Küsse, süßer als jede Rache

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Sie fühlte seinen Atem auf ihrem Haar und war versucht, sich an seine breite Brust zu lehnen. Würde er ihr Haar zur Seite schieben und die Haut hinter ihrem Ohr küssen? Rancher Pete Wellington will nur eins: das Rodeo zurückhaben, das sein Vater vor vielen Jahren beim Pokern an Familie Lawrence verloren hat. Jetzt bietet sich ihm eine einmalige Gelegenheit, denn Rodeo-Prinzessin Chloe Lawrence braucht Hilfe. Sie bietet ihm einen Job als Manager an. Pete willigt ein, wild entschlossen, das Rodeo um jeden Preis wieder an sich zu bringen. Doch er hat nicht damit gerechnet, dass es Chloe wirklich am Herzen liegt. Und noch weniger damit, dass sie sein Herz erobern könnte…


  • Erscheinungstag 02.10.2018
  • Bandnummer 2049
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724030
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Chloe Lawrence musste ihre gesamte Willenskraft aufbringen, um ihr gewinnendes Lächeln beizubehalten.

„Miss“, meckerte der Viehbesitzer, nahm den Hut ab und strich sein dünnes Haar zurück, bevor er den Stetson wieder aufsetzte. „So sind die Dinge hier zu Zeiten Ihres Vaters nie gelaufen.“

Als sie solche Worte zum ersten Mal von einem der alten Käuze gehört hatte, hatte sie das tief getroffen. Schließlich war Milt Lawrence schon seit vier Jahren nicht mehr für das All-Around-All-Stars-Pro-Rodeo zuständig. Damals hatte ihr Bruder Oliver die Leitung des Familienimperiums übernommen, zu dem das All-Stars gehörte, seit ihr Vater die Rodeo-Show vor dreizehn Jahren bei einem Pokerspiel gewonnen hatte.

Oliver leitete das Rodeo vom Büro aus, während er gleichzeitig ihr Hauptunternehmen Lawrence Energies managte. Daher vertrat Chloe die Lawrence-Familie vor Ort und verhandelte auch mit den Viehbesitzern.

„Mort“, sagte sie, um einen warmen und freundlichen statt eines ärgerlichen Tonfalls bemüht. „Es geht hier nur um eine kleine Änderung, wer am Wettbewerb teilnehmen darf.“

Was nicht unbedingt der Wahrheit entsprach. Frauen zu den Männer-Wettbewerben zuzulassen war weit mehr als eine kleine Änderung.

Dale Jenkins, ein älterer Rancher, dessen Bauch tief über seinen Gürtel hing, trat vor Mort. „Was Mort damit sagen will, ist, dass wir natürlich daran interessiert sind, dem All-Stars unser Vieh zur Verfügung zu stellen. Aber Sie sind nur die Rodeo-Prinzessin. Und sehr gut darin“, fügte er hinzu, als ob diese Bemerkung es besser machen würde. „Aber …“

Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das Chloe nur allzu gut kannte. Doch dieses Aber zerrte an ihren Nerven. Als sie als Teenie so enthusiastisch gewesen war, jedes Rodeo eröffnen und abschließen zu dürfen, hatte Dale sie genauso angelächelt, ihr auf den Rücken geklopft und ihr mitgeteilt, dass sie „recht hübsch auf dem Pferd aussah“.

Wenn er sie jetzt tätscheln würde, würde sie ihm wahrscheinlich die Hand brechen.

„Meine Herren“, erklärte sie und versuchte, ihre Stimme so kräftig wie möglich klingen zu lassen, „es kann nicht schaden, mal etwas Neues auszuprobieren. Wenn es funktioniert, bringt uns das mehr Zuschauer und höhere Einnahmen. Und was bedeutet das?“ Sie blickte Dale, Mort und die anderen Cowboys an. „Mehr Geld für jeden von uns.“

„Frauen machen nur beim Tonnenrennen mit“, motzte ein alter Typ namens Dustin Yardley und baute sich vor ihr auf. „Sie erwarten von uns, dass wir uns an etwas beteiligen, dem wir nicht zugestimmt haben. Das All-Stars ist ein Männer-Rodeo.“ Er funkelte sie so böse an, dass sie beinahe einen Schritt zurückgetreten wäre. Aber sie durfte vor diesen Männern keine Angst zeigen.

„Und wir“, fuhr er fort, „sind die Männer, die dafür sorgen, dass das Rodeo rundläuft.“

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Chloe hatte sich diesen Quatsch schon in Des Moines, Kansas City, Shreveport, Memphis und in Fort Worth anhören müssen. Und jetzt auch noch in Sikeston, Missouri.

Keiner der Viehbesitzer, Reiter oder Veranstalter hatte ein Problem damit, dass sie das Rodeo leitete, solange ihr Vater oder Bruder auf dem Papier das Sagen hatte. Sie musste ihre Anweisungen nur so formulieren, als ob sie von ihrer Familie kämen. Von einem Mann.

Doch seit diesem Jahr war alles anders. Oliver hatte ihr die vollständige Leitung übertragen. Er war viel zu beschäftigt, um sich um das All-Stars zu kümmern. Und außerdem hasste er das Rodeo, was Chloe überhaupt nicht verstehen konnte, denn sie liebte es über alles und hatte seit Jahren darum gekämpft, die Führung zu übernehmen. Schließlich hatte Oliver ihr hinter dem Rücken ihres Vaters die Verantwortung für die TV-Übertragungsrechte gegeben, damit sie sich beweisen konnte.

Und das hatte sie getan. Sie war nicht nur die Rodeo-Prinzessin. Nicht mehr.

Das hatte sie zumindest geglaubt.

Diese Saison hätte zu ihrem Siegeszug werden sollen. Denn endlich war sie für das Rodeo, das sie so sehr liebte, ganz allein zuständig. Die Übertragungsrechte waren nur der erste Schritt gewesen. Sie hatte ihr eigenes Modelabel für Cowgirl-Kleidung gegründet, das natürlich Rodeo-Prinzessin hieß, und es lief super. Zwar kroch sie wegen der vielen Arbeit, der Doppelbelastung und des wenigen Schlafs auf dem Zahnfleisch, aber ihr Bruder hatte das Rodeo geleitet, während er ein milliardenschweres Energieunternehmen managte. Dann konnte sie wohl ein paar Cowboys und eine Bekleidungslinie in den Griff bekommen. Sie musste das einfach schaffen – denn das hier war erst der Anfang.

Sie hatte Pläne. Große Pläne. Pläne, für die sie die Unterstützung ihrer Leute brauchte, mit deren Widerstand sie nicht gerechnet hatte. Verdammte Männer.

Chloe biss die Zähne zusammen. „Mister Yardley“, begann sie. „Ich glaube kaum, dass Ihre Frau und Ihre Tochter, die letztes Jahr, während Sie im Krankenhaus waren, die Kälber ganz allein zum Rodeo gebracht haben, diese Einstellung teilen. Wie geht es eigentlich Ihrem Herzen?“

Yardley presste die Lippen aufeinander und warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Er war ein Mann, der es nicht vertragen konnte, wenn jemand seine Autorität infrage stellte, schon gar nicht eine Prinzessin. „Also, Fräulein“, begann er mit hochrotem Kopf, als plötzlich eine Männerstimme hinter ihr zu vernehmen war. „Gibt’s Probleme?“

Chloe rutschte das Herz in die Hose, auch wenn sie beinah damit gerechnet hatte, dass ihr kleiner Bruder Flash in die Situation platzen würde. Der war nicht nur ein Lawrence-Erbe, sondern auch ein Cowboy, der für das All-Stars ritt. Flash war zwar unglaublich charmant, aber auch sehr aufbrausend. In Omaha hatte sie seinetwegen viel Ärger gehabt, als er in einer ähnlichen Situation beschlossen hatte, ihre Ehre verteidigen zu müssen, und hatte all ihre Verhandlungskünste aufbringen müssen, um die Polizei davon abzuhalten, ihn zu verhaften.

Jetzt wäre sie froh, wenn Flash derjenige gewesen wäre, dessen Stimme sie gehört hatte. Aber heute war nicht ihr Glückstag.

Yardley grinste, als er den Typ hinter Chloe ansah – der letzte, mit dem sie sich jetzt befassen wollte. Lieber würde sie es mit Hunderten von Männern wie Jenkins, Yardley und Gandy aufnehmen als mit diesem einen.

„Pete Wellington“, begrüßte ihn Yardley, und die plötzliche Wärme und Freude in seiner Stimme waren nicht zu überhören. „Was für eine Überraschung.“

Allzu überrascht klang er aber nicht. Tatsächlich schien keiner der Männer erstaunt darüber zu sein, dass Pete Wellington von seiner Ranch in Texas zum All-Stars-Rodeo in Missouri gekommen war.

Verdammt.

„Wie geht’s dir?“, fragte Mort und warf Chloe einen Seitenblick zu. „Wir würden dich gern wieder beim Rodeo sehen.“

Das war deutlich. Doch bevor sie einwerfen konnte, dass Wellington schon seit Jahren nichts mehr beim All-Stars verloren hatte, drängte sich Dale vor. „Nimmst du am Wettbewerb teil? Wir könnten gut einen echten Profi in der Arena gebrauchen.“

Mann, warum rollten sie keinen roten Teppich für ihn aus und leckten ihm die Stiefel? Chloe hätte am liebsten vor Wut geschrien. Sie hasste es, wenn Flash zur Zielscheibe gemacht wurde, denn er war ein verdammt guter Reiter. Immerhin hatte er sich den siebten Platz auf der Weltrangliste erkämpft, egal, was die anderen dachten.

„Männer“, hörte sie Pete hinter sich sagen und musste beim Klang seiner tiefen, vollen Stimme einen Schauer unterdrücken, „ihr wisst doch, dass ich schon seit Jahren nicht mehr im Geschäft bin.“

„Deswegen kannst du trotzdem zurückkommen. Würde dem Rodeo guttun. Richtig guttun.“ Yardley machte einen Schritt nach vorn, um Wellington die Hand zu schütteln. Aber das würde Chloe nicht zulassen. Petes Vater Davey Wellington war vielleicht der Gründer dieses Rodeos, aber er hatte es in einem fairen Pokerspiel an Chloes Vater Milt verloren.

Sie würde nicht erlauben, dass irgendjemand sie aus ihrem Rodeo verdrängte. Vor allem nicht Pete Wellington.

Gerade als Yardley die Hand ausstreckte, schwang Chloe zu ihrem Feind herum und schubste Yardley dabei aus Versehen weg. „Ups“, sagte sie und schaffte es, unschuldig dreinzublicken, als Dustin stolperte. „Hallo, Mr. Wellington“, gurrte sie. Sie hatte einmal gehört, wie Flash ihn so angesprochen und Pete ihn angeblafft hatte, dass sein Vater Mister Wellington sei. Sie würde jede Waffe einsetzen, die ihr zur Verfügung stand, also klimperte sie mit den Wimpern und drehte sich so, dass ihre Brüste bestmöglich präsentiert wurden. „Ich habe dich gar nicht kommen sehen.“

Unter ihren langen Wimpern schaute sie zu ihm auf – eine Aktion, mit der sie normalerweise in jeder Situation die Überhand gewann. Doch Pete Wellington ließ sich nicht von einem hübschen Gesicht ablenken. Wenn das so wäre, würde er ihr schon seit zehn Jahren aus der Hand fressen.

Stattdessen sagte er leicht spöttisch: „Ja, hallo. Wenn das mal nicht die Rodeo-Prinzessin ist. Du hast alles gut im Griff, wie ich sehe. Wie üblich.“

Chloe weigerte sich, darauf zu reagieren. Nein, sie erlaubte es sich noch nicht einmal, rot zu werden, als die alten Käuze um sie herum zu kichern anfingen. Drei Jahre nachdem ihr Vater das Rodeo übernommen hatte, hatte sie begonnen, als Rodeo-Prinzessin aufzutreten. Mit gerade einmal sechzehn hatte sie jedes Wochenende beim All-Around-All-Stars-Pro-Rodeo die Veranstaltung mit einem Ritt durch die Arena eröffnet und beendet, indem sie eine riesige amerikanische Flagge schwenkte. Beim All-Stars konnten sich die Cowboys im Kälberfangen, Wildpferdereiten, Team-Lassowerfen, Stier-Niederringen und Bullenreiten messen. Das spülte zwar nicht so viel Geld in die Kassen wie die Veranstaltungen mit reinem Bullenreiten, doch Chloe hatte Pläne, die den Umsatz steigern würden.

Der erste Schritt in diese Richtung war, einen neuen Rodeo-Star herauszubringen – der auf keinen Fall ihr Bruder Flash sein würde. Sie würde dafür am liebsten ein Cowgirl finden, ein Vorbild für die jüngeren Mädchen. Das hatte auch bei der Konkurrenz funktioniert, wo June Spotted Elk sich von ganz unten hochgearbeitet hatte. So könnte es bei Chloes Rodeo auch laufen.

Pete grinste sie an, während Dustin hinter ihr gluckste. Diese Männer hielten sie davon ab, an ihrem Erfolg zu arbeiten.

Sie hasste Pete Wellington mit seiner selbstgefälligen Haltung, seinem durchtrainierten Körper und seinem attraktiven Gesicht, das mit den Bartstoppeln noch besser aussah. Und erst seine Augen! Sie waren beinahe grau. Als er jetzt unter der Krempe seines Cowboyhuts zu ihr herunterblickte, wechselte ihre Farbe aber je nach Lichteinfall zu einem hellen Blau oder Grün. Ja, seine Augen hasste sie ganz besonders. Sie hatten einfach die schönste Farbe, die sie jemals gesehen hatte, und an manchen Tagen wollte sie nichts lieber tun, als sich in diesen Augen zu verlieren und ihr wechselndes Farbenspiel zu beobachten.

Aber mehr noch als alles andere hasste sie es, wie er sie ansah. Würde er sich einen Zacken aus der Krone brechen, wenn er anerkennen würde, dass sie sein geliebtes Rodeo verdammt gut führte? Dass sie den Laden im Griff hatte und alles verbessert hatte – wie die Übertragungsrechte und höheren Erträge?

Offensichtlich hatte er diese Größe nicht, denn in seinem Blick lag nichts als Hohn. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das bei jedem anderen Mann ihr Herz zum Schmelzen gebracht hätte, bei ihm jedoch nur spöttische Verachtung ausdrückte.

Er war nur aus einem einzigen Grund in Missouri: um ihr vor genau den Männern, die sie für ihre Pläne brauchte, einen Dämpfer zu verpassen.

Wenn er das Spiel so spielen wollte, bitte. Es war nicht ihre Schuld, dass sein Vater ein Trinker und außerdem ein mieser Pokerspieler gewesen war, der nicht wusste, wann es Zeit war aufzuhören. Doch Pete benahm sich, als hätte sie sein Rodeo gestohlen. Als ob sie damals dabei gewesen wäre und Davey Wellington zum Trinken animiert und ihm etwas eingeflüstert hätte.

Für ihn war sie quasi der Teufel persönlich, und so behandelte er sie auch.

Doch die Genugtuung, sich von ihm aus der Reserve locken zu lassen, würde sie ihm nicht geben. „Ja, alles im Griff. Wie du siehst, habe ich im Gegensatz zu dir richtig viel zu tun“, erwiderte sie leichtfertig, als ob sie nicht mit voller Absicht seine Männlichkeit verletzen würde. „Aber es ist schön, dass du dich mal wieder blicken lässt.“ Sie tätschelte seinen Oberarm und ignorierte dabei geflissentlich seinen imposanten Bizeps. „Lass es mich wissen, falls du Hilfe im Umgang mit den Fans brauchst. Ich weiß, dass so etwas einen leicht überfordern kann, wenn man nicht daran gewöhnt ist.“

Jeder Anflug eines Lächelns auf seinen schönen, vollen Lippen erstarb, was ihr Strahlen nur vergrößerte. Doch statt zum Gegenangriff überzugehen, schluckte Pete heftig und fragte: „Wird’s ein großer Abend?“

„Wir sind seit Wochen ausverkauft.“ Das lag natürlich zum Teil auch daran, dass sie einen berühmten Countrystar als Musik-Act hatte gewinnen können. Doch sie würde den Leuten eine wahnsinnig gute Rodeo-Show bieten. Das musste sie. Wenn das nicht funktionieren würde … Nein. Kein Wenn. Es würde funktionieren. Schließlich hatte sie die Zügel hier fest in der Hand.

Insgeheim wappnete sie sich für seinen Gegenschlag. Er würde jetzt versuchen, sie mit einem geistreichen Konter zu schlagen. Sie sah, wie sich sein Hals anspannte und er mit den Zähnen knirschte. Aber was auch immer er sagen würde, sie würde ihm nicht die Oberhand lassen.

Jetzt müsste er doch, bestimmt jetzt …

„Pete, vielleicht kannst du dem Frollein hier Vernunft beibringen.“ Das kam von Mort.

„In welcher Hinsicht?“, fragte Pete, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

„Na wegen der Frauen“, sagte Dustin. „Sie weiß wirklich nicht, wovon sie redet.“

Pete trat einen Schritt zurück und musterte Chloe von oben bis unten, ließ den Blick über ihre tief ausgeschnittene Cowgirl-Bluse und die enge Jeans – beide aus der Rodeo-Prinzessin-Kollektion – wandern. Viel zu langsam für ihren Geschmack. „Ich weiß nicht, Jungs. Mir scheint, als wäre sie auf diesem Gebiet sehr kompetent.“

Chloe wurde knallrot. Mist, das wollte sie nicht, Pete durfte nicht merken, dass seine Wort ihr etwas anhaben konnten. Doch sie konnte es nicht verhindern. Nahm er sie gerade in Schutz? Oder machte er ihr nur schöne Augen?

Was war hier los?

„Sie will Frauen am Wettbewerb teilnehmen lassen!“, brüllte Dustin.

„Versteh das nicht falsch“, beschwichtigte Dale. „Frauen sind verdammt gute Reiterinnen beim Tonnenrennen.“

„Und sie sehen gut aus“, fügte Mort unnötigerweise hinzu.

Zwar schaffte Chloe es, sich zu beherrschen, doch sie musste die Zähne zusammenbeißen und kurz die Augen schließen. Diese Worte sollten sie nicht verletzen. Würden sie nicht verletzen.

„Aber wenn du so ein süßes Ding mit einem Mann in die Arena schickst, lenkt ihn das nur ab“, sagte Dustin angewidert. „Und ein Cowboy, der sich ablenken lässt, wird schneller verletzt. Das weißt du auch, Pete.“

Pete räusperte sich. Vermutlich genoss er diese offene Rebellion gegen sie. Sie wäre nicht überrascht, wenn er das Ganze inszeniert hätte. Langsam blickte sie sich um. Jepp, um sie herum standen jede Menge Leute. Wunderbar. Ein großes Publikum für ihre Erniedrigung.

Zumindest war Flash nicht hier. Denn es gab keine Situation, die Flash nicht noch schlimmer machen konnte.

Und dann passierte etwas Merkwürdiges. Pete Wellington – ein Mann, der nie einen Hehl aus seinem Hass auf sie gemacht hatte – neigte den Kopf und zwinkerte ihr unter seiner Hutkrempe zu, sodass es niemand außer ihr sehen konnte. Noch bevor sie darüber nachdenken konnte, was, zur Hölle, das bedeuten sollte, trat er zurück.

„Du hast recht.“ Pete richtete sich an Dustin und die herumstehenden Cowboys. „Ich weiß aus erster Hand, dass beim All-Stars-Rodeo bisher niemand bei einem gemischten Wettbewerb verletzt wurde. Denn den haben wir ja nicht.“

Chloe blinzelte. War das … Sarkasmus?

Zu ihrer Verteidigung?

Was, zum Teufel, war hier los?

Eine kleine Pause entstand, bis Petes Worte bei den Männern angekommen waren. Dann begann der erste zu kichern. Ein anderer stimmte ein, und bald schon grölten alle Cowboys aus vollem Halse.

„Mal ehrlich, Jungs“, fuhr Pete fort, „jeder von uns ist schon mal von einem Bullen getreten oder von einem buckelnden Pferd abgeworfen worden.“ Die Männer nickten zustimmend. „An meinen gebrochenen Knochen oder den blauen Flecken, die ich mir geholt habe, war noch keine Frau beteiligt. Ich sehe das so: Wenn eine Frau in unserem Team mitreiten will und uns dabei helfen kann zu gewinnen, warum sollten wir das nicht zulassen?“

Das Nicken hörte abrupt auf, und Dustin stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Ist das dein Ernst, Wellington?“

„Hast du mal gesehen, wie meine Schwester einen Stier mit dem Lasso einfängt? Sie würde jeden Kerl in dieser Arena alt aussehen lassen.“

Fassungslos starrte Chloe Pete an. Er hatte die Schlinge um ihren Hals nicht zugezogen. Im Gegenteil, er war doch tatsächlich dabei, sie zu verteidigen.

Als er zu ihr herabblickte, lief ein elektrisierender Schauer über ihre Haut. Und dann sagte er etwas, das sie endgültig umhaute. „Wenn Chloe meint, es sei eine gute Idee, Frauen für die Team-Wettbewerbe zuzulassen, dann ist das auch so.“

„Du kannst nicht ernsthaft glauben, dass sie eine gute Idee hatte.“ Dustin spuckte auf den Boden.

„Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?“, feuerte Pete zurück.

Chloe starrte den Mann an.

Wer, zur Hölle, war dieser verdammte Pete Wellington?

2. KAPITEL

Pete wusste nicht, wann er das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. Chloe Lawrence hatte den Mund vor Erstaunen offen stehen. Mein Gott, wie gut es war, endlich die Oberhand über diese Frau zu haben. Alles lief genau nach Plan.

Erneut warf Pete einen Blick zu Chloe hinüber. Wenn ihm diese Situation nicht so gut gefallen hätte, hätte er wahrscheinlich Mitleid mit ihr gehabt. Normalerweise war sie hochnäsig, auf eingebildete Art selbstbewusst und dachte, sie sei besser als alle anderen, vor allem besser als er. Nie konnte sie es sich verkneifen, ihm auf die Nase zu binden, dass das All-Stars nicht mehr sein Rodeo war.

Jetzt hatte er den Spieß umgedreht und würde sie genüsslich fertigmachen. Diese Männer waren ihr keine Loyalität schuldig, und das wussten sie auch.

Doch in diesem flüchtigen Moment, als Dustin sie angriff und sich ein tiefer Schmerz auf ihrem hübschen Gesicht abzeichnete, fühlte es sich nicht so an, als würde er gewinnen, sondern als wäre er ein riesiges Arschloch. Und als ob er diesen Blick vor langer Zeit schon einmal gesehen hätte. Wahrscheinlich als er irgendwann einmal etwas Gemeines zu ihr gesagt hatte. Zwar konnte er sich nicht mehr daran erinnern, aber Chloe teilte genauso heftig gegen ihn aus, also würde er sich jetzt nicht schlecht fühlen, weil er sie früher schon verletzt hatte.

Schnell drängte er den leisen Anflug von Schuldgefühlen beiseite. Hey, er war hier nicht der Böse, das war er niemals gewesen. Er wollte nur das haben, was rechtmäßig ihm gehörte. Das hatte nichts mit Chloe persönlich zu tun, sondern mit ihrer verlogenen, betrügerischen Familie.

Aber egal, wie oft er sich das sagte, wurde sein Blick doch wie magisch von ihr angezogen. Dass sie die schönste Frau war, mit der er jemals aneinandergeraten war, machte die Situation nur schlimmer. In einem anderen Leben, in dem seiner Familie immer noch das All-Stars gehören würde und Chloe und er keine Gegner wären, wäre sie einfach nur eine wunderschöne Frau, und er hätte die Möglichkeit …

Nichts da, er wollte einfach nur sein Rodeo zurück.

Das Rodeo gehörte ihm, verdammt noch mal. Das Lawrence-Oil-All-Around-All-Stars-Pro-Rodeo bestand aus verschiedenen Rodeo-Veranstaltungen, die in kleinen und großen Städten stattfanden. Die meisten davon hatte es schon lange vor dem All-Stars gegeben.

Als Petes Vater Davey das All-Stars in den Achtzigern gegründet hatte, hatte er große Pläne gehabt. Er wollte nicht einfach nur ein paar Einzelrodeos mit jeweils einem Gewinner veranstalten – Davey Wellington wollte den weltbesten All-Around-Cowboy prämieren. Es war eine verrückte Idee gewesen, doch Davey war selbst verrückt genug, um sie durchzuführen.

Bald schon musste jedes Rodeo, das in die Weltrangliste aufgenommen werden wollte, vom All-Stars zugelassen werden. Petes Kindheit hatte aus Sommern bestanden, in denen er gemeinsam mit seinem Dad von Rodeo zu Rodeo gefahren war, um zu prüfen, ob die Veranstaltung gut genug war, um in die All-Stars-Liga aufgenommen zu werden.

Gott, waren das gute Zeiten gewesen. Nur sie beide in Dads Truck, die Postkarten an Mom schrieben. Solange er sich zurückerinnern konnte, waren diese Sommer die einzige Zeit gewesen, in der Pete die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Vaters gehabt hatte. Seite an Seite mit seinem Vater hatte er daran gearbeitet, das All-Stars aus dem Nichts aufzubauen.

Das Rodeo war wie eine Familie für ihn. Das All-Stars war seine Familie, das Vermächtnis seines Vaters. Es war verdammt noch mal sein Erbe – das er wegen eines verfluchten Pokerspiels verloren hatte. Milt Lawrence hatte Davey das All-Stars quasi gestohlen, als er mit dem viel zu betrunkenen Mann gespielt hatte, und es gab nichts, was Pete tun konnte, um das zu ändern. Doch er hatte es weiß Gott versucht.

Als Armstrong Oil, der größte Konkurrent von Lawrence Oil, auf seiner Ranch Öl gefunden hatte und Pete dadurch sehr reich geworden war, hatte er versucht, das All-Stars von Milt Lawrence zurückzukaufen. Allerdings erfolglos. Genauso wie die Klagen, die er seitdem eingereicht hatte.

Die Lawrences waren wie Blutegel. Wenn sie sich erst einmal festgesaugt hatten, ließen sie nicht mehr los. Sie würden das All-Stars noch all seiner Geschichte, Bedeutung und Einnahmen berauben. Deswegen war es an der Zeit für eine neue Form des Angriffs.

Eine, bei der er sich auf die alten Käuze verlassen musste. „Das kann nicht dein Ernst sein“, stieß Yardley aufgebracht hervor. „Wir hatten einen Deal.“

Zornig starrte Pete ihn an. Er hätte es besser wissen müssen und Dustin Yardley nicht bei etwas so Wichtigem vertrauen dürfen.

„Was für ein Deal?“, blaffte Chloe. Jegliche Verwirrung war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie stemmte die Hände in die sexy Kurven ihrer Hüften und fixierte Pete. Natürlich vermutete sie genau das Richtige.

Es war kein Zufall, dass Pete heute in Missouri war, ebenso wenig wie die Tatsache, dass er in die Auseinandersetzung mit den Viehbesitzern geplatzt war.

„Was für ein Deal?“, wiederholte Pete und versuchte dabei unschuldig zu klingen. Er hoffte, dass Dustin den Wink verstand und seine Klappe hielt.

Chloe trug nun schon seit einigen Monaten die Verantwortung für das Rodeo und konnte sich nicht mehr hinter ihrem Daddy oder ihrem Bruder verstecken. Oliver war von Anfang an nutzlos und auf Chloe angewiesen gewesen, die wichtigen Entscheidungen hatte von Anfang an sie getroffen.

Als Oliver ihr das All-Stars Anfang des Jahres offiziell überlassen hatte, hatte Chloe niemanden eingestellt, der sie im Management unterstützte. Doch das hätte sie tun sollen. Sie versank in Arbeit und hatte keinerlei Hilfe.

Das Rodeo zu leiten war ein Vollzeitjob, und sie hatte obendrein auch noch die Bekleidungslinie ins Leben gerufen. Petes Schwester Marie hatte einige Blusen gekauft, damit sie beide sich über das neueste geschmacklose Projekt der Lawrences lustig machen konnten. Doch Marie – der Verräterin – hatten die Blusen so gut gefallen, dass sie noch weitere Kleidungsstücke der Linie erworben hatte.

Chloe konnte ruhig ihre kleine Modenschau abhalten – das war Pete völlig egal. Doch sie würde sein Rodeo ruinieren, und das würde er nicht zulassen.

Die Viehbesitzer und örtlichen Rodeo-Veranstalter wollten mit ihm arbeiten, nicht mit ihr. Und auch nicht mit Oliver oder gar mit Milt, dem New Yorker mit dem künstlichen texanischen Akzent, dem sie nie getraut hatten.

Pete könnte sie alle um sich scharen und zum Streik aufrufen, bis die Lawrence-Familie sich vom All-Stars trennen oder Pete einen fairen Anteil zahlen würde – auch für die zurückliegenden dreizehn Jahre. Das Rodeo war sehr viel wert, und dieses Geld gehörte von Rechts wegen den Wellingtons.

Doch er war an diesem Wochenende nicht wegen Geld in Missouri. Durch das Öl und die erfolgreiche Viehzucht war seine Ranch millionenschwer. Nein, hier ging es um das Vermächtnis seines Vaters – um Petes Erbe. Er wollte das All-Stars wiederhaben.

Also hatte er den Viehbesitzern eine Lösung vorgeschlagen. Sie würden einen Aufruhr anzetteln, und Pete würde zu Chloes Rettung herbeieilen. Sie wäre dann so dankbar für seine Unterstützung, dass sie ihn für das Rodeo anheuern würde. Und wenn er erst einmal im Geschäft wäre, würde er Chloe nach und nach daraus herausdrängen.

Es war ein verdammt riskanter Plan, doch alles andere hatte er schon versucht. Das hier würde funktionieren. Es musste einfach funktionieren. Nächstes Jahr würde Chloe Geschichte sein, und das All-Stars würde wieder ihm gehören.

Vorausgesetzt, Dustin Yardley würde seinen Plan nicht auffliegen lassen.

Chloe wirbelte zu ihm herum, die Augen zusammengekniffen und aus jeder Pore ihres Körpers Misstrauen ausströmend. „Gibt es etwas, das du mir sagen möchtest, Pete?“ Sie stieß jedes einzelne Wort so heraus, als ob es sie persönlich beleidigen würde.

Jetzt musste er auf der Hut sein. Sein Plan würde funktionieren, auch wenn sie etwas misstrauisch war. Aber sie musste ihn einstellen. Pete wusste, dass er geschickt vorgehen musste.

„Steve Mortimer hat mich angerufen. Er ist etwas angeschlagen und konnte seine Pferde nicht herbringen, also hat er mich um Hilfe gebeten. Wahrscheinlich hat er Dustin zuerst gefragt, aber du kennst ja Dustin.“ So war es natürlich nicht gelaufen. Pete hatte tief in die Tasche greifen müssen, um Steve zu überreden, nicht zu seinem geliebten Rodeo zu kommen.

Streng sah Chloe ihn an, aber dann verwandelte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich, als ob eine Wolke von der Sonne weggeschoben würde und nun alles viel freundlicher wäre. Und als ob sie einen Schalter umgelegt hätte, wirkte Chloe Lawrence mit einem Schlag ein wenig dümmlich. Wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wäre Pete der Unterschied gar nicht aufgefallen.

Das musste er ihr lassen – Chloe war eine richtig gute Schauspielerin.

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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