Begehren in schwindelnder Höhe

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Sein heißer Kuss verändert alles: Eigentlich wollte Emily dem sexy Piloten Max aus dem Weg gehen. Sie aus bester Familie, er mit einer wilden Vergangenheit … Stattdessen steuert er sie beide in den siebten Himmel der Lust. Aus dem es hoffentlich keine Crash-Landung gibt!


  • Erscheinungstag 02.02.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776343
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Dezember

Jesus loves me, this I knoooow

Immer wieder gingen Emily Fortune die Zeilen dieses Schlafliedes, das ihre Mutter zu singen pflegte, durch den Kopf. Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie hielt die Augen fest geschlossen, um sich vor Staub und Geröll zu schützen.

Jesus loves me, this I know …

Der Versuch, unter Schluchzen zu atmen, endete in einem Hustenanfall, an dem sie zu ersticken drohte. Sie wusste nicht, was geschehen war. Eben noch war sie mit ihrer Familie durch die Flughafenhalle gelaufen. Wo war ihre Mutter? War die Welt auch über ihr zusammengebrochen? Über ihnen allen?

Sie waren auf Wendys Hochzeit in Red Rock gewesen. Tränen brannten in Emilys Augen. Wendy. Ihre kleine Schwester, die so wunderschön und glücklich ausgesehen hatte, als sie Marcos am Weihnachtsabend ihr Jawort gegeben hatte.

War ganz Red Rock untergegangen? Waren Marcos, Wendy und das ungeborene Baby tot?

Jesus loves me

Emily hielt sich eine Hand vor den Mund.

Sie weinte nie. Sie dachte. Sie handelte. Selbst ihr Vater hatte schon oft betont, dass diese Eigenschaften sie unersetzlich für Fortune South machten.

Nun beherrschte sie aber nur ein Gedanke: Ich werde sterben.

Ihre Füße hingen fest. Sie spürte sie nicht mehr. Das Atmen fiel ihr schwer. Dunkelheit umhüllte sie. Sie hatte keine Kraft, zu schreien. Was spielte es jetzt für eine Rolle, dass sie bisher nur ein Ziel vor Augen gehabt hatte, nämlich für das Familiengeschäft unentbehrlich zu sein?

Hier würde sie sterben und nie erfahren, was ihrer Familie zugestoßen war; ob einer von ihnen überlebt hatte. Sie würde sterben und niemals diese Freude empfinden, die sich im Gesicht ihrer Schwester gespiegelt hatte, als sie dem Mann, den sie liebte, ihr Jawort gegeben hatte. Sie würde nie erleben, wie sich Liebe anfühlte.

Neuer Staub fiel auf sie herunter und löste Panik bei ihr aus, ein weiterer Hustenanfall schüttelte ihren Körper. Der Tod unter einem Schutthaufen eines kleinen Flughafens im Süden von Texas war ihre einzige Zukunft.

Schmutz rieselte auf sie herab, und sie hielt sich schützend die Arme vors Gesicht. Licht drang durch ihre Augenlider, aber kein erlösendes Gefühl der Ruhe erfasste sie.

Hatte sie in ihrem Leben so viel falsch gemacht, dass ihr noch nicht einmal das vergönnt war? Nur diese bedrückende und erstickende Einsamkeit? Keine Zukunft?

Plötzlich hörte sie Stimmen. Hände packten ihre Arme und zogen sie von ihrem Kopf weg. Sie blinzelte gegen das Licht. Vor lauter Staub konnte sie nichts erkennen, nur die Umrisse eines Feuerwehrhelms über sich.

„Was …“ Sie verstummte und hustete.

Ein Mann. Er hatte sie nicht gehört. „Holt Hilfe“, schrie er.

Weitere Stimmen. Gellende Rufe. Schreie. Sie wischte sich übers Gesicht, konnte noch immer nichts sehen. Sie versuchte, sich aufzusetzen, wurde aber von schweren Gewichten daran gehindert.

„Warten Sie“, sagte eine andere Stimme, tiefer, freundlicher.

Gegenstände wurden von ihrem Körper entfernt. Es waren die Stuhlreihen aus dem Wartebereich des Flughafens. Nur verschwommen erkannte sie das Gesicht ihres Retters. Aber seine Augen … seine Augen waren blau. Verzweifelt hielt sie sich an diesem Blick fest. „Was ist passiert?“

„Ein Tornado.“

Mit beiden Händen packte er ihre Arme, um sie unter was auch immer hervorzuziehen.

„Meine Füße.“ Mehr Worte brachte sie nicht hervor. Tränen schossen ihr in die Augen.

Sofort ließ er sie los und verschwand aus ihrem Blickwinkel. Sie wollte ihn zurückrufen. Es gelang ihr, sich etwas hochzustemmen, und sie sah, wie er mit einem Feuerwehrmann sprach. Ihre Kräfte verließen sie und sie fiel zurück. Ein Kloß schnürte ihr langsam die Kehle zu.

„Nicht aufgeben.“ Da war die Stimme wieder. „Sie haben es gleich geschafft.“ Sanft drückte der Mann ihre Hand. „Sie hängen fest, aber wir werden Sie da schon rauskriegen.“ Sein staubbedecktes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. „Da draußen wartet das Leben auf Sie.“

1. KAPITEL

Juni

„Es tut mir leid, Dad, aber ich fliege morgen nicht wegen dieses Meetings zurück nach Atlanta. Das ist völlig unnötig.“ Emily umklammerte ihr Handy und verzog das Gesicht. „Ich nehme per Telefonkonferenz teil.“

Selbst durch das Telefon konnte sie die Verärgerung ihres Vaters spüren. John Michael Fortune erwartete von den Angestellten von Fortune South Enterprises mehr als hundertprozentigen Einsatz und bei seinen Kindern, die für ihn arbeiteten, machte er keine Ausnahme.

„Warum willst du weiterhin in Red Rock bleiben?“, fragte er. „Es ist bereits Juni, Herrgott noch mal. Wendy hat das Baby vor Monaten bekommen. Inzwischen dürfte sie gelernt haben, wie man eine Flasche heiß macht und die Windeln wechselt.“

Emily zuckte zusammen, drückte sich das Handy dichter ans Ohr und hoffte, dass Wendy, die ihr Baby gerade stillte, nichts von ihrem Gespräch mitbekam. Die winzige Mary Anne war bereits im Februar geboren worden, jedoch zu früh auf die Welt gekommen.

Emilys Blick verweilte auf dem perfekt geformten Kopf des Babys. Das zählt, dachte sie. „Es liegt nichts an, was ich nicht von hier aus erledigen könnte“, entgegnete sie. Sie war die Direktorin der Werbeabteilung für die Telekommunikationsgesellschaft, die zum Familienunternehmen gehörte, und ob John Michael sie lobte oder nicht, sie wusste, dass sie ihren Job gut machte. Schließlich florierte das Geschäft.

„Was ist nur in dich gefahren?“, murrte ihr Vater verärgert. „Seit dem Tornado haben sich alle verändert. Du mit diesem Kinderwahn!“

„Dad, es sind Menschen in dem Tornado gestorben“, unterbrach Emily ihn, sie wollte ihm nicht weiter zuhören. Sie hatte zu den Glücklichen gehört und war mit einem verstauchten Fuß davongekommen, ihre Mutter hatte Gott sei Dank nur ein gebrochenes Handgelenk. „Das ist eine lebensverändernde Erfahrung.“

„Okay“, fuhr er sie an. „Nimm dieses Mal per Telefon an der Besprechung teil, aber am Freitag bist du besser beim ersten Meeting mit den Leuten von Connover dabei.“

Emily war kurz davor zu fragen, was diese unausgesprochene Drohung bedeuten sollte, widerstand jedoch dem Impuls. Auch wenn sie auf seinen autoritären Führungsstil gereizt reagierte, hieß das nicht, dass sie ihn als Vater und als Chef von Fortune South nicht respektierte. „Ich habe den Flug bereits gebucht“, erwiderte sie. „Grüß Mutter von mir.“

„Ruf sie selber an“, antwortete er barsch. „Momentan vermisst sie euch alle sehr. Es hat den Anschein, dass die Hälfte der Familie Atlanta für Red Rock verlassen hat.“

Emily unterdrückte ihren Zorn. Sie telefonierte regelmäßig mit ihrer Mutter, und John Michael wusste das. Beiden war ihr gegenwärtiges Handeln ein Rätsel, aber ihre Mutter war bei Weitem verständnisvoller. „Ich hab dich lieb, Dad.“

„Wir sehen uns Freitag.“

Entnervt beendete sie das Gespräch. Selbst in bester Laune war John Michael kein einfühlsamer Mensch. Sie schaute zu Wendy hinüber. „Hast du dich je gefragt, was unsere Eltern zusammengebracht hat und sie sechs Kinder in die Welt setzen ließ?“

Verschmitzt grinste Wendy. „Ehrlich gesagt, Em, möchte ich mir keine großen Gedanken darüber machen, wie unsere Eltern Babys gezeugt haben.“ Sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die rosige Stirn. „Ich stelle mir lieber vor, dass wir alle durch unbefleckte Empfängnis auf die Welt gekommen sind.“

Emily lächelte gequält. „Vielleicht wäre diese Methode ja auch was für mich. Meine bisherigen Versuche, Mutter zu werden, waren nicht gerade von Erfolg gekrönt.“

„Das ist wieder typisch für dich, Em. Nur du hast einen fertigen Plan im Kopf, wie du Mutter werden kannst, nachdem du einen Tornado überlebt hast. Ist dir je in den Sinn gekommen, erst einmal einen Mann zu treffen?“

„Du klingst erstaunlich altmodisch. Heutzutage braucht man kaum noch einen Mann, um Mutter zu werden.“ Emily streckte die Arme nach ihrer Nichte aus, da Wendy mit dem Stillen fertig war. „Lass mich sie nehmen.“

Bereitwillig gab Wendy ihr das Baby. „So bewundernswert, wie du Karriere machst, wirst du auch als alleinstehende Mutter zurechtkommen, aber ich bin eine Mutter und ich kann mir nicht vorstellen, es ohne Marcos zu sein.“

Emily seufzte. „Ich bin dreißig Jahre alt. Wenn es für mich da draußen einen Marcos gäbe, hätte ich ihn bestimmt längst gefunden.“

Wendy zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich? Wo denn? Im Bürogebäude von Fortune South? Dort verbringst du doch die meiste Zeit!“

„Jetzt bin ich nicht bei Fortune South, oder?“, argumentierte Emily. „Ich bin auch nicht auf eine Liebesaffäre aus. Daraus ist nie was geworden. Aber ein Kind großziehen? Das ist etwas anderes. Ich werde Mutter. Ganz einfach.“ Emily schaukelte Mary Anne und ihre Nichte gluckste vor Freude. „Nicht wahr, meine Süße? Tante Emily wird ein Kind bekommen.“

„Aus deinen Liebesgeschichten hat sich nichts entwickelt, weil du dir nie Zeit dafür genommen hast.“

„Ich bin mit einer Menge Männer ausgegangen!“

„Ja, je ein Mal mit jedem. Vielleicht noch ein zweites Mal, wenn sie Glück hatten. Wie viele hast du mehr geliebt als deine Arbeit?“

Emily verdrehte die Augen. „Keiner von ihnen war annähernd so interessant wie mein Job. Und die meisten haben sich mehr für die Vorteile interessiert, die sie durch mich hatten, als für mich.“ Sie lächelte gutmütig. „Außerdem gibt es nur eine begrenzte Anzahl guter Männer dort draußen und ihr, Jordana und du, habt das Familienkontingent bereits abgeschöpft.“

Wendy schüttelte den Kopf und wechselte das Thema. „Wo wir gerade von Jordana reden. Wann fährst du heute in Tanners Büro?“

Tanner Redmond war die neueste Ergänzung des Fortune-Clans und hatte vor Kurzem ihre Schwester geheiratet. „Um drei. Aber um elf habe ich ein weiteres Treffen mit dem Adoptionsanwalt.“

„Dann dusche ich noch schnell, bevor du gehst.“ Rasch lief Wendy aus dem Kinderzimmer.

Emily hielt Mary Anne hoch, sodass ihre Nasen aneinanderstießen, und sagte: „Deine Mama hat ihren Platz gefunden.“ Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sich die ganze Familie gefragt, ob der Wildfang Wendy je sesshaft werden würde.

Mary Anne strampelte mit den kleinen, nackten Füßen und strahlte ihre Tante an. Emily verspürte ein wehmütiges, fast unerträgliches Verlangen. „Nächstes Jahr um diese Zeit hast du eine neue Cousine“, versprach sie ihrer Nichte. „Ihr werdet gute Freundinnen und streitet euch nie um eure Puppen, wie es Tante Jordana und ich getan haben.“ Sie und Jordana waren nur ein Jahr auseinander. Als ihre jüngere, temperamentvolle Schwester Wendy einige Jahre später auf die Welt gekommen war, waren sie beide längst in der Grundschule.

Inzwischen hatten Wendy und Jordana eigene Familien und nur sie fiel aus der Reihe. Sobald Wendy mit dem Duschen fertig war, würde sie den Adoptionsanwalt treffen, mit dem sie seit einigen Monaten zusammenarbeitete. Sollte auch dieses Gespräch zu keinem Ergebnis führen, würde sie einen weiteren Termin für eine künstliche Befruchtung bei einem Gynäkologen vereinbaren. Anschließend würde sie Tanner und seinen Marketing-Mann in dessen Büro treffen.

Auf ihre ehrliche Bemerkung, dass sie die Webseite seiner Flugschule etwas langweilig fand, hatte ihr neuer Schwager glücklicherweise nicht beleidigt reagiert. Im Gegenteil. Er hatte sie gebeten, vorbeizukommen und ihm neue Marketing- und Werbestrategien vorzustellen. Er war nicht nur Jordanas frischgebackener Ehemann, sondern auch der Vater des ungeborenen Kindes ihrer Schwester. Wie konnte sie da ablehnen?

Außerdem mochte sie Tanner.

Davon abgesehen sprach sie nicht besonders gerne über Geschäfte. Selbst das Interesse an ihren Aufgaben bei Fortune South war zweitrangig geworden. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie nicht nur geschäftliche Belange im Sinn. Sie hatte verstanden, worauf es ankam. So oder so – sie würde Mutter werden.

Es ging nicht darum, mit ihren Schwestern mitzuhalten, sondern es war die Erkenntnis, die sie an dem schrecklichen Tag gewonnen hatte, als der Tornado den Flughafen von Red Rock erschüttert hatte – scheinbar darauf aus, das Leben ihrer Familie zu verändern.

Sie war dreißig Jahre alt. Sie lebte. Sie wollte Mutter sein. Sie wollte all die Liebe, die sie von ihrer Mutter erfahren hatte, an ihr Kind weitergeben.

Max Allen schaute auf seine Armbanduhr und unterdrückte einen Fluch. Er legte einen Schritt zu, während er das Rollfeld des Flughafens von Red Rock auf seinem Weg zum Hangar überquerte, in dem die Redmond Flugschule untergebracht war. Zwar sah er der Besprechung mit Tanner Redmonds Schwägerin skeptisch entgegen, trotzdem wollte er nicht zu spät kommen.

Obwohl er bereits seit einem Monat als Tanners persönlicher Assistent arbeitete, kam ihm das immer noch unwirklich vor. Gleichzeitig musste er die offensichtliche Tatsache schlucken, dass sein Chef glaubte, er brauche Hilfe, daher hatte der ihn um das Treffen mit Emily Fortune gebeten.

Das Beste, was er tun konnte, war, alle Gründe zu vergessen, weshalb es ihm an Marketingwissen mangelte, und jede Gelegenheit zu nutzen, um so viel wie möglich von der Powerfrau und Führungskraft in Werbedingen zu lernen.

Außer Atem stieß er die Eingangstür zum Büro auf. Er kam nicht nur zu spät, man sah ihm vermutlich auch an, dass er gelaufen war. Durch das Fenster zu Tanners Büro bemerkte er einen blonden Hinterkopf. Die Frau war bereits da. Er hatte nichts anderes erwartet.

Mit einer Hand strich er sich übers Haar und atmete tief ein. Die Lady musste mit ihm vorliebnehmen, wie er war, verschwitzt und inkompetent. Früher oder später würde Tanner seinen Fehler erkennen und ihn entlassen.

Zumindest bliebe ihm dann immer noch der Teilzeitjob als Farmhelfer auf der Double Crown Ranch. Den Tieren war seine unbeständige Vergangenheit egal. Sie brauchten nur jemanden, der ihnen Futter und Wasser gab. Lily Fortune würde ihn sicher wieder als Vollzeitkraft einstellen, obwohl sie ihn dazu ermutigt hatte, sich bei Tanner um den Job in der Flugschule zu bewerben.

Er stieß die Tür zum Büro auf und schaute seinen Chef an. „Tut mir leid, ich bin spät dran.“ Es war immer besser, die Dinge direkt anzusprechen. „Ich hatte ein längeres Gespräch mit dem Leiter für Wartungsarbeiten.“ Obwohl der Flugbetrieb wieder lief, war seit dem Tornado im Dezember noch nicht alles repariert. Tanner schien nicht verärgert zu sein.

„Kein Problem.“ Er wies auf die Frau, die vor seinem Schreibtisch saß. „Emily Fortune“, stellte er vor. „Dies ist …“

„Sie!“, unterbrach die Frau ihren Schwager und stand auf.

Sie wirkte überrascht, hielt eine Hand ausgestreckt und kam auf ihn zu. Sie trug einen teuren, schwarzen Hosenanzug, der ihre schlanke Gestalt unterstrich. Das lange hellblonde Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Zwar bedeckte kein Schmutz ihr Gesicht und in ihren Haaren hing kein Schutt, dennoch hatte er diese grünen Augen, die ihn durch die schmale, schwarz umrandete Brille anschauten, nicht vergessen.

Unwillkürlich streckte auch er die Hand aus, die sie ergriff und fest schüttelte.

„Das waren Sie damals am Flughafen“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Nicht wahr?“

Er nickte. Nach der Rettungsaktion hatte er sich erkundigt, wer sie war, hatte aber gehofft, dass sie sich nicht an ihn erinnern würde. „Sie machen den Eindruck, als hätten Sie die Sache gut überstanden.“

Sie lächelte und schaute auf ihre Hand, die er weiterhin festhielt. Rasch ließ er sie los.

„Ich hatte Glück“, sagte sie. „Nur ein verstauchter Knöchel.“

„Ihr kennt euch also“, bemerkte Tanner amüsiert.

Emily Fortune steckte die Hände in ihre Jackentaschen und Max’ anfängliche Freude verschwand. Wahrscheinlich war sie es nicht gewohnt, mit Menschen der unteren Klasse in Berührung zu kommen, außer diese zogen sie unter einem zusammengestürzten Dach hervor.

„Er hat mich nach dem Tornado gerettet“, erzählte sie Tanner und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zu. „Aber wir sind uns nie vorgestellt worden.“

Sie lächelte und Max fühlte sich stark zu ihr hingezogen. „Die Rettungshelfer haben Sie herausgezogen“, erinnerte er sie.

„Es war Ihre Stimme, die mich ermutigt hat, durchzuhalten“, entgegnete sie. „Das werde ich nie vergessen.“

Er wollte ihre Dankbarkeit nicht, er hatte getan, was jeder getan hätte, aber er hatte sie nicht vergessen. Wenn sie ein normales Mädchen gewesen wäre, vielleicht. Doch sie war eine Fortune. Eine der „Fortune South“-Fortunes. Die hatten Geld, Stil und erstklassige Ausbildungen, auf die erstklassige Karrieren gefolgt waren.

Meilenweit über seiner Liga.

So blieben ihm nur die gemeinsamen Augenblicke, als sie sich verzweifelt an seine Hand geklammert und in seine Augen geschaut hatte, während ein halbes Dutzend Rettungshelfer sie aus den Trümmern befreite. Danach hatte er versucht, nicht mehr an sie zu denken. Bis jetzt. Nun tat sie ihrem Schwager einen Gefallen und würde ihm erklären, wie er seinen Job machen sollte.

Er schaute auf seine Uhr. „Wir sollten anfangen.“

Ihr selbstsicheres Lächeln schwand ein wenig. Sie wandte sich an Tanner: „Er hat recht. Zeit ist Geld. Du hast mich zwar nicht darum gebeten“, erklärte sie, „aber ich habe mir ein paar Gedanken zu deiner Webseite gemacht, die ich dir zeigen möchte. Anschließend könnten wir uns dein Marketingmaterial anschauen.“

„Das klingt alles großartig“, meinte Tanner und stand auf, „doch das muss ich dir und Max überlassen.“ Er kam hinter dem Schreibtisch hervor. „Ich fahre mit Jordana zu ihrer Ultraschalluntersuchung.“ Er wies auf den kleinen, runden Konferenztisch in der Ecke des Zimmers. „Macht es euch bequem, wenn ihr wollt. Hier ist mehr Platz als in Max’ Büro.“ Beim Hinausgehen drückte er Emilys Schulter. „Falls du dich erst mal umsehen willst, kann dir Max alles zeigen. Er kennt jeden Winkel, stimmt’s, Max?“

Max nickte, fragte sich aber, was sich Tanner dabei dachte, ihm die Sache zu überlassen.

„Wollen wir mit einem Rundgang anfangen? Dann bekomme ich ein Gefühl für das Ganze.“ Emily schaute ihn fragend an. Falls sie glaubte, ihr Know-how sei an jemanden wie ihn verschwendet, ließ sie es sich nicht anmerken.

„Gerne.“ Er trat zur Seite, damit sie aus dem Büro gehen konnte. „Wissen Sie etwas über Flugschulen?“

Sie lachte, und beim Klang ihrer Stimme wurde ihm heiß. „Nichts“, gab sie zu, als sie an ihm vorbeiging. „Sie sind hier der Fachmann.“

Er verzog das Gesicht. Offensichtlich hatte Tanner seiner Schwägerin nicht alles erzählt. Vielleicht hätte sie ihre Unterstützung verweigert, wenn sie gewusst hätte, wie wenig Ahnung er hatte. „Ich arbeite erst seit einem Monat für Tanner“, sagte er. Er wollte nichts beschönigen. Ursprünglich hatte er als Teilzeitkraft angefangen, aber vor einigen Wochen hatte Tanner ihn gefragt, ob er bereit wäre, ganz einzusteigen. Er konnte es immer noch nicht glauben. „Ich weiß so gut wie gar nichts über Marketing“, verriet er ihr.

Sie blieb stehen und schaute ihn an. „Tanner sagte, dass Sie sein Marketing-Assistent seien.“

Max hasste Titel. Vor allem, weil sie nur deutlich machten, wie unwichtig er war. Was er auch ohne sie wusste. „Assistent oder was auch immer“, meinte er. „Die Marketinggeschichte hat nur gerade Priorität. Lange bevor er mich eingestellt hat, habe ich hier die Fußböden gewischt und die Toiletten gereinigt.“ Diese Wahrheit sollte sie kennen. „Ich habe fast alles gemacht, um Flugstunden nehmen zu können.“

Sie legte den Kopf leicht schief. Der Pferdeschwanz fiel ihr auf die Schulter. „Wie haben Sie von der Flugschule erfahren?“

Er zuckte die Achseln. „Jeder in Red Rock kennt sie.“ Er hatte bereits davon gehört, bevor er die Räume je betreten hatte.

„Aber wie?“, hakte sie nach. „Radiowerbung? Plakate? Gute alte Mundpropaganda?“

Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Offensichtlich starrte er sie zu sehr an.

„Mundpropaganda.“ Er senkte den Blick.

„Mundpropaganda sollte man niemals unterschätzen. Sie kann Erfolg oder Misserfolg bedeuten“, sagte sie. „Sie können sich glücklich schätzen. Sie haben eine einmalige Perspektive.“

Erneut wurde ihm heiß. „Wieso?“

„Sie waren damals das, was heute ihr zukünftiger Kunde ist.“ Sie lief vor ihm den Gang entlang, der vom Büro zum Hinterausgang und zum Hangar führte. „Sie kennen den Grund, der Sie zur Redmond Flugschule gebracht hat.“

Verzweiflung war mit Sicherheit nicht der Beweggrund, mit dem Tanner werben wollte. Glücklicherweise ahnte Emily nichts von seinen Gedanken.

„Jetzt müssen Sie darüber nachdenken, welches das ausschlaggebende Motiv war, das Sie hierhergebracht hat.“

„Geld.“ Diese Antwort lag auf der Hand. Das galt nicht von Anfang an für ihn, aber es hatte immer schon eine Rolle gespielt.

Sie lachte auf. Offensichtlich schockte sie seine Offenheit nicht.

„Teil Ihrer Aufgabe ist es dann wohl, die Masse davon zu überzeugen, dass Fliegenlernen das Ziel ist und nicht Geld.“

„Wenn jeder wüsste, wie es sich anfühlt, da oben zu sein, bräuchten wir gar nicht zu werben.“ Er griff an ihr vorbei, um die schwere Metalltür aufzudrücken, und nahm einen leichten Parfumgeruch wahr. Dieser feminine Duft war so ungewohnt, dass er gerne länger stehen geblieben wäre, aber sie trat bereits mit wippendem Pferdeschwanz durch die Tür nach draußen.

„Das ist sogar noch besser“, sagte sie und wandte sich wieder zu ihm um. Hinter der Brille funkelten ihre Augen lebhaft. „Sie sind Teil der Werbebotschaft“, fuhr sie fort, ohne sich von seiner wortkargen Art beirren zu lassen. „Vermitteln Sie Ihrem potenziellen Kunden, wie es sich anfühlt.“

Plötzlich fingen seine Handflächen an zu jucken, und er steckte die Hände in die Hosentaschen seiner Jeans. „Wie es sich anfühlt?“, wiederholte er und verstand nur Bahnhof.

„Dort oben zu sein.“ Sie zeigte in die Wolken. „Sie haben es selbst gesagt: Wenn jeder wüsste, wie es dort oben ist, wäre keine Werbung nötig.“

Sie nahm die Brille ab, klappte sie zusammen und schob sie in die Brusttasche ihrer Jacke. Dabei warf sie ihm einen flüchtigen Blick zu, der seine Anspannung nicht gerade minderte.

„Führen Sie mich doch herum“, forderte sie ihn auf. „Bisher kenne ich Flughäfen nur aus der Sicht eines Passagiers.“

Als Erste-Klasse-Passagier, dachte er, aber er behielt den Gedanken für sich. Wenn er sich auf die äußere Beschaffenheit der Flugschule konzentrierte, würde ihn das von ihrem Äußeren ablenken.

„Dieser Bereich ist, wie man unschwer erkennen kann, der Schulungsraum.“

Emily ging zwischen den leeren Stühlen hindurch, deren Anblick sie an ihre Highschool erinnerte. Auf jedem Schreibtisch stand ein Rechner. Flüchtig fragte sie sich, wie Max wohl zu Highschool-Zeiten gewesen war. Vermutlich war er der Kapitän der Footballmannschaft und der Schwarm aller Cheerleader gewesen.

Sie war nie Cheerleader gewesen, sondern fixiert auf die Karriere im Unternehmen ihres Vaters, in der Hoffnung, dass er ihre Qualitäten erkannte. Abrupt riss sie sich von diesen Gedanken los. Seit dem Tornado hatte sie sich geschworen, nur noch an die Zukunft zu denken. Punkt.

Sie schaute hinüber zu Max. Es fiel ihr schwer, sich auf die Sache zu konzentrieren und nicht nur auf ihn.

Seine blauen Augen zogen sie wie an jenem Tag im Dezember in ihren Bann. Die Freundlichkeit in seinem Blick, an die sie sich in diesen schrecklichen Momenten geklammert hatte, war jedoch verschwunden. Jetzt konnte sie den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten.

Trotzdem fand sie ihn nach wie vor unwiderstehlich.

Innerlich schüttelte sie den Kopf und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Es war schwieriger als gedacht. „Hm. Die Abfertigungshalle ist schwer beschädigt worden. Wie groß war der Schaden am Bürogebäude?“

„Die Grundpfeiler standen noch.“

„Wirklich? Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm gewesen ist.“

„Das Dach war weg. Die Hälfte der Flugzeuge war beschädigt. Die Büros mussten entkernt und neu aufgebaut werden.“

„In so kurzer Zeit so viele Reparaturen zu bewerkstelligen ist beeindruckend.“

Er zuckte die Achseln. „Das ist Tanner.“

„Ein Mann der Tat, mit dem man rechnen muss“, bemerkte sie trocken und schaute sich kritisch im Schulungsraum um. „Was passiert hier?“

„Theoriestunden.“

„Was heißt das?“ Wieder konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. In der verwaschenen Bluejeans und dem weißen Hemd sah er umwerfend aus.

„Wie im Straßenverkehr gelten auch beim Fliegen Vorschriften, die Bestimmungen der amerikanischen Flugsicherheitsbehörde. Die muss man neben ein paar Grundlagen in der Luftfahrt lernen und anschließend einen Test machen. Alles kann einem nicht im Cockpit beigebracht werden.“ Er zuckte die Achseln. „Der Unterricht im Schulungsraum ist für den Flugschüler natürlich günstiger.“

„Wie viele Fluglehrer beschäftigt Tanner?“

Autor

Allison Leigh

Allison Leigh war schon immer eine begeisterte Leserin und wollte bereits als kleines Mädchen Autorin werden. Sie verfasste ein Halloween-Stück, das ihre Abschlussklasse aufführte. Seitdem hat sich zwar ihr Geschmack etwas verändert, aber die Leidenschaft zum Schreiben verlor sie nie. Als ihr erster Roman von Silhouette Books veröffentlicht wurde, wurde...

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