Küss mich, geliebter Prinz

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Ein Wochenende mit nur zehn Dollar in der Tasche? Das ist für Alexandra Connelly und Prinz Phillip Kinrowan eine echte Herausforderung. Nach zwei Tagen erkennt Alexandra: Sie kann zwar ohne viel Geld, aber nicht ohne die Küsse des Prinzen leben!


  • Erscheinungstag 18.07.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768966
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nicht, dass er Einladungen des Fürstenhauses ablehnte. Phillip Kinrowan war in aristokratischen Kreisen aufgewachsen, wohnte dem ersten Ball bei, bevor er laufen konnte, ritt im Alter von zarten sechs Jahren sein erstes Grand-Prix-Springturnier in Monaco und nannte ein großes Anwesen sein Eigen, kaum, dass er die Pubertät hinter sich gelassen hatte. Er hasste nur die Nennung seines Titels, da sie ihm zu viel unerwünschte Aufmerksamkeit einbrachte. Aufmerksamkeit, die meist mit Ärger endete. Ärger mit Frauen.

„Das Fürstentum Altaria heißt Seine Hoheit, Phillip Kinrowan, Prinz von Silverdorn, willkommen!“ Die Begrüßung wurde zuerst in italienischer, dann in französischer und schließlich in englischer Sprache vorgenommen, aus Hochachtung vor dem Amerikaner, zu dessen Ehren dieses Fest stattfand.

Phillip lief die prachtvoll geschwungene Treppe hinunter in den Marmorsaal. Er langweilte sich jetzt schon. Dieselben Gesichter blickten ihm bei fast jedem offiziellen Anlass entgegen. Nur die Amerikaner waren ihm fremd, wie jedem hier in diesem elitären gesellschaftlichen Kreis. Doch es gehörte zum Protokoll, dem neuen Fürsten die Ehre zu erweisen, egal, wo er aufgewachsen war.

Chicago. Phillip wusste kaum, wo die Stadt lag. Irgendwo in der Mitte der Vereinigten Staaten. An einem großen See? Egal. Vielleicht fand er ja unter Daniel Connellys Familienmitgliedern einen interessanten Gesprächspartner. Er ließ seinen Blick über das Ehrenspalier gleiten und fand niemanden, der sein Interesse weckte, bis er fast am Ende angekommen war.

Eine junge Frau mit frecher Kurzhaarfrisur stand verlegen hinter den Ehrengästen. Sie trug ein elegantes Kleid in einem lebhaften Grün, das farblich genau zu ihren Augen passte. Eine erfrischende Abwechslung inmitten der meist schwarzen Abendgarderobe. Was aber seine Aufmerksamkeit besonders erregte, war die Art, wie sie ihren Blick rastlos durch den riesigen Raum mit den funkelnden Kronleuchtern schweifen ließ. Sie gab sich nicht einmal die Mühe, ihre Abneigung diesem Prunk gegenüber zu verbergen. Eine Gleichgesinnte!

Wer war diese Fremde? Er beobachtete, wie sie der Frau vor sich etwas ins Ohr flüsterte. Dann hob sie ihre wallenden Röcke mit beiden Händen hoch und verschwand in Richtung der Türen, die zum Garten führten. Im nächsten Moment war sie draußen, doch Phillip schmunzelte insgeheim über den Anblick, der sich ihm geboten hatte. Klobige braune Lederstiefel mit losen Schnürsenkeln unter dem eleganten Kleid aus Satin und Chiffon. Eine kleine Rebellin! Wie charmant.

Phillip sah sich um. Niemand schien ihr oder ihm Beachtung zu schenken. Er folgte der jungen Frau. Sie hatte eine Ernsthaftigkeit, aber auch eine Natürlichkeit an sich, der er nicht widerstehen konnte.

Von der Terrasse führte eine breite Treppe hinab in einen architektonisch sehr ansprechend gestalteten Garten. Phillip fragte sich, ob der amerikanische Clan mit so viel zur Schau gestelltem Reichtum umgehen konnte, erinnerte sich dann aber daran, dass die Connellys zu den wohlhabendsten Familien ihres Landes gehörten. Er sah die schwarzhaarige junge Frau um die Hecke huschen, die die Ställe und den Hof von dem hübsch gestalteten Garten trennte.

„He, warten Sie!“, rief er und lief los.

Wenn sie ihn gehört hatte, dann reagierte sie nicht. Als er hinter den Büschen hervorkam und vor dem Reitplatz stand, war von der jungen Frau in den Doc-Martens-Stiefeln nichts mehr zu sehen.

Phillip erblickte einen Stalljungen, der gerade eine Fuchsstute über den Hof führte. „Haben Sie eine junge Frau in einem Abendkleid gesehen?“, fragte er auf Italienisch.

Der Junge schüttelte den Kopf und ging weiter.

Ein leises Wiehern und Schnauben erregte Phillips Aufmerksamkeit. Er drehte sich um und näherte sich dem Geräusch wie eine Katze, die sich an ihre Beute heranschleicht. Als er in das Dunkel der Ställe eintauchte, wartete er einen Moment, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, und blickte dann den Gang entlang, der mit duftendem Heu ausgestreut war. Die Fremde stand an einer Box und streichelte die Nase eines Schimmels. Sie war so mit dem Tier beschäftigt, dass sie ihn nicht bemerkte.

„Weiß der Stallmeister, dass Sie sich an einem seiner wertvollsten Pferde zu schaffen machen?“, fragte er.

Die junge Frau wirbelte herum und zog die Hand zurück, erholte sich aber schnell von ihrem Schreck und streckte die Nase in die Luft. Ihre grünen Augen funkelten ihn trotzig an. „Natürlich. Er hat mich gebeten, nach dem Tier zu sehen. “

„So, hat er das?“ Phillip grinste. Er war jetzt noch neugieriger auf sie als zuvor. Von Weitem war sie faszinierend gewesen. Von Nahem war sie einfach umwerfend. „Und warum sollte er das getan haben?“

„Weil ich … weil ich Pferdetrainerin bin. Er hat mich darum gebeten, mit …“, ihr Blick glitt fast unmerklich zu dem Bronzeschild an der Boxentür, „. mit King’s Passion zu arbeiten.“

„Eine Pferdetrainerin“, wiederholte er und konnte sich nun ihre Aufmachung und ihr Unbehagen in dem förmlichen Rahmen erklären. Sein eigener Trainer würde alles daransetzen, um nicht mit Phillips Freunden gesellschaftlich verkehren zu müssen. Allerdings war ihm nicht klar, warum sie als Angestellte überhaupt zu der Feier eingeladen war. „Sie sind Amerikanerin.“

„Ja“, erwiderte sie und trat von der Stalltür zurück. Sie straffte die schmalen Schultern und reckte den langen schönen Hals, bis sie ihm direkt in die Augen sah. „Ich arbeite für die Connellys und bin mitgekommen, um während der Feierlichkeiten in den Ställen mit anzupacken.“

„Verstehe. Sie haben also viel Erfahrung mit Pferden.“

„Das kann man so sagen.“ Sie grinste ihn übermütig an.

Er ging um sie herum und betrachtete ungeniert ihren wohlproportionierten Körper. Ihre Schultern und Arme wirkten kräftig genug für den Job, sie war schlank und leicht wie ein Jockey und schien motorisch geschickt zu sein. Wahrscheinlich würde sie auf seinen Springpferden ein verdammt gutes Bild abgeben. Die Vorstellung faszinierte ihn. Er stellte sich vor, wie sie auf seinem Lieblingswallach ein S-Klasse-Hindernis nahm.

„Es ist heutzutage nicht einfach, einen guten Trainer zu finden“, bemerkte er.

Sie zuckte mit den Schultern und streichelte die samtenen Nüstern des Pferdes. Noch immer schien der Schimmel sie mehr zu interessieren als er.

„Ich habe ein Problempferd in meinem eigenen Stall. Vielleicht könnten Sie sich für ein paar Stunden von Ihren Verpflichtungen hier frei machen und zu mir kommen, um sich das Tier anzusehen.“

Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Natürlich würde ich das gern tun, aber ich habe hier schrecklich viel zu tun. Und ich werde nicht allzu lange bleiben.“

„Schade. Ich hätte Sie gut bezahlt.“ Keine Reaktion. „Und ich würde Sie zu einem leckeren Lunch einladen. Mein Koch ist bekannt für seine köstliche Bouillabaisse.“

Ihre schönen Augen weiteten sich. Aha, dachte er, ich habe eine ihrer Schwächen gefunden. Gutes Essen.

„Ich glaube wirklich nicht, dass ich …“

„Wissen Sie was …“ Er sprach plötzlich nicht weiter. „Wie heißen Sie doch gleich?“

„Alex …“ Sie schien zu zögern. Dann sagte sie: „Alexandra.“

„Schön, Alex, ich spreche noch heute Abend mit dem Fürsten. Vielleicht können wir Sie morgen oder übermorgen für ein paar Stunden hier rausholen. Ich bin sicher, er hat nichts dagegen. Außerdem ist er mir noch einen Gefallen schuldig.“

„Oh.“ Jetzt endlich sah sie ihn an.

„Ich erzähle Ihnen irgendwann davon“, versprach er augenzwinkernd. „Es ist also abgemacht? Sie sehen sich mein Springpferd an, und ich verwöhne Sie mit der besten Bouillabaisse im gesamten Mittelmeerraum.“

Sie seufzte, schien immer noch unsicher. „Einverstanden. Aber ich habe maximal ein oder zwei Stunden Zeit.“

„Sind Sie immer so schwer zu bekommen?“

Ihr Blick wurde weicher, und auch er entspannte sich, als sie sich schließlich in die Augen sahen. Bei ihr hatte er nichts zu befürchten. Sie war nicht hinter einem reichen Ehemann her und auch kein gesellschaftlicher Emporkömmling. Nur eine berufstätige junge Frau. Je mehr sie sich seiner Einladung widersetzte, desto besser fühlte er sich.

Sie zwinkerte ihm zu und zog die Mundwinkel zaghaft nach oben. „Nicht immer.“ Weiterhin betrachtete sie ihn nachdenklich. „Sagen wir morgen. Am frühen Nachmittag. Sie müssen Daniel Connelly nicht um Erlaubnis fragen. Ich kann über meine Zeit frei verfügen.“

„Schön. Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich Sie um ein Uhr abholen. Dann können Sie sich zuerst mein Sorgenkind ansehen, und anschließend treffen wir uns zu einem späten Lunch. So haben Sie den ganzen Vormittag Zeit, hier zu arbeiten.“

„Ja“, stimmte sie zu und wich seinem Blick aus. „Ich möchte wirklich zuerst meine Arbeit im Palast erledigen.“

Alexandra könnte sich in den Hintern treten. Was war nur in sie gefahren, Phillip Kinrowans Einladung auf sein Anwesen anzunehmen? Sein tolles Äußeres war schuld! Er war zweifelsohne einer der attraktivsten Männer, die ihr je begegnet waren.

Darüber hinaus besaß er einen Stall voller Pferde.

Seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, schwärmte sie für diese Geschöpfe. Leider erwiderten sie nicht immer ihre Sympathie – es sei denn, man wertete all die Abwürfe als geheime Zeichen der Zuneigung. In den gesellschaftlichen Kreisen der Connellys war Reitunterricht ein absolutes Muss. Er war ein genauso wichtiges Element ihrer Erziehung wie die Fähigkeit, die New Yorker Börsennotierungen im Finanzteil der Chicago Sun-Times lesen zu können. Doch trotz aller Reitstunden war keine glänzende Reiterin aus Alexandra geworden.

Was war also in sie gefahren, Kinrowan zu erzählen, sie sei eine Pferdetrainerin? Alles wäre halb so schlimm, wenn er sie nicht sofort um Hilfe gebeten hätte. Ihr Stolz hatte es nicht zugelassen, die kleine Notlüge einzugestehen. Sie würde also zu ihm gehen und sich sachkundig geben müssen. Wenn ich nicht lange bleibe, überlegte Alexandra, dann sollte es klappen. Sie wusste genug über Pferde, um sich ein oder zwei Stunden durch ein Gespräch zu mogeln.

Alexandra schüttelte den Kopf, hob ihre Röcke und stapfte in ihren Lieblingsstiefeln die breite Treppe vom Garten zur Terrasse hinauf. Nun, es würde zumindest spannend werden.

Und ein Mann, der ganz offensichtlich nur an ihren beruflichen Fähigkeiten interessiert war und zudem wahrscheinlich noch mehr Geld hatte als ihr Vater, stellte keinerlei Bedrohung dar.

Was soll’s …Vielleicht half ein Nachmittag mit Phillip Kinrowan, ihren Kummer zu vergessen. Und vielleicht schaffte sie es sogar, zumindest ein paar Stunden lang nicht an den Grund für ihre fluchtartige Abreise aus Chicago zu denken.

Am nächsten Morgen herrschte Ruhe im Palast. Ihr Bruder Daniel und seine Frau Erin saßen bei einem späten Frühstück auf der Veranda. Alexandra näherte sich ihnen in ihren Doc-Martens-Stiefeln – ihrem Markenzeichen –, Trekking-Shorts und einem überdimensionierten Pullover. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach dem vielen Essen gestern Abend schon wieder hungrig sein kann.“ Sie setzte sich und griff nach dem Teller mit Backwaren.

Erin lächelte sie an. „Ich denke, wir alle haben jede Menge Kalorien beim Tanzen verbrannt. Ich habe dich mit einem Dutzend verschiedener Männer auf der Tanzfläche gesehen.“

Alexandra zuckte mit den Schultern. „Ja, die Party war ganz okay.“

„Typisch Alexandra, so zu untertreiben.“ Daniel schüttelte den Kopf. „Ein Ball zu meinen Ehren im Schloss, und meine kleine Schwester sagt: ‚Die Party war ganz okay.‘“ Er lachte seine Schwester liebevoll an.

„Nun, ich habe doch recht“, entgegnete sie und kniff ihn freundschaftlich in die Wange. „Ich meine, ich habe ja schon einiges erlebt. Bei jedem großen Geschäftsabschluss hat Daddy halb Chicago eingeladen, um zu feiern.“

„Und ich erinnere mich dunkel an die Geburtstagsfeier eines kleinen Mädchens mit Ponyreiten und einem halben Dutzend Clowns aus dem Ringling Brothers Zirkus.“

Daniel machte sich über sie lustig, und sie hasste das. Wenn er damit andeuten wollte, dass sie verwöhnt war, dann stimmte es nicht. Es war nur so, dass es in einer Familie wie den Connellys schwer war, anders als im Luxus zu leben. Geld war nie ein Thema gewesen. Erst als Erwachsene hatte sie die Macht des Geldes – und vor allem den Fluch des Geldes – kennengelernt.

Geld hatte sie nicht glücklich gemacht. Vor allem hinderte es sie daran, wahre Liebe zu finden. Sie war vielleicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden, aber sie hatte immer an die Ehrlichkeit der Menschen geglaubt, vor allem zwischen zwei Menschen, die sich liebten.

Bis zu dem Tag vor ihrer Hochzeit war sie von Roberts Liebe überzeugt gewesen, denn er hatte ihr seine Liebe beteuert und sich auch so verhalten. Auch als ihr Bruder Justin sie vor einer Ehe mit Robert warnte, hatte sie nicht reagiert. Doch dann hatte sie zufällig eine Unterhaltung ihres Verlobten mit Jessy Weintraub, ihrer Trauzeugin, gehört. Da war eine Welt für sie zusammengebrochen.

„Das war ein Scherz, oder?“, fragte Erin. „Clowns aus dem Ringling Brothers Zirkus?“

„Nein, so war es wirklich. Mein Vater hat es gern bombastisch, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Geld spielte noch nie eine Rolle.“ Alexandra selbst empfand den Reichtum auch als Problem. Er verkomplizierte nicht nur ihr Liebesleben ungemein, er hinderte sie auch daran herauszufinden, wer sie wirklich war. Welche Daseinsberechtigung hatte sie? Welche Begabungen besaß sie, die sie mit der Welt teilen konnte und sollte?

Oder war sie einfach nur eine reiche junge Frau, die dazu bestimmt war, einen Mann aus ihren Kreisen zu heiraten, Wohltätigkeitsveranstaltungen zu organisieren … und zu wünschen, sie wäre jemand anderes?

Bisher wusste sie nur, dass Männer auf sie flogen. Männer wie Robert Marsh. Männer, die intelligent, attraktiv und erfolgreich waren. Kurz gesagt, Männer, die der Traum einer jeden Frau waren. Nur nicht ihrer. Denn für all diese Männer war sie nur eines – das Tor zu Reichtum und Erfolg. Grant Connelly als Schwiegervater zu haben bedeutete, Mitglied einer Familie zu sein, die ihren Reichtum gern teilte.

Einen Moment hatte sie die Vision von weißer Seide und einem perlenbestickten Mieder, von einem Schleier, der ihr Gesicht bedeckte und ihre heißen Tränen verbarg. Während der letzten Anprobe war sie zu ihrem Verlobten und ihrer besten Freundin hereingeplatzt. Was sich dann abgespielt hatte, war eine verschwommene Erinnerung. Schluchzend hatte sie sich das teure Kleid vom Körper gerissen und beschlossen, noch am gleichen Abend auf die Virgin Islands zu fliegen, nach China oder an den entlegensten Ort in Afrika. Und, nein, sie würde Robert nicht heiraten. Niemals!

Verbitterung und Wut kochten in ihr hoch und ließen erst nach, als sie an ihrem kühlen tropischen Saft nippte. Sie hätte die Zeichen erkennen müssen, hätte im Laufe der Jahre klüger werden sollen. Die Welt steckte voller Robert Marshs, und der einzige Weg, eine sichere Beziehung zu einem Mann aufzubauen, war – so verrückt es klang –, ihn anzulügen.

Deshalb würde sie für ein paar Stunden eine Pferdetrainerin sein.

Phillip Kinrowans Anwesen lag auf einer Klippe über dem blaugrünen Tyrrhenischen Meer. Es war ein strahlend schöner, warmer Tag. Der Felsen lag schon den ganzen Morgen in der Sonne, sodass sich die in Stein gehauenen Stufen unter Alexandras nackten Füßen glatt und angenehm heiß anfühlten.

Sie blickte hinunter zur Küste. Hier hatte der Fahrer des Motorboots sie abgesetzt und auf die uralte Treppe gedeutet. Über sich sah sie nichts als blauen Himmel. In der Luft hing der schwere Duft nach wildem Jasmin und Moosrosen.

Schließlich erreichte sie den Rand der Klippe, und ein langes, weißes Gebäude kam in Sicht, eingebettet in einen smaragdgrünen Rasenteppich. Sie hielt den Atem an. „Oh, wow …“ Sie hatte schon größere Häuser gesehen, doch dieses strahlte einen unglaublichen Charme aus.

Etwas verunsichert ging sie den Weg hinauf zum Haupteingang der Villa. Bevor sie die Stufen erreichte, trat eine Gestalt in weißem Hemd und weißer Hose, mit Panamahut und Espadrilles aus dem Schatten und lief die Treppe hinunter ihr entgegen.

Phillip lächelte. „Willkommen in meinem Zuhause.“

„Lauern Sie mir dort schon lange auf?“

„Der Bootsführer hat mir über Funk mitgeteilt, dass er Sie an der Küste abgesetzt hat.“

„Verstehe. Als Sie sagten, Sie würden mich am Palast abholen lassen, dachte ich an einen Wagen.“

„Ich hätte einen Wagen schicken können, doch das hätte länger gedauert. Und der Blick von der Wasserseite aus ist einfach traumhaft.“ Er streckte die Hand aus, und sie vermutete, dass er ihr entweder die Hand schütteln würde, wie es bei den Amerikanern üblich war, oder ihre Hand küssen wollte, wie sie es gelegentlich bei Europäern gesehen hatte. Doch er nahm sie nur und schob sie zwischen seinen Ellenbogen und seine Seite und ging mit ihr über den Rasen zu den Ställen.

„Der Blick war wirklich toll“, sagte sie nervös. „Vielen Dank.“

„Gern geschehen. Unser Lunch ist in einer Stunde fertig. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, sich zuerst Eros anzusehen.“

„Eros?“ Der Gott der Liebe, wenn sie die griechische Mythologie richtig im Kopf hatte.

„Mein Problempferd, aber auch mein Lieblingspferd. Es ist ein wunderbares Tier, ein erstklassiges Springpferd, mit dem ich viele Preise gewonnen habe. Doch plötzlich verweigert er Sprünge.“

„Seit wann?“, fragte sie.

„Seit etwa einem Monat. Es geschah ganz plötzlich. Ohne jegliche Vorwarnung. Einer meiner Stallburschen war mit ihm auf dem Reitplatz, um ihn für mich warm zu reiten. Als ich kam, lag der Stallbursche fluchend auf dem Boden, und Eros rannte über den Platz, als wäre er furchtbar erschreckt worden.“

„Vielleicht hat ihn tatsächlich irgendetwas erschreckt. Haben Sie den Jungen gefragt, was passiert ist?“

„Natürlich.“ Phillip fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes braunes Haar. „Niemand im Hof hat gesehen, was das Tier erschreckt haben könnte. In den Minuten war nichts Außergewöhnliches passiert.“

„Hmm. Dann sehen wir uns Ihr Problempferd einmal an.“

Phillip führte sie eine Reihe halbhoher Türen entlang. In den großzügigen Boxen roch es nach Zedernspänen, Sattelseife und dem natürlichen Duft der Pferde. Alexandra liebte diese Stallatmosphäre – die Gerüche, das Geräusch von scharrenden Hufen, das Schnauben und Wiehern der Pferde, die miteinander in ihrer geheimen Sprache kommunizierten.

Phillip blieb vor einer Box stehen und pfiff leise. Fast im gleichen Augenblick erschien ein riesiger schwarzer Kopf mit glänzenden dunklen Augen in der Öffnung. „Hallo, Eros, mein Alter“, murmelte Phillip zärtlich und streichelte die Nüstern des Tieres.

„Phillip!“, rief sie aus. „Das ist ja ein Traum von einem Pferd!“

Alexandra ließ ihren Blick über den prachtvollen Körper des Rassehengsts wandern. Schimmernde Flanken, grazile Gliedmaßen, muskulöser Brustkorb. Sie hatte in ihrem Leben schon einige prachtvolle Pferde geritten. Aber verglichen mit Eros erschienen sie ihr nun ganz farblos und gewöhnlich.

Alexandra schluckte. Würde sie es jemals wagen, solch ein Pferd zu reiten? Sicher, Phillip ließ wahrscheinlich nicht jeden auf den Rücken dieses wunderbaren Geschöpfs steigen, das offensichtlich sein ganzer Stolz und seine ganze Freude war.

„Und, was meinen Sie?“, unterbrach er ihre Bewunderung.

„Ein prachtvolles Pferd.“

„Ich meinte, Ihre Einschätzung als Pferdetrainerin.“

„O ja, natürlich.“ Sie erholte sich schnell und überlegte blitzschnell, was sie sagen könnte … irgendetwas, was nach der klugen Bemerkung einer Trainerin klang. „Man kann sehen, dass er immer noch nervös ist. Irgendetwas hat sein Vertrauen gestört.“

Phillip runzelte die Stirn und legte die Hand an Eros’ samtene Nüstern. „Sie sehen ihn nur an und erkennen das?“

Sie nickte. „Ja. Ich habe das schon oft erlebt. Der ganze Charakter eines Pferdes kann sich nach einem schlimmen Ereignis ändern.“

„Aber es ist nichts passiert …“

„Nichts, was Ihre Stallburschen zugeben“, sagte sie schnell. „Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, aber die Leute, die für meinen Va…, meinen Arbeitgeber arbeiten“, korrigierte sie sich hastig, „haben oft Probleme, einen Fehler einzugestehen, auch wenn sie an sich ehrlich und loyal sind.“

Er betrachtete sie einen langen Moment. „Ich denke, Sie haben recht. Ich werde wahrscheinlich nie erfahren, was Eros an jenem Tag widerfahren ist.“

„Genau. Wir können jetzt nur versuchen, das Vertrauen des Pferdes wieder aufzubauen.“

„Und wie stellen wir das an?“

Sie überlegte kurz und erinnerte sich, wie sie sich von ein paar schlimmen Stürzen erholt hatte. „Sie fangen ganz am Anfang an. Trainieren mit ihm, als wäre er nie zuvor gesprungen.“

Phillip schüttelte den Kopf. „Mein Trainer meint, dass wir ihn dazu bringen müssen, einige hohe Hindernisse zu nehmen, und dass er dann wieder in Ordnung ist.“

Alexandra sah ihn zweifelnd an. „Okay. Und wie wollen Sie ein schweres Pferd über ein hohes Hindernis bringen, wenn es nicht will? Mit einem Gabelstapler?“

Er lachte und trat näher zu ihr. Ihre Schultern berührten sich, und ein Prickeln schoss durch ihren Körper. „Da ist etwas dran. Reden Sie weiter.“

Sie ließ Eros an ihrer Handfläche schnuppern, dann streichelte sie über seinen schlanken schwarzen Hals. „Reiten Sie ihn ein Dutzend oder mehr Runden über den Reitplatz. Keine Sprünge. Dann lassen Sie ihn über eine Latte auf dem Boden laufen. Sobald er keine Probleme damit hat, erhöhen Sie auf zehn Zentimeter über dem Boden. Gehen Sie ganz langsam immer höher, aber immer erst, wenn er das Hindernis, ohne zu zögern, nimmt. Und wenn es Wochen dauert, okay. Drängen Sie ihn nicht.“

Phillip nickte langsam. „Das klingt logisch. Haben Sie diese Technik schon bei anderen Pferden angewendet?“

„Unzählige Male!“ Sie lächelte, als Eros spielerisch gegen ihre Wange stieß. Und jetzt, dachte sie, ist Zeit für unseren Lunch. Sie konnte von den wundervollen mediterranen Fischgerichten, die es überall auf der Insel gab, gar nicht genug bekommen.

Doch Phillip hatte etwas anderes im Sinn. „Wir satteln ihn.“

„Wie bitte?“ Alexandra starrte ihn besorgt an.

„Die Gelegenheit bekomme ich nicht wieder. Sie haben selbst gesagt, dass Sie nicht lange bleiben werden. Ich möchte Ihre Erfahrung nutzen.“

„Aber ich bin sicher, Ihr Trainer …“

„Marco hatte bisher keinen Erfolg, und das liegt vielleicht daran, dass Eros ihn mit dem in Zusammenhang bringt, was ihn ursprünglich verängstigt hat. Sie scheint er jedoch zu mögen. Vielleicht braucht er einfach die Berührung einer Frau.“

„Ich habe keine Reitsachen dabei“, protestierte sie.

„Alles, was Sie brauchen, finden Sie in der Sattelkammer. Einfach diesen Gang entlang.“ Er zeigte in eine Richtung. „Welche Schuhgröße haben Sie?“

„Neununddreißig.“

„Ich bin sicher, ein Paar wird passen. Gehen Sie, ich kümmere mich um Eros.“

Toll, dachte sie einen Moment später, als sie eine Reithose über ihre Shorts zog und in Lederreitstiefel schlüpfte. Was sollte sie jetzt tun? Sie könnte Phillip Kinrowan eingestehen, dass sie ihn angelogen hatte und nicht die war, die sie zu sein vorgab. Doch das wäre peinlich. Es war ihr egal, wenn er wütend würde, aber sie wollte nicht ausgelacht werden.

Oder sie ließ es darauf ankommen und ritt Eros. Und riskierst, dass du dir das Genick brichst, warnte eine innere Stimme.

Aber das furchtsame Springpferd schien lammfromm. Sicher, Vollblüter waren unvorhersehbar, und ihre Stimmung konnte sich ohne Vorwarnung ändern. Aber sie würde nur einige Runden im Schritt über den Platz schreiten, mehr nicht. Sie würde Phillip erklären, dass es verfrüht wäre, das Pferd heute schon zu einem Sprung zu drängen, und sei das Hindernis noch so niedrig. Dadurch könnte das Tier auf Dauer für Turniere ruiniert sein. Und welcher Besitzer würde dieses Risiko eingehen?

Alexandra lächelte. Sie würde es schaffen, kein Problem. Und anschließend eine Bouillabaisse!

Phillip sicherte den Sattelgurt. Die ganze Zeit sprach er beruhigend auf das Pferd ein. „Sie ist federleicht, alter Freund. Du wirst sie gar nicht merken. Und du hast doch gesehen, wie nett sie ist, oder? Eine hübsche Frau wie sie wird dir nicht wehtun. Entspann dich und lass dich von ihr ein paar Runden durch die Arena reiten. Gönn mir den Spaß an ihrem Anblick. Okay?“

Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Alexandras Rat war so logisch, dass er sich fragte, warum Marco oder er selbst nicht auf die Idee gekommen waren. So einfach. Ganz von vorn beginnen. Offensichtlich war Alexandra sehr erfahren.

Er freute sich darauf zu sehen, wie sie mit Eros fertig würde. Das Pferd war temperamentvoll, sicher, aber immer leicht zu führen gewesen – bis zu dem Tag, an dem es angefangen hatte, sich zu verweigern.

Phillip führte Eros auf den Reitplatz. Zwei der Stalljungen sprachen mit einem Mann, den er vom fürstlichen Hof kannte. Er fragte sich, ob er mit einer Nachricht für Alexandra geschickt worden war, und hoffte, dass es keinen Grund für ihre Rückkehr in den Palast gab, bevor sie Zeit für einen gemütlichen Lunch gehabt hatten. Er wollte gerade nachfragen, doch da kam Alexandra schon auf ihn zu. Sie joggte durch den Hof, die Wangen hübsch gerötet.

„Ist er bereit?“

„Er gehört Ihnen.“ Phillip reichte ihr die Zügel. „Soll ich Ihnen hinaufhelfen?“

Autor

Kathryn Jensen

Kathryn Jensen lebt in Maryland. Glücklicherweise genau zwischen den zwei spannenden Städten Washington, D.C. und Baltimore. Aber der Mittelatlantik war nicht immer ihr zu Hause. Zu den vielen Ländern, in denen sie gelebt hat, zählen unter anderen Italien, Texas, Connecticut und Massachusetts. Viele Länder, die sie auch bereist hat, haben...

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