Alte Leidenschaft - neu entflammt

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Tara traut ihren Augen nicht: Michael ist wieder da! Ihr Ehemann, der vor zwei Jahren für tot erklärt wurde. Doch er ist eindeutig lebendig - und schon seine kleinste Berührung löst prickelndes Verlangen in Tara aus. Aber sie trägt jetzt den Ring eines anderen …


  • Erscheinungstag 01.08.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768980
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Zwei Jahre lang war Michael Paige ein toter Mann gewesen. Für einige war er immer noch tot. In Wirklichkeit aber lebte er nicht nur, auch seine Erinnerung war endlich zurückgekehrt.

Er erinnerte sich daran, was er gehabt hatte.

Er erinnerte sich daran, was er verloren hatte.

Und er wollte es zurückhaben.

Aus der Distanz, versteckt hinter einer dunklen Brille, beobachtete er Tara – seine Ehefrau, die er bereits verloren hatte, bevor die Welt ihn für tot erklärte. Und sein wild klopfendes Herz erinnerte ihn daran, wie lebendig er in Wirklichkeit war.

Er saß auf einer Parkbank. Die Septembersonne fiel hell und strahlend durch die Baumkronen der alten Eichen, und der Duft der letzten noch blühenden Rosen umwehte ihn.

Er dachte daran, wie sie sich bewegte, daran, wie seidig sich ihre kurz geschnittenen schwarzen Haare anfühlten, und wie sich ihre ungewöhnliche Augenfarbe, fast violett, veränderte, wenn er Sex mit ihr hatte. Das letzte Mal vor zwei Jahren. Vor einer Ewigkeit.

Sie lächelte, und die Liebe für das Kind, das auf unsicheren Beinchen neben ihr herlief, leuchtete aus ihren Augen. Der Junge trug winzige Turnschuhe, Jacke und Kappe mit dem Logo der Chicago Cubs, dem Chicagoer Baseballteam. Er blickte mit lachenden graublauen Augen zu seiner Mutter auf.

Es war Michaels Augenfarbe.

Er schluckte. Ich habe einen Sohn.

Er hatte einen Sohn, der Brandon hieß. Es war erst zwei Wochen her, dass er ihn zum ersten Mal gesehen und seinen Namen erfahren hatte. Michael steckte die Hand in die Jackentasche und umklammerte das abgegriffene Stück Zeitung. Die grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahme von Tara auf dem Titel eines Boulevardblatts war ihm in einem Supermarkt in Quito, Ecuador, ins Auge gesprungen und hatte Erinnerungen ausgelöst, die ihn wie aus heiterem Himmel trafen. So auch die dramatische Darstellung seines eigenen Todes.

Ein stechender Schmerz durchzuckte seine rechte Schläfe. Er legte zwei Finger an die Narbe und massierte sie. Der Schmerz würde bald vorübergehen, und bis dahin wollte er sich auf die unmittelbare Wirklichkeit konzentrieren.

Seine Frau. Seinen Sohn.

Eine brennende Sehnsucht erfüllte ihn, ein Gefühl der Liebe, so stark, dass er fast zu dem Jungen gelaufen wäre. Einfach, um ihn an sich zu ziehen. Um den kräftigen und gesunden kleinen Körper an seinem eigenen zu spüren. Um in die graublauen Augen zu sehen und sich selbst darin zu erkennen. Um sicher zu sein, dass das unglaubliche Wunder, das Tara und er geschaffen hatten, kein grausamer Trick seiner Fantasie war. Und um unmissverständlich sicherzugehen, dass er lebte.

Doch der Mann, der die letzten zwei Jahre Miguel Santiago gewesen war, konnte nicht einfach zu seinem Kind gehen – der Junge kannte ihn nicht. Und er konnte auch nicht zu der Frau spazieren und lächelnd sagen: „Ich bin nicht tot. Ich war nur eine Weile verschollen. Und ich habe dich vermisst.“

Es ging nicht, weil er für Tara tot war. Und weil sie ihm kurz vor seinem vermeintlichen Tod gesagt hatte, dass sie die Scheidung wollte.

Deshalb blieb er sitzen und beobachtete regungslos, wie sich sein Sohn lachend fallen ließ – und der Mann an Taras Seite sich bückte und ihn aufhob und durch die Luft wirbelte.

Dann gingen die drei weiter. Tara, sein Sohn und der Mann, der schon bald seinen Platz einnehmen würde – so jedenfalls hatte es in dem Boulevardblatt gestanden.

Erst als die drei schon nicht mehr zu sehen waren, merkte er, dass er die Hände in den Jackentaschen zu Fäusten geballt hatte und ins Leere starte.

„Mister … he, Mister, sind Sie okay?“

Er blickte auf und wurde von der Sonne geblendet. Ein hochgewachsener, schlaksiger Teenager blickte ihn aus sicherer Entfernung besorgt an. Der Junge hatte einen Basketball unterm Arm und Sommersprossen auf der Nase. Er trug Baggy Pants und ein schlabbriges T-Shirt der Chicago Bulls.

„Mann“, sagte der Junge. „Sie sind ganz weiß im Gesicht. Wie ein Geist.“

Ein Geist.

Es war fast lustig.

Wenn der Junge wüsste.

Michael warf noch einen Blick in die Richtung, in die seine Frau und sein Sohn verschwunden waren. Dann stand er auf und trat aus dem Schatten des Baumes in das Licht seines neuen Lebens.

Er war nicht länger tot.

Und er würde seine Frau zurückerobern.

1. KAPITEL

Tara Connelly Paige saß im Schneidersitz auf dem hellen Teppichboden im Wohnzimmer von Lake Shore Manor. Sie starrte ins Feuer. Es war ungewöhnlich kühl an diesem frühen Abend im September.

Neben ihr, auf seiner weichen, mollig warmen blauen Lieblingsdecke, die seine Urgroßmutter Nana Lilly Connelly liebevoll für ihn genäht hatte, schlummerte selig der vierzehn Monate alte Brandon, nicht ahnend, in welchem Gefühlschaos seine Mutter sich befand.

„Es ist ein bisschen spät für Zweifel, Tara“, sagte ihr Vater bedächtig. Er saß auf dem Sofa hinter ihr.

Tara blickte über die Schulter in Grant Connellys besorgtes Gesicht. Seine Fähigkeit, ihre Gedanken zu lesen, überraschte sie immer wieder. Seit sie nach Michaels Tod vor zwei Jahren in das Haus ihrer Eltern zurückgekehrt war, las Grant in ihr wie in einem Börsenbericht. Ziemlich beängstigend und auch ein Grund, weshalb sie endlich wieder in eine eigene Wohnung ziehen wollte – oder zu John.

Zu John.

Irgendwie widerstrebte ihr die Möglichkeit, und das weckte Schuldgefühle in ihr.

„Ich weiß, dass es eine schwere Entscheidung war, Honey“, fuhr ihr Vater fort. „Aber es ist richtig, dass du endlich Seth damit beauftragt hast, alle rechtlichen Schritte zu veranlassen, damit Michael offiziell für tot erklärt wird.“

Michael. Tot.

Tara holte tief Luft und versuchte, sich nicht länger an die Hoffnung zu klammern, dass Michael doch noch leben könnte. Vom Verstand her wusste sie, dass es nicht möglich war. Ihre Familie tat ein Übriges, sie davon zu überzeugen. Sogar Seth war auf den Zug aufgesprungen.

Gott sei Dank gab es Seth. Der Bruder, der Anwalt geworden war. Der ihren Namen zu „Terror“ verunglimpft hatte, als sie noch Kinder waren. Der, über dessen Berufsstand sie so gern Witze machte – oder zumindest früher gemacht hatte.

„He, Seth, was sind fünfhundert Rechtsanwälte aneinandergekettet auf dem Meeresgrund?“

„Weiß ich nicht. Sag es mir.“

„Ein guter Anfang…“

Doch Seth war für sie da, wie auch ihre anderen Geschwister immer für sie da gewesen waren. Diskret kümmerte er sich um die Formalitäten, die für die Angelegenheit nötig waren. Zwei Jahre hatte sie gebraucht, bis sie den Mut aufgebracht hatte, ihn darum zu bitten.

Tara sah ihren Vater an. Mit seinen fünfundsechzig Jahren war Grant Connelly noch immer ein sehr attraktiver Mann.

„Der Junge braucht einen Vater, Tara.“

Sie schluckte, sah auf ihre Hände und nickte. „Ich weiß.“

„John wäre ihm ein liebevoller Vater. Und dir ein fürsorglicher Ehemann. Er ist ein guter Mann, Honey.“

Ja, John war ein guter Mann. Ein bisschen spießig, wie Seth meinte, aber gut. Gut für Brandon. Gut für sie. Er bot ihr Sicherheit und sogar den extravaganten Lebensstil, den sie gewohnt war. Und die Möglichkeit, wieder aus dem Haus ihrer Eltern auszuziehen.

John war die Antwort auf alle Fragen, die Lösung aller Probleme – bis auf eine Kleinigkeit. Sie liebte ihn nicht. Nicht so, wie sie Michael geliebt hatte.

Das Feuer prasselte leise vor sich hin. Tara blickte von den Flammen auf ihre linke Hand mit dem Zweikaräter, den John ihr vor drei Wochen geschenkt hatte. Der Brillant funkelte im Schein des Feuers. Sie dachte an den schlichten Goldring, den Michael ihr angesteckt hatte, erinnerte sich an die Liebe und die Hoffnungen und die Träume, die damit einhergegangen waren.

Ihre Liebe hatte jedoch die Probleme nicht gelöst, die sich in den turbulenten gemeinsamen fünf Jahren angesammelt hatten. Sie hatte nicht verhindert, dass zwischen ihnen so vieles schiefgelaufen war. Deshalb hielt sie Liebe auch nicht für einen unbedingt notwendigen Faktor in ihrer Beziehung mit John. Sie mochte John, so wie er sie mochte. Letztendlich reichte das, seinen Antrag endlich anzunehmen.

„Wie sieht es aus?“ Grant nippt an seinem Scotch, den er sich jeden Abend genehmigte. Die Eiswürfel klirrten leise in dem feinen Kristallglas. „Hast du schon ein Datum für die Hochzeit im Auge?“

Tara stieß einen langen Seufzer aus. Wie ihr Vater drängte auch John sie, einen Termin festzulegen. Sie aber zog die Entscheidung in die Länge, seit die Geschichte von der Presse im ganzen Land aufgegriffen worden war. Die öffentliche Bekanntgabe ihrer Verlobung vor zwei Wochen erschien ihr wie ein Verrat an Michael. Dadurch war alles so endgültig.

Tara war auf den Medienrummel nicht vorbereitet gewesen. Die Boulevardpresse hatte kannibalisches Vergnügen daran gefunden, Fotos von John und ihr zu schießen, und Fotos von Brandon.

Das Schlimmste aber war, dass die Fotos des Zugwracks, in dem Michael in Ecuador ums Leben gekommen war, wieder ausgegraben worden waren. Noch einmal den im Sensationsstil geschriebenen und grausamen Bericht über Michaels Unfall zu lesen, war ein Albtraum gewesen.

„Es ist etwas früh für konkrete Pläne in Anbetracht der Tatsache …“

Grant runzelte die Stirn und sah seine Tochter an, als sie nicht weitersprach. „In Anbetracht der Tatsache, dass du mit Michael nicht abgeschlossen hast.“

„Ich hatte mit ihm abgeschlossen, bevor er starb“, sagte sie und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Sofa.

„Und doch …“ Grant legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie war sein kleines Mädchen, und sie litt. „Und doch tut es weh, seinen Tod als etwas Absolutes zu akzeptieren.“

„Ja. Ja, es tut weh.“

Nach all der Zeit tat es noch immer weh.

„Ich denke an ihn“, gestand sie und zog ihre Knie bis an die Brust. „Ich denke in letzter Zeit immer häufiger an Michael.“

Sie blickte über die Schulter, sah den besorgten Blick ihres Vaters und zuckte mit den Achseln. „Manchmal … manchmal sehe ich jemanden in der Menge und die Ähnlichkeit mit Michael verwirrt mich einen Moment so sehr, dass ich wirklich glaube, er ist es.“ Sie drehte sich wieder zum Feuer, schlang die Arme um die Beine und legte das Kinn auf die Knie.

„Dazu diese lästigen Telefonanrufe“, murmelte ihr Vater.

Sie dachte an die merkwürdigen Anrufe, die sie in den letzten zwei Wochen erhalten hatte – am anderen Ende der Leitung war nur Schweigen gewesen. Die Anrufe hatten sie so sehr mitgenommen, dass sie sogar zu Drew gegangen war. Statt ihres Bruders hatte sie allerdings seine Verlobte Kristina angetroffen, die ihr die Telefonnummern der Kripobeamten Tom Reynolds und Lucas Starwind gegeben hatte, die als Privatermittler im Dienst der Familie standen.

„Ich wünschte, du hättest Tom oder Lucas angerufen.“

Tara hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, hatte es dann aber unterlassen.

„Sie haben alle Hände voll damit zu tun, die Verbrechen aufzuklären, die uns seit Dezember Probleme bereiten.“

Grant wurde still.

Die Probleme schienen alle mit den unaufgeklärten Morden an ihrem Großvater, Fürst Thomas Rosemere von Altaria, und ihrem Onkel, Prinz Marc, zu tun zu haben. Außerdem hatte es einen Mordversuch an ihrem Bruder Daniel gegeben, der als ältester Sohn von Emma Rosemere Connelly die Nachfolge von Fürst Thomas angetreten hatte.

Die Polizei und die Privatermittler hatten also wirklich alle Hände voll zu tun.

„Außerdem“, fuhr sie nachdenklich fort, „was hätte ich ihnen sagen sollen? Dass ich merkwürdige Anrufe bekomme? ‚Nein, kein schweres Atmen. Nein, die Anrufe haben keinen unheilvollen Eindruck gemacht. Nein, sie haben auch nicht den Eindruck eines Lausbubenstreichs vermittelt. Es scheint einfach, als hätte sich jemand verwählt.‘ Nein, Dad, das reicht nicht, um die Polizei damit zu beschäftigen. Und dennoch …“

„Was?“, fragte er, als sie nicht weitersprach.

„Letzte Woche …“ Sie sprach mehr zu sich selbst als zu ihrem Vater. „Letzte Woche kam ich aus einem Geschäft und … es war, als wäre Michael dort, als würde er mich beobachten und auf mich warten.“

„Das hängt alles mit dem Tod deines Großvaters und dem Attentat auf Daniel zusammen“, sagte ihr Vater. „Die vielen zusätzlichen Sicherheitsleute, die ich engagiert habe, machen dich nervös. Die ganze verdammte Situation macht dich nervös.“

„Nein, nein“, versicherte sie ihm. „Das ist es nicht. Es ist … ach, ich weiß nicht. Wie heute im Park. Da war ein Mann.“ Ihr Herz schlug wieder so schnell wie in dem Moment, als sie ihn gesehen hatte. „Ich musste die ganze Zeit an Michael denken.“

Sie rieb über ihre Arme und schloss die Augen. „In letzter Zeit habe ich oft das Gefühl, als wäre er … als wäre er in meiner Nähe, Dad.“

Ihr Vater seufzte. „Das liegt daran, dass du nicht wirklich mit ihm abschließen konntest.“

Nein, die Möglichkeit hatte sie nicht bekommen. Stattdessen hatte es ein Zugunglück im Dschungel von Ecuador gegeben, endlose Nächte voller Sorge, sehnsüchtiges Warten. Hilflose Ungewissheit. Die Hoffnung auf eine Nachricht. Die Angst vor dem Schlimmsten. Das Bedürfnis, trotzdem alles zu erfahren.

Der Dschungel war dicht und wild, die steilen Klippen unter dem Unglücksort unpassierbar. Michaels Leiche war nicht die einzige, die nicht gefunden worden war. Und Tara hatte sich nie von ihren Schuldgefühlen erholt, weil die letzten Worte, die sie an Michael gerichtet hatte, die Worte gewesen waren, mit denen er am wenigsten gerechnet hatte.

Sie erinnerte sich an den Moment, als wäre es gestern gewesen. Ihre Gedanken drifteten zu jenem Tag am Flughafen – jenem entsetzlichen Tag. Sie sah noch den Schock und den Schmerz in Michaels Gesicht. Hatte noch die verletzenden Worte im Ohr …

„Du musst mich nicht zum Gate bringen“, sagte Michael, während er den Kofferraum schloss und seine Tasche über die Schulter hievte.

Um sie herum lautes Gehupe. Fahrer von Hotel-Shuttlebussen, die um einen Parkplatz rangelten. Reisende, die die Schultern gegen die Kälte hochzogen, mit ihrem Gepäck kämpften und zu ihren Flügen eilten.

Es herrschte eisige Kälte. Auch in ihr. Sie hatte den Kragen ihres roten Wollmantels gegen den kalten Wind hochgestellt, die Luft war so schwer wie der dunkelgraue Himmel. Vereinzelte Schneeflocken fielen zu Boden, Vorboten des harten Chicagoer Winters.

Michael betrachtete besorgt ihr Gesicht. Er spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Schließlich begriff er. Nach Monaten aggressiven Schweigens und bruchstückhafter Wahrheit, begriff er. Endlich. Zu spät.

„Wir reden darüber, wenn ich zurück bin“, versprach er, während er die Hände auf ihre Schultern legte und sie zu sich drehte. „Du weißt, dass ich diese Reise unternehmen muss. Davon hängt meine Beförderung ab, Darling.“ Er wiegte sie sanft, zog einen Mundwinkel hoch und schenkte ihr dieses schiefe Lächeln, dem sie nie hatte widerstehen können.

Als sie nicht reagierte, sah er ihr tief in die Augen. „Wir reden, sobald ich zurück bin.“

„Es ist zu spät, Michael. Es ist zu spät, um zu reden.“ Ihre Worte waren so kalt wie der Wind, der vom Lake Michigan zu ihnen herüberblies. „Es ist schon lange zu spät.“

Er verstärkte seinen Griff an ihren Schultern. Fürsorglich zog er sie an sich, als eine Frau, die zum Terminal eilte, sie fast umgerannt hätte. Sein Atem verpuffte in der Kälte in kleinen weißen Wölkchen.

„Gestern Abend hat es sich nicht angefühlt, als wäre es zu spät.“

Gestern Abend, als sie miteinander geschlafen hatten.

Allen Schwierigkeiten zum Trotz, und auch wenn sie sich auf verbaler Ebene nicht mehr miteinander austauschen konnten, so hatten sie nicht die Fähigkeit verloren, mit ihren Körpern zu kommunizieren.

Während sie so dastanden und Tara die Wärme seiner starken Hände durch ihren dicken Wintermantel hindurch fühlte, die Leidenschaft in seinen Augen sah, da wusste sie, dass Sex das Einzige war, was sie seit einiger Zeit zusammenhielt.

„Michael … es fällt mir nicht leicht, es zu sagen.“ Sie nahm all ihren Mut zusammen, endlich die Wahrheit auszusprechen. Sie konnte ihn dabei nicht ansehen. „Ich … ich will die Scheidung.“

Sie spürte seinen Schock. Einen Moment lang war er absolut still. Dann nahm er die Hände von ihren Schultern und ließ sie sinken.

„Sieh mich an“, befahl er schließlich. „Sieh mich an und sag mir, dass du es wirklich ernst meinst. Sag mir ins Gesicht, dass du mein Leben zerstören willst.“

„Unser Leben.“ Sie hob den Kopf, fühlte, dass ihr Herz schneller schlug. Aus Zorn, Schmerz und Hilflosigkeit. „Es ist unser Leben, das zerstört ist. Und ich bin nicht die einzig Verantwortliche. Es hat nicht hier angefangen, Michael. Nicht heute.“

Sie spürte die Tränen und konnte sie nicht zurückhalten. „Ich … ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr.“

„Das akzeptiere ich nicht.“ Seine Worte waren scharf.

Sie hob das Kinn und sah an ihm vorbei auf die Menschen, die ins Flughafengebäude hasteten. „Tut mir leid. Aber, ob du es akzeptierst oder nicht, das ändert nichts. Ich will die Scheidung“, wiederholte sie und sah noch einmal in seine zornig funkelnden graublauen Augen. Dann drehte sie sich hastig um.

Wie ferngesteuert ging sie um den Wagen herum, öffnete die Tür und setzte sich hinters Steuer. Ohne sich dessen bewusst zu sein, schnallte sie sich an, drehte den Schlüssel und legte einen Gang ein. Als sie in den Rückspiegel sah, stand er immer noch dort. Der Wind wehte die schwarzen Haare in sein schönes Gesicht, in seinen graublauen Augen sah sie Widerstand und Ablehnung.

Erst als sie vor ihrer Wohnung parkte, merkte sie, dass sie immer noch weinte.

Tara verdrängte den Gedanken an den Moment, der ihr auch nach zwei Jahren noch lebhaft in Erinnerung war. Sie blickte zu den hohen Fenstern in dem Herrenhaus ihrer Eltern und hätte am liebsten geweint.

Sie vermisste immer noch, was Michael und sie einst verbunden hatte. Leidenschaft, Hoffnungen, Träume. Nach dem Abschlussball an der Highschool war sie mit ihm durchgebrannt, weil ihre Eltern sie an eine Eliteuniversität schicken wollten, weg von ihm. Denn er war ein junger Mann aus dem Armeleuteviertel und sie die behütete Tochter reicher Eltern. Er war nicht gut genug für sie gewesen.

„John wird nicht ewig warten, Tara.“

Die Stimme ihres Vaters holte sie in die Gegenwart zurück.

„Ich weiß.“ Sanft legte sie die Hand an Brandons Po. Sie musste seinen kleinen Körper spüren, etwas berühren, was real war, in einem Moment, in dem das Irreale das Reale zu überlagern drohte.

Die Wohnzimmertür wurde geöffnet.

„Mr. Connelly, entschuldigen Sie die Störung.“

Ruby, die selbst zu dieser späten Stunde noch ihre Dienstbotenuniform trug, stand in der Tür. Mit der Hand hielt sie die Klinke so fest umklammert, dass die Knöchel ganz weiß waren. Ihre Augen waren so rund wie die Knöpfe ihrer Bluse, ihre Wangen so weiß wie ihre Schürze.

Grant Connelly merkte im selben Moment wie Tara, dass irgendetwas nicht stimmte. Die unerschütterliche Ruby, die als Haushälterin bei den Connellys war, seit Tara denken konnte, schien um Fassung zu ringen.

„Ruby?“ Besorgt zog Grant die Augenbrauen zusammen. „Was ist los?“

„Mr. Connelly“, wiederholte Ruby verstört. „Da ist … da ist ein Gentleman. Er möchte … er möchte zu Miss Tara.“

„Um diese Zeit?“, schnaubte Grant. „Und hat dieser Gentleman – der die Frechheit besitzt um …“, er hob den Arm und warf einen Blick auf seine Uhr, „… nach neun Uhr abends zu kommen – auch einen Namen?“

Taras Herz schlug plötzlich schneller. Sie sprang auf.

Ruby wurde noch bleicher, wenn das überhaupt möglich war. Ihr Blick schoss zu Tara, zaghaft und entschuldigend, ein wenig alarmiert, und doch auch irgendwie hoffnungsvoll, als sie die breite Eichentür weiter öffnete.

Ein Mann trat vor, ein Schatten in der Tür, ein Geist aus der Vergangenheit.

„Allmächtiger Gott“, hörte Tara ihren Vater beim Anblick von Michael Paiges schlanker, athletischer Gestalt erschrocken und ungläubig murmeln.

Tara schüttelte zweifelnd den Kopf, und doch wollte sie von ganzem Herzen glauben, was sie sah. Sie legte die Finger an die Lippen, Tränen traten ihr in die Augen. „Michael.“

Ihr Vater stellte sich hinter sie, legte seine starken Hände auf ihre Schultern, stützte sie. Doch sie hatte nur Augen für Michael.

Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herz schlug wie wild. Sie bekam weiche Knie. Heiße Tränen flossen ihr über die Wangen, als sie in die graublauen Augen ihres Mannes starrte.

Er trat einen Schritt vor und ergriff ihre Hände. Sie stieß einen leisen Schrei aus bei dem schockierend vertrauten Gefühl. Sein Griff war hart, seine Hände rau. Warm. Real. Lebendig.

Sie starrte auf die verflochtenen Hände, merkte, dass ihre zitterten, sah seine Narben – einige kannte sie, einige nicht.

„Tara.“

Sie hob den Kopf, als sie die Sehnsucht in seiner Stimme hörte, blickte in seine Augen, die unstet über ihr Gesicht huschten, und sah dann ihren Vater flehend an. Ihr Vater drückte ihre Schultern, zögerte und ließ dann widerstrebend die Hände sinken.

Den Blick fest auf sie gerichtet, zog Michael sie in seine Arme.

Sie klammerte sich verzweifelt an ihn und weinte, ohne sich für ihre Tränen zu schämen – um ihn, um sich, um alles, was sie verloren hatten.

Er war da. Mein Gott, er lebte. Tief sog sie seinen Duft ein – er roch wie Michael. Sie vergrub das Gesicht an seinem Nacken, musste die Sicherheit haben, dass er es wirklich war und nicht ein Geist, der ihrer Fantasie, ihrem Kummer und ihren Schuldgefühlen entsprungen war.

Er strich zärtlich über ihren Rücken, eine vertraute Geste, die ihr zeigte, dass auch er die Wirklichkeit des Augenblicks zu begreifen suchte. Sie spürte seinen wilden Herzschlag und hörte, wie er ihren Namen flüsterte.

Sie wich zurück, damit sie sein Gesicht sehen und sich vergewissern konnte, dass es wirklich Michael war.

Der Mann, den sie geliebt hatte.

Der Mann, den sie für tot erklären lassen wollte.

Der Mann, von dem sie sich hatte scheiden lassen wollen.

2. KAPITEL

Michael vergrub sein Gesicht in Taras seidigem Haar und atmete ihren betörenden Duft ein. Es schien Ewigkeiten her zu sein, dass er sie in den Armen gehalten und den sanften Druck ihrer Brüste gegen seinen Oberkörper gespürt hatte. Ewigkeiten, seit sie sich an ihn geschmiegt hatte – und doch war es wie gestern.

Er hatte so vieles in ihren Augen gesehen, bevor sie sich in seine Arme gestürzt hatte. Schock, Freude, Ungläubigkeit, Verneinung, Hoffnung, Liebe. Es war ihm egal, dass ihre Reaktion eine Kurzschlussreaktion gewesen war, vielleicht sogar unbeabsichtigt. Ihn interessierte nur, dass er sie endlich in den Armen hielt.

„Michael … mein Sohn.“

Autor

Cindy Gerard

Als Cindy Gerard anfing, ihr erstes Manuskript zu schreiben, wollte sie vor allem eins: es auch beenden. Der Gedanke, es zu verkaufen, kam ihr viel später. Und erst, als sie einen Verlag gefunden hatte, der es veröffentlichen wollte, wurde ihr klar, dass es nicht bei diesem einen Werk bleiben würde....

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