Alte Liebe, neues Glück

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Sie bleiben nur Freunde, so viel ist klar! Als Hochzeitsplanerin Natalie ihren Jugendschwarm Colin Russell wiedertrifft, knistert es zwischen ihnen vor erotischer Spannung. Sie sollen gemeinsam eine Hochzeit planen - und dabei würde sich Natalie so gerne den Küssen des berühmten Architekten hingeben! Aber Colin will eine Frau, die er heiraten und mit der er eine Familie gründen kann. Dazu ist Natalie nicht bereit: Sie glaubt nicht an die wahre Liebe, und ihre Freiheit ist das Wichtigste für sie. Daran können auch Colins verführerische Lippen nichts ändern. Oder doch?


  • Erscheinungstag 12.12.2017
  • Bandnummer 2006
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724535
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Vor vierzehn Jahren war alles anders gewesen. Damals waren Natalie und ihre beste Freundin Lily unzertrennlich – und Lilys großer Bruder Colin war der süße Junge, auf den Natalie es schon abgesehen hatte, seit sie fünfzehn war.

Jetzt würde Lily bald heiraten, und die Verlobungsparty fand auf dem weitläufigen Anwesen ihres Bruders statt.

Colin hatte sich verändert, seit Natalie ihn zuletzt getroffen hatte. Zu der Zeit war sie völlig hingerissen von ihm gewesen, hatte aber keine Chance bei ihm gehabt. Stattdessen verfolgte sie, wie er zu einem coolen Collegestudenten heranwuchs und sich nach dem plötzlichen Tod seiner Eltern in den verantwortungsvollen Vormund seiner kleinen Schwester und den Chef des Familienunternehmens verwandelte. Er war unerreichbarer denn je gewesen.

In den letzten Jahren hatten Lily und Natalie sich nur selten gesehen. Natalie hatte an der University of Tennessee studiert, und Lily hatte sich ziellos treiben lassen. Dann und wann tauschten sie Mails und Facebook-Nachrichten aus, aber sie redeten selten ausführlich miteinander. Natalie war erstaunt, als Lily sie bei „From this Moment“ anrief, der Hochzeitsagentur, deren Mitinhaberin Natalie war.

Lily hatte eine Bitte gehabt: eine Last-Minute-Hochzeit, am besten noch vor Weihnachten. Das war Anfang November, und „From this Moment“ war eigentlich für die nächsten vierzehn Monate ausgebucht gewesen. Aber über Weihnachten hatten sie geschlossen, und für eine Freundin waren Natalie und ihre drei Partnerinnen bereit, noch eine letzte Hochzeit kurz vor den Feiertagen einzuschieben.

Natalies Einladung zur Verlobungsparty kam einen Tag später, und jetzt spazierte sie bereits in einem Cocktailkleid durch Colins riesiges Haus, allein unter Fremden.

Ganz stimmte das nicht. Sie kannte immerhin die Braut. Und als ihr Blick auf die goldbraunen Augen fiel, von denen sie als Teenager immer geträumt hatte, erinnerte sie sich daran, dass sie noch jemanden auf der Party kannte.

„Natalie?“, fragte Colin und kam durch die Menschenmenge auf sie zu.

Einen Moment lang verschlug es ihr die Sprache. Er war nicht mehr der Junge von früher, sondern zu einem breitschultrigen, attraktiven Mann herangewachsen. Colin war braun gebrannt und trug einen teuren Anzug. Auf seinen Dreitagebart wäre jeder Teenager stolz gewesen. Um seine Augen bildeten sich kleine Lachfältchen, als er sie anstrahlte.

„Du bist es wirklich“, sagte er und machte Anstalten, sie zu umarmen.

Natalie wappnete sich innerlich für die vertraute Berührung. Nicht alles war anders geworden. Colin war schon immer jedem um den Hals gefallen. Als verliebtes junges Mädchen hatte Natalie diese Umarmungen zugleich geliebt und gehasst. In seiner Nähe lief ihr ein Schauer über den Rücken, und ein Prickeln tanzte über ihre Haut, wenn er sie berührte. Wie früher schloss sie die Augen und atmete seinen Duft ein. Er roch noch besser als in den Zeiten, als er noch günstiges Eau de Toilette aus der Drogerie benutzt hatte, aber sogar damals hatte sie ihn schon geliebt.

„Wie geht es dir, Colin?“, fragte sie, als sie sich voneinander lösten. Sie hoffte, dass ihre Wangen nicht rot anliefen. Sie fühlten sich heiß an, aber vielleicht lag das nur am Wein, den sie auf der Party getrunken hatte.

„Gut. Ich bin beruflich gut ausgelastet und arbeite immer noch als Landschaftsarchitekt.“

„Also leitest du nach wie vor die Firma deines Vaters?“

Er nickte. Ein Hauch unterdrückter Trauer huschte über sein Gesicht.

Na toll, Natalie, musst du ihn gleich als Erstes an seine toten Eltern erinnern?

„Es freut mich, dass ihr Lilys Hochzeit so schnell einschieben konntet. Sie wollte, dass sie in eurer Kapelle stattfindet.“

„Die ist ja auch die beste“, sagte Natalie. Es stimmte. In ganz Nashville gab es nichts Vergleichbares. Genauso wie ihre Hochzeitsagentur – sie war einzigartig und bot aus einer Hand alles an, was ein Brautpaar brauchte.

„Für Lilys großen Tag ist auch nur das Beste gut genug. Übrigens siehst du toll aus. Die kleine Natalie ist erwachsen geworden“, bemerkte Colin.

Natalie sah seinen Augen die Bewunderung an, als er den Blick über das eng anliegende blaue Kleid schweifen ließ. Ihre Geschäftspartnerin Amelia hatte sie gezwungen, es heute zu tragen, und nun war sie froh darüber, dass ihre modebewusste Freundin sie überredet hatte, sich schick zu machen. Sie warf einen Blick auf Colins linke Hand – kein Ring. Na, so was. Natalie hatte irgendwann gehört, dass seine Ehe in die Brüche gegangen sei. Das eröffnete interessante Möglichkeiten.

„Ich bin ja mittlerweile auch fast dreißig und nicht mehr ganz klein.“

Colin atmete aus und musste sich sichtlich zwingen, ihr wieder ins Gesicht zu sehen. „Ein Glück. Wenn du das noch wärst, würde ich mir jetzt wie ein lüsterner alter Mann vorkommen.“

Natalie zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Er stand also wirklich auf sie! War der früher unerfüllbare Traum plötzlich in Reichweite? Vielleicht wurde es Zeit, einmal ein Risiko einzugehen. „Weißt du was? Ich muss dir ein Geständnis machen.“ Sie beugte sich zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich war total verliebt in dich, als wir jung waren.“

Colin grinste breit. „Echt?“

„Oh, ja.“ Und sie hätte nichts dagegen, diese alten Fantasien eine Nacht lang hemmungslos auszuleben. „Die Party ist doch bald zu Ende. Was meinst du, sollen wir uns ein ruhiges Plätzchen suchen, um ein bisschen über alte Zeiten zu plaudern?“

Natalies Tonfall war beiläufig, aber ihre Körpersprache sagte etwas ganz anderes. Sie sah, wie Colin schluckte, als er über ihr Angebot nachdachte. Es war sehr direkt und auch ein wenig dreist, das wusste sie, aber vielleicht würde sie sonst nie wieder die Chance haben, bei Colin Russell zu landen.

„Das täte ich wirklich gern, Natalie, aber leider kann ich nicht.“

Natalie nickte und leerte ihr Glas, um ihr schmerzliches Zusammenzucken zu überspielen. Er hatte ihr einen Korb gegeben. Plötzlich war sie wieder sechzehn und fühlte sich seiner Aufmerksamkeit so unwürdig wie eh und je. Egal.

„Schade. Dann sehen wir uns sicher später mal“, sagte sie schulterzuckend, drehte sich auf dem Absatz um und floh von der Party, bevor alles noch peinlicher werden konnte.

1. KAPITEL

Binnen eines Monats eine anständige Hochzeit zu organisieren, war so gut wie unmöglich, selbst wenn eine fähige Planerin wie Natalie Sharpe die Dinge in die Hand nahm. Manches dauerte eben: Einladungen zu drucken, Kleider zu bestellen, die Zulieferer aufeinander abzustimmen … Zum Glück übernahmen bei „From this Moment“ sie und die anderen Besitzerinnen einen Großteil der Arbeit selbst.

„Danke, dass ihr für diese letzte Hochzeit noch Zeit gefunden habt“, sagte Natalie, als sie bei ihrem Montagmorgenmeeting alle am Konferenztisch saßen. „Ich weiß, dass ihr alle viel lieber in die Feiertage starten würdet.“

„Das macht doch nichts“, sagte die Fotografin Bree Harper. „Ian und ich fahren erst in der Woche nach der Hochzeit nach Aspen.“

„Und Julian ist noch nicht aus Hollywood zurück“, setzte Gretchen McAllister hinzu. „Die Feiertage verbringen wir bei seiner Familie in Louisville. Wenn ich mit der Hochzeit beschäftigt bin, mache ich mir nicht so viele Gedanken darum.“

„Aber du kennst doch seine Familie schon, Gretchen. Warum bist du so nervös?“

„Weil ich diesmal seine Verlobte bin“, sagte Gretchen und betrachtete den Ring, den er ihr erst letzte Woche geschenkt hatte.

Natalie versuchte, nicht daran zu denken, dass all ihre Freundinnen mittlerweile Partner hatten. Gretchen und Bree waren verlobt. Amelia war verheiratet und schwanger. Früher hatten sie alle gemeinsam über ihr Singledasein jammern können, aber jetzt war Natalie die Einzige, die jeden Abend allein zu Hause war. Eigentlich war ihr das ja auch recht, und sie rechnete damit, dass es ihr Leben lang so bleiben würde. Es hatte sich nur alles so schnell geändert. Das vergangene Jahr war für die Damen von „From this Moment“ voller Veränderungen gewesen – bei fast allen hatte die Liebe wie der Blitz eingeschlagen.

Und an die Liebe glaubte Natalie nicht, obwohl sie Hochzeitsplanerin war. Sie war nur ins Geschäft eingestiegen, weil ihre Freundinnen sie darum gebeten hatten und weil es erstaunlich lukrativ war. Trotz der ernüchternden Scheidungsraten schienen die Leute nur zu gern Tausende von Dollars für eine Hochzeit zu verpulvern, um wenig später den Anwälten noch mehr Geld zu zahlen.

In Natalies Augen hatten die meisten Paare nicht die geringste Chance. Sie konnte ihnen nur zu einer Hochzeit verhelfen, die sie nie vergessen würden. Sie tat immer ihr Bestes, um den perfekten Tag für ihre Kunden zu organisieren. Von da an ging es ja ohnehin nur noch bergab.

„Ich habe die digitalen Einladungen morgen fertig. Hast du die Liste mit den E-Mail-Adressen, damit ich sie verschicken kann?“, fragte Gretchen.

Aus ihren Gedanken gerissen, warf Natalie einen Blick auf ihr Tablet. „Ja, hier ist sie.“ Normalerweise kamen E-Mail-Einladungen für eine stilvolle Hochzeit nicht infrage, aber diesmal blieb einfach keine Zeit, um in Ruhe Karten zu gestalten, zu drucken, per Post zu verschicken und die Antwortschreiben zu sammeln.

„Und das Motto der Hochzeit ist ‚Winterzauber‘?“, vergewisserte Amelia sich.

„Das hat Lily zumindest gesagt. Sie hatte allerdings nur ziemlich vage Vorstellungen, wie wir das praktisch umsetzen sollen. Ich habe mit den beiden heute Nachmittag einen Termin, danach wird sicher alles konkreter. Bree, du machst die Verlobungsfotos am Freitagmorgen, oder?“

„Ja“, sagte Bree. „Sie wollen die Aufnahmen in der Motorradwerkstatt des Bräutigams in der Innenstadt machen.“

Natalie kannte Lily schon lange, aber es hatte selbst sie überrascht, für wen ihre Freundin sich entschieden hatte. Frankie war ein Hipster mit Tätowierungen, Holzfällerhemd und buschigem Bart, der eher wie eine Mischung aus Biker und Naturbursche aussah als wie ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ihn hätte Natalie für ihre beste Freundin bestimmt nicht ausgesucht, und sie war sich ziemlich sicher, dass auch Colin eine andere Wahl für Lily getroffen hätte.

Trotzdem wirkte Frankie wie ein netter Kerl, und sogar Natalie konnte dies unter seinem auffälligen Äußeren erkennen. Zwischen Frankie und Lily bestand offenbar eine tiefe Verbindung. Natalie hätte nicht gesagt, dass die beiden sich liebten, weil sie nicht an die Liebe glaubte, aber sie waren eindeutig ein Paar. Der biologische Drang zur Arterhaltung schlug bei ihnen mit voller Wucht zu, und die beiden hatten schon auf der Verlobungsparty kaum voneinander lassen können.

„Wenn das für heute Morgen alles ist, gehe ich jetzt wieder an die Arbeit“, sagte Bree.

Natalie überprüfte ihre Checkliste. „Ja, das ist alles.“

Bree und Amelia standen auf und verließen im Gänsemarsch den Konferenzraum, doch Gretchen blieb am Tisch stehen. Sie musterte Natalie neugierig. „Du wirkst abgelenkt. Unentspannter als sonst. Was ist los mit dir?“

Wie nett von ihr, darauf hinzuweisen! Natalie wusste, dass sie um diese Zeit im Jahr nicht unbedingt liebenswürdig war, aber daran mussten ihre Freundinnen sie doch nicht auch noch erinnern. „Es ist nichts.“

Gretchen verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte Natalie mit einem Blick, der ihr verriet, dass sie stehen bleiben würde, bis Natalie die Katze aus dem Sack ließ.

„Weihnachten naht.“ Das sagte doch alles.

„Das hört sich ja so düster an wie bei ‚Game of Thrones‘! Natürlich naht Weihnachten. Es ist bald Dezember, und die Feiertage kommen doch wirklich nicht unerwartet.“

Natalie legte ihr Tablet hin. Die Feiertage waren für sie jedes Jahr eine Herausforderung. Normalerweise verreiste sie, um allem aus dem Weg zu gehen, aber wegen der späten Hochzeit hatte sie dazu diesmal keine Zeit. Zu Hause zu bleiben hieß, dass sie ein Einsiedlerleben würde führen müssen. Sie hatte absolut keine Lust, mit ihren Eltern und deren Ehepartnern zu feiern. Das letzte Mal hatte sie versehentlich den neuesten Mann ihrer Mutter mit dem Namen seines Vorgängers angeredet, und von da an war es ein sehr peinlicher Abend gewesen.

Natalie lehnte sich auf ihrem Bürostuhl zurück und seufzte. „Es macht mir einfach mehr als sonst zu schaffen.“ Sie wusste auch nicht, warum, aber es war so. Vielleicht war alles doppelt schmerzlich, weil dieses Jahr all ihre Freundinnen glücklich verliebt waren.

„Verreist du oder bleibst du hier?“, fragte Gretchen.

„Ich bleibe zu Hause. Eigentlich wollte ich nach Buenos Aires, aber dafür reicht die Zeit nicht. Wir haben Lilys Last-Minute-Hochzeit auf den Samstag vor Weihnachten gelegt, also habe ich viel zu tun und kann mich erst danach um den üblichen Papierkram zum Jahresende kümmern.“

„Du willst doch nicht durcharbeiten, während wir geschlossen haben, oder?“ Gretchen stemmte die Hände in die Hüften. „Du musst nicht unbedingt feiern, aber, verdammt, du brauchst auch mal deine Freizeit, Natalie! Du arbeitest manchmal sieben Tage die Woche.“

Natalie winkte ab. Die Arbeit machte ihr nichts aus. Sie hatte keine Familie, zu der sie jeden Abend zurückkehrte – keinen Mann und kein Kind, denen sie hätte hinterherräumen müssen. „Ich habe keine so langen Arbeitstage wie du oder Amelia. Ich bin nie bis Mitternacht hier.“

„Du machst aber trotzdem Überstunden. Du brauchst einen Tapetenwechsel. Vielleicht kannst du auf eine Insel in der Südsee fliegen und dir eine Affäre mit einem verführerischen Fremden gönnen?“

Natalie schnaubte geringschätzig. „Tut mir leid, ein Mann ist nicht die Lösung meiner Probleme. Das würde es nur noch schlimmer machen.“

„Ich sage ja nicht, dass du dich verlieben und den Typen heiraten sollst, nur, dass du ihn in deiner Hotelsuite festhalten musst, bis der letzte Neujahrsböller explodiert ist. Was können ein, zwei Nächte heißer Sex schon schaden?“

Natalie schaute Gretchen an und erkannte, was ihr wirklich zu schaffen machte: Es tat ihr immer noch weh, dass Colin sie auf der Verlobungsparty abgewiesen hatte. Bisher hatte sie niemandem davon erzählt, aber Gretchen würde ja doch keine Ruhe geben. „Sehr viel, wenn der Typ, dem man sich an den Hals wirft, der Bruder der besten Freundin ist und einem einen Korb gibt.“

Gretchen riss den Mund auf und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken. „Was? Wann ist das denn passiert?“

Natalie nahm einen großen Schluck Chai Latte, bevor sie antwortete: „Ich habe auf Lilys Verlobungsparty zu viel Chardonnay getrunken und ihren großen Bruder angebaggert, den ich schon sexy finde, seit ich denken kann. Er hat abgelehnt. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung für eine heiße Affäre.“

„So ein Mist“, bemerkte Gretchen.

„So kann man das auch ausdrücken.“

„Aber wenigstens musst du ihn bis zur Hochzeit nicht mehr sehen, oder? Und dann hast du so viel um die Ohren, dass du völlig abgelenkt bist.“

„Genau. Und ich achte darauf, dass ich an dem Tag besonders gut aussehe, damit er merkt, was er sich hat entgehen lassen.“

„Gut so! Ich verschicke dann mal die Einladungen.“

Natalie nickte und sah Gretchen nach, als sie das Zimmer verließ. Sie nahm ihr Tablet und ihren Chai und folgte Gretchen aus dem Konferenzraum, um in ihr eigenes Büro zu gehen. Nachdem sie es sich an ihrem Schreibtisch bequem gemacht hatte, erstellte sie für das Treffen am Nachmittag einen neuen Ordner und beschriftete ihn mit ‚Hochzeit Russell-Watson‘. Wenn sie beschäftigt war, würde sie das von Weihnachten ablenken – und von Colin.

Colin bog auf den Parkplatz der Hochzeitsagentur ein. Sein Blick blieb sofort an den tristen Büschen hängen. Gut, es war Winter, aber etwas mehr Pep hätte die Bepflanzung schon vertragen können.

Er stellte sein Auto ab und betrat das Gebäude. Als er durch die Eingangstür kam, verstand er sofort, warum Lily unbedingt hier heiraten wollte. Die Stechpalmenhecke ließ ja vielleicht etwas zu wünschen übrig, aber die Innenräume waren atemberaubend: hohe Decken, ein traumhaftes Blumenarrangement auf dem Tisch im Foyer, Torbögen, die in verschiedene Flügel führten. Mom wäre begeistert gewesen.

Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. Es war eine Minute vor eins, also kam er genau pünktlich zu dem Termin. Colin fühlte sich ein bisschen komisch dabei, heute herzukommen. Hochzeiten waren nicht gerade seine Stärke, aber er übernahm die Rolle, die eigentlich seine Eltern hätten spielen sollen. Als er vor anderthalb Jahren selbst geheiratet hatte, war das Ganze schnell beim Standesamt erledigt gewesen. Auf Glamour legte Pam keinen Wert, und seine Schwester Lily anscheinend auch nicht.

Wäre es nach ihr gegangen, hätten sie und Frankie auch nur standesamtlich geheiratet. Anders als Colin und Pam hatte sie keinen Grund, überstürzt zu heiraten, aber Lily wollte es wohl einfach hinter sich haben. Sie liebte Frank und wollte so schnell wie möglich Mrs. Watson sein. Colin hatte sie zwingen müssen, eine richtige Hochzeit zu feiern, indem er sie daran erinnert hatte, dass ihre Mutter sich im Grabe umgedreht hätte, wenn sie gewusst hätte, was Lily plante.

Am Ende hatte Lily sich unter zwei Bedingungen dazu bereiterklärt: Erstens sollte die Hochzeit in Natalies Kapelle stattfinden, und zweitens musste Colin alle Details regeln. Er hatte auf der Hochzeit bestanden und angeboten, für die Kosten aufzukommen – also konnte er auch alle Entscheidungen treffen. Lily würde an ihrem großen Tag im weißen Kleid herkommen, und damit hatte es sich.

Colin war sich nicht sicher, warum so viele Frauen in seiner Umgebung große Hochzeiten ablehnten. Pam hatte überhaupt nicht heiraten wollen. Wenn das Baby nicht gewesen wäre, hätte sie den Antrag wahrscheinlich abgelehnt. Mittlerweile wusste er, warum, aber bei Lily schien es nur ein allgemeines Desinteresse an Traditionen zu sein.

Das verstand er nicht. Ihre Eltern waren sehr traditionsbewusst, wenn nicht gar altmodisch gewesen. Als sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hatte Colin versucht, bestimmte Traditionen fortzuführen. Er hatte nie damit gerechnet, mit neunzehn zum Vormund seiner kleinen Schwester zu werden, aber er war entschlossen, seine Sache gut zu machen und das Andenken seiner Eltern zu ehren.

Für Lily dagegen war die Vergangenheit aus und vorbei. Feierliche Hochzeiten gehörten für sie zu den albernen Bräuchen, die ihr unwichtig waren. Aber ihm bedeuteten sie etwas, und so hatte sie nachgegeben.

Colin hörte, wie sich irgendwo eine Tür öffnete, und im nächsten Augenblick stand er schon wieder Natalie Sharpe gegenüber. Abrupt blieb sie im Torbogen des Foyers stehen, ein Tablet an die graue Seidenbluse gepresst. Bereits als Teenager war sie eine klassische Schönheit gewesen. Ihre cremefarbene Haut und ihre hohen Wangenknochen hatten ihn schon neugierig gemacht, als sie noch eine Zahnspange getragen hatte.

Damals hatte er jegliches Begehren für die Freundin seiner kleinen Schwester unterdrückt, aber er hatte immer gewusst, dass sie zu einer schönen Frau heranwachsen würde. Auf der Party hatte sich dieser Verdacht bestätigt. Sie hatte ihn sogar verführerisch angelächelt und unerwartet offen mit ihm geflirtet. Sie waren keine Kinder mehr, aber ihr Angebot hatte er einfach nicht annehmen können, so sehr er es auch bedauerte.

Heute war ihr Gesichtsausdruck ganz anders als bei der Verlobungsparty. Missmutig runzelte sie die Stirn, und ihre rosigen Lippen waren leicht geöffnet. Dann holte sie tief Luft und versuchte, ihre Gefühle hinter einer professionellen Maske zu verbergen, aber er spürte, dass sie sich nicht freute, ihn zu sehen.

„Colin? Mit dir hatte ich gar nicht gerechnet. Ist etwas mit Lily?“

„Mit Lily ist so einiges“, antwortete er, „aber nicht so, wie du meinst. Es geht ihr gut. Sie interessiert sich bloß nicht für die Details.“

Natalie warf sich den dunklen Pferdeschwanz über die Schulter. „Wie meinst du das?“

„Sie hat mir gesagt, dass ich mich um die Planung kümmern soll. Also bin ich hier.“

Er beobachtete, wie Natalie versuchte, die Nachricht zu verarbeiten. Anscheinend hatte Lily sie nicht vorgewarnt, aber warum auch? Natürlich war Lily nicht klar, dass sie beide sich auf der Party über den Weg gelaufen waren, und Lily war ohnehin niemand, der darüber nachdachte, wie seine Entscheidungen sich auf andere auswirkten.

„Ich weiß, dass es unüblich ist, aber Lily ist nun einmal eine ungewöhnliche Frau“, setzte er hinzu.

Das schien Natalie aus ihrer Geistesabwesenheit zu reißen. „Natürlich. Komm hier entlang in mein Büro, dann können wir die Einzelheiten besprechen.“

Colin folgte ihr und genoss den Anblick ihrer engen Hose, die sich an ihre Hüften schmiegte. Sie trug Schuhe mit Absätzen, die gerade hoch genug waren, um ihrer Figur zu schmeicheln. Schade, dass sie so steif und zielstrebig ging! Er hätte nichts gegen einen kleinen Hüftschwung gehabt, aber er wusste, dass Natalie dafür zu zurückhaltend war. Sie war immer das genaue Gegenteil seiner unkonventionellen Schwester gewesen: geradlinig, praktisch veranlagt und ernsthaft.

Seit ihrer Begegnung auf der Verlobungsparty fragte sich Colin, ob Natalie nicht auch eine sinnlichere Seite hatte. Er konnte nur davon träumen, wie sie wohl war, wenn sie ihren straffen Pferdeschwanz löste, ein Glas Wein trank und sich endlich einmal fallen ließ.

Er hatte das Gefühl, dass er alles darüber gewusst hätte, wenn er ihr Angebot auf der Party angenommen hätte. Leider war aber an dem Abend seine schon so oft unterbrochene Beziehung zu Rachel gerade nicht unterbrochen gewesen. Und so gern er Zeit mit Natalie allein verbracht hätte, er konnte es einfach nicht. Colin war kein Mann, der jemanden betrog – schon gar nicht nach dem, was mit Pam passiert war.

Als ihm klar geworden war, dass er sich ziemlich zu Natalie hingezogen fühlte, hatte er mit Rachel endgültig Schluss gemacht. Er hoffte, dass er jetzt, da er ein freier Mann war, eine zweite Chance bei Natalie bekommen würde. Bisher hatte sie ihn recht kühl empfangen, trotzdem hoffte er, dass sein Charme sie noch auftauen lassen würde.

Er folgte ihr in das Büro und setzte sich auf den Gästestuhl. Das Zimmer war hübsch eingerichtet, aber extrem ordentlich und aufgeräumt. Er bemerkte, dass hier jede Mappe ihren festen Platz hatte.

„Darf ich dir etwas zu trinken anbieten? Wir haben Mineralwasser, ein paar Säfte und Ginger-Ale.“

Das war eine unerwartete Option. „Warum Ginger-Ale?“

„Manchmal wird dem Brautvater übel, wenn er den Kostenvoranschlag sieht. Ingwer hilft dagegen.“

Colin lachte. „Wasser wäre toll. Ich mache mir keine Sorgen um die Rechnung.“

Natalie stand auf und zog zwei Flaschen Wasser aus dem kleinen Edelstahlkühlschrank in ihrem Einbauregal. „Da wir gerade bei dem Thema sind: Welches Budget schwebt dir vor?“

Colin streifte ihre Finger, als er ihr die Flasche abnahm. Ein Funke sprang über, als sie sich berührten. Seine Haut prickelte. Er umklammerte die eiskalte Wasserflasche, um das Gefühl zu betäuben, und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Wie gesagt, darüber mache ich mir keine Gedanken. Meine Gartenfirma ist mittlerweile sehr erfolgreich, und ich möchte, dass die Hochzeit das schöne Ereignis wird, das meine Eltern sich für Lily gewünscht hätten. In Sachen Essen und Dekoration ist nur das Beste gut genug. Ein schöner Saal, prächtige Blumen, köstliche Speisen, Kuchen, Musik … das Übliche eben.“

Natalie war neben ihrem Stuhl stehen geblieben, nachdem sie ihm die Flasche gereicht hatte, sodass er sich fragte, ob sie bei der Berührung auch etwas gespürt hatte. Jetzt nickte sie knapp und setzte sich. Sie griff nach ihrem Tablet und begann, sich Notizen zu machen. „Mit wie vielen Gästen rechnest du? Lily hat mir eine Liste mit E-Mail-Adressen gegeben, aber wir waren uns über die Gesamtzahl nicht sicher.“

„Wahrscheinich um die hundertfünfzig. Wir haben viele Verwandte und Freunde, die kommen, aber Frankie hat nicht viele Leute in der Nähe.“ Er sah, wie sie blitzschnell etwas eintippte.

„Als ich mit Lily gesprochen habe, habe ich ihr das Motto ‚Winterzauber‘ vorgeschlagen, und das schien ihr zu gefallen. Bist du damit einverstanden?“

„Was immer sie will.“ Colin hatte keine Ahnung, wie eine Winterzauber-Hochzeit aussehen würde. Weiß vermutlich. Vielleicht mit falschem Schnee wie beim Weihnachtsmann im Einkaufszentrum?

„Okay. Hättest du lieber einen DJ oder eine Band für die Feier?“

Darauf hatte er eine Antwort. „Ich hätte gern ein Streichquartett. Unsere Mutter hat Geige gespielt, und das wäre eine schöne Erinnerung an sie. Zumindest während der Zeremonie. Für die Feier brauchen wir wahrscheinlich etwas Fröhlicheres, damit Lily und ihre Freunde tanzen und ihren Spaß haben können.“

„Wie wär’s mit einer Swingband? Es gibt eine ganz tolle, mit der wir schon mehrfach zusammengearbeitet haben.“

„Einverstanden.“

Natalie nickte und legte endlich ihr Tablet weg. „Ich lasse Amelia einen Menüvorschlag und ein paar Tortendesigns zusammenstellen. Gretchen baut die Tischdekoration auf, damit du deine Zustimmung erteilen kannst. Ich spreche mit unserer Floristin, um zu sehen, was sie empfiehlt. Wenn wir fertig sind, bitten wir dich noch einmal her, damit du eine endgültige Wahl treffen kannst. Wahrscheinlich haben wir schon morgen Nachmittag etwas zusammengestellt.“

Sie wusste eindeutig, was sie tat. Das war gut, denn Colin kannte sich mit so etwas wie Tischdekoration überhaupt nicht aus. Er hatte damit gerechnet, dass alles viel anstrengender werden würde, aber vielleicht war das der Vorteil einer Agentur, die alles aus einer Hand anbot. „Warum machst du die Details nicht gleich mit den anderen Damen fest? Dann gehen wir morgen essen und besprechen dabei alles.“

Natalie schaute ruckartig von ihrem Tablet auf und sah ihm in die Augen. „Wir müssen nicht extra essen gehen. Ein neuer Termin hier genügt.“

Autor

Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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