Heisse Küsse - nur zum Schein?

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Schwere Zeiten für Lessa! Ihre Firma wird von der Konkurrenz massiv bedrängt. Einzige Rettungsmöglichkeit: engste Zusammenarbeit mit Rick Parker, den sie gerade rausgeworfen hat. Jetzt muss sie ihn wieder einstellen und soll auch noch seine Freundin spielen. Als verliebtes Paar wollen sie nach außen geschäftliche Einigkeit demonstrieren. Was tut man nicht alles für die Firma! Doch zu Lessas Erstaunen machen die "Pflichtküsse" ihres Geschäftspartners sie süchtig - immer häufiger träumt sie von der Kür: Ricks leidenschaftlichen Drängen würde sie jederzeit kampflos nachgeben …


  • Erscheinungstag 12.11.2007
  • Bandnummer 1484
  • ISBN / Artikelnummer 9783863490614
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Margaret Allison

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1. KAPITEL

Es ging bereits auf Mitternacht zu an diesem Abend zwei Wochen vor Weihnachten. Zum ersten Mal seit Monaten standen Rick und Alessandra sich allein gegenüber. Als hätte er gewusst, was kommen würde, lächelte Rick sie herausfordernd an. Rick Parker war ein Mann, der es gewohnt war zu bekommen, was er wollte, und der sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Groß, mit dichtem schwarzem Haar und unwiderstehlich blauen Augen, wirkte er auf seine kantige, männliche Art ausgesprochen attraktiv. Rick war auf sehr moderne Art Jäger und Sammler. Er reiste in der ganzen Welt herum und kaufte an den schönsten Plätzen Hotels auf, die darauf warteten, aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt und in teure, luxuriöse Ferienanlagen verwandelt zu werden.

Alessandra Lawrence wusste, dass jetzt der Moment gekommen war, auf den sie Jahre hingearbeitet und gewartet hatte. Bevor sie den entscheidenden Satz aussprach, atmete sie noch einmal tief durch.

„Das war’s, Rick. Sie sind gefeuert.“

Sie sah, dass ein Muskel in seiner Wange zuckte. Seine blauen Augen wurden dunkler. Nach einer Pause, in der er die Mitteilung auf sich wirken ließ, antwortete er: „Damit kommen Sie nicht durch, Lessa. Ich werde mir nicht so einfach wegnehmen lassen, was ich mir aufgebaut habe.“

Für einen Moment wurde Alessandra unsicher, was von dieser unterschwelligen Drohung zu halten war. Immerhin war es diesem Mann schon einmal gelungen, ein Mitglied der Familie Lawrence zu verdrängen und die Leitung von Lawrence Enterprises zu übernehmen. Aber wenn er dachte, dass sie sich einschüchtern ließe, hatte er sich getäuscht. Sie hatte ihrem Vater am Sterbebett versprochen, an Rick Parker Rache zu üben.

Ihr Vater hatte Lawrence Enterprises gegründet und Rick in die Firma genommen. Durch Howard Lawrence war Rick Parker groß geworden. Und dann hatte Rick seinen eigenen Mentor ausgebootet und das Ruder selbst in die Hand genommen und hatte, das musste man ihm zugestehen, große Erfolge erzielt. Seit Alessandra ihrem Vater das Versprechen gegeben hatte, waren all ihre Pläne darauf ausgerichtet gewesen, dass sie nach einer sorgfältigen Ausbildung in die Firma zurückkehrte und Rick Parker das Unternehmen, das er der Familie gestohlen hatte, wieder entreißen und ihn an die Luft setzen konnte.

Als sie vor einem halben Jahr hier wieder eingestiegen war, hatte Rick alles getan, um sie in ihrem Vorsatz zu bestärken. Jede ihrer Geschäftsideen hatte er zunichte gemacht – vom Entwurf eines neuen Firmenlogos bis zur Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen. Wie ein Schulmädchen hatte er sie behandelt. Für Alessandra war das doppelt demütigend, denn Rick und sie kannten sich bereits aus der Zeit, als sie tatsächlich noch ein Schulmädchen war. Der Grund, warum sie sich damals schon so sehr für die Firma ihres Vaters interessiert hatte und so oft hier ins Büro gekommen war, war kein anderer als Rick Parker gewesen. Sie war bis über beide Ohren in diesen Mann verknallt gewesen. Aber das war nun schon Jahre her, und Mr. Parker hatte allen Grund, sie heute ernst zu nehmen. Alessandra hatte den Vorsitz im Vorstand erobert und damit jetzt das Sagen.

„Das Ganze hat wohl mehr mit Ihrem Aktienbesitz zu tun als mit Ihrem Sachverstand“, bemerkte Rick trocken.

„Dass ich die Mehrheit halte, stimmt. Aber ich habe auch hart dafür gearbeitet, das Unternehmen führen zu können. Mein Vater hat immer gewollt, dass ich die Firma leite.“

„Ihr Vater, Lessa, hat diese Firma gegründet. Zu dem gemacht, was sie heute ist, habe ich sie. Es wird Ihnen schwerfallen, ohne mich auszukommen.“

„Ganz und gar nicht, Mr. Parker. Weder das Unternehmen noch ich brauchen Sie noch.“

Rick verschränkte die Arme vor der Brust und kniff die Augen zusammen. „Ist das auch die Meinung des Vorstands?“

„Ja“, antwortete sie. Tatsächlich hatte es sie einige Mühe gekostet, Ricks Kündigung durchzusetzen. Der Widerstand gegen die Entscheidung war da, aber angesichts ihrer Aktienmehrheit von zwei Dritteln hatten die anderen Vorstandsmitglieder keine andere Wahl, als sich zu fügen.

Rick wandte sich ab und ging auf eines der Fenster zu. Hier, im obersten Stockwerk, lag einem ganz New York City zu Füßen, und man blickte auf das weihnachtlich erleuchtete Manhattan.

„Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Alessandra“, sagte er, indem er sie bewusst mit ihrem vollen Vornamen ansprach, „aber ich bin sicher, dass Sie Ihre Entscheidung nach reiflicherer Überlegung noch bereuen werden.“

Sie richtete sich auf und rückte die Jacke ihres Kostüms zurecht. „Ich wüsste nicht, warum. Im Übrigen habe ich Ihren Vertrag genau gelesen. Es gibt darin eine Kündigungsklausel. Allerdings will ich Ihnen in Anbetracht Ihrer geleisteten Arbeit und Ihrer Verdienste um die Firma zugestehen, was Sie meinem Vater versagt haben: Ich gebe Ihnen bis morgen Abend Zeit, Ihre Sachen zu packen und Ihr Büro zu räumen.“

„Wollen Sie sich an mir rächen?“, fragte er. „Sie sollten wissen, dass ich nicht das Geringste mit der Art und Weise zu tun hatte, in der Ihr Vater hier rausgeworfen wurde.“

„Dass Sie sich nicht selbst die Finger schmutzig gemacht haben, glaube ich gerne. Aber das spielt keine Rolle.“ Bravo, dachte Alessandra und war mit sich zufrieden, dass sie das endlich hatte aussprechen können. Sie ging zur Tür. Mit einem knappen Kopfnicken verabschiedete sie sich. „Auf Wiedersehen, Rick.“

Im Hinausgehen spürte sie seinen Blick im Rücken. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, seufzte sie erleichtert. Sie hatte es geschafft! Alles, wofür sie studiert und gearbeitet hatte, hatte sie erreicht. Rick war gefeuert, und sie konnte ihn aus ihrem Leben streichen. Selbst der hässliche Streit, mit dem sie gerechnet hatte, war ausgeblieben.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich und Betty trat heraus. Sie arbeitete schon lange Jahre für Lawrence und war Ricks Sekretärin, seitdem er hier angefangen hatte. „Hallo, Lessa“, grüßte sie freundlich.

Lessa überkam ein Anflug von schlechtem Gewissen. Ganz anders als ihr Chef hatte die nicht mehr junge Frau ein angenehmes, einnehmendes Wesen. Aus einem Grund, den Lessa nicht nachvollziehen konnte, war sie Rick treu ergeben, und es musste ein harter Schlag für sie sein, dass sie künftig nicht mehr für ihn arbeiten konnte.

„Was machen Sie denn noch so spät hier?“, fragte Lessa freundlich.

Betty verdrehte die Augen. „Ach, Rick hat mal wieder einen von seinen superdringenden Aufträgen für mich, die keine Sekunde warten können. Manche Leute begreifen gar nicht, was es heißt, dass Weihnachten vor der Tür steht. Ich habe noch nicht mal die Hälfte meiner Einkäufe erledigt. Haben Sie schon alle Geschenke?“

Lessa war mit ihren Besorgungen fertig. Aber lediglich aus dem Grund, weil es nur eine Person gab, die auf ihrer Liste stand – ihre Großtante, Virginia Lawrence. Sie war ihre einzige lebende Verwandte und gleichzeitig ihre beste Freundin und Vertraute. Lessa hatte bereits als Kind ein inniges Verhältnis zu ihr gehabt, und so nannte sie sie liebevoll Gran, obwohl sie nicht ihre Großmutter war. Ihre enge Beziehung hatte sich nach dem Tod von Lessas Vaters noch weiter vertieft. Da war Lessa für einige Zeit zu ihrer Großtante nach Florida gezogen, und Gran hatte sich rührend um sie gekümmert. Als die alte Dame später einen Oberschenkelhalsbruch erlitt, hatte Lessa sie zu sich nach New York geholt. Sie fanden beide Gefallen an ihrem Zusammenleben, und so war es dabei geblieben.

„Ja, ich habe alles“, beantwortete Lessa Bettys Frage.

„Oh, Sie Glückliche. Wie machen Sie das bloß? Sie arbeiten doch rund um die Uhr.“

„Internet“, verriet Lessa.

„Das ist nichts für mich. Ich kaufe lieber auf die altmodische Weise ein. Ich muss diesen Trubel wohl haben. Irgendwie macht es doch Spaß, finden Sie nicht?“

Lessa nickte. Dann machte sie Betty den Weg in Ricks Büro frei. „Eines muss ich Ihnen noch sagen“, meinte sie im Weggehen. „Was immer mit Rick geschieht, es hat auf Sie keine Auswirkungen. Sie haben nichts zu befürchten.“ Damit eilte sie zum Fahrstuhl und ließ eine völlig verdutzte Betty zurück.

Der Lift kam, als Betty das Büro betrat. Während sich die Türen schlossen, konnte Lessa noch einen Blick auf Rick erhaschen. Er sah sie an. Es war merkwürdig. Er wirkte nicht wie ein Mann, der gerade seinen Job verloren hatte. In seinem Blick lag vielmehr so etwas wie Mitleid mit ihr.

„Eigenartig“, murmelte Betty, während sie zu Ricks Schreibtisch ging.

Rick warf einen Blick auf die Unterlagen, die sie unter dem Arm trug. „Ist das die Liste, die ich haben wollte?“, fragte er.

Sie nickte und gab ihm den Stapel Papiere. „Lessa sagte eben, dass ich nichts zu befürchten habe, was auch immer mit Ihnen passiert. Können Sie sich darauf einen Reim machen?“

„Sie hat mich gerade gefeuert“, antwortete Rick, während er die Papiere durchsah.

„Was? Das kann nicht sein!“, rief Betty entgeistert aus.

„Es kann. Alessandra hat offenbar beschlossen, Lawrence Enterprises allein zu führen.“

„Das ist lächerlich. Sie ist doch noch viel zu jung dafür.“

„Nun, sie ist, genau genommen, nicht jünger, als ihr Vater es war, als er die Firma gründete.“

„Aber die Firma sind Sie. Ohne Sie könnte sie sich niemals am Markt behaupten, geschweige denn an der Börse.“

„Das sieht Alessandra offenbar anders. In ihren Augen ist es die Firma ihres Vaters, und ihr rechtmäßiger Platz ist an der Spitze des Unternehmens.“

Betty ließ sich in einen der Bürosessel sinken. Rick nutzte die Gelegenheit, die Unterlagen zu Ende durchzusehen. Es war eine Liste aller Investoren, die in den vergangenen zwei Wochen Anteile von Lawrence Enterprises erworben hatten. Es war offensichtlich, dass Alessandras Management das Unternehmen geschwächt hatte. Die Kurse hatten merklich nachgegeben. Maßgeblich dazu beigetragen hatten sich seit Wochen hartnäckig haltende Gerüchte an der Börse über Spannungen in der Führungsetage von Lawrence Enterprises. In Insiderkreisen munkelte man seit Längerem, dass die Firma reif für eine feindliche Übernahme war. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme hielt Rick gerade in Händen.

Eine Reihe von Namen auf der Liste fiel Rick besonders auf. Sie alle führten zu ein und derselben Person, Sabrina Vickers. Sabrina war keine Unbekannte für Rick. Sie waren früher einmal eine Weile miteinander ausgegangen, und er hatte eine Affäre mit ihr gehabt. Ihr gehörten einige Firmen in der Branche, die allerdings alle unter unterschiedlichen Namen liefen. Und gerade die hatten sich die dicksten Pakete von Lawrence-Aktien an Land gezogen.

Rick nahm an, dass auch Alessandra diese Liste kannte. Aber offenbar war ihr daran nichts aufgefallen.

„Dann bin ich ja wohl die Nächste …“, meinte Betty kleinlaut.

„Ich denke, Lessa hat gesagt, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen?“, erwiderte Rick.

„Keine Sorgen machen? Wenn Sie schon rausgeworfen werden? Bei einem kleinen Licht, wie ich es bin, geht das noch viel schneller. Meine beiden Kinder sind auf dem College. Ich arbeite seit fast dreißig Jahren hier. Wo soll ich jetzt noch einen anderen Job bekommen? Außerdem“, fügte sie verbittert hinzu, „wirft man zwei Wochen vor Weihnachten niemanden raus. Das gehört sich einfach nicht. Sie werden sich das doch nicht gefallen lassen, oder?“

„Alessandra Lawrence hat es ganz allein auf mich abgesehen, darauf können Sie sich verlassen. Es stimmt, was sie sagt: Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.“ Rick konnte sich auf seine Menschenkenntnis verlassen.

„Und was werden Sie in Ihrer Sache unternehmen?“

Rick sah auf. „Absolut gar nichts. Wenn Miss Lawrence die Firma für sich allein haben will, soll sie sie bekommen.“

„Aber Sie sagten doch, ich brauchte mir um mich keine Sorgen zu machen. Wir wissen doch alle, was passiert, wenn sie das Management leitet. Die Kurse fallen jetzt schon ins Bodenlose.“

„Ich vermute, Alessandra setzt darauf, dass sich der Trend wieder umkehrt, wenn sich die Turbulenzen gelegt haben.“

„… und es kein Lawrence Enterprises mehr gibt.“ Betty schüttelte den Kopf. „Wenn ich daran denke, dass ich sie bereits kenne, seit sie ein kleines Mädchen war. Ihr Vater brachte sie mit ins Büro. Und er war so stolz auf seine Tochter. Wussten Sie, dass sie ein großes Tennistalent war?“

„Nein.“

„Sie hat die nationalen Universitätsmeisterschaften gewonnen und ein paar andere bedeutende Turniere. Einige Spiele sind sogar im Fernsehen übertragen worden. Wir alle waren sicher, dass sie ins Profilager wechseln würde. Sie war ein so nettes Mädchen, bescheiden und höflich. Ist Ihnen eigentlich nie aufgefallen, wie oft sie draußen vor Ihrem Büro an dem Trinkwasserspender gestanden hat? Sie war damals mächtig in Sie verknallt. Das müssen Sie gemerkt haben.“

„Ich glaube, das haben Sie sich eingebildet, Betty.“ Ricks Erinnerung an die ganz junge Alessandra Lawrence war eher nebulös. Sie musste wohl ein unscheinbares Mädchen gewesen sein. Heute war das anders. Die Alessandra von heute war eine auffallend schöne Frau mit langem, lockigem rotem Haar und smaragdgrünen Augen. Er konnte sich noch sehr gut erinnern, wie er ihr zum ersten Mal begegnet war, nachdem sie, inzwischen erwachsen geworden, in die Firma zurückgekehrt war. Er hatte sofort ein Auge auf sie geworfen, ohne zu wissen, wer sie war. Sie trug ein konservatives, enges grünes Kostüm, das ihre fantastische Figur betonte. Aber seine anfängliche Begeisterung kühlte schnell ab, als er erfuhr, um wen es sich handelte. Und wenn sie noch so attraktiv war – daran, mit der Mehrheitsaktionärin der Gesellschaft etwas anzufangen, brauchte er keinen Gedanken zu verschwenden.

„Wer hätte gedacht, dass sie zurückkommen würde, um uns alle ins Verderben zu stürzen?“, seufzte Betty.

„Wir sollten nicht gleich den Kopf verlieren. So weit sind wir noch lange nicht. Der Kampf hat gerade erst begonnen.“ Rick lächelte. „Packen Sie Ihre Sachen zusammen, Betty. Wir werden fürs Erste unsere Operationsbasis zu mir nach Hause verlegen.“

Nachdem Betty gegangen war, machte sich Rick daran, die Akten zusammenzutragen, die er mitnehmen wollte. Der Rauswurf heute Abend traf ihn nicht unvorbereitet. Er hatte zwar gehofft, dass sich Alessandra damit mehr Zeit lassen würde – vor allem in ihrem eigenen Interesse. Aber erwartet hatte er diesen Schritt von ihr schon eine ganze Weile. Ihre Kampfansage gleich zu Beginn war unzweideutig gewesen. Anfangs hatte er der Entwicklung keine so große Bedeutung beigemessen. Dass Lessa in den Vorstand drängte, war klar. Aber damit, dass der ihr dann den Vorsitz auf dem Silbertablett servierte, hatte er nicht gerechnet.

Was qualifizierte sie überhaupt dazu? Was sie aufzuweisen hatte, waren ein Hochschulabschluss und ein paar Berufsjahre bei einem Konkurrenzunternehmen. Dass der Vorstand ihr trotzdem entgegengekommen war, hatte damit zu tun, dass sie praktisch als die rechtmäßige Erbin des Unternehmens angesehen wurde, das ihre Eltern gegründet hatten.

Leider hatte man dabei übersehen, dass Lawrence Enterprises längst nicht mehr das Werk von Howard Lawrence war, sondern das von Rick Parker. Seine Fähigkeiten und sein Ehrgeiz hatten das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute war. Als Rick hier anfing, war es nicht mehr als ein durchschnittlicher mittelständischer Betrieb, für den es nur wenig Hoffnung auf eine Zukunft gab. Trotzdem hatte Rick den Posten, den Lawrence ihm anbot, angenommen. Kurz zuvor hatte Rick einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Karen, die Frau, die er liebte und die er heiraten wollte, war bei einem Unfall ums Leben gekommen. Die Arbeit für Lawrence Enterprises, die mit Reisen um die Welt verbunden war, bot die beste Chance, darüber hinwegzukommen. In den ersten Monaten hatte er kaum mitbekommen, was er tat. Er hatte zwanzig Stunden täglich gearbeitet und einfach nur funktioniert wie ein Roboter. Jedes Mal, wenn ihn der Weg zurück nach Hause nach New York führte, konnte er an nichts anderes denken, als daran, so schnell wie möglich wieder von dort wegzukommen.

Jedoch währte die Phase, in der er seinen Seelenfrieden wenigstens halbwegs zurückgewinnen konnte, nur kurze Zeit. Dann entschloss sich Howard Lawrence, mit seiner Firma an die Börse zu gehen. Der neu gebildete Vorstand hielt den Firmengründer nicht für den geeigneten Mann an der Spitze. Als seine Vertreter zuerst an Rick herangetreten waren, um ihm den Chefsessel anzubieten, hatte Rick gezögert. Die Loyalität seinem Chef gegenüber ließ ihn zögern, das Angebot anzunehmen. Schließlich wusste er, welche Bedeutung die Firma für Howard Lawrence hatte. Erst als er feststellen musste, dass die Entscheidung, Howard Lawrence abzulösen, bereits gefallen war, gab Rick dem Drängen nach.

Seiner neuen Aufgabe widmete Rick sich mit ganzer Kraft. Dieser Einsatz wurde ihm dadurch erleichtert, dass es niemanden gab, auf den er Rücksicht nehmen musste. In seiner Familie machte er sich mehr und mehr rar, und eine Frau, die ihn vielleicht von einem Meeting in Singapur oder einer Hoteleröffnung in Rio abhalten könnte, gab es seit Karens Tod nicht.

Ginge es nach Alessandras Willen, würde er bald wesentlich mehr Zeit für sich zur Verfügung haben. Aber Rick dachte gar nicht daran, sich von einer Frau beiseiteschieben zu lassen, deren einziger Verdienst um die Firma die Abstammung vom Firmengründer war. Er war entschlossen, ihr eine Lektion zu erteilen, die in ihrem Studium sicherlich nicht vorgekommen war. Es war kein Zorn, der ihn erfüllte, bestenfalls Mitleid mit Alessandra. Ihr heutiger Auftritt, davon war Rick überzeugt, würde schlimme Folgen haben.

2. KAPITEL

Lessa war es von vornherein klar gewesen, dass die Leitung von Lawrence Enterprises kein Spaziergang werden würde. Schon als junges hoffnungsvolles Tennistalent hatte sie schnell gelernt, dass man ein Match nicht im Hurra-Stil gewinnen kann, sondern mitunter nur durch geduldiges, solides Grundlinienspiel. Außerdem wusste sie aus ihrer Erfahrung auf dem Tenniscourt, dass Talent allein nicht reichte. Man musste die Fähigkeit besitzen, Rückschläge wegzustecken und nicht nur den Gegner auf dem Platz, sondern auch die eigene Schwäche besiegen können. Seit sie bei Lawrence Enterprises angefangen hatte, wurde ihr immer bewusster, wie wichtig diese Lehren aus ihrer Karriere als Sportlerin auch für ihr übriges Leben waren.

Keine vierundzwanzig Stunden war es her, seitdem sie Rick Parker hinausgeworfen hatte, und Lessa musste an eine weitere Lektion denken, die sie als Tennisspielerin gelernt hatte: dass man niemals einen Gegner unterschätzen darf. Der Arbeitstag hatte gleich mit schlechten Nachrichten begonnen. Von Sabrina Vickers, der finanzkräftigen Konkurrentin des Unternehmens, drohte eine feindliche Übernahme. Sabrina und ihre Firma Kato Resorts waren dafür bekannt, dass sie Mehrheiten anderer Firmen aufkauften, um die Unternehmen zu zerschlagen, sie sozusagen in mundgerechte Portionen aufzuteilen und dann gewinnbringend weiterzuveräußern. Wenn die Entwicklung auf dem Aktienmarkt sich so fortsetzte, war die Existenz von Lawrence Enterprises nur noch eine Frage von Monaten.

„Du siehst müde aus, Kind“, sagte ihre Großtante, als Lessa spät am Abend endlich nach Hause kam. „Du bist seit fünf Uhr auf den Beinen, und ich wette, du hast den ganzen Tag noch nichts Vernünftiges gegessen.“ Mit diesen Worten ging Gran kopfschüttelnd in die Küche des Apartments, das sie und Lessa im obersten Stock eines der schönen Backsteinwohnhäuser inmitten Manhattans bewohnten. Es war eine behagliche Vierzimmerwohnung mit zwei Schlaf-, einem Wohn- und einem kleineren Esszimmer, die den Luxus eines großen offenen Kamins bot. Fast jeden Abend fand Lessa, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, einen gedeckten Tisch und, jetzt, im Winter, auch ein prasselndes Kaminfeuer vor, selbst wenn es wie heute bereits zehn Uhr war.

Unzählige Male schon hatte Lessa Gran gebeten, nicht mit dem Essen auf sie zu warten, aber die alte Dame war nicht davon abzubringen.

Beim Essen berichtete Lessa von ihren Sorgen. „Wie konnte ich das bloß übersehen?“, rief sie aus, als sie auf die drohende Übernahme durch Sabrina Vickers zu sprechen kam. Obwohl Sabrina recht geschickt vorgegangen war und keines der Aktienpakete auf eigenen Namen gekauft hatte, sondern über eine Reihe von Firmen, die mit ihren Unternehmen zusammenhingen, machte sich Lessa Vorwürfe. Die Aufkäufe liefen schon seit mehreren Wochen. Dass durch den Führungswechsel bei Lawrence Enterprises nun obendrein noch nach draußen gedrungen war, dass es interne Querelen gab, machte das Ganze noch gefährlicher.

„Der Vorstand hat mich aufgefordert, Rick zurückzuholen“, fuhr Lessa in ihrem Bericht fort. Ihre Großtante wurde stets von ihr auf dem Laufenden gehalten. Tatsächlich hatte der Vorstand getobt, und ungeachtet der Tatsache, dass man kurz zuvor selbst für Ricks Rauswurf gestimmt hatte, zeigte man nun mit Fingern auf sie und machte sie für die prekäre Lage allein verantwortlich.

Lessa zuckte mit den Schultern. „Was bleibt mir anderes übrig? Ich habe ihn mehrere Male angerufen. Aber er reagiert nicht auf die Nachrichten, die ich ihm auf den Anrufbeantworter hinterlasse, und hat das Handy ausgeschaltet. Ich bin sicher, das gehört zu dem Spielchen, das er mit mir treibt. Du hättest ihn gestern Abend mal sehen sollen, als ich ihm sagte, er sei draußen. Er war die Selbstgefälligkeit in Person. Und ich bin mir sicher, dass er von den Übernahmeplänen bereits vorher wusste. Es war, als ob er es geradezu darauf angelegt hätte, von mir gefeuert zu werden, nur damit ich am nächsten Tag vor ihm zu Kreuze kriechen muss.“

„Und? Wirst du das tun?“

„Wie gesagt, ich habe keine andere Wahl, obwohl ich die Sache lieber allein ausfechten würde. Aber das Risiko ist viel zu hoch. Es geht ja nicht nur um meine Karriere, sondern auch um die Existenzen all derer, die von Lawrence Enterprises abhängen.“

„Und du meinst, mit Rick wäre das Risiko geringer? Kann er die Firma denn retten?“

„Möglich wäre es. Sein Ansehen im Betrieb ist immer noch groß, und die Branche fürchtet ihn. Ich glaube schon, dass seine bloße Anwesenheit die Aktionäre wieder beruhigen kann.“ Lessa seufzte. Wieder sah sie seine stahlblauen Augen vor sich, seinen hochmütigen Blick, als sie ihm gestern Abend in seinem Büro gegenüberstand. „Ich fürchte, ich habe ziemlichen Mist gebaut.“

„Ich mag das nicht hören, wenn du so etwas sagst“, erwiderte ihre Großtante energisch. „Dein Vater hat dir diese unglaubliche Verantwortung aufgebürdet, und ich bin mir nicht sicher, ob er sich dessen bewusst war.“

„Du tust ihm Unrecht“, widersprach Lessa. „Er hat mir eine wunderbare Chance gegeben, mich zu bewähren.“

„Wunderbar? Sieh dir dein Leben doch mal an, mein Kind. Du bist sechsundzwanzig Jahre alt und sollst die Last der Verantwortung für einen ganzen Konzern tragen. Statt dich auf Weihnachten zu freuen, mit Freunden auszugehen, Eierpunsch zu trinken und dir zu überlegen, wen du unter dem Mistelzweig küsst, verbringst du deine Tage bis spät in die Nacht im Büro.“

„Aber Dad war auch nicht älter als ich, als er die Firma gründete.“

„Das ist etwas ganz anderes. Erstens war er in dem Alter schon mit deiner Mutter zusammen. Zweitens stand die Firma noch an ihren bescheidenen Anfängen. Ich mochte deinen Vater wirklich sehr. Aber manchmal wünschte ich mir, er wäre noch hier, damit ich ihn schütteln könnte.“

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