Finger weg vom Playboy-Boss!

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"Sobald dir eine Frau verfallen ist, verlierst du das Interesse!" Sabrina hat längst durchschaut, wie ihr sexy Playboy-Boss Cal Langtry tickt. So ein Mann ist nichts für sie! Trotzdem ist sie machtlos gegen das erregende Prickeln, das sie in seiner Nähe verspürt …


  • Erscheinungstag 22.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735128
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Madam findet es sicher sehr schön, stimmt’s?“ Beifall heischend blickte sie der Verkäufer hinter der Vitrine an.

Sabrina Innis betrachtete das mit Diamanten besetzte Armband an ihrem Handgelenk. „Ja, der Madam gefällt es.“ Sie nickte dem jungen Verkäufer zu und sah dann zu ihrem Boss. „Sehr exklusiv. Und obendrein noch zehn Karat. Vielleicht doch lieber einen kleinen Sportwagen? Das wäre bestimmt billiger.“

Calhoun Jefferson Langtry richtete sich mit seinen eins neunzig auf und hob die Augenbrauen. „Der Preis spielt keine Rolle, das müsstest du mittlerweile von mir wissen. Es soll eine ernst gemeinte Geste sein, aber auch elegant.“

Sie öffnete das Armband und legte es neben die anderen Schmuckstücke der engeren Auswahl: einen goldenen Armreif mit eingearbeiteten Diamanten und Smaragden und eine Rolex. „Ich erkenne das Prinzip“, stellte sie fest. „Lauter Schmuckstücke fürs Handgelenk. Fast wie Handschellen. Ist das deine Art, Tiffany mitzuteilen, dass sie dich nicht so eng hätte an sich binden sollen?“

Für diese Bemerkung handelte sie sich von Cal ein Stirnrunzeln ein, das sie mit einem Lächeln erwiderte.

„Dies hier.“ Sie deutete auf den Armreifen mit den Smaragden und Diamanten.

Der Verkäufer wartete auf Cals Zustimmung.

„Sie haben die kleine Lady gehört. Packen Sie’s ein.“

„Ja, Sir.“

Sabrina richtete sich auf. Nach sechs Jahren in Texas war sie es gewohnt, kleine Lady genannt zu werden. Schon oft hatte sie Cal vorgeworfen, er benehme sich diesbezüglich wie in einem alten Western mit John Wayne.

Natürlich zeigte er sich auch gern als weltgewandter Großstädter, der über die Politik und die Finanzmärkte plaudern und zu jedem Essen den perfekten Wein auswählen konnte. Aber in ihrer Gegenwart war er einfach Cal Langtry, der reiche Öl-Tycoon und Playboy aus Texas.

Sie sah auf das Schmuckstück, das der Verkäufer gerade in eine Samtschachtel legte. Schon sehr bald würde dieser Playboy wieder Single sein. „Weiß Tiffany es schon?“

Cal unterschrieb gerade die Kreditkartenquittung, und Sabrina nahm dem Verkäufer das Geschenk ab. Sie war dafür verantwortlich, einen angemessenen Text zu verfassen und die Karte samt Geschenk an die Empfängerin zu schicken.

Cal ging zum Ausgang voraus und hielt ihr die Tür auf. „Eher nicht.“

Grelles Sonnenlicht und die Frühlingshitze schlugen Sabrina entgegen. Sie lebte hier zwar schon so lange, aber an die hohe Luftfeuchtigkeit hatte sie sich immer noch nicht gewöhnt. Fast meinte sie zu spüren, wie sich ihre Haare wieder lockten. Wieso erfand eigentlich niemand ein Haarspray, das auch dem Wetter in Houston standhielt?

Sie gingen zur parkenden Limousine. Wie immer wartete Cal höflich, bis Sabrina sich gesetzt hatte.

Sie stellte sich gern vor, dass er das nur tat, um zuzusehen, wie ihr der Rock an den Schenkeln nach oben rutschte. Doch Cal sah gar nicht hin.

Besser so, dachte sie. Wenn ich derart gut aussähe wie mein Boss, dann würden wir überall einen Menschenauflauf verursachen.

Sabrina war eher der Typ, der unbemerkt in der Menge untertauchen konnte.

Behutsam legte sie das Päckchen zwischen Cal und sich auf den Rücksitz. „Ein Geschenk von Tiffany für Tiffany. Ob das deiner zukünftigen Ex wohl auffällt?“

„Fang nicht so an.“ Cals Tonfall klang warnend. „Tiffany ist ein Prachtmädchen.“

„Da kann ich nur voll und ganz zustimmen.“

„Okay, sie ist nicht gerade die klügste Person auf unserem Planeten.“

„Die Untertreibung des Jahres.“

Cal runzelte die Stirn.

Sabrina spielte die Verängstigte und ließ sich in ihre Ecke der Rückbank sinken. „Oh, Mr. Langtry, bitte bestrafen Sie mich nicht für meine unbedachte Frechheit. Ich bin doch nur Ihre kleine Angestellte. Ich brauche diesen Job, um meine verwaisten Brüder und Schwestern zu versorgen. Ich werde alles tun, damit Sie mir wieder wohlgesonnen sind.“ Zur Bekräftigung schlug sie die Augen nieder.

Cal wandte sich ihr zu. „Verdammt, Sabrina, wieso kann ich dir nicht böse sein?“

„Weil ich immer recht habe, und weil du insgeheim weißt, dass ich klüger bin als du. Deshalb fühlst du dich von mir eingeschüchtert, aber das willst du dir nicht anmerken lassen.“

„Träum weiter.“ Er deutete auf das Geschenk. „Wieso diesen Armreifen und nicht das Armband oder die Rolex?“

Einen Moment lang sah sie ihn schweigend an. „Die Wahrheit?“

„Oh, ich ahne es schon. Die Gründe werden mir nicht gefallen. Aber nur zu: Sag mir die Wahrheit.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Tiffany ist ein süßes Mädchen, aber noch sehr jung. Ihr Geschmack ist … sagen wir mal … noch nicht ganz entwickelt. Das Diamantarmband war schön, aber schlicht. Mit den Smaragden funkelt dieser Armreifen noch stärker, und das wird ihr sicher gefallen.“

„Einverstanden. Und wieso nicht die Armbanduhr?“

„Cal, wir sprechen hier von Tiffany. Die Rolex war keine Digitaluhr, und ich bin mir nicht sicher, ob Tiffany auch von einer Uhr mit Zeigern die Zeit ablesen kann.“

„Erinnere mich dran, dass ich dich entlasse, sobald wir wieder im Büro sind.“

„Du hast dich doch für Tiffany als Freundin entschieden. Und ich darf mich jetzt um die Abwicklung des Beziehungsendes kümmern. Was soll auf der Karte stehen?“

Er verlagerte sein Gewicht. „Irgendwas Nettes. Dass die Zeit mit ihr toll war, aber dass wir verschiedene Ziele im Leben haben. Das Übliche. Und wieso hast du ständig was an den Frauen auszusetzen, mit denen ich zusammen bin?“

„Frauen? Tiffany ist gerade mal zwanzig. Wenn du dir tatsächlich mal eine richtige Frau als Partnerin nimmst, hätte ich bestimmt nichts auszusetzen.“

„Colette war schon fast achtundzwanzig. Die zählt.“

Richtig. Vor Tiffany war Shanna gewesen, und davor Colette. „Okay, Colette zählt als richtige Frau.“ Sabrina seufzte. „Aber …“

„Aber? Worauf willst du hinaus?“

„Auf das Gleiche wie immer: Du bist einigermaßen gescheit …“ Seinen zornigen Blick ignorierte sie einfach. „Halbwegs gut aussehend.“

Die Zornesfalte auf seiner Stirn vertiefte sich.

Sabrina war klar, dass das nicht stimmte. Cal als „halbwegs gut aussehend“ zu bezeichnen, war so, als würde man New York City ein „großes Dorf“ nennen.

„Du kannst vollständige Sätze formulieren und bist ein sehr erfolgreicher Mann. Trotzdem hast du in den sechs Jahren, die ich dich jetzt kenne, nicht eine ernsthafte Beziehung gehabt. Du bist jetzt vierunddreißig. Wann willst du endlich sesshaft werden?“

„Ich hatte lange Beziehungen.“

„Es zählt nicht, wenn man die Anzüge jahrelang in dieselbe Reinigung bringt. Sieh’s ein, Chef, dich interessiert nur die Eroberung. Sobald dir eine Frau verfallen ist, verlierst du das Interesse. Sehnst du dich niemals nach mehr?“

Düster sah er sie aus seinen braunen Augen an. „Mein Privatleben geht dich nichts an.“

Sie hob das Päckchen mit Tiffanys Geschenk. „Es ist Teil meines Jobs.“ Ihre Worte klangen jetzt nicht mehr scherzhaft.

Unwillig stieß er die Luft aus.

Diesen Laut kannte Sabrina. Er wollte nicht mehr darüber sprechen. Manchmal ging sie darüber einfach hinweg, wenn ihr das Thema wichtig war, aber diesmal gab sie Ruhe. Abgesehen von diesen Abschiedsgeschenken hielt sie sich tatsächlich aus seinem Privatleben heraus. Sie bewunderte Cal in vieler Hinsicht, aber nicht wegen seiner Frauengeschichten.

Die Limousine hielt vor dem westlichen Gebäudekomplex im Galleria-District von Houston.

Sabrina stieg aus, trat in die Hitze und lächelte Cals Chauffeur zu. Dann folgte sie ihrem Chef in das Gebäude, in dem sich die Büros von „Langtry Oil and Gas“ befanden.

Die Geschäftsräume nahmen die obersten drei Stockwerke des Hochhauses ein. Während Cal direkt zu seinen Zimmern ging, blieb Sabrina noch bei ihrer Sekretärin Ada stehen, um sich die Post zu holen und einen kleinen Plausch zu halten.

„Was hast du ausgesucht?“ Lächelnd beugte Ada sich vor. Sie war Mitte fünfzig und arbeitete hier schon seit Jahren.

Als Sabrina ihre Stelle angetreten hatte, war ihr die Entscheidung über eine passende Assistentin sehr wichtig gewesen. Ada galt als eigenwillig und manchmal mürrisch, aber sie kannte sich bestens im Ölgeschäft aus, und ihr entging kein einziges Gerücht im gesamten Konzern.

Sabrina reichte ihr das Päckchen für Tiffany, und Ada zog die Augenbrauen hoch. „Tiffany für Tiffany? Diesen Scherz bekommt das Mädchen sicher gar nicht mit.“

„Dachte ich mir auch, aber ich fand’s trotzdem witzig.“

Während Ada die Schmuckschachtel öffnete und den Armreifen betrachtete, sah Sabrina ihre Post durch. „Was gibt’s Neues?“

„Nummer zehn stößt bestimmt noch heute Nacht auf Öl, spätestens morgen. Die Ingenieure sagen zwar, es dauert mindestens noch drei Tage, aber das glaube ich nicht.“ Ada probierte den Armreifen an, packte ihn wieder ein und seufzte. „Eine wirklich gute Wahl. Sie wird ihn lieben.“

„Das soll sie auch. Um ihr den Verlust etwas leichter zu machen. Mir persönlich wäre allerdings Bargeld lieber.“

„Mir auch. Sag Cal bitte, dass ich bereit bin. Unsere Affäre kann jederzeit beginnen. Oder wir überspringen die Affäre einfach und kommen gleich zum Abschiedsgeschenk. Ich möchte etwas mit Bon, das ich ohne Schwierigkeiten wieder zurückgeben kann. Denk dran, wenn du’s aussuchst, Sabrina.“

Lachend stand Sabrina auf. „Klar, ich sag’s ihm. Aber ich weiß nicht, ob ihm das gefällt, dass du nur an dem Geschenk interessiert bist und nicht an ihm. Er hält sich selbst für den absoluten Hauptgewinn.“

„Ist er ja auch. Aber ich könnte seine Mutter sein. Du dagegen …“

„Schluss jetzt, Ada. Kein Interesse, das weißt du.“ Sie ging den Flur entlang. „Bis später.“

„Du kannst nicht immer immun gegen ihn bleiben“, rief Ada ihr nach.

„Doch, das kann ich.“ Sabrina stieg die elegante Wendeltreppe hinauf zu den Büros der leitenden Angestellten. Sie hatte Ada angeboten, auch ins obere Stockwerk zu ziehen, aber Ada hatte gemeint, sie müsse unten bleiben, sonst würde ihr nicht mehr jedes Gerücht zu Ohren kommen.

Sabrina sortierte die Eingangspost. Nichts Eiliges, nichts, was sie nicht selbst klären konnte. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und sah kurz ihre E-Mails durch, dann ging sie zu Cals Bürotrakt.

Zwei Wände des Eckbüros waren komplett verglast. Der Schreibtisch wirkte fast so groß wie ein Hubschrauberlandeplatz, und außer einem riesigen Besprechungstisch und zwei Sitzgruppen aus Leder gab es noch einen Flachbildschirm an der Wand und einen temperierten Weinschrank. Sogar eine richtige Küche mit Essbereich grenzte an das Büro, zudem ein großes Bad mit Dusche und Whirlpool. Ein eigener Fahrstuhl führte direkt hinunter in die Tiefgarage.

Sabrina ging zum Schreibtisch, hinter dem Cal telefonierte, und versuchte, die fantastische Aussicht über die Stadt zu ignorieren. Von hier aus hatte sie schon Gewitter gesehen, wunderschöne Sonnenuntergänge und sogar einen Tornado, der am Horizont übers Land gefegt war. Für ihren Geschmack gab es in Texas viel zu viel Wetter. Sie vermisste den Süden Kaliforniens, wo man die Jahreszeiten nur an der Art der Kleidung erkannte, die gerade in den Schaufenstern hing.

Cal beendete das Telefonat und bat sie, Platz zu nehmen.

Sie setzte sich in einen der Ledersessel und legte das Päckchen für Tiffany auf den Sessel daneben.

Einen Moment sah Cal ihr in die Augen, dann wandte er den Blick ab, fast so, als sei ihm die Situation peinlich. Seltsam.

„Was ist los?“

„Gar nichts.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich muss mich da noch um etwas kümmern. Etwas … Persönliches.“

„Oh.“ Sie wusste fast alles aus Cals Leben, und es war schon lange her, seit es bei ihm etwas „Persönliches“ gegeben hatte, von dem sie nichts erfuhr.

„Es ist nicht so wichtig.“ Er deutete auf die Post in ihrer Hand und wechselte bewusst das Thema. „Irgendwas davon für mich?“

„Das kann ich alles selbst regeln. Nur ein paar Einladungen.“

Cal verzog das Gesicht. „Charity-Events?“

„Selbstverständlich.“

„Schick einfach einen Scheck.“

Sabrina unterdrückte ein Lächeln. Wenn Cal gerade nicht mit einer Frau zusammen war, ließ er sich fast nie in der Öffentlichkeit sehen. Trotzdem wurde er von den Organisatorinnen der Wohltätigkeitsveranstaltungen immer wieder eingeladen, weil er mit seinem trockenen Humor jede steife Veranstaltung auflockern konnte.

Ein paar Monate, dachte Sabrina, dann hat er einen würdigen Ersatz für Tiffany gefunden und stürzt sich wieder ins Partyleben.

„Ich habe von Bohrstelle Nummer zehn gehört.“ Er räusperte sich. „Die Ingenieure sagen, es dauert noch drei bis vier Tage, aber ich bin sicher, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden werden wir fündig.“

Wie konnte er das so treffend aus den spärlichen Tagesberichten schließen? Ada hatte fast genau dasselbe gesagt. Aber sie bekam ihre Informationen von einem alten Ölarbeiter, der sie immer anrief, sobald eine Bohrung kurz vor dem Durchbruch stand.

„Und was sagt Ada?“

„Dasselbe. Höchstens noch ein Tag.“

Sabrina lächelte. Cal sah, wie die Nachmittagssonne ihre kurzen roten Haare schimmern ließ. Die Frisur war stufig geschnitten und reichte bis knapp zum Kragen. Ihr Gesicht war ebenmäßig und hübsch, aber unauffällig. Sie hatte ein schönes Lächeln, blaue Augen und war intelligent.

Über ihre Figur konnte Cal nur Vermutungen anstellen. Seit er sie kannte, trug sie zwar taillierte, aber nie figurbetonte Kleidung. Selbst auf Geschäftsreisen, abends in Freizeitkleidung, kannte Cal sie nur in weiten Shorts und weitem T-Shirt.

Aber er war ohnehin nicht sonderlich an ihrem Körper interessiert. Für ihn stellte sie die perfekte Assistentin dar: Sie war aufmerksam und sagte ihm offen die Meinung. Mittlerweile verließ Cal sich auf ihre Einschätzungen. Dass sie ihn nicht erregte, war nur noch ein weiterer Vorteil. Er wollte sich nicht ablenken lassen, und er konnte es sich nicht erlauben, sie zu verlieren.

Wie würde sie reagieren, wenn sie erfuhr, dass er eben von der Herausgeberin des „Prominence Magazine“ angerufen worden war? Schon gestern hatte er per Post erfahren, dass er zu einem der begehrtesten Junggesellen der Welt gewählt worden war. Eigentlich hatte er höflich und freundlich auf diese Ehrung verzichten wollen, aber die Reporterin hatte ihn zu einem Interview überredet. Cal konnte sich gut vorstellen, wie Sabrina sich darüber amüsieren würde, wenn sie von dieser „Ehre“ erfuhr.

Die nächsten Stunden sprachen sie über die anstehenden Termine. „Vergiss nicht die Reise nach Singapur Ende September“, sagte er. „Wegen des Joint Ventures über die Bohrungen.“

„Schon vermerkt.“ Sie schrieb weiter mit. „Hoffentlich haben wir auf dem Rückflug Zeit für einen Zwischenstopp in Hongkong. Da gibt es dieses kleine nette Restaurant.“ In gespielter Unschuld sah sie ihn an.

„Ich hab’s nicht vergessen.“ Er knirschte fast mit den Zähnen.

„Ach, Cal, bist du immer noch sauer, dass ich dich geschlagen habe?“

„Du hattest im letzten Quartal lediglich großes Glück.“

„Ich lag das ganze Jahr vorn.“ Sie lächelte. „Genau wie dieses Jahr.“

Seit mittlerweile fünf Jahren lieferten sie sich jetzt diese Wette am Aktienmarkt. Am ersten Januar jedes Jahres stellte Cal jedem von ihnen zehntausend Dollar zur Verfügung, und wer am Ende des Jahres den meisten Gewinn erwirtschaftet hatte, durfte sich vom Verlierer an einem beliebigen Ort zum Lunch einladen lassen. Sabrina hatte gewonnen und sich für chinesisch entschieden, direkt in Hongkong.

„Dieses Jahr würde ich lieber italienisch essen. Vielleicht in Venedig. Die ganzen Kanäle, die Boote und das venezianische Glas.“

Sie führte bereits mit zwanzig Prozent. Als sie das Spiel begonnen hatten, war es ihr wichtig gewesen festzulegen, dass er nicht in Öl- oder Gasaktien investieren durfte, weil er auf diesem Gebiet der Experte war. Sie dagegen legte einen Großteil in Aktien von Cals Unternehmen an, und dadurch hatte sie letztes Jahr gewonnen.

„Ich kenne ein tolles italienisches Restaurant in New York.“

Das Telefon klingelte, und sie griff lächelnd zum Hörer. „Glaub bloß nicht, du könntest dich da herauswinden.“ Dann nahm sie ab. „Büro von Mr. Langtry, Sie sprechen mit Sabrina.“

Er hörte nicht zu, aber auf einmal drückte sie das Gespräch auf stumm und wandte sich zu ihm: „Diesen Anruf solltest du lieber selbst übernehmen.“

Er legte die Zeitung weg, in der er gerade gelesen hatte. „Was ist los?“

Sabrinas Haut wirkte aschfahl.

„Ist es Tracey?“ Seine Schwester Tracey war meistens der Grund, wenn es ernste Probleme gab.

„Nein, es ist dein Anwalt. Sprich lieber selbst mit ihm.“ Bevor er etwas erwidern konnte, verließ sie das Büro.

Er hob den Hörer ans Ohr und drückte die Annahmetaste. Was konnte sein Anwalt mit ihm besprechen wollen, das so privat war? Sabrina wusste ohnehin fast alles über ihn. Das gehörte zu ihrem Job. „Jack, was gibt’s?“

„Sitzen Sie, Cal?“

Das klang nicht gut. „Kommen Sie zur Sache, Jack.“

„Okay. Erinnern Sie sich an eine Frau namens Janice Thomas? Sie hatten zu Collegezeiten eine Beziehung mit ihr.“

Er zog die Stirn kraus. „Das ist jetzt zwölf oder dreizehn Jahre her. Wir waren einen Sommer lang zusammen. Wieso fragen Sie danach?“

„Wie es aussieht, hatte sie eine Tochter. Und nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, hat die Frau sich, sobald sie wusste, dass sie schwanger war, an Ihre Eltern gewandt. Es ging ihr nicht um eine Ehe, sondern sie wollte Geld. Sie einigten sich auf einen beträchtlichen Betrag, unter der Bedingung, dass Sie niemals von dem Kind erfahren. Leider starb Janice bei der Geburt, und das Baby wurde zur Adoption freigegeben. Vor knapp einem Jahr kamen die Adoptiveltern bei einem Autounfall ums Leben, und jetzt lebt das Mädchen bei einer Tante in Ohio. Diese Frau, eine ältere Lady, will die Verantwortung für das Kind loswerden und das Sorgerecht abgeben. Deshalb rufe ich Sie an. Wenn Sie das Mädchen nicht zu sich nehmen, kommt das Kind in die Obhut der Behörden.“

Er glaubte, der Boden unter seinen Füßen würde beben.

„Cal? Sind Sie noch dran? Haben Sie mich verstanden? Sie haben eine zwölfjährige Tochter.“

Eine Tochter? Von Janice? Er war fassungslos. Kein Wunder, dass Sabrina das Büro verlassen hatte. „Ich habe Sie verstanden, Jack.“

2. KAPITEL

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Cal wandte sich in seinem Sessel zum Fenster, doch er nahm nichts von der Aussicht wahr. Stattdessen dachte er an Janice. Er erinnerte sich an sie als durchschnittlich groß und hübsch. Damals hatten sie sich kennengelernt, weil sie in derselben Ölfirma ein Praktikum gemacht hatten.

„Sind Sie sich ganz sicher?“, fragte er seinen Anwalt am Telefon. „Wieso hat sie mir nicht erzählt, dass sie schwanger war?“

„Wie gesagt, es ging ihr nicht um eine Ehe, sondern um Geld. Ich schätze, sie wusste von den Problemen Ihrer Eltern mit Tracey und nahm daher an, man würde sich auf eine großzügige Summe einlassen, um sie loszuwerden. Einer meiner damaligen Kollegen in dieser Kanzlei hat die Papiere ausgearbeitet. Janice bekam viel Geld und musste im Gegenzug zusichern, nicht mit Ihnen in Kontakt zu treten. Wenn sie nicht bei der Geburt gestorben wäre, hätte sie zeit ihres Lebens nicht mehr zu arbeiten brauchen.“

Warum hatte sich Janice an seine Eltern gewandt und nicht an ihn? „Ich kann das nicht glauben. Ich habe damals versucht, sie zu erreichen, aber sie war einfach verschwunden. Ich dachte, sie sei mit einem anderen durchgebrannt.“

Ein Kind. Aus einer dieser langen Sommernächte war ein Kind entstanden.

Jack räusperte sich. „Hören Sie, Cal, ich bin Ihr Anwalt, nicht Ihr Gewissen. Wahrscheinlich geht’s dem Kind im Jugendheim besser als bei dieser Tante. Laut meinen Berichten hat die Kleine eh Probleme, sich in ihrer neuen Schule einzufügen, und sie verhält sich unsozial. Cal, Sie führen im Moment ein gutes Leben, daran muss sich nichts ändern.“

Cal wusste, dass es auf der Welt viele Männer gab, die sich in so einer Situation abgewandt hätten, doch er konnte es nicht. „Vor nicht mal einem Jahr hat sie ihre Eltern verloren, und jetzt lebt sie bei einer Tante, die sie abgeben will. Unter solchen Umständen kann sich kein Kind gesund entwickeln.“

„Überdenken Sie alles in Ruhe. Die Tante ist bereit, das Mädchen zwei weitere Wochen bei sich zu behalten, also brauchen wir heute noch keine Entscheidung zu treffen. Wenn Sie es wünschen, kann ich mich nach Internaten erkundigen. Oder nach Pflegefamilien. Sie brauchen überhaupt nichts zu tun, wenn Sie nicht möchten.“

Cal hörte die Worte seines Anwalts, aber eines stand für ihn felsenfest: „Wenn sie nachweislich meine Tochter ist, dann bin ich für sie verantwortlich.“

„Oh, das ist erwiesen. Ihre Eltern haben das schon bei der Geburt der Kleinen prüfen lassen. Mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit sind Sie der Vater.“

Mehr brauchte Cal nicht zu wissen. In seinem Leben hatte er schon vieles getan, worauf er nicht sonderlich stolz war, aber er hatte sich immer seiner Verantwortung gestellt. „Morgen oder übermorgen bekommen Sie von Sabrina alle nötigen Einzelheiten. In der Zwischenzeit teilen Sie bitte der Tante mit, dass ich noch vor Ende dieser Woche meine Tochter abholen komme.“

„Sind Sie sicher, dass Sie das tun wollen?“

Nein, Cal war sich absolut nicht sicher, aber er musste es einfach tun. „Wenn es meine Tochter ist, Jack, dann bleibt mir keine andere Wahl.“

Sein Anwalt seufzte. „So was dachte ich mir schon. Ich gebe der Frau Bescheid.“

Cal wollte schon auflegen, als er hörte, wie Jack noch einmal seinen Namen nannte. „Ja?“

„Wollen Sie gar nicht wissen, wie sie heißt?“

Cal erschrak. Durch einen Namen wurde das Mädchen real, eine Person mit eigener Identität. „Doch.“

„Anastasia Overton.“

„Anastasia? Was ist das für ein Name für ein zwölfjähriges Mädchen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Okay, Jack. Wir bleiben in Kontakt.“ Er legte auf.

Es war totenstill. Cal lehnte sich in dem Sessel zurück und fluchte. Dann stand er auf und ging zum Fenster.

Wie hatte Janice ihm die Schwangerschaft verheimlichen können? Und wieso hatten seine Eltern ihm die Existenz seines eigenen Kindes verschwiegen?

Seit mittlerweile zwölf Jahren bewahrte seine Mutter jetzt dieses Geheimnis und kam sich dabei wahrscheinlich noch nobel vor.

Die Stille war unerträglich. Er drückte auf den Knopf neben dem Telefon, und keine dreißig Sekunden später betrat Sabrina das Büro.

Ihr sonst so ausdrucksstarkes Gesicht war seltsam ernst.

„Wie viel hat Jack dir erzählt?“, fragte er.

Sie nahm auf einem der Ledersofas Platz, und er setzte sich zu ihr.

„Er sagte, du hättest vor ungefähr dreizehn Jahren etwas mit einer jungen Frau gehabt, die absichtlich schwanger geworden sei. Als du dann ins College zurückgekehrt bist, hat die Frau sich an deine Eltern gewandt und versprochen, sich gegen Bezahlung von dir fernzuhalten. Deine Eltern willigten ein. Nachdem die Frau bei der Geburt gestorben war, wurde das Kind adoptiert. Jetzt lebt das Mädchen bei einer älteren Tante in Ohio.“

Cal stützte die Ellbogen auf die Knie und faltete die Hände. „Das fasst es grob zusammen, ja. Sie hieß Janice. Die Frau, nicht das Kind.“ Er sah ihr in die Augen. „Sicher denkst du: Typisch Cal.“

Flüchtig lächelte sie. „Du wusstest doch gar nichts von dem Kind. Jack sagte, er selbst habe es auch erst vor ein paar Tagen erfahren.“ Sie beugte sich zu ihm. „Cal, du bist nicht so wie deine Schwester. Tracy ist verwöhnt und launisch und würde in so einer Situation das Kind ohne Zögern weggeben. Du bist da ganz anders. Hättest du von Anfang an von deiner Tochter gewusst, hättest du Janice geheiratet und dein Kind versorgt.“

Es war ihr sehr ernst, und das wusste Cal zu schätzen. „Du hast recht. Dann werde ich jetzt eben dreizehn Jahre zu spät das Richtige tun und meine Tochter zu mir holen. Aber zuerst muss ich nach New York und mit meiner Mutter sprechen.“

Fragend sah sie ihn an. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals deine Mutter besucht hast.“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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