1001 Nacht mit meinem Prinzen

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Es scheint ein sinnliches Märchen aus 1001 Nacht zu sein: Milliardär Aram Nazaryan hält um Prinzessin Kanzas Hand an, und in einem einzigen Rausch aus Liebe und Leidenschaft sagt sie Ja. Zusammen werden sie in dem schönsten Palast des Wüstenstaates Zohayd leben, in einem Taumel von zärtlicher Lust die Nächte verbringen … Alles Lüge! Denn Aram weiß: Wenn Kanza erfährt, warum er sie verführt und zu seiner Frau gemacht hat, wird sie ihn verlassen. Dann wird sie ihn nicht mehr lieben, sondern hassen. Und mit jeder Sekunde kommt sie der Wahrheit näher! Was soll er nur tun?


  • Erscheinungstag 04.11.2014
  • Bandnummer 1844
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720780
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du willst, dass ich Kanza, das Monster, heirate?“

Aram Nazaryan wusste, dass er zu laut sprach, doch wer hätte ihn dafür tadeln können? Denn was Shaheen Al Shalaan da gerade von ihm verlangt hatte, spottete jeder Beschreibung.

Allerdings hätte er es kommen sehen müssen, dachte Aram. Seit drei Jahren war sein bester und einziger Freund dabei, sich in eine Glucke zu verwandeln. Je glücklicher Shaheen mit Arams jüngerer Schwester Johara wurde, desto öfter nervte er ihn damit, endlich auch zu heiraten und ebenso glücklich zu werden. Arams Leben sei gar keins, warf Shaheen ihm oft genug vor. Seit er Johara wiedergefunden und geheiratet hatte, war Shaheen zum überzeugten Familienmenschen mutiert.

Zu denken, dass Shaheen angeblich zufällig in seinem Büro vorbeigekommen war … Wie dumm konnte man eigentlich sein, fragte sich Aram.

Schon nach zehn Minuten belanglosen Gesprächs hatte Shaheen die Bombe platzen lassen und von Aram verlangt, zurück nach Zohayd zu kommen. Nach Hause. Und er hatte ihm einen Traumjob angeboten. Dafür brauche er bloß zu heiraten. Eine Prinzessin aus Zohayd.

So etwas nannte man auch Erpressung.

Aram hatte sich vehement gewehrt. Zohayd sei Shaheens Heimat, nicht seine, denn er habe französische, armenische und amerikanische Wurzeln. Und in die königliche Familie einzuheiraten, um einen Job zu bekommen? Lächerlich!

„Hat dich dein Eheglück um den Verstand gebracht, Shaheen?“, fragte Aram entgeistert. „Um keinen Preis der Welt würde ich dieses Monster heiraten.“

Shaheen blieb gelassen. „Ich habe keine Ahnung, weshalb du sie so nennst. Kanza ist alles andere als ein Monster.“

„Dann muss es zwei verschiedene Kanzas geben. Die, die ich kenne, heißt Kanza Al Ajmaan, stammt aus dem mütterlichen Zweig der Königsfamilie und hat sich die Bezeichnung Monster mehr als verdient.“

Der Blick, den Shaheen ihm zuwarf, verriet, dass er mittlerweile nicht mehr ganz sicher war, ob Aram bei Verstand war. „Es gibt nur eine Kanza“, entgegnete Shaheen, „und sie ist hinreißend.“

„Hinreißend?“ Aram verzog abfällig den Mund. „Egal. Selbst wenn sie die Traumfrau schlechthin wäre, hätte ich keine Absichten auf sie. Sie ist viel zu jung.“

„Wie bitte? Sie ist fast dreißig.“

„Was? Das kann nicht sein. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie ungefähr achtzehn.“

„Genau. Das war vor mehr als zehn Jahren.“

War das wirklich schon so lange her? Aram rechnete schnell nach. Tatsächlich. So viel Zeit war seit diesem schicksalhaften Ball vergangen, bei dem er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Danach hatte er Zohayd verlassen. „Die elf oder zwölf Jahre Altersunterschied zwischen uns sind dadurch trotzdem nicht geringer geworden“, bemerkte er.

„Ich bin acht Jahre älter als Johara. Drei oder vier Jahre mehr machen da keinen großen Unterschied“, sagte Shaheen ruhig. „Außerdem seid ihr beide mittlerweile reife Persönlichkeiten. Da ist so etwas nicht mehr wichtig.“

„Du magst ja dieser Meinung sein, aber ich …“ Aram unterbrach sich. „Oh, nein. Du wirst mich nicht dazu bringen, darüber zu reden, als sei es eine echte Option. Sie ist ein Monster, glaub mir.“

„Und ich versichere dir, dass sie nichts dergleichen ist.“

„Na gut, schauen wir uns die Sache mal genauer an.“ Aram verschränkte die Arme vor der Brust. „Kanza – jedenfalls die, die ich kenne – war eine trotzige, missgelaunte Göre, die mit ihren Blicken jeden in die Flucht schlug, der so dumm war, sich ihr zu nähern. Wenn sie mich anstarrte, dachte ich jedes Mal, gleich explodiert eine Bombe.“

Shaheen pfiff leise durch die Zähne. „Netter Vergleich. Anscheinend hat sie großen Eindruck auf dich gemacht, wenn du dich nach zehn Jahren noch so gut an sie erinnerst.“

„Das liegt nur an dem Widerwillen, den sie in mir ausgelöst hat. Dass du mir eine Vernunftehe vorschlägst, ist schon schlimm genug, aber dass du dafür ausgerechnet eine Frau auswählst, vor der es mich gruselt …“ Aram schüttelte sich.

„Dich gruselt vor ihr?“ Shaheen schien amüsiert. „Übertreibst du da nicht ein bisschen?“

„Mag sein. Sagen wir einfach, sie irritiert mich. Ich glaube, sie spinnt. Weißt du noch, wie sie damals herumlief? Mit lila gefärbtem Haar und pinkfarbenen Kontaktlinsen? Das nächste Mal trat sie wie ein Albinohase mit weißem Haar und roten Augen auf. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war ihr Haar blau, und sie war geschminkt wie ein Zombie. Mich hat es wirklich gegruselt.“

Shaheen lächelte milde. „Und was hast du außer ihren Verkleidungen noch gegen sie vorzubringen?“

„Die Art, wie sie meinen Namen gemurmelt hat. Es klang, als wolle sie mich verfluchen. Mir kam es immer so vor, als wohne in ihrem zierlichen Körper ein wilder Troll.“

Mit einem Lächeln schob Shaheen die Hände in seine Hosentaschen. „Sieht so aus, als wäre sie genau die Richtige für dich. Du brauchst nämlich höhere Mächte, die dich aus deiner Versteinerung erlösen.“

„Hör auf mit diesem Schwachsinn, Shaheen“, gab Aram zurück. „Ich bin nicht versteinert, ich bin nur erwachsen geworden.“

„Wenn es das nur wäre! Johara spürt es. Ich spüre es. Deine Eltern machen sich Vorwürfe, weil sie dich damals gezwungen haben, bei deinem Vater in Zohayd zu bleiben und deine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen.“

„Niemand hat mich gezwungen. Ich bin bei meinem Vater geblieben, weil er nach der Trennung von meiner Mutter allein nicht überlebt hätte.“

„Und als sie sich wieder versöhnt haben, hattest du deine eigenen Wünsche und Ziele bereits geopfert. Seitdem bist du vereinsamt und versteinert.“

Aram warf Shaheen einen grimmigen Blick zu. Wie konnte er ihm klarmachen, dass er sich für seine Mutter und seinen Vater freute? Und auch für seine Schwester und Shaheen. Sie alle waren glücklich. Warum mussten sie ständig darauf herumhacken, dass er allein war? Allein und zufrieden, wenn es nach ihm ging.

„Ich habe meine Entscheidungen selbst getroffen, also braucht sich auch niemand schuldig zu fühlen. Ich bin gern allein. Also lass mich in Ruhe.“

„Sobald du meinen Vorschlag ernsthaft geprüft hast, statt ihn von vornherein abzulehnen.“

„Dein Vorschlag ist völlig unsinnig.“

„Das stimmt nicht. Was du mir über Kanza erzählt hast, ist zehn Jahre her und zählt nicht mehr.“

„Da gibt es noch mehr“, wandte Aram ein. „Wenn sie jetzt achtundzwanzig ist …“

„In ein paar Monaten wird sie neunundzwanzig.“

„Egal. Wenn sie bis jetzt nicht verheiratet ist, kann das nur daran liegen, dass potenzielle Kandidaten Reißaus genommen haben, sobald sie einen Blick in ihre Feueraugen geworfen haben.“

Shaheen sah ihn verächtlich an. „Sie war nicht verheiratet und auch nicht verlobt, aber was du da unterstellst …“

„In ihrem Alter ist eine ledige Frau in Zohayd fast schon ein Fossil.“

„Wie galant von dir, Aram. Ich dachte, du seist ein moderner Mann. Ich hätte nie gedacht, dass das Alter einer Frau eine Rolle für dich spielt, vor allem, was ihre Heiratsfähigkeit angeht.“

„Du weißt genau, dass ich keine Vorurteile habe. Alles, was ich dazu sage, ist, dass eine Frau – überdies eine Prinzessin –, die noch keinen ernsthaften Bewerber gehabt hat, offenbar irgendetwas an sich hat, was Männer abschreckt.“

„Das Gleiche könnte man von dir und den Frauen sagen.“

Aram schnaubte entnervt. „Hör zu, Shaheen, ich sage das jetzt einmal und dann nie wieder: Ich will nicht heiraten. Weder um Bürger von Zohayd und Wirtschaftsminister zu werden noch aus einem anderen Grund. Wenn du meine Hilfe brauchst, biete ich dir und Zohayd gerne meine Dienste an. Ihr könnt mich und meine Firma jederzeit engagieren.“

Da Shaheen mit etwas Ähnlichem gerechnet hatte, kam seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Ich brauche dich dauerhaft in Zohayd. Als Minister.“

„Und ich habe ein Unternehmen, das mich braucht.“

„Dein Imperium ist so straff und perfekt organisiert, und deine Manager sind so gut, dass du es vom Laptop aus führen kannst. Deine Effizienz ist legendär, ebenso dein Talent, hervorragende Mitarbeiter auszuwählen. Genau das braucht Zohayd.“

„Du warst auch kein Vollzeitminister“, wandte Aram ein.

„Weil mein Vater mich nach seiner Abdankung unterstützt hat. Aber er will Verantwortung abgeben, in Rente gehen. Und selbst mit seiner Hilfe ist es mir nur sehr unvollkommen gelungen, meine Familie, mein eigenes Unternehmen und das Ministerium unter einen Hut zu bringen. Jetzt bekommen wir das zweite Kind, und ich will mich mehr um die Familie kümmern. Außerdem engagiert sich Johara stärker in humanitären Projekten, und ich möchte sie dabei unterstützen. Wenn ich Minister bleibe, kann ich das nicht.“

„Ich soll also mein eigenes Leben opfern, damit du deine Ziele verfolgen kannst?“, fragte Aram sarkastisch.

„Du sollst überhaupt nichts opfern. Deine Firma ist top, und du wirst der beste Wirtschaftsminister sein, den Zohayd je hatte. Gib doch zu, dass es dir Spaß machen würde. Du bist für den Job wie geschaffen. Und zudem kannst du eine Familie gründen. Danach hast du dich doch immer gesehnt.“

Ja, damals, mit sechzehn Jahren. Zu jener Zeit hatte Aram davon geträumt, mit achtzehn zu heiraten, ein halbes Dutzend Kinder zu bekommen, ein Haus zu bauen und Wurzeln zu schlagen.

Jetzt war er vierzig, allein und völlig wurzellos.

Wie hatte das passieren können?

Doch das war eine rhetorische Frage. Denn er wusste es genau.

„Was ich mir erträumt habe und was mir angemessen ist, das sind zwei völlig verschiedene Schuhe, Shaheen. Ich habe begriffen, dass es für mich besser ist, nicht zu heiraten und keine Familie zu gründen. Wahrscheinlich kannst du dir das in deinem perfekten Nest nicht vorstellen, aber es gibt eben Menschen, die kein Nest wollen. Überall auf der Welt zerbrechen Familien. Glücklich sind die wenigsten. Mir ist es recht so, wie es ist.“

Shaheen legte ihm die Hände auf die Schultern. „Ehe ich Johara wiedergefunden habe, dachte ich genau wie du. Und jetzt schau, wie sich alles verändert hat. Weil Johara eben die Richtige für mich ist.“

Aram unterdrückte einen bissigen Kommentar, der nur dazu geführt hätte, diese sinnlose Diskussion zu verlängern. Er konnte Shaheen nicht sagen, dass es dessen Hochzeit mit Johara gewesen war, die ihm jede Hoffnung auf eigenes Glück geraubt hatte.

Was seine kleine Schwester und seinen Freund verband – Vertrauen, Freundschaft, Leidenschaft –, davon hatte er immer geträumt. Jetzt, wo er Menschen kannte, die in diesem Einklang lebten, war ihm klar, dass er sich genau das gleiche Glück ersehnte. Aber die Hoffnung, dass sich dieser Traum irgendwann erfüllen würde, hatte er längst aufgegeben.

Da Aram nichts mehr erwiderte, beeilte sich Shaheen zu erklären: „Du musst ja nicht morgen oder übermorgen heiraten. Ich möchte nur, dass du darüber nachdenkst.“

„Nicht nötig. Ich bin zufrieden mit meinem Leben.“ Damit drehte Aram sich um und wollte gehen, doch Shaheen hielt ihn zurück.

„Was ist denn noch?“, fragte Aram grob.

„Du siehst nicht gut aus.“

Das entsprach der Wahrheit. Aram leugnete es ja auch gar nicht. Wahrscheinlich lag es daran, dass er in Kürze vierzig wurde. Das zehrte an einem Mann.

„Danke, Shaheen, deine Komplimente sind immer so zartfühlend.“

„Ich sage nur, was ich sehe. Du hast so viel gearbeitet, dass du kurz vor einem Burn-out stehst. Übrigens bin ich sehr zartfühlend, wenn ich meine Worte mit denen vergleiche, die Amjad benutzt hat, als er dich getroffen hat.“

Amjad, der König von Zohayd, war Shaheens ältester Bruder. Aus einem wilden Prinzen war ein außergewöhnlicher König geworden – mit dem Aram nicht immer gut auskam.

„Ich war dabei, als er bemerkte, ich sähe aus wie etwas, das die Katze gefressen und wieder ausgespuckt hat“, erwiderte Aram schroff. „Aber danke, dass du diese königliche Nervensäge erwähnst. Ich hatte schon nicht mehr an ihn gedacht, als ich deinen Vorschlag abgelehnt habe. Doch selbst wenn ich ernsthaft in Erwägung gezogen hätte, dein Überraschungspaket aus Heirat und Topjob auszupacken, hätte ich es dir nun umgehend zurückgeschickt, denn sonst müsste ich ja mit Amjad zusammenarbeiten. Glaubst du wirklich, ich wäre so verrückt, Minister in seinem Kabinett zu werden?“

Shaheen grinste. „Du würdest mit mir zusammenarbeiten, nicht mit ihm.“

„Das stimmt doch gar nicht. Gib es endlich auf.“

Doch Shaheen fing von vorne an. „Was Kanza betrifft …“

Eine Erinnerung flammte in Aram auf. Warum war ihm das eigentlich nicht gleich eingefallen? „Genau. Was Kanza betrifft und vor allem ihre ältere Schwester: Hast du Kanza, das Monster, für mich ausgewählt, weil sie die Halbschwester der Hexe Maysoon ist?“

„Ich hatte gehofft, du hättest sie vergessen. Aber vermutlich war das Wunschdenken“, bemerkte Shaheen trocken. „Maysoon war … sagen wir, etwas zu temperamentvoll.“

„Sie war eine Furie“, korrigierte Aram. „Am liebsten hätte sie mich in meine Einzelteile zerlegt.“

Und sie war der Grund gewesen, weshalb er Zohayd und seinen Vater verlassen hatte. Weshalb er seinen Traum, ein echtes Zuhause zu finden, hatte aufgeben müssen.

„Kanza ist das genaue Gegenteil“, gab Shaheen zu bedenken.

„Stimmt. Maysoon war eine atemberaubende, aber psychisch instabile Furie. Kanza war bloß eine abstoßende Missgeburt.“

„Du solltest deine Worte vorsichtiger wählen. Im Übrigen bin ich ganz anderer Meinung. Sicher, Kanza ist keine von diesen eleganten, smarten Frauen, aber ich mag ihr natürliches Wesen viel mehr. Und selbst wenn du es nicht als Vorzug siehst, wird sie eine passende Frau für dich abgeben.“

Aram zog spöttisch eine Braue hoch. „Wirklich?“

„Absolut. Sie würde dir Halt geben, im Gegensatz zu diesen anspruchsvollen, unsteten Frauen, mit denen du dich sonst abgibst.“

„Auf diese Weise bringst du mich nicht dazu, deinen Vorschlag zu überdenken, Shaheen. Selbst wenn ich heiraten wollte, würde ich keinen naiven Trampel, wie du sie beschreibst, an mich ketten.“

„An dich ketten? Weißt du, Aram, du bist zwar ab und zu mindestens genauso unmöglich wie Amjad, aber niemand wird leugnen, dass du einer der begehrtesten Junggesellen der Welt bist. Wahrscheinlich würde sich Kanza nur zu gern an dich ketten, wie du das nennst.“

„Kann sein. Sehr wahrscheinlich sogar. Trotzdem …“

„Also, denk wenigstens über meinen Vorschlag nach.“

„Nein, Shaheen. Das ist mein letztes Wort.“

Endlich schien Shaheen zu begreifen, dass es ihm ernst war, doch Aram vermutete, dass die Sache damit noch lange nicht abgetan sein würde. Er packte seinen Freund am Arm und zog ihn zur Tür. „Geh heim, Shaheen. Gib Johara und Gharam einen Kuss von mir.“

Doch Shaheen zögerte. „Versprich mir, mein Angebot so sachlich zu prüfen, wie du eine geschäftliche Angelegenheit prüfen würdest, ehe du eine Entscheidung fällst.“

Aram stöhnte genervt. „Ich habe meine Entscheidung getroffen, Shaheen. Hör endlich auf damit.“

Ehe Shaheen schließlich ging, gönnte er dem Freund ein bedeutungsvolles Lächeln. Es signalisierte, dass er keineswegs aufhören würde, für seine Idee zu werben.

Resigniert schloss Aram die Tür hinter Shaheen, dann ließ er die Schultern sinken, ging hinüber zum Sofa und warf sich in die Polster. Auch die nächste Nacht würde er hier im Büro verbringen. Es gab keinen Grund, nach Hause zu fahren. Denn er hatte ja gar kein Zuhause.

Doch als er sich ausstreckte und die Augen schloss, wanderten seine Gedanken zurück zu seinem Gespräch mit Shaheen. Zwar hatte er sich vehement gegen den Vorschlag seines Freundes gewehrt, doch er konnte nicht leugnen, dass die Idee verführerisch war. Bisher war es ihm immer nur darum gegangen, nach Zohayd zurückzukehren. Als Familienmitglied. Ohne Aufgabe. Doch nun bot sich ihm ein unglaublich reizvoller Job, und plötzlich konnte sich Aram vorstellen, eine Zukunft in Zohayd zu haben.

Schon lange beschäftigte er sich mit der wirtschaftlichen Situation des Königreiches. Einst hatte er vorgehabt, diesem Land zu dienen, doch es war anders gekommen. Als hätte Shaheen es geahnt, bot er ihm jetzt genau den Posten an, auf dem er sein Talent und seine Kenntnisse am besten einsetzen konnte.

Leider gab es einen Haken bei der Sache. Um Zohayd dienen zu dürfen, müsste er heiraten.

Andererseits war eine Vernunftehe für ihn vielleicht die einzige Möglichkeit, überhaupt so etwas wie eine Beziehung zu führen, überlegte Aram. Und da eine Liebesheirat nicht infrage kam, war Shaheens Kandidatin möglicherweise doch die Richtige.

Kanza stammte aus königlicher Familie, allerdings aus einem entfernteren Zweig, und ihr Familienvermögen war wesentlich geringer als sein eigenes. Durch eine Heirat mit Kanza würde er zum Königshaus gehören, und sie bekam dafür einen Milliardär. Man würde sich gegenseitig respektieren und aus dem Weg gehen. Eigentlich perfekt, oder?

Wie er schließlich ins Bad gelangt war, wusste Aram nicht mehr. Doch plötzlich stand er vor dem riesigen Spiegel, blickte sich forschend darin an – und fand seine Gedanken auf einmal lächerlich. Wie gut Shaheen sein Spiel gespielt hatte. So gut, dass er für einen Moment fast darauf hereingefallen wäre.

Doch es war unmöglich: Zohayd, seine Familie, das Wirtschaftsministerium – es waren alles unerfüllbare Träume.

Nur Träume – nicht mehr und nicht weniger.

Oh, Wunder, dachte Aram. Shaheen war nicht mehr auf seinen Vorschlag zurückgekommen. Stattdessen hatte er Aram zu einer Party eingeladen, die er und Johara heute Abend in ihrem New Yorker Penthouse steigen ließen. Doch Aram hatte abgesagt.

Während er ins Hotel fuhr, in dem er sozusagen lebte, dachte er darüber nach, weshalb Shaheen das Angebot, das ihm doch offenbar so wichtig gewesen war, nicht wiederholt hatte. Und noch mehr interessierte ihn, weshalb er selbst deswegen fast enttäuscht war.

Sein Handy klingelte. Es war seine Schwester Johara.

„Sag nicht, du arbeitest noch, Aram“, sagte sie mit ihrer warmen, vertrauten Stimme.

Er seufzte innerlich. Bestimmt ging es um die Party, und er wollte ihr gegenüber nicht schlicht und brutal Nein sagen. Es war ihm schon immer schwergefallen, seiner kleinen Schwester irgendetwas abzuschlagen. Seit ihrer Geburt war er, wie man in Zohayd sagte, ein khaatem f’esba’ ha – ein Ring an ihrem Finger gewesen. Glücklicherweise war sie ein Engel, sonst hätte sie ihn wahrscheinlich gnadenlos ausgenutzt.

Jetzt konnte er nur hoffen, dass sie ihre Macht über ihn nicht ausspielte, denn wenn sie ihn erneut bat, zu ihrer Party zu kommen, würde er nicht die Kraft aufbringen, noch einmal abzusagen. Doch es ging ihm viel zu miserabel, um es ertragen zu können, sie und Shaheen in all ihrem Glück hautnah zu erleben.

Lächelnd, weil Joharas Stimme ihn immer zum Lächeln brachte, antwortete er: „Ich bin auf dem Weg ins Hotel, Sweetheart. Bist du bereit für deine Gäste?“

„Oh, ja. Sag mal, bist du schon dort? Falls ja, ist es egal. Dann denke ich mir etwas anderes aus.“

„Worum geht es denn, Johara?“

Sie seufzte entschuldigend. „Um eine wichtige Akte, die mir einer meiner Gäste gegeben hat, damit ich sie studiere und wir auf der Party darüber sprechen können. Dummerweise habe ich sie in meinem Büro vergessen, und jetzt kann ich hier nicht mehr weg. Daher wollte ich fragen, ob du die Akte holen und mir bringen könntest.“ Sie zögerte. „Es tut mir leid, dass ich dich damit belästige, und ich werde auch nicht darauf bestehen, dass du auf der Party bleibst. Aber ich kann sonst niemandem den Zugangscode zu meinen Aktenschränken anvertrauen.“

„Du weißt, dass du mich jederzeit um einen Gefallen bitten kannst.“

„Außer darum, heute auf meiner Party zu erscheinen“, erwiderte sie mit einem Lächeln in der Stimme, und als er sich schon eine neue Ausrede zurechtlegte, fuhr sie schnell fort: „Shaheen hat mir gesagt, dass du erschöpft wirkst, also verstehe ich gut, dass du lieber schlafen gehst. Außerdem hätte ich vermutlich sowieso kaum Zeit, mich mit dir zu unterhalten. Wir haben zig Leute eingeladen, und ich muss als Gastgeberin ständig rumflitzen.“

Erleichtert, dass sie nicht auf seinem Kommen bestand, fragte er: „Also, wonach genau soll ich suchen?“

Zwanzig Minuten später ging Aram den Flur der Chefetage in Shaheens New Yorker Wolkenkratzer hinunter, wo sich auch der Hauptsitz von Joharas Designfirma befand. Seltsamerweise stand die Tür zum Sekretariat offen. Wahrscheinlich ein Versehen, dachte Aram. Doch als er hineinging, stellte er fest, dass auch die Tür zu Joharas Büro offen war. Ehe er noch dazu kam, sich darüber Gedanken zu machen, hörte er laute Geräusche.

Aram erstarrte. Sein Körper spannte sich. Wieder dieser Lärm. Als ob Metallschubladen aufgerissen und zugeknallt würden. Jemand war offensichtlich dabei, Joharas Büro zu durchwühlen.

Ein Dieb!

Unsinn, sagte er sich. Kein Fremder kam am Sicherheitsdienst vorbei. Also musste es jemand sein, den die Security kannte. Vielleicht war eine Mitarbeiterin auf der Suche nach der Akte, die Johara vergessen hatte? Doch woher kannte sie den Zugangscode? Brach also gerade jemand die Aktenschränke auf?

Unmöglich. Johara konnte ihren Angestellten vertrauen, da war Aram sicher.

Handelte es sich vielleicht um einen Mitarbeiter von Shaheen, der sich Informationen verschaffen wollte, zu denen Johara Zugang besaß?

Das konnte immerhin sein. Er musste den Sicherheitsdienst informieren … Halt. Zuerst musste er sich vergewissern, dass tatsächlich etwas Illegales vor sich ging, sonst entstünde viel Chaos wegen nichts.

Aram schlich lautlos zur Tür, obwohl der Einbrecher durch den Lärm nicht einmal eine Elefantenherde hätte kommen hören. Vorsichtig spähte er ins Büro und machte sich auf eine handgreifliche Konfrontation gefasst. Doch was er sah, ließ ihn erstarren.

Es war eine Frau. Jung, zierlich, mit der wildesten dunkelbraunen Lockenmähne, die er je gesehen hatte. Wie ein Wirbelwind schoss diese Person in Joharas Büro hin und her. Sie schien überhaupt keine Furcht vor Entdeckung zu haben.

Ohne nachzudenken, betrat Aram das Büro. „Würden Sie mir vielleicht sagen, was Sie hier verloren haben?“

Die junge Frau machte einen entsetzten Satz. Sie erinnerte Aram an eine Comicfigur, und beinahe hätte er laut gelacht. Verrückt. Als sie sich zu ihm umdrehte, lächelte er unwillkürlich. Auf eine Weise, wie er wohl schon lange nicht mehr gelächelt hatte. Es kam ihm vor, als würde sich der Moment wie in Zeitlupe ausdehnen, obwohl alles ganz schnell ging.

„Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Mir wurde gesagt, dass vier Hände und zwei Paar Augen besser darin sind, etwas Verlorenes wiederzufinden“, hörte er sich sagen. „Ganz zu schweigen von zwei Köpfen.“

Sie sah ihn aus großen, erschrockenen Augen an. Das zierliche Wesen trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Top und war definitiv nicht bewaffnet. Und doch, ohne dass Aram wusste, was in diesem Augenblick genau geschah, fühlte er sich, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt.

Gleich darauf funkelte sie ihn aus schwarzen Augen an und sagte mit ihrer rauchigen Stimme: „Ich hätte wissen müssen, dass eine gewisse Gefahr besteht, Sie hier anzutreffen. Was machen Sie im Büro Ihrer Schwester, wenn sie doch gar nicht hier ist? Ist denn kein Mensch vor Aram, dem Piraten, sicher?“

2. KAPITEL

Aram starrte den Eindringling an. So zierlich diese Person auch aussah, so stark war doch die Energie, die von ihr ausging. Sie wirkte wie eine Naturgewalt.

Und sie schien ihn zu kennen. Oder sie wusste zumindest, wer er war.

Seinen Spitznamen „Der Pirat“ hatten die Medien ihm verpasst, und er wurde von enttäuschten Geliebten und frustrierten Wettbewerbern weitergetragen.

Nun schien die kleine Wildkatze hier vor ihm zu erwarten, dass er auf ihren Angriff die passende Antwort parat hatte. Das elektrisierte ihn.

„Ich bin also ‚Der Pirat‘. Und was sind Sie? ‚Der Tornado‘? ‚Der Hurrikan‘? Jedenfalls haben Sie hier in Joharas Büro gewütet, als seien Sie ein Wirbelsturm. Oder sind Sie einfach nur eine Einbrecherin?“

Mit einer Kopfbewegung warf die Fremde ihre dunklen Locken über die Schulter.

„Wollen Sie da ewig in der Tür stehen und mir den Fluchtweg abschneiden, oder helfen Sie mir beim Raubzug?“ Ihre raue Stimme stand in einem seltsamen Kontrast zu ihrer elfenhaften Figur und dem zarten Gesicht mit den großen, funkelnden Augen.

Aram grinste. „Wieso sollte ich jemandem beim Plündern helfen, den ich nicht kenne? Was ist, wenn Sie mit der Beute stiften gehen und mich die Polizei schnappt? Dann kann ich Sie nicht einmal anschwärzen.“

Einen Moment lang sah sie ihn durchdringend an. „Verstehe“, sagte sie schließlich. „Tut mir leid. Wahrscheinlich bin ich durch Ihr plötzliches Auftauchen etwas durcheinander gewesen. Jetzt ticke ich wieder richtig.“

Stirnrunzelnd fragte er sich, was sie wohl damit meinte. Oder war er es, der den Faden verloren hatte? Seit Wochen spürte er, dass sich ein Zusammenbruch nicht vermeiden ließe, wenn er so weitermachte wie bisher. War dies der Moment? Aber warum gerade jetzt, wo er endlich jemanden getroffen hatte, der ihn aus seiner inneren Starre herausriss?

Er räusperte sich. „Können Sie das näher erläutern?“

„Ich hatte nur vergessen, wie Sie zu Ihrem Spitznamen gekommen sind, und dass Sie alles tun, um ihn sich zu verdienen.“

Immer noch verstand er nicht ganz, worauf sie hinauswollte. „Danke, dass Sie als kriminelles Superhirn meinen Charakter so klar analysieren. Das hilft mir bestimmt, ein besserer Mensch zu werden.“

„Ich helfe, wo ich kann“, entgegnete sie spöttisch. „Was mich betrifft, erinnere ich mich daran, dass Sie es gewöhnt sind, Ihre Mitmenschen wie Waren zu behandeln, die man wegwerfen kann, wenn man sie nicht mehr braucht. Danach vergessen Sie schlicht, dass diese Menschen überhaupt existiert haben. Ihnen zu raten, ein besserer Mensch zu werden, ist verlorene Liebesmühe. Sie sind und bleiben ein grausamer Pirat.“

Das Bild, das sie von ihm malte, war jenes, das die Medien verbreiteten, und es traf oberflächlich gesehen auch zu. Er hatte sich nie bemüht, es zu korrigieren, denn es verlieh ihm Macht und Unabhängigkeit. Niemand wagte es, sich mit ihm anzulegen.

Was jedoch stimmte, war, dass er die meisten Menschen, die ihm begegneten, sofort wieder vergaß. Er erinnerte sich nur an wirklich außergewöhnliche Begegnungen, und auch denen maß er keine tiefere Bedeutung bei.

Autor

Olivia Gates
Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind.
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Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind.
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