Ein Rendezvous mit dem Boss

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Wird ein Traum wahr für Betsy? Ihr faszinierender Boss Ryan Harcourt, in den sie heimlich verliebt ist, will mit ihr ausgehen! Schon hofft sie, dass er ihre Gefühle erwidert, da macht Ryan ihr ein überraschendes Geständnis - und Betsy muss fürchten, dass er sie nur benutzt …


  • Erscheinungstag 29.03.2021
  • Bandnummer 7
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505802
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Seit sechs Wochen, drei Tagen und zwölf Stunden war Betsy McGregor jetzt arbeitslos. Da Thanksgiving vor der Tür stand, hatte sie kaum Aussichten, noch im alten Jahr einen neuen Job zu finden. Der Ernst der Lage war ihr am vergangenen Wochenende so richtig bewusst geworden, beim Durchrechnen ihrer Finanzen. Ihre Ersparnisse reichten nur noch für eine Monatsmiete.

Und einzig und allein aus diesem Grund hatte sie einem Bewerbungsgespräch in Ryan Harcourts Anwaltskanzlei zugestimmt.

Okay, vielleicht hing ihre Entscheidung auch mit dem Medaillon zusammen, das seit diesem Morgen in der Tasche ihrer Kostümjacke steckte. Sie hatte die achteckige Kupfermünze beim Entrümpeln des Hauses ihrer kürzlich verstorbenen Großtante Agatha gefunden. Agatha hatte eine Notiz dazu verfasst, in der es hieß, die Münze würde das Schicksal zum Guten wenden und sogar die wahre Liebe bringen. Zweites war ernsthaft zu bezweifeln. Denn das war verdammt viel verlangt von einer angelaufenen Münze, in die Efeuranken, Herzen und seltsame französische Wörter eingraviert waren.

An etwas Glück kann ich glauben, aber an die große Liebe? Betsy machte sich nichts vor. Sie ging hart auf die dreißig zu und war der Inbegriff des Wortes Durchschnitt, was Größe, Gewicht und Äußeres im Allgemeinen anging. Ihre Haare waren von einem dezenten Hellbraun und ihre Augen graublau – nicht hell genug, um zu leuchten; nicht dunkel genug, um geheimnisvoll zu wirken.

Ihre Gesichtszüge waren ganz ansehnlich, nur die Sommersprossen auf der Nase störten sie. Das Positivste an ihrem Erscheinungsbild war, dass es unauffällig war und sich überall harmonisch einfügte.

Betsy akzeptierte diese Wahrheit und ärgerte sich dennoch darüber. Sie wollte nicht gewöhnlich sein oder sich einfügen. Ich will eine schillernde Persönlichkeit sein, nach der sich die Leute auf der Straße umdrehen. Eine Frau, die sich jeder Mann auf den ersten Blick an seiner Seite wünscht, in die ein Mann wie Ryan sich verlieben kann.

Ihre Wangen fingen an zu glühen, als ihr bewusst wurde, dass sie noch genauso töricht war wie mit zehn. Damals hatte sie sich geschworen, den schlanken dunkelhaarigen Jungen mit den schiefergrauen Augen irgendwann zu heiraten – obwohl er fünf Jahre älter war und sämtliche Mädchen der Mittelschule für ihn geschwärmt hatten.

Im Gegensatz zu den anderen Freunden ihres Bruders war Ryan immer nett zu ihr gewesen. An einem Tag, war er ihr sogar zu Hilfe gekommen: Sie war von einer Horde älterer Jungen angefeindet und als Hure und Trinkerin wie ihre Mutter beschimpft worden. Ryan war dazugekommen, hatte ihr die Unholde vom Hals geschafft und sie nach Hause gebracht.

Seit jenem Tag war sie in ihn verliebt.

Deswegen war es total unsinnig, für ihn zu arbeiten. Die Vorstellung, ihn tagtäglich zu sehen, war wie die Erfüllung eines wundervollen Traumes und ein furchtbarer Albtraum zugleich. Lediglich seine Angestellte zu sein, während sie eigentlich als begehrenswerte Frau wahrgenommen werden wollte, war gewiss kaum zu ertragen.

Andererseits war sie sehr erfahren mit schwierigen Situationen. Sie hatte eine Kindheit mit alkoholkranker Mutter und einem abwesenden Vater überstanden.

Und all das spielte im Grunde auch keine Rolle. Sie brauchte einen Job, um ihre Rechnungen zu bezahlen und die Heizungsanlage in dem geerbten Haus erneuern zu können.

Obwohl Betsy ein kleines bisschen hoffte, dass das Medaillon Glück brachte, rechnete sie nicht wirklich damit. Das Schicksal hilft denen, die sich selbst helfen. So lautete ihre Devise seit jeher. Und genau deshalb bewarb sie sich für die Anstellung.

Sie holte tief Luft, stieg aus ihrem Auto und zupfte die Manschetten ihres karamellfarbenen Kostüms zurecht. Darüber trug sie nur einen hellen Allwettermantel, weil die Temperatur auf milde sechs Grad über null gestiegen war. Die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel herab und hatte den zwei Tage alten Schnee zu hässlichem Matsch geschmolzen.

Betsy machte sich auf den Weg zur Kanzlei. Obwohl sie übertrieben langsam ging, kam das Gebäude allzu schnell in Sicht. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und verzog das Gesicht. Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit zu erscheinen war angemessen, zwanzig Minuten wirkten verzweifelt.

Auch wenn sie tatsächlich verzweifelt sein mochte, wollte sie natürlich nicht diesen Eindruck erwecken. Das Beste war wohl, sich noch für eine Weile ins Auto zu setzen. Abrupt machte sie kehrt. Dabei blieb sie mit einem Absatz in einem Spalt hängen und geriet ins Taumeln.

Mit einem kleinen Aufschrei fiel sie vornüber. In allerletzter Sekunde, bevor sie auf den Bürgersteig prallte, griffen starke Hände nach ihr und zogen sie hoch. Sie landete an der breiten Brust eines Mannes.

Betsy öffnete den Mund, um sich zu bedanken. Dann sah sie sein Gesicht. Plötzlich fiel es ihr schwer zu denken – und erst recht zu sprechen. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Stimme wiederfand. „Ryan?“

Seine Lippen verzogen sich zu dem jungenhaften Grinsen, das Frauenherzen höherschlagen ließ.

Es war seltsam, dass sie sich erst jetzt über den Weg liefen, obwohl Betsy sich schon monatelang in Jackson Hole aufhielt. Zwar hatte sie ihn einmal von Weitem in Wally’s Bar gesehen, dem angesagtesten Lokal im Ort. Doch da hatte er zu intensiv mit zwei Skihäschen geflirtet, um Betsy zu bemerken.

Nun musterte sie ihren Jugendschwarm eingehend. Die Jahre hatten es gut mit ihm gemeint. Er zählte zu den Männern, die mit dem Alter nur attraktiver werden. Er war noch immer schlank und drahtig wie damals als Rodeo-Reiter zu College-Zeiten. Doch nun hatte er die breiten Schultern und markanten Gesichtszüge eines gestandenen Mannes.

Sie registrierte, dass er eine graue Anzughose, ein dunkelgraues Hemd und einen schwarzen Kurzmantel trug. Dann sah sie nur noch seine wundervollen silbergrauen Augen und verlor sich in ihnen.

„Betsy?“ Von seinen Lippen klang ihr Name wie eine Liebkosung.

Sie erzitterte, aber nicht vor Kälte. Im Gegenteil. Ihr war warm. Besser gesagt: heiß. Er umarmte sie noch immer. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie ihm das letzte Mal so nahe gekommen war.

Besorgnis sprach aus seinen wundervollen Augen. „Ist alles in Ordnung?“

Sie nickte und beobachtete, wie die Falte zwischen seinen Brauen verschwand.

„Ich war gerade auf dem Weg ins Büro“, erklärte er. „Ich habe deinen Namen auf der Bewerbungsliste gesehen und wollte dich nicht warten lassen.“

Obwohl sie vor dem Zusammenstoß kaum zehn Schritte gegangen war, kam ihr Atem in kurzen raschen Stößen. Ihr ganzer Körper glühte.

„Bis zu deiner Bewerbung wusste ich nicht, dass du zurück bist.“ Als ob ihm plötzlich bewusst wurde, dass er sie noch immer umarmte, ließ er sie hastig los und wich einen Schritt zurück.

Sie zwang sich zu lächeln und widerstand dem Drang, ihn wieder an sich zu ziehen. „Ich bin schon seit fast drei Monaten wieder hier.“

Ryan nahm sie am Arm und führte sie über die Straße. Trotz mehrerer Lagen Kleidung prickelte ihre Haut unter seiner Hand. Um dieses Gefühl noch länger genießen zu können, verlangsamte sie unwillkürlich den Schritt. Leider erreichten sie allzu bald das Gebäude mit der gläsernen Front, in der sich Ryans Büroräume befanden. Doch er ging weiter.

„Sind wir nicht schon an deiner Kanzlei vorbei?“

„Doch, aber ich möchte das Gespräch lieber im Hill of Beans führen. Nach deinem Beinahe-Zusammenstoß mit dem Bürgersteig brauchst du bestimmt eine heiße Schokolade zur Beruhigung.“

Ihr Herz schlug höher. Ein Besuch im neuesten Kaffeehaus von Jackson Hole erschien ihr fast wie ein Date. Trotzdem erwartete sie, dass er unverzüglich Details über ihren beruflichen Werdegang wissen wollte, sobald sie an einem Fenstertisch Platz genommen und die Bestellung aufgegeben hatten.

Stattdessen bemerkte er teilnahmsvoll: „Es hat mir sehr leidgetan, von deiner Mom zu hören.“

Betsy konnte sich nicht erinnern, wann jemand zum letzten Mal ihre Mutter erwähnt hatte. In unbewegtem Ton erklärte sie: „Sie war betrunken, als sie den Telefonmast gerammt hat. Laut Auskunft der Polizei hatte sie siebzig Sachen drauf und hätte beinahe ein Kind auf einem Fahrrad umgefahren.“

„Trotzdem. Sie war deine Mutter. Ihr Tod muss dir nahegegangen sein.“

Sie sagte nichts dazu.

„Bist du deswegen zurückgekommen? Um ihren Nachlass zu regeln?“

„Welchen Nachlass?“ Sie lachte auf. „Sie hat nur einen Stapel Rechnungen hinterlassen. Ich wollte schon seit einer ganzen Weile zurückkommen, und Adrianna drängt mich seit Jahren, ‚zu meinen Wurzeln zurückzukehren‘.“

Seine Augen leuchteten auf. „Ich hatte total vergessen, dass ihr beide ganz dick befreundet seid.“

Sie lächelte. „Schon seit dem Kindergarten.“

„Mich wundert, dass sie immer noch solo ist.“

„Sie hat wohl noch nicht den Richtigen gefunden.“

„Ich habe sie des Öfteren im Wally’s Place gesehen, aber selten zweimal mit demselben Mann.“

„Davon weiß ich nichts“, behauptete Betsy. Allmählich wurde sie ein wenig ungehalten. Anscheinend wollte Ryan über alles andere als sein Stellenangebot reden. Führte er dieses Gespräch womöglich nur aus Mitleid? Plötzlich fiel es ihr schwer zu atmen. Sie brauchte diesen Job und hatte sich gute Chancen ausgerechnet. Aber …

„Genug von ihr. Kommen wir zu dir. Wie hat es dir in Kansas City gefallen?“ Er heftete den Blick auf sie, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt. Oder zumindest die einzige, die zählte.

Dermaßen in seinem Fokus zu stehen stieg ihr ein wenig zu Kopf. Doch sie wusste, dass er von Natur aus ein Charmeur war und sie gut daran tat, diese Tatsache nicht zu vergessen. „Eigentlich ganz gut. Aber Wyoming war immer mein Zuhause.“

„In deiner Vita steht, dass du einen Abschluss in Politikwissenschaften hast.“

„Stimmt. Anschließend habe ich eine Ausbildung zur Anwaltsfachangestellten gemacht.“

„Ich wette, du bist eine fantastische Rechtsassistentin.“

„Meine bisherigen Arbeitgeber finden das jedenfalls.“ Abgesehen vom letzten. Aber davon braucht Ryan nichts zu erfahren.

„Und jetzt willst du hier in Jackson Hole bleiben?“

Betsy nickte. „Vor Kurzem ist meine Großtante gestorben und hat mir ihr Haus vermacht. Sobald die Heizung repariert ist und die Stadtverwaltung es für bewohnbar erklärt, werde ich dort einziehen.“

„Das klingt ja nach einem wahren Prachtstück.“

Sie lachte. „Es ist eindeutig renovierungsbedürftig.“

„Du hast ein hervorragendes Zeugnis von der Firma in Kansas bekommen. Erzähl mir von deinen Aufgaben dort.“

„Es ist eine große Kanzlei. Ich habe mehreren Partnern assistiert und dadurch Einblicke in die verschiedensten Fachbereiche bekommen.“ Sie berichtete ausführlich von einigen besonders interessanten Fällen, bis ihr bewusst wurde, dass Ryan schmunzelte. Irritiert fragte sie: „Habe ich irgendwas im Gesicht? Zwischen den Zähnen?“

„Nein. Warum?“

„Du guckst mich so komisch an.“

„Ich bin bloß beeindruckt von der Bandbreite deiner Erfahrung.“

Sie fragte sich, ob es aufrichtige Bewunderung war, die sie in seinen Augen zu sehen glaubte. Verstohlen schob sie eine Hand in ihre Jackentasche und umfasste das Medaillon.

„Die Stellung gehört dir, wenn du sie willst.“

„Einfach so?“ Ihre Stimme bebte ein wenig vor Aufregung. „Willst du meine Referenzen gar nicht überprüfen?“

Ihm fiel auf, wie groß und glänzend ihre Augen vor Verwunderung wurden und wie hübsch sie waren – riesig und von einem seltenen Blaugrau mit goldenen Pünktchen. Dass sie sehr reizvolle Kurven besaß, hatte er auch nicht gewusst, bis sie vorhin gestolpert war.

Das lag natürlich daran, dass er sie bisher immer nur als Keenans kleine Schwester angesehen hatte, die ihnen ständig nachgewatschelt und auf die Nerven gegangen war.

Er beugte sich zu ihr vor. „Sag mir nur, dass du keine tiefen dunklen Geheimnisse hast, und schon ist alles klar.“

„Die hab ich nicht.“ Sie schenkte ihm ein blendendes Lächeln. „Das, was du siehst, bekommst du auch.“

Ryan musste ein Grinsen unterdrücken und verdrängte die erotischen Assoziationen, die ihre ungewollt hintergründige Bemerkung hervorrief. Schließlich war Betsy seine neue Angestellte, keine potenzielle Geliebte.

Aber vielleicht eine Freundin. So, wie ich sie bisher einschätze, kann man mit ihr Pferde stehlen.

Im Hintergrund ertönte leise Jazzmusik, der Wein wurde in kostbaren Kristallkelchen serviert. Ryan ließ den Blick durch den Raum schweifen. Obwohl alle Gäste leger gekleidet waren, wie es in Jackson Hole üblich war, entsprach diese Party nicht seinem Geschmack. Zwar hatte er in der Großstadt Jura studiert und an vielen vornehmen Events teilgenommen, doch im Herzen war er ein Landei geblieben. Eine Dose Bier, eine Schüssel mit Chips und ein Footballspiel auf dem Bildschirm machten ihn glücklich.

Vielleicht hätte ich meine Pläne doch nicht über den Haufen werfen sollen, dachte er unwillkürlich. Freitags traf er sich für gewöhnlich mit Freunden im Wally’s Place zum Dartspiel. Als ihm jedoch zu Ohren gekommen war, dass bei der Gynäkologin Michelle Kern eine Party stattfand und Adrianna auf der Gästeliste stand, hatte er spontan umdisponiert.

„Ryan!“, rief eine vertraute Stimme hinter ihm. „Ich wusste gar nicht, dass du auch hier bist. Warum hast du nichts davon gesagt?“

Er drehte sich um und erblickte Betsy. Wie die Gastgeberin und die meisten anderen Frauen trug sie Jeans und Sweater. Er musterte sie eingehend. „Du siehst hübsch aus. Warst du beim Friseur?“

„Gefällt’s dir?“ Sie strich sich mit einer Hand über das Haar, das nun gestuft und nur noch schulterlang war.

Der neue Stil betonte ihre großen Augen und ließ ihre Wangenknochen deutlicher hervortreten. Plötzlich fiel ihm auf, dass die kleine Schwester seines Freundes – und seine neue Angestellte – eine sehr attraktive Frau war. „Ja, sehr sogar“, versicherte er. Andernfalls wäre ihr strahlendes Lächeln jede Lüge wert. Aber es ist tatsächlich wahr.

„Ich hab gesehen, dass du mit Mitzi gekommen bist. Seid ihr zusammen?“

Ryan blickte sich um und sah sein vermeintliches Date mit ihrem Kollegen Benedict Campbell plaudern. „Nein. Wir sind nur befreundet. Sie wollte nicht allein hier aufkreuzen und hat mich angefleht, sie zu begleiten“, behauptete er.

In Wirklichkeit hatte er sie gebeten, ihn einzuschleusen, weil er die Gastgeberin nicht gut genug kannte, um zu ihr nach Hause eingeladen zu werden.

„Und mit wem bist du hier?“, erkundigte er sich höflich. Nicht, weil es ihn sonderlich interessierte, sondern um die Zeit totzuschlagen, während er nach der Frau Ausschau hielt, wegen der er diese Party besuchte.

„Ich bin mit Adrianna gekommen.“

„Ich habe sie seit Monaten nicht gesehen. Wahrscheinlich würde ich sie gar nicht wiedererkennen“, behauptete er. Als ob ich auch nur das kleinste Detail vergessen könnte!

„Sie sieht aus wie immer. Der Friseur wollte sie auch umstylen, aber du kennst sie ja. Sie hat sich geweigert, ihn an sich ranzulassen.“

Spontan bemerkte er: „Ihre Haare sind wunderschön. Es wäre ein Jammer, sie abzuschneiden.“

„Da kommt sie übrigens.“

Er drehte sich um und blickte seiner Traumfrau entgegen.

„Ryan ist deiner Meinung, Adrianna“, verkündete Betsy.

„Inwiefern?“

„Was deine Haare angeht. Was perfekt ist, soll man nicht ändern, hat er gesagt.“

Er konnte sich nicht erinnern, diese Worte ausgesprochen zu haben, aber sie waren zutreffend.

Adrianna wirkte nicht beeindruckt. Im Gegenteil. Sie sah ihn kühl und abschätzig an, als wäre er in ihren Augen ein armseliges Würmchen.

„Ryan ist der beste Chef, den man sich wünschen kann“, schwärmte Betsy. „Ich bin so froh, dass ich nach Jackson Hole zurückgekommen bin.“

„Ich bin jedenfalls sehr glücklich, dich wieder hier zu haben“, versicherte Adrianna in herzlichem Ton.

„Und ich bin sehr froh, dass Betsy sich bei mir beworben hat“, warf Ryan ein. Ihr Blick wurde eine Spur wärmer. Er schloss daraus, dass sie ihm ein wenig mehr zugetan war, weil er ihre Freundin gut behandelte. „Kann ich dir etwas zu trinken holen?“

„Nein danke.“ Sie sah sich im Raum um. „Da sind Mary Karen und Travis Fisher. Ich muss sie begrüßen.“

Sein Herz sank, als sie sich abwandte. Ihre hochhackigen Stiefel klickten auf dem Parkett, ihr knackiger Po schwang aufreizend in den hautengen Jeans hin und her. Nach wenigen Schritten blickte sie über die Schulter zurück und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Kümmer dich um Betsy“, bat sie mit leiser rauer Stimme, die ihn an zerwühlte Laken und verschlungene Gliedmaßen denken ließ. „Sieh zu, dass sie sich amüsiert.“

Wie lange ist es her, seit sie mich so verführerisch angelächelt hat? Jahre! Zu viele, um sie noch zu zählen. Aber offensichtlich mochte sie ihn noch immer! Wenn ich meine Trümpfe richtig ausspiele, dauerte es wohl nicht lange, bis sie mir gehört.

Betsy starrte Adrianna verärgert nach. Die kriegt was zu hören, sobald ich sie allein erwische! Ihn zu meinem Aufpasser zu ernennen …

Ryan jedenfalls schien sich nicht an der Bitte zu stören. Im Gegenteil: Er wirkte sogar erstaunlich gut gelaunt.

„Hast du Lust, die Häppchen zu probieren?“, fragte sie ihn spontan. „Nicht, dass du mich begleiten musst. Adrianna hat nur gescherzt. Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert.“

„Ich würde das Essen gern für dich vorkosten.“ Er reichte ihr einen Arm. „Wenn ich mich recht erinnere, musst du Shrimps meiden.“

Sie stöhnte. „Musst du ausgerechnet davon anfangen?“

Er lachte. „Schließlich kriege ich nicht jeden Tag eine Person mit Nesselfieber zu Gesicht. Du hattest den Ausschlag ja sogar auf dem …“

„Kopf“, warf sie hastig ein.

„Und Keenan hat dich überall mit diesem rosa Zeug eingeschmiert.“

„Erinnere mich bloß nicht daran!“ Selbst im Nachhinein war ihr die Episode peinlich. Ausgerechnet an jenem Abend war Keenan mit Ryan im Schlepptau nach Hause gekommen – dem letzten Menschen, dem sie mit hässlichen roten Quaddeln übersät unter die Augen treten wollte. Aber anstatt sie wie befürchtet auszulachen, hatte er seine Eltern telefonisch um Rat gefragt und Medikamente aus der Apotheke geholt.

Nun beugte er sich mit funkelnden Augen zu ihr und raunte: „He, wie viele Männer können schon sagen, dass sie dich von deiner schlimmsten Seite gesehen haben?“

„Sehr witzig!“ Zum Glück klang ihre Stimme ganz gelassen, obwohl ihre Knie weich geworden waren und es ihr schwerfiel, in seiner Nähe klar zu denken.

Er heftete den Blick auf den großen Büfetttisch. „Was sehe ich denn da? Shrimps-Cocktail!“ Mit großen Augen guckte er Betsy ganz unschuldig an. „Ich könnte dir welchen holen. Vielleicht bist du ja nicht mehr allergisch.“

Sie versetzte ihm einen Rippenstoß – ungeachtet der Tatsache, dass er der Mann war, den sie seit Jahren liebte und begehrte. „Halt dich zurück! Sonst erzähle ich allen, wie Keenan dich in nichts als einer Unterhose aus der Umkleide ausgeschlossen …“

„Schon gut. Du solltest Shrimps unbedingt meiden.“

Sie lachte herzhaft. Das war der Ryan, der ihr gefiel. Nicht der wohlerzogene vornehme Anwalt, der die ganze Woche über keinen einzigen Scherz vom Stapel gelassen hatte, sondern der Junge aus ihrer Kindheit, der sie zum Lachen brachte.

Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, diesen Moment einzufangen! Und vor allem ein Rezept, um Freundschaft in Liebe zu verwandeln …

In den vergangenen anderthalb Stunden hatte Adrianna mit fast jedem Gast gesprochen – außer mit ihm. Trotzdem ließ Ryan sich nicht entmutigen. Für einen Abend ist schon viel erreicht …

Er beobachtete, wie Betsy sich mit einem Hähnchenflügel beschäftigte. Mit spitzen Fingern sezierte sie das winzige Teil, als wäre es von entscheidender Wichtigkeit. Anscheinend langweilte sie sich ebenso wie er.

Ihm ging durch den Kopf, dass die Party nur durch sie kein totaler Reinfall für ihn war. Gemeinsam waren sie durch das Haus gestreift wie alte Freunde, hatten miteinander gelacht und mit Bekannten wie mit Fremden geplaudert, die ihnen gerade zum ersten Mal begegneten. Mehrmals hatten sie sich am üppigen Buffet bedient.

Betsy war amüsant. Sie hatte eine rasche Auffassungsgabe und einen ausgeprägten Sinn für Humor, der seinem eigenen entsprach. Nach einem ausgiebigen Austausch über alte Zeiten hatte sie schließlich verkündet, dass sie dringend noch etwas zu essen brauchte.

„Du bist ja ein kleiner Nimmersatt“, bemerkte er nun belustigt.

Sie reckte das Kinn vor. „Ich habe nicht zu Abend gegessen. Ich bin also nicht so eine Mastsau, wie du vielleicht glaubst.“

Er ließ den Blick langsam über ihren kurvenreichen und trotzdem schlanken Körper gleiten. „Ganz und gar nicht.“

Ihre Wangen bekamen einen rosigen Schimmer. „Du musst nichts beschönigen. Ich esse gern. In meiner Kindheit war ich sogar mehrmals versucht, meiner Raggedy-Ann-Puppe das Zuckerherz von der Brust zu reißen.“

„Du hast mit Puppen gespielt?“

„Natürlich. Wundert dich das?“

„Du bist mir nie so mädchenhaft vorgekommen. Ich kann mich auch nicht erinnern, bei euch zu Hause Puppen gesehen zu haben.“

„Weil ich außer ihr auch keine hatte.“ Betsy ließ den Hühnerflügel auf den Teller fallen und wischte sich die Finger an einer Serviette ab. „Keenan hat mir Raggedy Ann von dem ersten Geld gekauft, das er sich als Zeitungsjunge verdient hat. Sie war meine erste und einzige Puppe. Da war er zehn und ich fünf.“

Beim besten Willen konnte Ryan sich eine so großmütige Geste von seinem wilden Jugendfreund nicht vorstellen. Er war bis heute derart ungebändigt, dass der Verdacht eines Verbrechens auf ihn gefallen war und er momentan unschuldig im Gefängnis saß. Dass es damit den Falschen getroffen hatte, war Ryan klar – aber liebevolle Zuwendung hätte er Keenan genauso wenig zugeschrieben. Anscheinend kenne ich ihn nicht wirklich. „Unglaublich!“

Sie packte ihn am Pullover und zog ihn an sich. „Wage ja nicht, es ihm gegenüber auch nur mit einem Wort zu erwähnen!“ Sie starrte ihn eindringlich an. „Verstanden?“

Er zog in Erwägung, sie noch ein bisschen zu foppen, aber ihre Miene veranlasste ihn, einfach zu nicken. Im Haus McGregor aufzuwachsen war weder für Keenan noch für Betsy leicht gewesen.

Sie rümpfte die Nase, als die Gastgeberin zu einem Gesellschaftsspiel aufrief. „Ich hasse Scharade.“

„Das macht schon zwei. Wollen wir uns verdrücken?“

Ein seltsamer Ausdruck huschte über Betsys Gesicht. „Hast du vergessen, dass du mit Mitzi gekommen bist?“

„Wir sind getrennt hergefahren. Und du?“

„Ich bin allein in meinem Auto gekommen.“

„Gut.“

„Warum?“

Autor

Cindy Kirk
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