, an die er während seines Aufenthalts in Kamerun am häufigsten gedacht hatte.

Kate kam aus dem Gebäude und winkte ihm zu. Das rabenschwarze seidige Haar fiel ihr in einem glatten Bob auf die Schultern. Lange dunkle Wimpern umrahmten nussbraune Augen. Sie war groß und schlank und besaß einen ausgeprägten Sinn für Mode, der sie eher wie ein Model als eine aufstrebende Kinderärztin aussehen ließ.

Dennoch berührte sie ihn nicht wie Mary Karen. Es gab also keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, weil er Kate mitfahren ließ. Schließlich war er nur auf dem Papier mit Mary Karen verheiratet. Die Annullierung sollte ebenso rasch über die Bühne gehen wie die Trauung.

Er ging Kate auf halbem Weg entgegen. Ihr Sommerkleid betonte ihre gertenschlanke Gestalt mit den vollen Brüsten. Als er sich näherte, breitete sie die Arme aus. „Ich bin ja so froh, dass du zurück bist.“

Verbindlich drückte er sie an sich. Kate hob das Gesicht und machte ihm bewusst, dass sie einen Kuss erwartete. Vor seiner Abreise hatten sie sich schon einmal geküsst, allerdings vor seiner Heirat. Obwohl die Ehe demnächst beendet werden sollte, erschien ihm selbst eine derart harmlose Intimität mit einer anderen Frau falsch. Er trat einen Schritt zurück.

Verwirrt fragte Kate: „Stimmt was nicht?“

Er lächelte sie an. „Ich will bloß nicht zu spät kommen.“

Sie wandte sich dem Auto zu. „Kommen zu dieser Party Leute, die ich kenne?“

„Wahrscheinlich. David hat all meine Bekannten eingeladen – von Kollegen aus dem Krankenhaus bis hin zu meinem Kumpel Joel Dennes.“

„Joel Dennes?“, hakte sie in einem Ton nach, der allzu beiläufig klang. „Der Bauunternehmer?“

Travis warf ihr einen Seitenblick zu. „Ihr kennt euch?“

„Nein. Wie kommst du darauf?“

„Er hat eine Tochter. Ich dachte, sie könnte bei dir in Behandlung sein.“

„Möglich. Ich habe noch nicht alle Patienten in meiner neuen Praxis kennengelernt.“ Sie hielt den Blick nach vorn gerichtet und sprach in einem nichtssagenden Ton. „Allerdings habe ich letzte Woche jemanden im Krankenhaus getroffen, der dich kennt.“

Sie erreichten das Auto. Er öffnete die Beifahrertür und half ihr hinein. „Und wer ist das?“

„Mary Karen Vaughn. Weißt du, dass David Wahl ihr Bruder ist? Ich frage mich, ob sie auch zur Party kommt.“

„Zweifellos.“

2. KAPITEL

David und seine Frau July hätten sich keinen schöneren Tag für ihr Grillfest aussuchen können. Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel über Wyoming herab. Damasttücher bedeckten die Tische, die liebevoll mit Sonnenblumen geschmückt waren. Für ein Gartenfest sah alles erstaunlich elegant aus.

„Ich dachte, die ganze Sache wäre legerer.“ Mary Karen blickte an ihrem blauen Rock und dem Seidentop mit U-Boot-Ausschnitt hinab und musterte dann die anderen Frauen.

Ihre Schwägerin July trug einen bezaubernden, mit tropischen Blumen bedruckten Kaftan und ihre Freundin Lexi Delacorte ein kirschrotes Schwangerschaftskleid, das eine Schulter freiließ und zugleich stylish wie bequem aussah.

„Du siehst doch sehr hübsch aus“, versicherte July. „Mir gefällt, was du mit deinem Haar gemacht hast, dass du es mit diesen niedlichen Klipsen aus dem Gesicht gesteckt hast.“

„Mir gefällt der Look auch“, versicherte Lexi. „Und nur damit du’s weißt – wir sind unheimlich neidisch auf deinen flachen Bauch.“

July seufzte. „Allerdings. Es ist verdammt schwer, sexy zu sein, wenn der Bauch so vorsteht. Zum Glück findet David mich immer noch attraktiv.“

„Nick sagt mir jeden Tag, wie schön ich bin, und er beteiligt sich ganz aktiv an der Schwangerschaft.“ Lexi strahlte. „Jeden Morgen, bevor er ins Büro fährt, streichelt er meinen Bauch und redet mit unserem Sohn. Er hat nämlich irgendwo gelesen, dass sich das Baby schon vor der Geburt geliebt und behütet fühlt, wenn es die Stimmen beider Elternteile hört.“

Ein Kloß stieg Mary Karen in die Kehle. Wie anders hatte sie ihre Schwangerschaften erlebt! Beim ersten Mal hatte Steven sie Walross genannt und sich geweigert, sie anzufassen. Beim zweiten Mal hatte er sich aus dem Staub gemacht.

Und nun musste sie es wieder allein durchstehen. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie nahm einen Schluck Eistee und blinzelte hastig, aber anscheinend nicht schnell genug.

July legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Honey, was ist denn?“

Besorgnis trat in Lexis bernsteinfarbene Augen. „Sag uns, was dich so aufwühlt. Hab ich was Dummes gesagt?“

„Nein, nein. Ich bin nur müde.“ Mary Karen zwang sich zu lächeln. Es war nicht gelogen. Wie viel sie auch schlief, es war nie genug. „Das Gewitter hat Logan geweckt. Dann haben die Zwillinge ihn gehört und waren die halbe Nacht auf.“

Sie wollte sich nicht weiter dazu auslassen. Als sie endlich wieder ins Bett gegangen war, hatte sie sich ihr Leben mit vier Kindern auszumalen versucht und keinerlei Schlaf mehr gefunden.

„Ich weiß nicht, wie du das schaffst“, sagte July. „Du hast drei kleine Kinder, die wahre Energiebündel sind. Du arbeitest …“

„Nur in Teilzeit!“, warf Mary Karen hastig ein. Die Bewunderung war ihr unangenehm. Sie kannte viele ledige Mütter, die viel schlimmer dran waren. Zumindest hatte ihr Ex einen gut bezahlten Job und zahlte pünktlich die Unterhaltskosten.

Lexi rang hörbar nach Atem. „Oh, er hat ein Date mitgebracht.“

Mary Karen brauchte nicht zu fragen, wer gemeint war. Sie besaß seit ewigen Zeiten einen sechsten Sinn, was Travis anging. Betroffen drehte sie sich um. Ihr Herz machte einen Hüpfer beim Anblick ihres … Ehemanns. Er trug eine Kakihose und ein ärmelloses hellbraunes Freizeithemd. Sein sandfarbenes Haar war ausgebleicht und seine Haut golden gebräunt. Er sah blendend und umwerfend lässig wie ein Model aus.

Doch sie kannte ihn anders – und vielleicht besser, als er sich selbst. Sie sah hinter die heitere Fassade und merkte, dass vier verdammt harte Wochen hinter ihm lagen.

Ein glockenhelles Lachen ertönte und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf seine Begleiterin – Kate McNeal. Ihr Jerseykleid in Weiß und Lachs bildete einen perfekten Kontrast zu ihrem dunklen Haar. Sie stand viel zu nahe neben ihm. Eine Hand lag in besitzergreifender Manier auf seinem Arm. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.

Mary Karen umfasste ihr Glas fester. Vom Kopf her verstand sie, dass sie und Travis nicht wirklich ein Paar waren. Trotzdem versetzte es ihr einen Stich. Die Annullierungspapiere waren noch nicht einmal unterzeichnet und schon ließ er sich auf eine Karrierefrau ein.

Lexi nahm einen Schluck Soda und musterte die Ärztin über das Glas hinweg. „Sie ist verdammt attraktiv.“

Trotz des warmen Wetters fröstelte Mary Karen plötzlich. „Ich wusste gar nicht, dass er liiert ist.“

July wurde ganz nachdenklich. „David hat mal erwähnt, dass Travis vor seiner Abreise nach Kamerun ein paarmal mit ihr ausgegangen ist.“

„Er muss sie gleich nach seiner Rückkehr angerufen haben“, überlegte Lexi.

Mary Karen dachte daran, wie sie am vergangenen Abend ständig das Handy mit sich herumgeschleppt hatte, um seinen Anruf nicht zu versäumen. Daran, wie sie sich während seines Afrikaaufenthalts um seine Sicherheit gesorgt hatte. Daran, wie …

Zorn wollte in ihr aufsteigen, aber sie wehrte sich dagegen. Schließlich war Travis nicht verpflichtet, sich bei ihr zu melden. Und es ging sie nichts an, wenn er ein Date mitbrachte.

July flüsterte: „Ich könnte schwören, dass er nach dir Ausschau hält …“

Verstohlen spähte Mary Karen zu ihm hinüber und stellte fest, dass sich sein Gesichtsausdruck deutlich erhellte, sobald er sie entdeckte. Sie hob eine Hand zum Gruß und wackelte lässig mit den Fingern.

Autor

Cindy Kirk
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