Eiskalte Geschäfte, heißes Verlangen

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Nichts kann Nathan Everetts Aufstieg an die Spitze von Western Oil stoppen. Außer seine Leidenschaft für Ana, die Erbin eines verfeindeten Energiekonzerns. Gerade glaubte er, ihre heimliche Affäre sei vorbei, da taucht die rothaarige Schöne wieder auf: Verführerisch wie eh und je - und mit einem Baby im Arm, das das verräterische Geburtsmal der Everetts trägt! Durch ihre brisante Beziehung steht plötzlich Nathans Karriere auf dem Spiel, und er muss sich entscheiden: Für den Job, der seinem Leben Halt gibt. Oder für Ana, in deren Armen er spürt, was Liebe ist …


  • Erscheinungstag 23.09.2012
  • Bandnummer 1738
  • ISBN / Artikelnummer 9783954461622
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Oh, oh, das war ganz und gar nicht gut.

Ana Birch warf einen betont beiläufigen Blick über die Schulter in Richtung der leicht erhöhten Terrasse des Country Clubs. Sie hoffte, dass sie sich irrte, dass ihre Augen ihr nur einen Streich gespielt hatten. Vielleicht sah der Mann in der dunklen Lederjacke ihm ja nur ähnlich!

Immerhin hatte sie seine Züge noch Monate, nachdem er sie verlassen hatte, in den Gesichtern Wildfremder wiederzuerkennen geglaubt. Den dunklen Schlafzimmerblick, den sinnlichen Schwung seiner Lippen. Seine breiten Schultern und die sehnige Figur. Und jedes Mal hatte ihr der Atem gestockt, hatte ihr Herz schneller zu schlagen begonnen – nur um gleich im nächsten Augenblick einen schmerzhaften Stich zu spüren, weil ihr klar wurde, dass es nur jemand war, der ihm ähnlich sah. Achtzehn Monate war es her, dass er ihre Affäre beendet hatte. Achtzehn Monate, seitdem sie zuletzt von ihm gehört hatte.

Ihr zweiter Versuch, einen genaueren Blick auf den hochgewachsenen Mann zu erhaschen, glückte. Er hielt einen Drink in der Hand und plauderte mit einem anderen Partygast. Ihr Herzschlag schien für einen kurzen Moment auszusetzen, und ihre Kehle schnürte sich zu. Das hier war kein Irrtum. Er war es tatsächlich.

Oh Gott. Wie hatte Beth ihr das nur antun können?

Sie schob ihren neun Monate alten Sohn Max ein bisschen höher auf ihre Hüfte und eilte über den makellosen grünen Rasen zu ihrer Cousine. Bei jedem Schritt versanken ihre Absätze im weichen Grund. Merke: Nie wieder mit spitzen Absätzen auf eine Kindergeburtstagsparty gehen!

Mit ihren engen Jeans, den kniehohen Stiefeln und dem frisch gefärbten roten Haar war Ana der wandelnde Gegensatz zu all den anderen Müttern der oberen Zehntausend, die Champagner tranken und plauderten, während sich ihre Nannys um den Nachwuchs kümmerten. Dass sie aus dem Rahmen fiel, schien jedem hier aufzufallen, denn die neugierigen Blicke folgten ihr auf Schritt und Tritt. Nicht dass sich jemand getraut hätte, die Erbin von Walter Birchs Energieimperium zu beleidigen – jedenfalls nicht in ihrer Anwesenheit.

Ihre Cousine Beth stand neben der gigantischen Hüpfburg, einem knallbunten Monstrum voller Plastikbälle und Bazillen, in dem Beths sechsjährige Tochter Piper, die heute Geburtstag hatte, mit einem Dutzend weiterer Kinder herumtobte.

Ana liebte Beth wie eine Schwester, aber im Augenblick hätte sie ihr am liebsten den Kopf abgerissen. Das hier ging eindeutig zu weit. Doch so strahlend, wie Beth ihrer Cousine entgegenlächelte, schien sie nicht mal einen Anflug von schlechtem Gewissen zu empfinden. Was Ana nicht im Geringsten wunderte. Denn Beths Leben war so unfassbar ereignislos und langweilig, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als sich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen. Aber hier ging es um mehr als harmlosen Klatsch und Tratsch.

„Maxie!“, sagte Beth und streckte die Arme aus. Max krähte begeistert und reckte sich ihr entgegen. Ana setzte ihn ihrer Cousine auf den Arm. Vermutlich hoffte Beth, mit halbwegs heiler Haut davonzukommen, solange sie ein Baby mit sich herumtrug.

„Warum ist er hier?“, zischte Ana.

„Wer?“, fragte Beth, die Unschuld in Person.

„Du weißt genau, wen ich meine!“, herrschte Ana sie leise an und sah sich erneut nach Nathan Everette um, einem der Geschäftsführer von Western Oil. Er sah genauso attraktiv und weltgewandt aus wie an dem Tag, als Ana ihn durch Beth kennengelernt hatte. Eigentlich war er überhaupt nicht Anas Typ. Schließlich war er beruflich erfolgreich und weder tätowiert noch vorbestraft. Aber er war ein hohes Tier bei Western Oil, weswegen ein Date mit ihm der ultimative Tritt in den Hintern für ihren Vater gewesen war.

Doch aus einem Drink waren zwei geworden, dann drei, und als Nathan sie gefragt hatte, ob er sie nach Hause fahren dürfe, hatte sie gedacht, was soll’s, der Typ wirkt doch absolut harmlos.

So viel zu dieser brillanten Theorie. Als er sie an der Tür geküsst hatte, war sie förmlich in Flammen aufgegangen. Obwohl sie sich in der Öffentlichkeit gerne als sexy Luder präsentierte, war sie schon damals eher das genaue Gegenteil gewesen. Tatsächlich war sie ausgesprochen wählerisch, und noch nie zuvor hatte sie gleich beim ersten Date mit jemandem geschlafen.

Doch Nathan hatte sie praktisch in ihre Wohnung gezerrt. Zwar wirkte er konservativ, fast schon steif, aber eines wusste er ganz genau: wie man eine Frau glücklich macht. In jener Nacht hatte Ana Sex in einer ganz neuen Dimension kennengelernt. Auf einmal war es nicht mehr darum gegangen, ihrem Vater eins auszuwischen. Plötzlich ging es nur noch um Nathan.

Es hatte nicht mehr als eine einzige Nacht sein sollen. Doch er hatte sie immer wieder angerufen, und sie war einfach nicht dazu in der Lage gewesen, ihn abzuweisen. Als er sie am Ende doch sitzen gelassen hatte, war sie längst Hals über Kopf in ihn verliebt gewesen. Und schwanger.

Nathan sah in ihre Richtung, und ihre Blicke begegneten sich. Ana verharrte atemlos mitten in der Bewegung. Die feinen Härchen auf ihren Armen und ihrem Nacken stellten sich auf, und ein eiskalter Schauder lief ihren Rücken hinab. Dann wandte sie mühsam den Blick ab. Röte kroch ihren Hals hinauf über ihre Wangen.

„Er war Leos Zimmergenosse auf dem College“, sagte Beth und kitzelte Max unter dem Kinn. „Ich musste ihn einladen. Alles andere wäre fürchterlich unhöflich gewesen.“

„Dann hättest du mich wenigstens warnen können!“

„Wärst du dann überhaupt gekommen?“

„Natürlich nicht!“ Schließlich hatte sie einen großen Teil der letzten achtzehn Monate darauf verwendet, ihm aus dem Weg zu gehen. Es war einfach zu riskant, ihn so nahe an Max heranzulassen. Und Beth wusste ganz genau, dass sie so dachte.

Beths sorgfältig gezupfte Braue zuckte missbilligend. „Vielleicht war ich ja der Meinung, dass du endlich aufhören solltest, dich zu verstecken. Irgendwann kommt die Wahrheit doch so oder so heraus. Also besser jetzt als später. Meinst du nicht, dass er ein Recht darauf hat, es zu erfahren?“

Wenn es nach Ana gegangen wäre, hätte er die Wahrheit niemals herausgefunden. Und abgesehen davon hatte er seine Gefühlslage mehr als deutlich dargestellt. Er mochte sie, aber an einer ernsthaften Beziehung war er nicht interessiert. Weil er keine Zeit hatte. Weil sie die Tochter seines größten Konkurrenten war. Weil ihn schon ihre Affäre seine Karriere hätte kosten können.

Und war nicht genau das das Problem, mit dem sie schon ihr ganzes Leben lang kämpfte? Auch ihrem Vater, Walter Birch, Eigentümer von Birch Energy, war sein Ruf schon immer wichtiger gewesen als das Glück seiner Tochter. Wenn er herausgefunden hätte, dass sie mit dem Geschäftsführer von Western Oil geschlafen hatte, wäre das in seinen Augen der ultimative Verrat gewesen. Nein. Der ultimative Verrat wäre wohl, dass sein geliebter Enkel das Kind eines Konkurrenten war. Für ihn war es schlimm genug gewesen, dass Ana unverheiratet schwanger geworden war. Als sie den Namen des Vaters nicht hatte preisgeben wollen, war der alte Herr so außer sich gewesen, dass er den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, bis Max fast zwei Monate alt war. Ohne den Fonds, den ihre Mutter ihr hinterlassen hatte, wäre sie samt Baby auf der Straße gelandet.

Jahrelang hatte sie nach den Regeln ihres Vaters gespielt. Sie hatte alles getan, was er verlangte, hatte die perfekte kleine Prinzessin gegeben, weil sie gehofft hatte, ihn auf diese Weise stolz machen zu können. Sie kleidete sich so, wie er es wollte, und brachte nur die besten Noten nach Hause. Doch ihr Vater war nie zufrieden. Nichts war ihm gut genug. Und da sie es als brave Tochter nicht schaffte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, war sie schließlich ein böses Mädchen geworden. Schließlich war eine negative Reaktion besser als gar keine. Jedenfalls für eine Weile. In Wahrheit hatte sie das Spiel schnell sattgehabt. Deswegen hatte sie an dem Tag, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, beschlossen, dass es endlich an der Zeit war, erwachsen zu werden.

Mittlerweile war Max der Augapfel seines Großvaters, auch wenn er „nur“ sein illegitimer Enkel war. Walter Birch plante sogar schon, eines Tages das Familienimperium an Max weiterzugeben. Sollte er aber jemals erfahren, dass ausgerechnet Nathan der Vater war, würde er nicht nur Ana, sondern auch den Kleinen enterben.

Und deswegen war es für alle Beteiligten am besten, wenn Nathan niemals erfuhr, dass er einen Sohn hatte.

„Ich will doch nur, dass du glücklich bist“, sagte Beth und gab ihr Max zurück, der angefangen hatte zu quengeln.

„Und ich glaube, dass es besser ist, wenn wir gehen“, erwiderte Ana. „Ich ruf dich später an.“

Sie wollte sich schon umdrehen, da hörte sie hinter sich Nathans unverkennbare tiefe Stimme. „Hallo, Ladies.“

Ihr Herzschlag setzte eine Sekunde lang aus, dann fing ihr Puls an zu rasen.

Verdammt noch mal. Mit dem Rücken zu Nathan erstarrte sie mitten in der Bewegung. Was sollte sie tun? Einfach weglaufen? Sich umdrehen und sich der Situation stellen? Was, wenn er auf den ersten Blick erkannte, dass Max sein Sohn war?

„Hallo, Nathan“, sagte Beth und gab ihm einen Luftkuss auf die Wange. Dann zerrte sie ruppig an Anas Arm. „Wie schön, dass du kommen konntest. Erinnerst du dich noch an meine Cousine Ana Birch?“

Ana schluckte schwer und drehte sich um. Währenddessen zog sie Max’ Wollmütze ein bisschen tiefer über sein Köpfchen, um die kleine blonde Strähne in seinem ansonsten dunklen Haar zu verbergen. Die Strähne, die er von seinem Vater geerbt hatte. Ebenso wie das Grübchen in seiner linken Wange und die melancholischen, dunkelbraunen Augen.

„Hallo, Nathan“, brachte sie mühsam hervor. Jetzt, wo sie ihm gegenüberstand, stiegen unerklärlicherweise tiefe Schuldgefühle in ihr auf. Er wollte dich nicht, ermahnte sie sich selbst. Und Max hätte er auch nicht gewollt. Du hast das Richtige getan.

Er musste von ihrer Schwangerschaft gehört haben. Immerhin war sie monatelang das Klatschthema schlechthin in der gehobenen Gesellschaft von El Paso gewesen. Dass er nicht ein einziges Mal nachgefragt hatte, ob er möglicherweise der Vater war, sagte mehr als tausend Worte.

Er wollte es gar nicht wissen.

Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sich nicht das kleinste bisschen verändert. Nicht dass sie erwartet hätte, dass eineinhalb Jahre einen großen Unterschied machen würden.

Und so kühl, wie er sie musterte, ohne einen Funken Zuneigung oder Zärtlichkeit, war sie für ihn wohl wirklich nicht mehr als ein Zeitvertreib gewesen. Eine Phase, die er hinter sich gelassen hatte.

Wie sehr sie sich wünschte, es genauso sehen zu können! Aber sie vermisste ihn noch immer. Sie wollte wieder dieses Gefühl erleben, bis in die Tiefen ihrer Seele mit einem anderen Menschen verbunden zu sein. Doch bis auf ihre Affäre mit Nathan hatte sie niemals etwas Ähnliches empfunden. Dieses Gefühl aufrichtiger Liebe, das sich ganz ohne ihr Zutun in ihr Herz geschlichen hatte. Das jedes Mal, wenn Nathan vor ihrer Tür gestanden hatte, noch größer geworden war.

Jede Faser ihres Körpers schien ihr zuzurufen, dass er der Richtige war, und sie hätte alles dafür gegeben, mit ihm zusammen zu sein: ihr Erbe, die Chance, eines Tages doch noch von ihrem Vater geliebt zu werden …

Seit Max’ Geburt war kein Tag vergangen, an dem sie nicht in das Gesicht ihres Sohnes geblickt und erneut den Schmerz durchlebt hatte, den Nathans Zurückweisung ihr zugefügt hatte. Und jetzt, wo sie ihm zum ersten Mal wieder gegenüberstand, überkam sie ein so starkes Bedürfnis, sich einfach in seine Arme zu werfen und ihn anzubetteln, sie zu lieben, dass sie fast von ihren Gefühlen überwältigt wurde.

Sie war erbärmlich, nichts weiter als erbärmlich.

„Und, wie geht es dir so?“, fragte er in einem Tonfall, der bestenfalls als höflich zu bezeichnen war. Ihren Sohn bedachte er nur mit einem flüchtigen Blick. Hatte er damals nicht mehr als deutlich gesagt, dass er an diesem Punkt seiner Karriere keine Zeit für eine Beziehung, geschweige denn für eine Frau und Kinder habe? Aber sie hatte nicht zugehört. Sie war viel zu überzeugt davon gewesen, dass mit ihr alles anders sein würde. Dass er sie lieben könnte. Bis er dann einfach gegangen war.

Sie zwang sich, denselben höflichen Tonfall anzunehmen, obwohl ihr Herz so sehr schmerzte, dass ihr fast die Knie nachgegeben hätten. „Sehr gut, und dir?“

„Ich habe viel zu tun.“

Das bezweifelte sie nicht. Die Explosion in der Raffinerie von Western Oil war überall in den Nachrichten gewesen. In der Folge hatte eine regelrechte Hetzkampagne gegen das Unternehmen begonnen, die natürlich auf dem Mist ihres Vaters gewachsen war. Und Nathans Aufgabe in der Geschäftsführung war es, den Ruf von Western Oil wiederherzustellen.

„Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet“, flötete Beth. „Ich muss mit dem Mann sprechen, der den Kuchen bringt.“ Dann warf sie ihrer Cousine einen kurzen aufmunternden Blick zu und verschwand im Getümmel.

Ana hatte gehofft, dass auch Nathan schnell wieder das Weite suchen würde. Doch stattdessen beschloss er, ausgerechnet jetzt Max zur Kenntnis zu nehmen.

„Ist das dein Sohn?“

Sie nickte. „Max.“

Für einen Moment zuckte der Anflug eines Lächelns über Nathans Züge. „Er ist niedlich. Hat deine Augen.“

Max spürte sofort, dass es um ihn ging, und begann auf ihrem Arm herumzuruckeln. Nathan streckte die Hand aus und umfasste die winzige Faust des Babys. Der Anblick traf Ana bis ins Mark. Vater und Sohn, zum ersten Mal vereint … Und hoffentlich auch zum letzten Mal. Tränen brannten in ihren Augen, und das Gefühl endgültigen Verlustes durchbrach all die Mauern, die sie in sich errichtet hatte, um sich vor Nathan zu schützen. Sie musste weg hier, bevor sie etwas sehr, sehr Dummes tat. Beispielsweise mit der Wahrheit herauszuplatzen und diese unangenehme Situation in eine absolute Katastrophe zu verwandeln.

Sie drückte Max fester an sich, was dem Kleinen ganz und gar nicht gefiel. Er quakte und wand sich und schüttelte seine kleinen Ärmchen, wobei ihm die Mütze vom Kopf rutschte und ins Gras fiel.

Verdammt.

Nathan reagierte sofort und bückte sich, um sie aufzuheben. Währenddessen legte Ana schützend ihre Hand um Max’ Köpfchen und verdeckte so die blonde Strähne. Doch als Nathan ihr die Mütze reichte, musste sie gezwungenermaßen loslassen. Zwar versuchte sie, sich so von Nathan abzuwenden, dass er das Baby nicht sehen konnte, doch wieder machte Max ihr einen Strich durch die Rechnung. Denn er protestierte lautstark und streckte die Ärmchen nach Nathan aus.

Bitte, bitte, sieh nicht so genau hin, flehte Ana lautlos, während sie ihrem Sohn die Mütze aufsetzte. „Also, Nathan, es war schön, dich wiederzusehen, aber ich muss jetzt los.“ Ohne seine Antwort abzuwarten, machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte davon.

Doch sie war kaum ein paar Schritte weit gekommen, da schloss sich Nathans warme, kräftige Hand um ihren Unterarm. Die Berührung fühlte sich an wie ein Stromschlag.

„Ana?“

Sie fluchte leise in sich hinein und drehte sich zu ihm um. Als sich ihre Blicke trafen, wusste sie sofort, dass er begriffen hatte.

Verdammt, verdammt, verdammt!

Natürlich blieb ihr noch die Möglichkeit, einfach alles zu leugnen. Aber das wäre eine tatsächliche Lüge und damit etwas ganz anderes, als die Wahrheit einfach zu verschweigen. Und abgesehen davon hätte sie irgendwie erklären müssen, warum ihr Sohn dieselbe ungewöhnliche Haarsträhne hatte wie Nathan.

Andererseits – was konnte es schon schaden, wenn er es wusste? Er hatte klipp und klar gesagt, dass er keine Kinder wollte. Wahrscheinlich war es ihm sogar egal, dass er einen Sohn hatte, solange sie nur versprach, dass sie niemandem sonst davon erzählen und keine Ansprüche geltend machen würde. Was sie auch überhaupt nicht nötig hatte. Schließlich konnten Max und sie bequem von ihrem Erbe leben.

Wieder streckte Nathan die Hand aus, doch diesmal legte er sie zärtlich um die Wange seines Sohnes und drehte sein Köpfchen, damit er die Strähne besser begutachten konnte.

Ana kannte die Redewendung „kreidebleich werden“. Aber sie hatte noch niemals beobachten können, wie das in der Realität aussah. Bis heute jedenfalls. Oh ja, Nathan wusste Bescheid, und offenbar hatte er überhaupt nicht damit gerechnet.

„Können wir kurz unter vier Augen miteinander reden?“, fragte er durch zusammengebissene Zähne.

„Wo?“ Auf der Party waren mindestens zweihundert Gäste, die allesamt davon ausgingen, dass Ana und Nathan nicht sonderlich viel Gesprächsstoff hatten. Sie mussten einen Ort finden, an dem sie keine Aufmerksamkeit erregen würden.

„Schließlich willst du ja wohl nicht mit der Tochter deines größten Konkurrenten gesehen werden, oder?“ In ihrer Stimme schwang all die Wut mit, die sie monatelang unterdrückt hatte. „Wer weiß, was die Leute denken würden!“

Nathans Blick wurde hart. „Dann beantworte mir nur diese eine Frage: Ist er mein Sohn?“

Oh Gott. Wie oft hatte sie diesen Augenblick in Gedanken durchgespielt? Hunderte von Malen hatte sie dieses Gespräch geübt, überlegt, wie sie antworten würde. Doch jetzt war ihr Kopf wie leer gefegt.

„Antworte mir!“, herrschte er sie leise an. In diesem Augenblick klang er genau wie ihr Vater.

Hast du tatsächlich eine Flasche von meinem guten Scotch in die Party-Bowle geschüttet? Antworte mir, Ana Marie Birch!

Sie wusste, dass sie Nathan eine Antwort schuldete. Aber sie brachte nicht mehr zustande als ein steifes Nicken.

Nathan fluchte leise in sich hinein, und seine Augen blitzten wütend auf. Sein Griff um ihren Arm war so fest, dass ihre Finger taub wurden. In all der Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, hatte sie nicht ein einziges Mal erlebt, dass Nathan auch nur seine Stimme erhob. Wahrscheinlich war er einfach nur zornig, weil er sich hintergangen fühlte. Aber sobald sie ihm erklärt hätte, dass er keine Verantwortung für Max übernehmen musste, war er bestimmt erleichtert. Wahrscheinlich bedankte er sich am Ende noch dafür, dass sie ihn aus der Sache herausgehalten und so seine Wünsche respektiert hatte. Dann würde er gehen, und sie würden einander niemals wiedersehen.

Oder – und diese Möglichkeit verstörte sie so sehr, dass sie am liebsten gar nicht darüber nachgedacht hätte – er hatte tatsächlich vor, ein Teil von Max’ Leben zu werden. Was, wenn er ein Besuchsrecht einforderte? Was, wenn er mitentscheiden wollte? Wenn er vorhatte, ihr Max wegzunehmen?

Bei dem bloßen Gedanken drückte sie ihren Sohn fester an ihre Brust. Neun Monate lang war er ihr Lebensinhalt gewesen. Der einzige Mensch, der sie wirklich liebte und brauchte. Nein, sie würde niemals zulassen, dass irgendjemand zwischen sie und Max trat. Vor allem nicht Nathan, der nicht einmal Zeit für eine Beziehung hatte.

„Hattest du überhaupt vor“, stieß Nathan hervor, „mir jemals davon zu erzählen?“

„Um ehrlich zu sein“, erwiderte sie und hob in einer kämpferischen Geste das Kinn, um ihre Angst zu verbergen, „dachte ich nicht, dass es dich interessiert.“

2. KAPITEL

Er hatte einen Sohn.

Die Vorstellung wollte einfach nicht in seinen Kopf. Und Ana irrte sich. Denn es interessierte ihn. Wahrscheinlich mehr, als gut für ihn war. In dem Augenblick, in dem er gesehen hatte, wie sie mit Beth plauderte, hatte sein Herz einen so heftigen Sprung getan, dass es ihm fast den Atem geraubt hätte. Und als sich dann ihre Blicke trafen, hatte ihn ein überwältigendes Bedürfnis überkommen, ihr nahe zu sein. Wie ferngesteuert war er die Verandatreppe hinunter und auf sie zugelaufen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was für Folgen seine Handlungen haben könnten.

Nachdem er ihre Affäre beendet hatte, war über Wochen hinweg kein Tag vergangen, an dem er sich nicht plötzlich mit dem Telefonhörer in der Hand wiedergefunden hatte. Er hatte ihr sagen wollen, dass er einen Fehler gemacht hatte. Dass er sie zurückwollte. Auch wenn das wohl das Ende seiner Karriere bei Western Oil bedeutet hätte.

Doch er hatte so hart dafür gearbeitet, so weit zu kommen. Es wäre einfach dumm gewesen, all das zu opfern – für eine Beziehung, die vom ersten Moment an zum Scheitern verurteilt war. Also hatte er das einzig Sinnvolle getan: Ana Birch hinter sich gelassen. Nur dass er im Augenblick nicht wirklich sicher war, dass ihm das auch gelungen war.

Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, offenbar tat er ihr weh. Verdammt. Er ließ sofort los und zwang sich, seine Wut zu unterdrücken. Gott, er hatte doch sonst niemals Probleme, die Kontrolle zu behalten! Was hatte diese Frau an sich, dass sie mit ihrer bloßen Anwesenheit all seine Selbstbeherrschung zunichtemachte?

„Wir müssen reden“, flüsterte er unterdrückt. „Jetzt.

„Das hier ist wohl kaum der richtige Ort.“

Womit sie absolut recht hatte. Wenn sie zusammen verschwanden, würde es eine Menge Gerede geben.

„Okay, dann lass uns folgendermaßen vorgehen. Du verabschiedest dich jetzt von Beth und fährst nach Hause. Ich folge dir mit einer Viertelstunde Abstand. Wir treffen uns dann in deiner Wohnung.“

Sie hob ihr Kinn noch ein bisschen weiter. „Und was, wenn ich Nein sage?“

Sie versuchte, knallhart zu wirken, indem sie die Trotzkarte spielte. Aber er kannte sie viel zu gut, um darauf hereinzufallen. Nathan wusste, dass sich hinter ihrem unnahbaren, selbstbewussten Auftreten eine Frau verbarg, die genauso viele Ängste und Unsicherheiten in sich trug wie jeder andere Mensch auch.

„Davon würde ich dir abraten“, sagte er. „Und abgesehen davon sind wir uns ja wohl einig, dass du mir zumindest eine Erklärung schuldest.“

Selbst Ana konnte das nicht leugnen, und so erwiderte sie nach kurzem Zögern: „Na gut.“

Was hätte sie auch sonst sagen sollen? Sie mochte stur und sogar ein klein wenig verzogen sein, aber sie war auch eine ausgesprochen intelligente Frau.

Nathan beobachtete, wie sie auf ihren viel zu hohen Absätzen über den Rasen davonstolzierte. Nuttenstiefel hätte sein Bruder Jordan gesagt. Nicht unbedingt das Outfit, das man von einer Milliardenerbin erwartet hätte – und noch viel weniger von einer Mutter. Aber Ana hatte noch nie gerne nach den Regeln gespielt. Und genau das war der Grund, aus dem Nathan sich wie magisch von ihr angezogen gefühlt hatte. Ihr Selbstbewusstsein und ihre unglaubliche Courage hatten ihn einfach angemacht.

Zumal er ansonsten nur mit „angemessenen“ Frauen zusammen gewesen war. Frauen, die ihn genau da haben wollten, wo er war. Die niemals zugelassen hätten, dass er vom „rechten Weg“ abkam. Doch dann hatte er herausgefunden, dass Ana bei Weitem nicht so verdorben war, wie sie die Leute glauben machte. Tatsächlich hatte sie ihn weitaus mehr auf den rechten Weg gebracht als jede Frau zuvor.

Nathan entdeckte Beth und ging zu ihr hinüber. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie eingeweiht war. Und wenn man der Miene trauen konnte, die sie gerade zog, wusste sie auch genau, was gerade passiert war.

„Sie hat Leo und mich schwören lassen, dass ich nichts verrate“, rechtfertigte Beth sich, ehe er auch nur ein Wort sagen konnte.

„Du hättest es mir trotzdem sagen sollen.“

Sie schnaubte. „Als ob du es nicht sowieso schon längst gewusst hättest.“

„Woher denn bitte?“

„Komm schon, Nathan. Du trennst dich von einer Frau, und einen Monat später tratschen alle darüber, dass sie schwanger ist. Willst du mir ernsthaft weismachen, dass du nie auf die Idee gekommen bist, das Kind könnte von dir sein?“

Natürlich hatte er daran gedacht. Eine Zeit lang hatte er jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, gedacht, es wäre Ana. Er hatte darauf vertraut, dass sie es ihm sagen würde, wenn sie ein Kind von ihm erwartete. Als sie sich nicht gemeldet hatte, war er davon ausgegangen, dass ein anderer der Vater war. Was in seinen Augen bedeutet hatte, dass Ana sich ziemlich schnell über ihn hinweggetröstet hatte. Und das wiederum hatte ihn zutiefst gekränkt.

Aber offenbar gab es keinen anderen. Was ihm im Augenblick allerdings auch keinen Trost spendete.

„Es war falsch von ihr, mir nichts zu sagen“, beharrte er.

„Ja, keine Frage. Aber – und sie würde mich umbringen, wenn sie erfährt, dass ich dir das erzähle – du hast ihr das Herz gebrochen, Nathan. Sie war am Boden zerstört, als du Schluss gemacht hast. Also sei bitte nicht ganz so streng mit ihr.“

All das war keine Entschuldigung dafür, dass sie ihm sein Kind vorenthalten hatte. „Ich muss los. Gib dem Geburtstagskind einen Kuss von mir.“

Beth zog besorgt die Brauen zusammen. „Geh vorsichtig mit ihr um, Nathan. Du hast keine Ahnung, was sie alles durchgemacht hat. Die Schwangerschaft, die Geburt … sie war ganz auf sich gestellt.“

„Sie hat es sich selbst so ausgesucht. Immerhin hatte sie im Gegensatz zu mir eine Wahl.“ Nathan wandte sich ab. Er war zu wütend und enttäuscht, um Beth weiter zuzuhören. Konnte es sein, dass ihn wirklich alle Menschen, denen er vertraute, verraten hatten?

Doch während er zum Parkplatz lief, begriff er, dass er nichts anderes hatte erwarten können. Er und Beths Mann Leo hatten sich seit dem College immer weiter voneinander entfernt. Ana und Beth hingegen standen sich nahe. Sie waren nicht nur Cousinen, sondern auch Freundinnen. Entsprechend war es kein Wunder, dass Beths Loyalität ganz klar bei Ana lag.

Abgesehen davon hatte er sowieso den Verdacht, dass er tief in sich von Anfang gewusst hatte, dass er der Vater war. Vielleicht hatte er die Wahrheit einfach nicht wissen wollen. Vielleicht hatte er Ana deswegen nie wieder angerufen. Und vielleicht jagte ihm die Wahrheit eine Riesenangst ein. Wie sollte er mit der Lage umgehen? Was sollte er Adam Blair sagen, seinem Chef bei Western Oil? Ach, was ich dir noch sagen wollte: Ich habe neuerdings einen Sohn. Und seine Mutter ist Ana Birch, die Tochter unseres Erzfeindes.

Schon vor Monaten wäre das ein Desaster gewesen. Doch jetzt, seit die Raffinerie explodiert war und Birch Energy unter Verdacht stand, an dem Vorfall beteiligt zu sein, stand noch viel mehr auf dem Spiel. Wenn jetzt herauskam, dass er der Vater von Birchs Enkel war, würde er nicht nur seine Chance auf den Posten als Vorstand verlieren, sondern vermutlich auch den Job, den er bereits hatte.

Und außerdem hatte er nicht den blassesten Schimmer, was es bedeutete, ein Kind zu haben. Na gut, er wusste, dass man so ziemlich alles anders machen musste als sein eigener Vater. Aber das ließ immer noch unendlich viel Spielraum für Fehler.

Er war damals so oft in Anas Wohnung in Raven Hill gewesen, dass er wie auf Autopilot fuhr. Als er seinen Porsche in die Einfahrt lenkte, wartete dort bereits ein weißer Luxus-SUV. Offenbar hatte Ana ihren Sportwagen gegen ein praktischeres Gefährt eingetauscht. Weil das Entscheidungen waren, die verantwortungsbewusste Eltern trafen. Und in einem Punkt war er sich absolut sicher: Ana war eine gute Mutter. Sie hatte ihm oft davon erzählt, wie schrecklich es für sie gewesen war, ihre Mutter zu verlieren und von ihrem Vater einfach ignoriert zu werden. Und sie hatte ihm erzählt, dass sie alles für ihre Kinder tun würde, wenn sie eines Tages eine eigene Familie hatte.

Nathan und sein Bruder Jordan hatten genau das umgekehrte Problem. Ihr Vater hatte sie keine Sekunde lang in Ruhe gelassen, hatte ihnen seine Prinzipien eingebläut und sie von jeher gezwungen, sich stets genauso zu verhalten, wie er es getan hätte. Nathan hatte rebelliert, hatte Tag für Tag Machtkämpfe mit seinem Vater ausgetragen. Doch irgendwann hatte er es übertrieben und dabei einen Teil seiner selbst verloren.

Er parkte neben dem SUV und bewegte seinen Kopf ein paar Mal hin und her – er hatte das Lenkrad so fest umklammert, dass sein Nacken schmerzte. Er musste sich entspannen. Ja, er war stinksauer. Aber wenn er voller Wut und Vorhaltungen auf Ana zuging, würde sich die Situation nicht bessern.

Er atmete tief durch, stieg aus dem Wagen und betrat die Veranda. Ana stand schon in der Wohnungstür und wartete auf ihn. So wie sie es früher immer getan hatte. Da sie sich nicht in der Öffentlichkeit miteinander blicken lassen konnten, hatten sie sich meist hier getroffen. Im Unterschied zu früher fielen sie diesmal aber nicht sofort übereinander her, kaum dass Ana die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Diesmal gab es keinen langen, intensiven Kuss, der den Stress nach einem langen Arbeitstag einfach so von ihm abfallen ließ. Wie sie wohl reagieren würde, wenn er sie jetzt einfach an sich zog und küsste?

Autor

Michelle Celmer

Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...

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