Märchenprinz für eine Nacht

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Jewel fühlt sich wie berauscht: ein Ausritt im Mondschein, ein leidenschaftlicher Kuss diese Nacht ist einfach märchenhaft. Und der faszinierende Mac Delgado kann nur ein Traumprinz sein. Sie ahnt gar nicht, dass sie damit der Wahrheit ziemlich nahekommt ...


  • Erscheinungstag 27.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737948
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Bringt Sie das nicht auch auf den Geschmack?“

Fürst Marcus Santiago von Tesoro del Mar sah in die großen blauen Augen seiner jungen Tanzpartnerin, die ihn erwartungsvoll anblickte. Er versuchte, eine gewisse Distanz zu ihr zu wahren, damit sie sich nicht ermutigt fühlte oder die Presse annahm, dass er mehr als nur einen Walzer auf der Hochzeit seines Bruders mit ihr tanzen wollte. Nur hatte sie das anscheinend nicht kapiert.

„Nein“, sagte er knapp und unmissverständlich.

„Ich wette, dass Sie Ihre Meinung ändern, wenn Sie die Richtige treffen.“

„Im Moment hätte ich gar keine Zeit dafür. Ich muss erst mal mein Studium abschließen. Dann kann ich mir Gedanken über meine Zukunft machen.“

Sie machte einen Schmollmund. „Müssen Sie wirklich nächste Woche nach Harvard zurück?“

„Am liebsten würde ich hierbleiben. Nur verlangt die Universität, dass man an den Vorlesungen und an den Klausuren teilnimmt, um den Abschluss zu erlangen.“

Sie lachte. „Aber Sie werden doch nicht wirklich Anwalt, oder? Sie sind doch ein Fürst.“

„Man kann auch gleichzeitig Anwalt und Fürst sein.“

„Ich dachte bloß, dass Sie nicht arbeiten müssen.“

Marcus lächelte. Das Mädchen hatte keine Ahnung davon, was es hieß, ein Fürst zu sein. In Wahrheit kannte er keinen Menschen, der härter arbeitete als sein Bruder Rowan. Da Marcus der jüngste der drei Brüder war, hatte er nicht so viel Verantwortung zu tragen. Trotzdem war auch er gezwungen, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten.

Seine Tanzpartnerin näherte sich ihm und flüsterte ihm ins Ohr: „Wenn Sie so bald abreisen müssen, könnten wir doch irgendwohin verschwinden, wo wir allein sind, um uns persönlich voneinander zu verabschieden.“

Marcus war erleichtert, dass der Walzer sich langsam dem Ende neigte. Er gab ihr einen Handkuss und wich zurück. „Entschuldigen Sie mich. Ich muss dringend mit meinem Bruder sprechen.“

Sie sah ihn enttäuscht an. „Natürlich, Eure Hoheit. Vielleicht später?“

Er antwortete ihr nicht mehr und verschwand.

Das war genau der Grund, weshalb er nicht gern auf Hochzeiten ging. Gegen die Eheschließung selbst hatte er nichts. Doch die Wirkung, die dieses Ereignis auf ledige Frauen hatte, nervte ihn. Es schien, als ob sie an nichts anderes mehr als eine eigene Hochzeit denken konnten. Und jeder unverheiratete Mann war ein potenzielles Opfer. Darauf hatte Marcus keine Lust.

Es gab viel zu viele Frauen, mit denen er sich vergnügen könnte, um sich auf nur eine zu beschränken. Vielleicht würde er einmal irgendwann eine Frau treffen, die ihn wirklich berührte. Dann könnte er über eine Hochzeit nachdenken. Im Moment kam dies aber überhaupt nicht infrage.

Er nahm sich ein Glas Champagner von einem Tablett und ging auf die Terrasse, wo sein Bruder Eric gerade verschwunden war.

„Versteckst du dich?“, fragte Marcus.

Eric lächelte. „Und ich schäme mich nicht einmal dafür.“

„Wie oft wurdest du heute schon gefragt, ob du durch Rowans Hochzeit auch auf den Geschmack gekommen bist?“

„Ich habe das Zählen längst aufgegeben.“

Marcus nickte und trank einen Schluck Champagner. Er genoss es, endlich wieder solche Gespräche mit seinem Bruder führen zu können, da sie sich viel zu selten sahen.

Schließlich unterbrach Eric das Schweigen. „Ich kann nicht behaupten, dass ich nie darüber nachgedacht hätte.“

Marcus hätte sich fast verschluckt. „Über eine Hochzeit?“

Sein Bruder nickte. „Ich habe zwar noch keine bestimmte Frau im Auge, aber manchmal frage ich mich schon, wie es wäre, Julian und Catherine oder Rowan und Lara nachzueifern.“

„Sag das bloß nicht zu laut, sonst hast du schneller einen Ring am Finger, als du denken kannst.“

„Glaubst du wirklich, dass diese Idee so abwegig ist? Allein zu sein ist ja auch nicht besonders toll. Hast du denn nie daran gedacht, eine Frau zu finden, die dir ein Zuhause bieten kann?“

„Du warst wohl zu lange auf See.“

„Deshalb wird es schwer sein, überhaupt eine Frau zu finden.“

„Ich würde sagen, dass der Fürstinnentitel Entschädigung genug wäre.“

„Jetzt bleib doch mal ernst.“

„Ich bin nur realistisch. Deshalb haben wir ja auch alle den Mädchennamen unserer Mutter im Pass stehen, damit wir dem Fürstendasein manchmal entfliehen können.“

„Ich dachte, du stehst auf diesen Rummel.“

Marcus konnte seinem Bruder diese Bemerkung nicht verübeln. Es gab eine Zeit, in der er das Blitzlichtgewitter genossen hatte. Mittlerweile wollte er davon aber nichts mehr wissen. Ihm war nun wichtiger, herauszufinden, was er im Leben tun wollte und wer er wirklich war. Bisher hatte er immer nur Partys gefeiert und ständig eine andere Frau gehabt.

Vielleicht hatte Eric auch recht. Möglicherweise brauchte Marcus eine Frau, bei der er Halt und Wärme finden konnte.

Er hätte fast laut gelacht, als er darüber nachdachte. Am heutigen Abend wollte er bloß etwas Spaß haben. Mehr nicht. Er trank den Champagner aus und ging los, um sich zu amüsieren.

1. KAPITEL

Zwei Jahre später

Jewel Callahan setzte sich an den Tresen des Halfway Cafés und sah die blonde Frau dahinter mürrisch an, die gerade Kaffeebohnen mahlte.

Crystal Vasicek war nicht nur die Besitzerin des beliebten kleinen Cafés, sondern auch die Erfinderin der sündhaftesten Desserts von ganz West Virginia – und wahrscheinlich auch von allen anderen Staaten.

Jewel wartete, bis die Kaffeemühle verstummte. „Du weißt, dass es deine Schuld ist.“

Crystal schüttete die frisch gemahlenen Kaffeebohnen in den Filter und steckte ihn dann in die Kaffeemaschine. „Das sagt ausgerechnet jemand, der immer gern die Verantwortung für die Probleme anderer Menschen übernimmt.“ Sie sah Jewel neugierig aus ihren blauen Augen an. „Was habe ich denn überhaupt getan?“

„Es geht darum, was du nicht getan hast.“

„Na gut.“ Crystal nahm einen Becher, schenkte Kaffee ein und gab ihn ihrer Schwester. „Was habe ich nicht getan?“

„Du hast Russ nicht geheiratet.“

Crystal hob eine Augenbraue. „Er hat mich auch nie gefragt.“

„Vielleicht hätte er das, wenn du nicht Simon geheiratet hättest.“

„Vergib mir, dass ich mich verliebt und damit deine Pläne durchkreuzt habe.“

„Du denkst eben nie richtig darüber nach, was du tust.“

„Und du machst dir genügend Gedanken für uns beide.“

Das lag daran, dass Jewel ihre Schwester immer beschützen wollte. Als Töchter von Jack Callahan hatten sie es nicht leicht. Es gab zu viele Erwartungen, die enttäuscht werden konnten. Immerhin war Jewel zwölf Jahre älter als ihre Schwester und musste mehr Verantwortung übernehmen.

„Wir haben über Russ gesprochen“, erinnerte Jewel sie.

„Was ist mit ihm?“

„Er verlässt die Ranch.“

„Oh.“ Crystal ging zum Kühlschrank, nahm ein riesiges Stück Schokoladenkuchen heraus und stellte es vor Jewel auf den Tresen.

Jewel musste unwillkürlich lächeln. Crystal glaubte, dass Schokolade alle Probleme lösen konnte, und so groß, wie dieses Stück war, sprach sie ihm eine entsprechend große Wirkung zu.

Russ Granger hatte in den letzten zehn Jahren auf der Callahan Ranch gearbeitet. Viel länger war er noch mit Jewel befreundet gewesen, deshalb war sie nun geschockt, dass er sie verließ. Dabei war er der einzige Mann, auf den sie sich immer verlassen konnte, und jetzt ging er einfach.

Nachdem sie sich selbst einen Kaffee eingeschenkt hatte, kam Crystal um den Tresen herum und setzte sich neben ihre Schwester. „Warum verlässt er die Ranch?“

Jewel nahm eine Gabel und stocherte damit in ihrem Kuchen herum. „Weil Riley einen Plattenvertrag bekommen hat und er mit ihr auf Tour gehen möchte.“

„Sie hat ihr Talent im The Mustang doch nur verschwendet.“

Jewel aß ein Stück von dem Kuchen. Doch selbst die Schokolade konnte ihre Stimmung nicht heben. „Ich hätte wissen müssen, dass so etwas passieren würde. Schon als er mir erzählte, dass er Riley einen Antrag machen wollte, hätte ich es ahnen können. Aber ich habe mich so für ihn gefreut, dass ich nicht an die Konsequenzen für die Ranch dachte. Ich hätte allerdings nie geglaubt, dass er mitten in der Saison gehen würde.“

„Schon so bald?“

„Ende nächster Woche. Er hat in den letzten Jahren sehr eng mit Darrell zusammengearbeitet und mir versichert, dass dieser seine Aufgaben problemlos übernehmen kann. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich ohne ihn durch die Saison kommen soll.“

„Das schaffst du schon. Es wäre doch nicht die erste Hürde, die du meisterst“, ermutigte Crystal sie.

Jewel war immer stolz darauf gewesen, dass sie alles aus eigener Kraft geschafft hatte. Und das war gut so, weil sie sich meistens nur auf sich selbst verlassen konnte.

„Jack Callahan mag die Ranch aufgebaut haben, aber erst durch dich ist sie zu einem der besten Trainingscenter im Staat geworden. Du hast das ganz allein bewerkstelligt, obwohl ich dir gern geholfen hätte, wenn ich gekonnt hätte.“

„Du bist deinen eigenen Weg gegangen.“ Auch auf den Erfolg ihrer Schwester war Jewel stolz. Ihre beliebten Desserts gab es nicht nur in ihrem kleinen Café, sondern auch in den angesagten Restaurants der Gegend. „Manchmal frage ich mich, ob ich nicht auch etwas anderes hätte machen können.“

„Du bist immerhin drei Jahre lang erfolgreich Rennpferde geritten“, erinnerte Crystal sie.

Jewel lächelte, auch wenn die Erinnerungen an diese Zeit eher gemischt waren. „Das ist schon eine Ewigkeit her. Aber es hat mich auch dazu inspiriert, das zu tun, was ich tun wollte, obwohl Jack dagegen war. Davor hätte ich alles für ihn getan, nur um ihn zufriedenzustellen.“ Jewel wusste bis heute nicht, warum sie ihrem Vater immer so viel beweisen wollte. Dabei war nichts, was sie getan hatte, gut genug für ihn gewesen.

„Und das hast du auch. Du hast sogar dein eigenes Leben aufgegeben, um zu ihm zu kommen, als er dich darum gebeten hat.“

Er hatte sie nicht nur darum gebeten, sondern es von ihr verlangt. In Wahrheit war Jewel damals aber von vielen Dingen enttäuscht gewesen und hatte deshalb die Absicht, nach Alliston zurückzukehren. Der Herzinfarkt ihres Vaters hatte sie dann endgültig dazu bewogen. Und trotz aller Schwierigkeiten mit ihm hatte sie es bis jetzt nicht bereut.

Sie war zu seiner ehrgeizigen Assistentin geworden und hatte immer mehr Verantwortung auf der Ranch übernommen. Doch Jack Callahan hatte bis zu seinem Tod die Zügel in den Händen gehalten. Erst danach konnte Jewel ihre eigenen Ideen verwirklichen.

Jewel und Crystal hatten damals beim Begräbnis nebeneinander gestanden und waren sich im Klaren darüber gewesen, dass ihr Vater sie niemals geliebt hatte. Jack war zweimal verheiratet gewesen, und jede seiner Frauen hatte ihm eine Tochter geboren. Zu einer richtigen Familie waren sie aber nie geworden, da ihr Vater es nicht verstanden hatte, sie einander näherzubringen.

„Das hier war immer mein Lebensmittelpunkt gewesen, selbst wenn ich nicht hier war“, sagte Jewel schließlich.

Crystal berührte ihren Arm. „Vielleicht ist das Problem nicht, dass Russ geht, sondern dass er jemanden gefunden hat, und du nicht.“

Jewel schob den halb gegessenen Kuchen zur Seite. „Fang nicht wieder damit an.“

„Du bist zu jung, um dich mit dem Alleinsein abzufinden.“

„Ich bin zufrieden mit meinem Leben.“

„Bist du wirklich glücklich, allein zu sein?“

„Wann bin ich denn schon allein?“

„Die Pferde zählen nicht.“

„Immerhin breiten sie sich nicht auf dem Bett aus oder nehmen mir die Fernbedienung weg.“

„Nun, ich kann nicht behaupten, dass Simon das macht. Aber er tut andere Dinge, die sehr nützlich sind. Und ich rede hier nicht vom Müll rausbringen.“

Jewel stand auf und schenkte sich einen weiteren Kaffee ein. „Du hast eben mit Simon Glück gehabt.“

„Dann verstehst du mich vielleicht, dass ich nicht auf Russ’ Antrag gewartet habe.“

Jewel seufzte. „Ich freue mich, dass du glücklich bist, Crystal.“

„Ich bin glücklicher, als ich jemals geglaubt hätte.“

Jewel kannte dieses Gefühl. Sie hatte sich auch unsterblich in einen Mann verliebt und war dann enttäuscht worden, nachdem sie angenommen hatte, dass sie für immer mit ihm zusammenbleiben würde. Sie hoffte nur, dass ihre Schwester diese bittere Erfahrung nicht machen müsste.

Crystal ergriff ihre Hand und drückte sie. „Auch dein Traumprinz wird noch kommen.“

Bevor Jewel darauf antworten konnte, ertönte die Türglocke und kündigte einen neuen Gast an.

Crystal sah zur Tür und pfiff leise. „Sieh nicht zur Tür, Jewel! Ich glaube, er ist gerade gekommen.“

Jewel trank einen Schluck Kaffee, während Crystal auf eine Antwort wartete.

„Du hast gesagt, dass ich nicht hinsehen soll“, erinnerte Jewel sie.

„Seit wann hörst du denn auf mich?“

Jewel zuckte mit den Schultern. „Seitdem der letzte Prinz sich in einen Frosch verwandelt hat.“

Crystal nahm eine Speisekarte in die Hand und wedelte sich damit Luft zu. „Ich schätze ein Meter neunzig. Dunkle Haare, noch dunklere Augen. Sehr attraktiv und anscheinend solo.“

Jewel war aufgrund der Beschreibung des Fremden neugierig geworden. Sie blickte sich um – und wäre fast vom Stuhl gefallen.

Crystal hatte nicht übertrieben. Der Mann, der gerade hereingekommen war, hatte kurzes volles Haar, dunkle funkelnde Augen, feine Gesichtszüge und einen aufregenden Mund, der prickelnde Fantasien bei ihr auslöste. Sein dunkler Teint und sein exotisches Aussehen wiesen auf eine südländische Abstammung hin. Seine sinnliche Ausstrahlung nahm Jewel den Atem.

Nein, ihre Schwester hatte nicht übertrieben. Sie hatte allerdings nicht erwähnt, dass er jung war. Viel zu jung. Wahrscheinlich war er sogar jünger als Crystal. Jewel hätte mit ihren vierunddreißig Jahren definitiv keine Chance bei so einem Traummann.

Der Fremde sah durch den Raum, und plötzlich traf sein Blick den von Jewel. Seine Lippen formten sich zu einem Lächeln, und Jewels Herz schlug auf einmal so schnell, dass sie glaubte, gleich vom Stuhl zu kippen.

„So, so …“, bemerkte Crystal.

Jewel spürte, wie sie errötete. Beschämt starrte sie zu Boden, auch wenn sie den Mann am liebsten weiter angesehen hätte.

Crystal wandte sich an ihren neuen Kunden. „Nehmen Sie Platz, wo Sie möchten. Ich bin gleich bei Ihnen.“

„Danke.“ Seine Stimme war genauso sexy wie der Rest von ihm.

„Sehr gern“, antwortete Crystal lächelnd.

Jewel trank einen weiteren Schluck Kaffee. „Haben wir nicht gerade darüber gesprochen, wie glücklich du verheiratet bist?“

„Das bin ich auch. Der Ring an meinem Finger hat mir aber nicht das Sehvermögen genommen. Und hier ist wirklich ein Bild von einem Mann.“

Jewel konnte das nur bestätigen, hätte es aber niemals vor ihrer Schwester laut ausgesprochen. Deshalb sagte sie bloß: „Ein Bild von einem Mann, der auf einen Kaffee wartet.“

„Oh ja, richtig.“ Crystal lächelte und nahm die Kaffeekanne in die Hand.

Jewel trank ihren eigenen Kaffee aus, während ihre Schwester sich mit dem Fremden unterhielt. Sie konnte nicht hören, worüber sie sprachen. Aber schon allein seine Stimme jagte ihr wohlige Schauer über den Rücken.

Jewel hatte ihre Schwester schon immer um ihre Leichtigkeit im Umgang mit Menschen beneidet. Sie selbst war immer vorsichtiger und reservierter gewesen. Durch ihre Arbeit hatte sie viel mit Menschen zu tun, bevorzugte aber meistens die Gesellschaft von Pferden. In letzter Zeit hatte sie sich jedoch zu sehr mit einigen unangenehmen Dingen auf der Ranch beschäftigen müssen. Das erinnerte sie daran, dass dies der andere Grund für den Besuch bei ihrer Schwester war.

Sie wartete, bis Crystal den Mann bedient hatte, und wandte sich dann an sie, als sie wieder am Tresen war. „Und als ob es nicht schon reichen würde, dass Russ geht, hat sich Grady auch noch ein Bein gebrochen und fällt als Stallgehilfe aus. Glaubst du, Simons Bruder hätte Interesse an einem Ferienjob?“

„Ted ist in den nächsten Monaten mit seiner Freundin in Europa.“

„Oh. Fällt dir sonst noch jemand ein?“

„Die meisten Studenten in der Gegend haben schon einen Ferienjob.“

Jewel seufzte. „Dann muss ich wohl eine Anzeige in der Zeitung schalten.“

„Tut mir leid, dass ich dir da nicht weiterhelfen kann. Ich weiß doch, wie sehr du Bewerbungsgespräche hasst.“

„Mich stört mehr, dass es schon zu spät sein könnte, einen qualifizierten Helfer für den Sommer zu finden.“

„Welche Qualifikation braucht man denn, um stinkende Ställe auszumisten?“

„Ein paar Erfahrungen im Umgang mit Tieren wären hilfreich.“

„Von welchen Tieren sprechen Sie?“, fragte eine männliche Stimme hinter ihnen.

Jewel drehte sich um und sah den attraktiven Fremden vor sich stehen.

Sein Polohemd spannte sich um seine muskulösen Schultern. Er sah Jewel in die Augen und wiederholte seine Frage. „Welche Tiere meinten Sie?“

Jewel holte tief Luft und atmete dabei seinen verführerischen männlichen Duft ein. „Pferde.“

„Reinrassige Rennpferde“, ergänzte Crystal. „Meine Schwester leitet eines der führenden Trainingscenter im Staat.“

„Mein Name ist Mac Delgado“, stellte der Mann sich vor. „Ich kenne mich ganz gut mit Pferden aus und suche gerade einen Job.“

„Ich stelle aber niemanden ohne Empfehlung ein“, antwortete Jewel und stand auf, um zur Tür zu gehen.

„Ich gebe dir Bescheid, wenn sich jemand findet!“, rief ihre Schwester ihr hinterher.

„Danke, Crystal.“ Jewel drehte sich nicht mehr um. Aber sie wusste genau, dass die Augen des Fremden auf sie gerichtet waren, während sie das Café verließ.

Er war abgewiesen worden. Das war eine neue Erfahrung für Mac Delgado alias Seine Hoheit Marcus Santiago, Fürst von Tesoro del Mar, und er konnte nicht behaupten, dass ihm diese Situation gefiel. Sie hat mir noch nicht einmal ihren Namen verraten, dachte er, während sie mit ihren langen Beinen und einem aufreizenden Hüftschwung das Café verließ.

„Nehmen Sie sich das nicht zu Herzen“, sagte die andere Frau, Crystal, zu ihm. „Sie hat das nicht so gemeint.“

„Aber sie scheint ein Talent dafür zu haben, andere Menschen abblitzen zu lassen.“

Crystal lächelte. „Sie hat gerade viel um die Ohren.“

Er zuckte mit den Schultern und tat so, als ob ihn die Frau nicht interessierte, obwohl ihm tausend Fragen über sie im Kopf schwirrten. Stattdessen setzte er sich an den Tresen, während Crystal ein älteres Ehepaar verabschiedete.

„Was führt Sie denn nach Alliston?“, fragte Crystal, als sie wieder zurückkam.

„Eine Umleitung auf dem Highway.“

Sie lächelte. „Wo wollen Sie hin?“

„Vielleicht nach Kalifornien.“

„Mit dem Auto?“

Er nickte.

„Da haben Sie ja einen langen Weg vor sich.“

„Ich habe Zeit.“

„Was machen Sie in Kalifornien? Haben Sie dort Freunde, einen Job oder eine Ehefrau?“

„Nichts von alledem.“

„Sie müssen mir schon mehr erzählen, wenn Sie von mir erwarten, dass ich Ihnen Fragen über meine Schwester beantworte.“

„Wieso glauben Sie, dass ich mich für Ihre Schwester interessiere?“

Sie hob eine Braue. „Sie möchten Jewel also nicht mehr wiedersehen?“

„Jewel? Das ist ihr Name?“ Ein passender Name für eine Frau, die ihn vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen hatte. Er dachte an ihre wilden Haare und ihre funkelnden Augen, die ihn neugierig angeblickt hatten. Und an ihre Lippen, die so voll und glänzend waren. Und …

Crystals wissendes Lächeln brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück.

„Es scheint so, als wären Sie doch an meiner Schwester interessiert“, sagte sie mit einem breiten Lächeln.

„Wo kann ich sie denn finden?“

Jewel faxte gerade ihre Stellenanzeige an die lokale Zeitung, als es klopfte.

„Herein.“ Sie blickte von dem Faxgerät auf und sah diese breiten Schultern. Die hatte sie schon einmal gesehen. Im Café ihrer Schwester. Dann hob sie den Kopf und erkannte den attraktiven Fremden. Ihr wurde warm. Sie konnte nicht gegen die Gefühle ankämpfen, die der mysteriöse Mann bei ihr auslöste.

In seinen Augen war so etwas wie Belustigung zu erkennen. Es wirkte fast so, als ob er spürte, was gerade in ihr vorging.

Er war wahrscheinlich daran gewöhnt, dass Frauen gewisse Reaktionen auf ihn zeigten – ein so gut aussehender Mann musste überall, wo er hinkam, für Aufsehen sorgen. Das war aber keine Entschuldigung für ihr eigenes Verhalten. Es lag nur einfach zu lange zurück, dass sie einen Mann auf diese Weise wahrgenommen hatte.

Die Männer auf der Ranch waren ausnahmslos ihre Angestellten oder Kunden, und außerhalb der Ranch hatte Jewel kaum etwas mit Männern zu tun. Deshalb überraschte sie ihre Reaktion auf den Mann aus dem Café. Er hatte etwas an sich, was sie nicht in Ruhe ließ.

„Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte sie höflich.

„Eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen zu helfen.“

Sie verfluchte innerlich ihre Schwester, die ihm bestimmt alles erzählt hatte.

„Wie glauben Sie denn, dass Sie mir helfen könnten?“

„Indem Sie mir den Job geben, über den Sie im Café gesprochen haben.“

Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. Obwohl sie keine Zweifel daran hatte, dass er mit seinem gut gebauten Körper die Arbeit verrichten könnte, glaubte sie nicht, dass er genügend Erfahrung besaß. „Ich suche jemanden, der die Ställe ausmistet und die Pferde pflegt und trainiert.“

„Das hat Crystal mir bereits erzählt.“

Ihre Schwester konnte sich einfach nicht aus Jewels Angelegenheiten heraushalten.

„Und wie ist Ihr Name?“, fragte sie, da sie sich nicht mehr daran erinnerte.

„Mac Delgado.“

Ihr Vater hatte sie gelehrt, dass man eine Menge über den Händedruck eines Mannes herausfinden konnte. Deshalb machte sie einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand.

Sein Händegriff war kräftig und fest.

Die Berührung schickte außerdem eine unerwartete Hitzewallung durch ihren Körper. Jewel hatte kurz den Eindruck, als ob auch er diese Hitze gespürt hatte. Wahrscheinlich bildete sie sich das bloß ein. Sie ging zurück zu ihrem Schreibtisch, setzte sich und bot ihm einen Stuhl an. „Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein, Mr. Delgado. Sie wirken nicht gerade so, als wären Sie an Stallarbeit gewöhnt.“

„Ich besitze sehr viel Erfahrung mit Pferden und könnte Sie gut unterstützen.“

„Über welche Erfahrungen verfügen Sie denn?“

„Ich gehe davon aus, dass Sie meine Erfahrungen mit Pferden meinen?“ Seine Augen funkelten, und er versuchte, mit ihr zu flirten.

Sie kannte Typen wie ihn. Solche Männer glaubten, dass sie mit ihrem guten Aussehen und ihrem Charme alles im Leben erreichen konnten. Jewel würde allerdings nicht darauf hereinfallen. Trotzdem riet ihr eine innerliche Stimme, den Mann einzustellen, nur damit sie seinen Körper betrachten könnte, während er im Stall arbeitete. Sie stellte sich vor, wie seine kräftigen Muskeln sich anspannten, wenn er den Stall ausmistete – falls er überhaupt mit der Mistgabel umgehen konnte. Aber es kam für sie nicht infrage, den Job einem Mann zu geben, von dem sie gerade einmal wusste, wie er hieß. Und Jewel Callahan konnte es sich nicht leisten, einen Fehler zu begehen. Nicht bei dem Namen, den sie trug.

„Also, Mr. Delgado. Nun erzählen Sie mir einmal von Ihren Erfahrungen mit Pferden.“

„Ich bin mit Pferden aufgewachsen. Noch bevor ich laufen konnte, saß ich schon auf einem Pony.“

„Das beweist aber nicht, dass Sie den Unterschied zwischen einem Striegel und einem Hufkratzer kennen.“

„Ich habe schon viele Pferde gepflegt und sogar einige trainiert.“

„Verfügen Sie über Referenzen?“

„Geben Sie mir eine Woche Probezeit. Dann kann ich Ihnen beweisen, dass ich der Richtige für den Job bin.“

„Also keine Referenzen“, schloss sie.

Autor

Brenda Harlen
Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
Mehr erfahren