Eine verheißungsvolle Affäre

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Ein sinnlicher Mund, der zum Küssen einlädt. Blaue Augen, die alles versprechen. Und eine Figur, die seine Fantasie auf lustvolle Reisen schickt - Bodyguard Reame muss es sich eingestehen: Lachlyn ist seine Traumfrau. Während er ihr Leben schützt, stiehlt sie ihm sein Herz. Dabei will Lachlyn nicht mehr als eine heiße Affäre. Eine Beziehung ist nichts für die freiheitsliebende Archivarin. Eigentlich entspricht das ganz dem Geschmack des überzeugten Junggesellen. Warum träumt er dann plötzlich von einem Leben an ihrer Seite?


  • Erscheinungstag 18.09.2018
  • Bandnummer 2047
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722142
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lachlyn Latimore betrat die Eingangshalle des Sandsteinhauses, das vielleicht das berühmteste von Manhattan, wenn nicht gar der ganzen Welt war. Unter New Yorkern als „die Bude“ bekannt, bestand es aus fünf Stockwerken altehrwürdiger Mauern und gehörte seit Generationen der Familie Ballantyne.

Der Familie, mit der sie offenbar ihre DNA verband.

Lachlyn bedankte sich höflich bei Linc Ballantyne, als er ihr den Vintage-Mantel abnahm und ihn auf eine Chaiselongue neben der Eingangstür aus Holz und Buntglas legte. Lachlyn hoffte, dass ihm nicht auffiel, dass die Manteltasche ausgefranst war und dass ein Knopf fehlte.

Sie verschränkte die Arme vor ihrem schlichten weißen Oberteil und widerstand dem Drang, sich die feuchten Hände an ihrer engen schwarzen Jeans abzuwischen. Als neu entdeckte uneheliche Tochter von Connor Ballantyne, der als Juwelier der Reichsten und Mächtigsten der Welt in Manhattan eine Legende gewesen war, hatte sie ein Recht, sich eingeschüchtert zu fühlen. Connor war schon vor Jahren gestorben, aber seine Kinder waren so einflussreich und berühmt wie ihr Vater.

Lachlyn warf einen Blick auf das Porträt von Connor, das an der Wand direkt gegenüber der prächtigen Treppe hing. Sie hatte Connors blaue Augen, sein hellblondes Haar und seine gerade Nase geerbt. Sie hatte den zierlichen Körperbau von ihrer Mutter und die vollen Lippen, aber der Rest von ihr war ganz Ballantyne. Verdammt.

„Vielen Dank, dass du vorbeigekommen bist, Lachlyn. Lass uns ins Wohnzimmer gehen“, schlug Linc vor und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Aber bevor sie sich in Bewegung setzen konnten, klingelte es an der Tür.

Linc sah sie entschuldigend an. „Tut mir leid, das ist der Babysitter meines Sohns.“ Er ging zur Treppe, legte die Hand auf den geschnitzten Pfosten des Geländers und rief nach oben: „Shaw? Reame ist da!“

Linc öffnete die Haustür, und Lachlyn sah einen sehr großen Mann hereinkommen. Er dominierte die Eingangshalle sofort. Was für ein Babysitter, dachte sie. Während Linc und er sich die Hand schüttelten und sich dabei halb umarmten, wie Männer das eben so machten, stellte Lachlyn eine Liste der sexy Eigenschaften des attraktiven Fremden auf: karamellfarbenes Haar, sonnengebräunte olivfarbene Haut, goldener Stoppelbart. Breite Schultern, schmale Hüften und ein ziemlich spektakulärer Hintern …

Ganz was Neues. Normalerweise fiel ihr das an Männern nicht auf.

Der Mann richtete den Blick seiner klaren hellgrünen Augen auf ihr Gesicht, und sie kam sich plötzlich absolut feminin und begehrenswert vor. Lachlyn rang nach Luft, bekam keine und beschloss, dass sie gar nicht atmen musste, wenn sie ihn ansehen konnte. Sie fühlte sich sexy und mit jedem Funken Weiblichkeit verbunden, über den sie verfügte. Dieser Mann strahlte Selbstvertrauen und Kompetenz aus, und – mein Gott! – er sorgte dafür, dass sie sich lebendig fühlte.

Das war also sexuelles Begehren. Heiß, pulsierend, das schmerzliche Bedürfnis, zu berühren und berührt zu werden. Der Fremde sah wie ein moderner Sir Galahad aus, das Paradebeispiel für einen edlen Ritter: stark, zupackend, entschlossen und so sexy, dass sich im Mittelalter wie heute jede Frau nach ihm umgedreht hätte.

Aber er war nicht ihr Typ. Um einen Typ zu haben, musste man sich schließlich für Dates, Männer und Beziehungen interessieren.

Lachlyn hörte einen lauten Schrei, riss den Blick von seinen muskulösen Oberschenkeln los – warum habe ich überhaupt so weit nach unten gesehen? – und schaute auf. Sie sah einen kleinen Jungen die Treppe heruntertoben. Fünf Stufen vor dem Boden sprang er in die Luft. Lachlyn keuchte erschrocken auf. Sie stolperte vorwärts, aber bevor sie auch nur einen Schritt weit gekommen war, fing der große Mann das Kind schon auf und klemmte es sich unter den Arm wie einen Football.

Lachlyn legte sich die Hand aufs Herz und schloss die Augen. Verdammt. Sie hatte wirklich gedacht, dass das Kind ungebremst auf den Holzboden fallen würde.

„Du musst damit aufhören, Shaw“, stellte Linc fest, klang aber unbesorgt. Von den drei Erwachsenen schien sie die Einzige zu sein, die auch nur am Entferntesten an Blut, gebrochene Knochen und Platzwunden gedacht hatte.

Linc deutete auf sie. „Reame, das ist Lachlyn Latimore. Lachlyn, Reame Jepsen. Er ist mein ältester Freund. Und er hält meinen Sohn Shaw unter dem Arm.“

Der Mann stellte Shaw auf die Füße, schaute auf, und ihre Blicke trafen sich. Zack. Schon wieder bekam sie keine Luft mehr.

„Ms. Latimore.“

Seine Stimme war tief und leicht rauchig, unmerklich heiser. Lachlyn wollte wissen, wie seine Worte sich anfühlten, wenn sie auf ihre nackte Haut trafen …

Er streckte eine Hand aus, und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er sie über ihre Hüfte gleiten ließ, ihre Brust umfasste. Lachlyn spürte, wie ihr Lava in die Wangen stieg, und ignorierte seine breite maskuline Hand. Sie wagte es nicht, ihn anzufassen. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, spontan zu explodieren und Lincs Eingangshalle in Brand zu setzen.

„Hi“, murmelte sie und starrte ihre Schuhe an.

„Auch hi.“

Sie hörte seinen amüsierten Tonfall. Lachlyn zwang sich, den Blick zu heben, und ertappte ihn bei einem raschen Grinsen. Reame Jepsen genoss die Wirkung, die er auf Frauen hatte, und war kein bisschen erstaunt über ihre alberne Reaktion. Normalerweise hätte das Grinsen sie abgestoßen, aber statt angewidert zu sein, fand sie sein Selbstbewusstsein attraktiv. Sogar verführerisch.

Oh Mann. Nicht gut. Eigentlich sogar sehr schlecht.

„Onkel Reame!“

Reame löste den Blick von ihrem Gesicht. Gott sei Dank, ich habe mich wie festgenagelt gefühlt! Er sah auf Shaw hinunter, der sich an seinen muskelbepackten Arm klammerte. Ach, hör schon auf, Lachlyn! Shaw kletterte wie ein Affe an Reames Körper hoch und setzte sich ihm auf die Hüfte.

Lachlyn sah, wie der kleine Junge die Oberlippe hochzog, um Reame eine blutige Lücke in seinem Mund zu zeigen. „Ich habe meinen Sssahn verloren“, lispelte er.

„Das sehe ich“, antwortete Reame. „Du siehst eklig aus.“

Shaw grinste, sah dann aber finster drein. „Die Zahnfee ist nicht gekommen.“

Linc, der hinter Shaw stand, verzog das Gesicht. Lachlyn verstand zwar nicht viel von Kindern, aber offensichtlich hatte jemand vergessen, Shaw Geld unters Kopfkissen zu legen.

„So ein Pech. Die Zahnfee, die für diesen Bezirk zuständig ist, kann nicht die fleißigste sein“, sagte Reame und schaffte es, keine Miene zu verziehen.

„Mom sagt, es liegt daran, dass ich mein Spielzeug nicht weggeräumt habe und dass die Zahnfee ein Mädchen ist. Mädchen mögen keine unordentlichen Zimmer“, sagte Shaw angewidert.

„Vielleicht ist es das.“

Nichts ist so sexy, wie einen attraktiven Mann mit einem süßen Kind reden zu sehen, dachte Lachlyn. Sie hätten problemlos in einem Werbespot mitspielen können. Das angepriesene Produkt hätte sich wie geschnitten Brot verkauft.

„Versuch’s heute Abend noch einmal, Kumpel“, schlug Reame vor, und Lachlyns Lippen zuckten, als sie den Vergiss-das-ja-nicht-Blick sah, mit dem er Linc bedachte.

„Können wir endlich los?“, jammerte Shaw und zog ungeduldig an Reames Arm.

Reame nickte, und Lachlyn sah das Lächeln, das er dem kleinen Jungen schenkte. Es war offen und liebevoll und zehnmal so strahlend wie sein Grinsen vorhin. Offensichtlich mochte er Shaw, und Linc schien kein Problem damit zu haben, ihm seinen Sohn mitzugeben. Jeder in der Stadt wusste, dass Linc ein liebevoller Vater war. Er musste überzeugt sein, dass Shaw bei Reame sicher war.

Das ist eine unglaubliche Empfehlung, wurde Lachlyn klar. Jepsen sah ja vielleicht wie ein Sportmodel aus, aber Linc vertraute ihm seinen Sohn an, und das hieß, dass er auch etwas konnte.

Lachlyn hörte zu, wie Linc und sein Freund besprachen, wann Shaw wieder da sein sollte. Eine halbe Minute später waren der schöne Mann und der kontaktfreudige Junge weg, und sie war mit Linc allein.

Sie wollte wissen, wer Reame war und wie er in Lincs Leben gehörte. Also fragte sie danach, auch wenn das untypisch für sie war.

„Ich kenne ihn schon mein Leben lang. Als kleine Jungen haben wir im selben Viertel gewohnt“, antwortete Linc. „Als Connor meine Mom als Haushälterin eingestellt hat, sind wir hier eingezogen, und obwohl wir an verschiedenen Enden der Stadt völlig unterschiedliche Leben geführt haben, sind Reame und ich Freunde geblieben.“

Sie hätte nicht weiter nachhaken sollen, aber kein Mann hatte je solch eine Wirkung auf sie gehabt wie Reame, und sie war neugierig. „Arbeitet er für dich bei Ballantyne International?“

„Um Gottes willen, nein! Wir würden einander umbringen.“ Ihre Fragen schienen Linc nichts auszumachen. „Reame hat eine eigene Sicherheitsfirma. Er war beim Militär, bei einer dieser Einheiten, die geheime Aktionen durchführen. Er hat ein tadelloses Führungszeugnis einschließlich einiger Belobigungen für Tapferkeit. Ein paar Jahre lang habe ich ihn monatelang nicht gesehen und auch nichts von ihm gehört. So ist das eben bei den Spezialeinheiten. Dann …“ Linc zögerte.

Lachlyn sah ihn scharf an. Er wird doch jetzt nicht zu reden aufhören?

„Dann?“, hakte sie nach und ließ der Frage im Geiste eine Ohrfeige folgen.

„Es gab eine Krise in seiner Familie, und er musste nach Hause kommen. Er hat den Dienst quittiert und angefangen, als Leibwächter für Connor zu arbeiten. Er ist der geborene Unternehmer, also hat er, sobald er mehr Kunden hatte, seine Freunde aus Militärzeiten als Bodyguards eingestellt, und seine Sicherheitsfirma war geboren. Zusammen mit der Detektivarbeit und der Cybersicherheit für Unternehmen ist Jepsen & Associates eine der größten Sicherheitsfirmen der Stadt“, sagte Linc und klang stolz.

Schönheit, Kraft und Verstand. Es war gut, dass sie Reame nie wiedersehen würde. Er bedeutete Ärger.

Großen, schönen Ärger.

Als sie die Bude hinter sich ließen, ging Reame langsamer, damit Shaw nicht joggen musste, um mit ihm Schritt zu halten.

„Na Kleiner, erzählst du mir jetzt, warum du mir eine SOS-Nachricht geschickt hast? Ich dachte, wir wären uns einig, dass du das nur im Notfall darfst.“

Reame hatte sich keine Sorgen gemacht, als er vor zwei Stunden die „Hilfe!“-Nachricht von Tates Handy bekommen hatte. Er hatte zu dem Zeitpunkt gerade mit Linc telefoniert und gewusst, dass in der Bude alles in Ordnung war.

„Es war ein Notfall. Spike wollte, dass du mit mir Baseball spielen gehst.“

Aber natürlich. „Ein Notfall ist, wenn jemand verletzt ist oder wenn es brennt. Keine Nachricht von einer Bartagame übers Baseballspielen“, erklärte Reame seinem Patenkind. „Weiß Tate, dass du ihr Handy benutzt hast?“

Tate war Lincs Verlobte und der Grund dafür, dass Reames bester Kumpel jetzt mit diesem dämlichen Ich-habe-tollen-Sex-Gesicht herumlief. Eigentlich hatten aber alle Ballantyne-Männer Glück mit ihren Frauen. Es war seltsam, mitanzusehen, wie seine Kindheitsfreunde Familien gründeten. Vor nicht allzu langer Zeit waren sie noch durch Manhattan gezogen und hatten es genossen, die begehrtesten Junggesellen der Stadt zu sein. Aber inzwischen hatte sich einer nach dem anderen verliebt, und das gründlich. Reame, ein eingefleischter Junggeselle mit Bindungsängsten, hatte sich totgelacht.

Er mochte Piper, Cady und Tate, aber er selbst hatte kein Interesse daran, eine Familie zu gründen. Allein schon der Gedanke daran bescherte ihm Magenkrämpfe.

Die Ehe, das emotionale Äquivalent von Frostschutzmittel …

Verspätet fiel ihm auf, dass Shaw seine Frage noch nicht beantwortet hatte. „Na?“

„Irgendwie schon.“

Das hieß nein. Bevor Reame mit ihm schimpfen konnte, richtete Shaw die großen blauen Augen auf ihn.

„Es war ein Notfall, Onkel Ree. Ich hätte sonst zu Tante Piper gemusst, weil Dad mit der Dame reden will. Und dann hätte ich mit den Babys spielen müssen“, jammerte er. „Du musstest mich retten.“

Schlaues Kerlchen, dachte Reame, aber Shaw war auch verdammt süß. Reame seufzte und schüttelte den Kopf. Er hatte eine brutale Ausbildung überlebt und im Krieg wie im Konferenzraum heftige Kämpfe ausgefochten, aber in Shaws Händen war er Wachs. Wenn Shaw – oder sonst einer der Ballantynes – ihn anrief, ließ er alles stehen und liegen. Sie waren eine Familie. So war das eben bei ihnen.

„Die Dame war hübsch“, wechselte Shaw klug das Thema.

Hübsch? Nein. Sie war so herzzerreißend schön, dass ihm ein Schauer über den Rücken gelaufen war, und so hatte er seit Jahren nicht mehr auf eine Frau reagiert. Vielleicht noch nie.

Reame sah in Shaws freches Gesicht hinab und zog die Augenbrauen hoch. „Bist du nicht etwas zu jung, um dich für hübsche Mädchen zu interessieren?“, fragte er.

Shaw rümpfte die sommersprossige Nase.

Mein Gott, ich liebe dieses Kind, dachte Reame.

„Sie ist Opa Connors richtige Tochter. Aber er hat sie nicht adoptiert wie Dad.“

„Ich weiß.“

Als die Ballantynes von Lachlyns Bruder Tyce Latimore zum ersten Mal von der möglichen Verbindung zu ihrer Familie gehört hatten, hatte Reame sofort seinen besten Ermittler auf sie angesetzt.

Auf dem Papier war Lachlyn nichts Besonderes. Sie lebte allein und arbeitete in der New York Public Library. Nichts an ihr ließ die Alarmglocken schrillen, aber als er ihr Foto in der Akte gesehen hatte, war ihm flau geworden. Obwohl er damals nur von ihr gewusst hatte, dass sie Connors Tochter war, hatte sie ihn verstört.

Derselbe Instinkt, der in vielen brenzligen Situationen bei den Spezialeinheiten lebensrettend gewesen war, hatte ihm zugeschrien, dass Lachlyn Latimore ihn nicht unberührt lassen würde.

Die Begegnung mit ihr hat die Fledermäuse auf Drogen in meinem Bauch nicht gerade zur Ruhe kommen lassen, dachte er nun.

Reame ließ die Hand leicht auf Shaws Schulter ruhen, während sie zu einem Baseballcenter ein paar Blocks entfernt gingen. Die Fotos in Lachlyns Akte wurden ihr nicht gerecht. Das Gesicht hatte sie von Connor geerbt, auch die blauen Augen, aber ihre waren dunkler, fast violett, ihre Gesichtszüge zarter. Ihre Wangenknochen traten stärker hervor, und ihr Mund sah aus, als wäre er zum Küssen wie geschaffen. Sie war so klein, dass sie ihm kaum bis zur Schulter reichte, hatte aber ansehnliche Kurven, was umso mehr auffiel, weil sie sich sehr aufrecht hielt.

Es hatte ihm jedes bisschen Willenskraft abverlangt, sich von ihrem faszinierenden Gesicht loszureißen, um Shaw aufzufangen. Reame schauderte, als er daran dachte, wie blitzschnell Shaw hätte stürzen können, wenn er auch nur eine Sekunde später reagiert hätte. Der Junge musste endlich aufhören, sich für einen Superhelden zu halten.

Oder ich sollte mich besser konzentrieren, wenn schöne Frauen anwesend sind.

Normalerweise war das kein Problem.

Frauen mochten ihn, und er mochte Frauen, wenn er gerade Zeit für sie hatte. Die hatte er selten; die Unternehmensführung verschlang all seine Energie. Die wenige Freizeit, die er nicht mit seinen Freunden verbrachte, nahmen seine fordernden Schwestern und seine neurotische Mutter in Anspruch.

Aber jetzt hatte er endlich Zeit für sich. Seine Firma war etabliert, und seine Angestellten waren so kompetent, dass er etwas kürzertreten konnte. Für seine Familie war er auch nicht mehr verantwortlich. Nachdem sein Vater nach fünfundzwanzig Jahren Ehe einfach das Weite gesucht hatte, war Reame für seine Mutter und seine Schwestern zehn Jahre lang Kummerkasten, Bankmanager und Geldgeber gewesen. Aber nächste Woche trat seine jüngste Schwester ihre neue Stelle an, und in zwei Wochen ging seine Mutter mit seiner Tante drei Monate lang auf Kreuzfahrt.

Damit würde er auch das los sein, was seine Mom ihre „Problemchen“ nannte. Da Reame das einzige ihrer Kinder war, das in der Nähe wohnte, rief sie ihn ständig an. Sie scheute sich auch nicht, ihm so lange ein schlechtes Gewissen zu machen, bis er sie besuchte. Wenn das nicht funktionierte, erfand sie kleine Geschichten über ihre Gesundheit oder Schwierigkeiten mit ihrem Haus, damit er angerannt kam.

Die zwei Wochen konnten ihm nicht schnell genug herumgehen. Freiheit! Er würde kräftig feiern und mit wilden Frauen ausgehen, die wussten, wie der Hase lief und selbst auch nur Spaß haben wollten. Er würde all das rauslassen, was sich in den letzten zehn Jahren aufgestaut hatte, und das gründlich.

Ihm kam der Gedanke, dass er vielleicht nur etwas Wildes wollte, weil er Liebe und Bindungen scheute. Er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sein Wunsch nach Zeit für sich selbst über das Bedürfnis hinausging, über die Stränge zu schlagen. Er war stolz darauf, verantwortungsvoll zu sein, und dazu gehörte auch, keiner Frau zuzumuten, dass er vielleicht wie sein Dad in einer Ehe scheitern würde. Er war in seinem Leben noch nie gescheitert, und er hatte nicht vor, jemals damit anzufangen.

Als sie auf das Baseballzentrum zugingen, kam Reame zu dem Schluss, dass er eigentlich gleich heute Abend anfangen könnte. Sobald er Shaw bei Tate abgesetzt hatte, konnte er ausgehen, etwas unternehmen.

Er schüttelte den Kopf. Ihm war nicht danach, in einer Bar jemanden anzubaggern. Vor ein paar Monaten hatte er sich bei einer Dating-App angemeldet. Vielleicht wurde es Zeit, dass er endlich etwas daraus machte. Er hatte schon durch viele Fotos gescrollt und ein paar kurze Gespräche mit Frauen geführt, aber er hatte noch keine festen Pläne, eine von ihnen persönlich kennenzulernen.

Die Blondine mit den braunen Augen war heiß, und da war auch noch diese Psychologin, die ihn neugieriger als alle anderen machte. Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie sie aussah, aber Lachlyn Latimores Gesicht erschien auf seiner inneren Großbildleinwand.

Mit Lincs neuer Schwester auszugehen, kam aus hundert Gründen nicht infrage. Das ist kein konstruktiver Gedanke, Junge. Frustriert beschloss Reame, stattdessen zu arbeiten, und wie üblich nahm er sich vor, sich gleich morgen früh um ein Date zu kümmern.

Er zog die Tür zum Baseballcenter auf und sah nach unten, als Shaw ihn am Mantel zupfte.

„Du hörst gar nicht zu, Onkel Reame.“

Reame zuckte zusammen. Er hatte kein Wort von dem gehört, was Shaw gesagt hatte. „Tut mir leid, Kleiner. Was ist los?“

Shaw griff in seine Jacke, und Reame sah einen schuppigen Schwanz, winzige Füßchen und das mürrische Gesicht von Shaws Bartagame Spike.

„Spike möchte Pizza, wenn wir fertig sind. Nach dem Baseball hat er immer Hunger.“

Essen war nicht das, worauf Reame Hunger hatte. Wenn Lachlyn ihm allerdings anbieten würde, Pizza mit ihm zu essen, vorzugsweise nackt, dann könnte er bestimmt ein, zwei Stücke herunterbekommen.

2. KAPITEL

In der Bude führte Linc Lachlyn in ein großes Wohnzimmer. Ein Bild links an der Wand fiel ihr ins Auge, und sie keuchte auf. Das kann doch kein Picasso sein, oder? Sie gingen an einem Klapptisch aus dem neunzehnten Jahrhundert vorbei, auf dessen blank polierter Platte dicht an dicht schwere Silberrahmen mit Familienfotos standen.

Lachlyn holte mühsam Luft.

Bis zu ihrem fünfzehnten Geburtstag war es ihr größter Wunsch gewesen, ein normales Mädchen aus einer Durchschnittsfamilie zu sein. Mit einer emotional gestörten Mutter und einem älteren Bruder, der hatte arbeiten müssen, um das magere Familieneinkommen aufzubessern, war sie so gut wie allein aufgewachsen. Lachlyn hatte sich getröstet, indem sie sich ein anderes Leben ausgemalt hatte. Sie hatte Bilder von glücklichen Familien aus Zeitschriften ausgeschnitten und in Alben eingeklebt. Sie hatte die Wände ihres engen Zimmers damit gepflastert, sich Namen für ihre imaginären Geschwister ausgedacht und in Fantasien von Mitternachtssnacks, Tagen am Strand und Sonntagsfrühstücken geschwelgt.

Sie hatte Alben voller ausgeschnittener Fotos von Männern angelegt, die aussahen, als könnten sie in ihr Leben galoppiert kommen und sie retten.

Ein Sommerabend hatte ihre Illusionen platzen lassen. Lachlyns Kollision mit der Realität war brutal gewesen – sie hatte die Bilder von der Wand gerissen und ihre Alben zerfetzt. Welchen Sinn hatte es schon, in einer Traumwelt zu leben? Sie hatte sich damit abgefunden, dass sie allein war, dass sie von niemandem erwarten konnte, sie zu retten und für sie da zu sein, wenn ihre Welt zusammenbrach. Sie war der einzige Mensch, auf den sie sich verlassen konnte und wollte.

Sie war damals jung gewesen, aber ihre Entscheidung prägte ihr Leben bis heute. Kaum Freundinnen, keine Männer. Aber diese Fotos ließen sie ein klein wenig neidisch werden.

„Geht es dir gut, Lachlyn?“, fragte Linc. „Du bist etwas blass.“

Sie war keine luxuriösen Häuser voll beeindruckender Kunstwerke gewohnt, sie hatte gerade den ersten Mann getroffen, dem es gelungen war, ihr Verlangen nach mehr anzufachen, und sie hatte keine Ahnung, worum es bei dem Treffen mit den Ballantynes gehen sollte.

Ist es ein Wunder, dass ich gestresst bin?

Sie blieb stehen und drehte sich zu Linc um. Sie wollte etwas Kluges oder Charmantes sagen, aber sie sah Mitgefühl in seinen Augen. Sie wollte ihm erklären, dass sie sich überfordert fühlte. Aber es war lange her, dass sie jemandem ihre Gefühle anvertraut hatte. „Es geht mir gut.“

Lincs sanftes Lächeln ließ ahnen, dass er ihr nicht glaubte, und Lachlyn fiel auf, wie attraktiv er war. Eigentlich sahen die Geschwister alle wie Covermodels aus, und wenn sie sich nicht irrte, waren sie auch alle schon einmal auf einer Zeitschrift abgebildet gewesen. Sexy, gebildet, begabt und erfolgreich. Die Ballantynes waren eine Verkörperung des amerikanischen Traums. Doch Lachlyn, die einzige Person, die Connor Ballantynes DNA in sich trug, war alles andere als das.

„Ich habe Verständnis dafür, dass alles ein bisschen viel ist, Lachlyn“, sagte Linc. „Deshalb sind heute auch nur wir Geschwister da. Du, ich, Jaeger, Beck und Sage.“

Vier gegen eine.

Ein Treffen, dann bin ich fertig mit ihnen, dachte Lachlyn, als sie weiter in den großen Raum hineingingen, in dem eine Gourmetküche in einen Essbereich und in ein gemütliches Wohnzimmer voller Bücher und Spielzeug überging.

Jaeger und Beck standen auf und schüttelten ihr die Hand. Sage schenkte ihr aus der Ecke des riesigen Sofas ein schüchternes Lächeln. Sie hatte die Füße hochgezogen. Ihr Gesicht wirkte verhärmt, und sie hatte violette Ringe unter den Augen. Ärger mit einem Mann, schloss Lachlyn. Und der Mann, der Ärger machte, war ihr Bruder Tyce.

Obwohl es ihr peinlich war, blieb sie neben Sage stehen, beugte sich vor und legte ihr die Fingerspitzen auf den Arm. „Ist alles in Ordnung? Das Baby?“

Sage nickte. „Dem Baby geht es gut, aber dein Bruder treibt mich in den Wahnsinn.“

Lachlyn hätte ihr gern gesagt, dass Tyce ein Produkt seiner Vergangenheit war, einer Familie, die vom Familienleben keine Ahnung hatte.

„Es tut mir leid“, murmelte Lachlyn. Sie fühlte sich verpflichtet, sich zu entschuldigen. Die Latimores kannten sich einfach nicht mit Beziehungen aus. Sie brauchte ihre Einsamkeit, und Tyce hatte seine eigenen Dämonen.

Jaeger wartete, bis sie sich hingesetzt hatte, bevor er ihr ein Glas Rotwein reichte und dann seinen Platz zwischen Sage und Beck wieder einnahm. Linc setzte sich auf die Ottomane und trank einen großen Schluck Bier aus der Flasche, die Jaeger ihm in die Hand gedrückt hatte.

„Kommen wir also auf den Grund dafür zu sprechen, dass du hier bist“, sagte Linc.

Lachlyn stellte ihren Wein auf den Sofatisch und faltete die Hände. Linc würde ihr eine Abfindung anbieten, eine Pauschalsumme, damit sie ging und wieder in der Anonymität verschwand. Sie würden die Anteile von Ballantyne International, die Tyce ihr geschenkt hatte, wieder aufkaufen und alle Presseberichte über ihre Eltern unterdrücken.

Alles würde endlich wieder normal werden.

„Wir haben über deine Ankunft in unserem Leben gesprochen und über das, was sie für uns bedeutet“, sagte Linc und musterte sie unverwandt. „Das letzte halbe Jahr hat große Veränderungen mit sich gebracht. Vor sechs Monaten waren wir alle noch Singles. Jetzt haben wir Partner fürs Leben gefunden.“

Jaeger setzte sein Piratengrinsen auf. „Und es sind verdammt viele Babys unterwegs. Bei Piper, Cady, Sage …“

„Nicht alle sind Blutsverwandte, aber wir haben alle gleich lieb“, sagte Beck. Er sah Linc an und zog eine Augenbraue hoch.

Linc schüttelte den Kopf. „Tate und ich haben einen fünfjährigen Banditen und eine achtzehn Monate alte Banditin in Ausbildung“, beantwortete er die unausgesprochene Frage. „Mehr können wir im Moment nicht bewältigen.“

Lachlyn schüttelte den Kopf und versuchte, mit dem Schlagabtausch Schritt zu halten. Sie hoffte, dass Schwangerschaft nicht ansteckend war.

Ach nein, man muss ja Sex haben, um schwanger zu werden! Im selben Moment sah sie plötzlich wieder grüne Augen in einem sonnengebräunten Gesicht vor sich. Ja, so weit kommt’s noch!

„Warte ab, und sieh dir bei Jaeger an, wie es läuft. Er musste Piper ja unbedingt so schwängern, dass sie jetzt Zwillinge erwartet“, sagte Beck, legte den kräftigen Arm um Jaegers Hals und zog ihn an sich.

Lachlyn hatte zwar Spaß an der Kabbelei der Brüder, aber sie wünschte sich, Linc würde endlich seine kleine Rede fortsetzen.

„Kommen wir wieder zum Thema“, schlug Sage vor, und Lachlyn lächelte sie dankbar an. Sie würde zuhören, ihren Wein austrinken, die Abfindung ausschlagen und wieder gehen …

Linc fuhr sich durchs Haar. „Als Tyce uns erzählt hat, dass du Connors Tochter bist, waren wir schockiert. Wie du weißt, ist Connor tot, und er hatte Alzheimer, also könnten wir ihn nicht einmal mehr fragen, wenn er noch am Leben wäre. Aber DNA lügt nicht. Du gehörst eindeutig zur Familie.“

Moment mal. Das klingt nicht, als ob sie mich loswerden wollten.

Linc fuhr fort: „Wenn Connor von dir gewusst hätte, dann hätte er dich großgezogen. Er war zwar gegen die Ehe, aber nicht gegen Verantwortung, und er hat uns heiß und innig geliebt. Kinder, die ursprünglich nicht seine Kinder waren. Er hätte auch dich geliebt.“

Lachlyn traute ihren Ohren nicht. Sie betrachteten sie als Teil der Familie Ballantyne? Ich gehöre nicht zu dieser Familie, das will ich doch gar nicht!

Autor

Joss Wood

Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...

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