Mein unwiderstehlicher Verführer

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Marco Corelli wirkt auf Frauen einfach unwiderstehlich: sexy, breitschultrig und mit einem frechen Lächeln, das verrät, dass der Sport-Moderator der geborene Verführer ist. Wenn man ihn lässt! Nur Kat bleibt beharrlich bei ihrem Nein. Nicht etwa, weil sie immun gegen Marcos Charme wäre, sondern weil er seit ihrer Collegezeit ihr allerbester Freund ist. Und diese Freundschaft darf niemals durch so etwas Riskantes wie eine Affäre in Gefahr geraten! Doch dann kommt die eine heiße Nacht, in der Kat schwach wird. Eine Nacht, die zwischen ihnen alles verändert …


  • Erscheinungstag 27.01.2015
  • Bandnummer 1856
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720926
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Vor zehn Wochen hatte Katerina Jackson eine Nacht mit ihrem besten Freund verbracht. Es war unglaublich gewesen.

Als sie nun den Captain Cook Highway kurz vor Cairns entlangfuhr, sah sie sich mit dem verführerisch lächelnden, nackten Abbild ebenjenes Mannes konfrontiert.

Brennende Hitze stieg in Kat auf, breitete sich aus und konzentrierte sich schließlich auf einen Punkt zwischen ihren Schenkeln. Beinahe wäre sie in den Wagen vor sich gerast, als dieser an der roten Ampel bremste. Verärgert sah Kat zu der Plakatwand hoch, auf der er überlebensgroß zu sehen war: Marco Corelli, der Goldjunge aus Frankreichs erster Fußballliga, Marseilles erfolgreichster Torjäger aller Zeiten.

Nun ja, ganz nackt war er eigentlich nicht, sein knapper Slip ließ der Fantasie jedoch wenig Spielraum. Kat wurde allerdings weniger beim Anblick des sexy Sixpacks oder der muskulösen Arme heiß, sondern eher von dem vertrauten, verführerischen Grinsen und der verbotenen Verheißung in Marcos dunklen, sinnlichen Augen …

Während der letzten zehn Wochen war Kat jeden Morgen an der verdammten Plakatwand vorbeigekommen, war seinem wissenden Blick begegnet, als erinnerte er sich in allen Einzelheiten an das, was er in jener Nacht mit ihr gemacht hatte. Wie er sie erregt hatte, wie er sie zum Stöhnen gebracht hatte. Zum Keuchen …

Abrupt wandte sie den Blick ab und schaute auf die Rücklichter vor sich, als der Verkehr sich endlich wieder in Bewegung setzte.

„Gott, ich bin so dämlich“, murmelte sie vor sich hin. Es ging hier um Marco, der seit der Highschool ihr bester Freund war. Marco, der arrogante Ex-Fußballstar und jetzige Sportreporter, ein für Unterwäsche werbender Charmeur, ein Mr Flirt mit einem Dutzend Geliebter. Sie war seine beste Freundin, seine Vertraute, seine Komplizin. Sie sprang ein, wenn ihm für irgendeine schicke Party die Begleitung fehlte.

Er war außerdem der Geliebte ihrer Chefin – zumindest immer mal wieder.

Kat versuchte, sich an die vielen Gespräche zu erinnern, die sie mit Grace über Marco geführt hatte. Ja, in jener Nacht waren die beiden schon länger getrennt gewesen, dieses moralische Dilemma war ihr also erspart geblieben.

Blieben noch ihre beiden anderen Probleme.

Denn nein, sie hatte nicht nur mit ihrem besten Freund geschlafen. Sie musste auch noch von ihm schwanger werden.

Wenn du mich jetzt sehen könntest, Mom. All deine schönen Träume vom perfekten Leben, der perfekten Karriere für deine Tochter … Von einem perfekten Ehemann und perfekten, gesunden Kindern …

Ein stechender Schmerz durchzuckte Kat bei der Erinnerung an ihre Mutter, doch im nächsten Augenblick verdrängte sie die Gedanken und bog auf den Parkplatz des Fernsehsenders Channel Five ein. Sie stellte den Wagen ab, nahm ihre Tasche und ging ins Studio. Dort checkte sie ihr Handy.

Vier entgangene Anrufe, einer von ihrem Freund Connor, drei von Marco, dazu eine SMS.

Bin wieder da. Müssen reden. Drinks auf dem Boot? M.

Kat seufzte und antwortete.

Sorry, viel zu tun. Kann nicht weg. Außerdem gibt es eine Zyklonwarnung, falls es dir entgangen sein sollte. K.

Nachdem sie die SMS abgeschickt hatte, schaute sie ihre alten Textnachrichten durch. Unwillkürlich verkrampfte sie sich bei der Erinnerung an jene Zeit vor zwei Monaten.

Schöne Reise nach Frankreich.

Es ist mir nicht recht, so einfach abzureisen. Wir sollten über letzte Nacht reden.

Es gibt nichts zu sagen. Schieben wir es einfach auf den Alkohol und unsere Dummheit und vergessen die Sache, okay?

Ist das wirklich okay für dich?

Klar. Speicher löschen in drei … zwei … eins …

:-) Okaaaay. Bis in ein paar Wochen dann.

Und das war’s gewesen. Weil sie beide viel zu tun gehabt hatten, telefonierten sie während seines Einsatzes in Frankreich nicht miteinander, Marco hatte nur hin und wieder ein Foto geschickt. Aber nun war er zurück und wollte sich mit ihr treffen, und Kat hatte keine Ahnung, was sie zu ihm sagen sollte.

Du kannst ihm nicht ewig aus dem Weg gehen.

„Du kannst ihm nicht ewig aus dem Weg gehen“, bestätigte Connor fünf Minuten später, als sie ihn zurückrief.

„Ach, zur Hölle, ich versuche es.“

„Sei nicht albern. Er hat ein Recht darauf, es zu erfahren.“

Kat seufzte. „Ich kann deine Missbilligung von Brisbane bis hierher hören.“

„Kat, ich missbillige dich nicht. Aber ich bin einer der wenigen Leute, die wissen, was du in den letzten Jahren durchgemacht hast. Der Junge hat ein Recht darauf, es zu erfahren.“

Typisch Connor, ihr die Wahrheit unverblümt ins Gesicht zu sagen. Marco, Connor, Kat und Luke: „Die tollen Vier“ hatten sie sich auf der Highschool genannt. Vom Charakter her waren sie grundverschieden, doch zusammen waren sie einfach toll, wie Marco es einmal ausgedrückt hatte. Er war der Freche gewesen, ein geübter Charmeur, während sein Cousin Luke ein Image als böser Junge kultiviert hatte, ständig in Schwierigkeiten geriet, ständig nachsitzen musste. Connor war das attraktive stille Wasser, der unbestechliche Ratgeber, der immer die Wahrheit sagte, manchmal allerdings auch sehr verschlossen war.

„Ich … kann es ihm einfach nicht sagen“, erklärte Kat ihm nun. „Ich bin schon jetzt völlig fertig, diesen zusätzlichen Gefühlsballast kann ich nicht brauchen.“

„Das ist unfair, Süße. Umgekehrt würde Marco dir das niemals antun.“

Sie rieb sich die Nasenwurzel und blickte dann auf, als ihr bedeutet wurde, dass sie auf dem Set gebraucht wurde. Sie nickte. „Hör mal, ich muss jetzt los. Wir reden später.“

Connor seufzte. „Sieh zu, dass du gut durch den Sturm kommst.“

„Werde ich.“ Sie legte auf und ging hinüber zur Maske, als das Telefon erneut klingelte.

Es war Marco. „Mit dir will ich nicht reden“, brummte Kat vor sich hin und stellte das Handy auf stumm.

„Drückst du da gerade deinen Liebsten weg?“

Kat linste zu Grace Callahan hinüber, dem Star der morgendlichen Talkshow Morning Grace, die sich gerade die Haare richten ließ. Die Frau war vierzig, nur sieben Jahre älter als Kat, doch hatte sie bereits den harten, glänzenden Look derjenigen, die nicht nur viel Zeit und Geld für ihr Äußeres aufwenden, sondern auch davon überzeugt sind, dass es im Leben das Wichtigste ist. Graces blondes Haar war kunstvoll zerzaust, ihre gebräunte Haut glatt, ihr Körper fitnessgestählt. Doch neben ihrer wartungsintensiven Erscheinung besaß sie auch eine faszinierende Persönlichkeit. Was vermutlich der Grund war, warum Marco immer wieder zu ihr zurückkehrte.

Kat blickte auf ihr Handy und nickte, wollte aber nichts erklären. „Es ist nur irgend so ein … Typ.“

„Wirklich?“ Grace riss die Augen auf. „Ein Typ aus Fleisch und Blut? Oh Gott, wo ist mein Handy, ich muss diesen Augenblick mit der Kamera festhalten.“

Das entlockte Kat doch ein Lächeln. „Du lässt mich ja wie eine Nonne klingen.“

„So habe ich dich allmählich auch eingeschätzt, Süße.“ Grace zuckte zusammen, als die Visagistin eine Haarsträhne durch das Glätteisen zog. „Wie aufregend. Kann ich es in meiner Show bringen?“

Kat lachte. „Kommt nicht infrage, das weißt du genau, also hör auf, mich darum zu bitten. Ich habe keinen Nachrichtenwert.“

„Von wegen.“ Grace entließ die Visagistin mit einem Winken und nahm den Frisierumhang ab. „Promis wie du haben immer Nachrichtenwert.“

„Bitte, erinnere mich nicht daran. Leute, die nur berühmt sind, weil sie berühmt sind, sind mir zuwider.“

„Tut mir leid, Süße, aber mit deinen kleinen Skandalen hast du die Regenbogenpresse befeuert. Sie brauchen nur einen neuen Anlass, um wieder loszulegen.“ Grace strich ihr Kleid glatt und ging zur Tür. Kat folgte ihr und seufzte.

Es stimmte. Sie war niemand Besonderes, nur die Tochter eines Investmentbankers und einer Eventmanagerin, Absolventin einer Privatschule. Das Jahr zwischen Schulabschluss und Studienbeginn hatte sie mit Partymachen verbracht. Kurz bevor sie ihr Journalismus-Studium an der Uni Brisbane aufnehmen wollte, hatte man ihr einen Job als Klatschreporterin für The Tribune angeboten. Als ihre Mutter ein Jahr später gestorben war, war sie dann auf spektakuläre Weise durchgedreht.

„Du hast das nie richtiggestellt“, sagte Grace, während sie den Korridor hinuntergingen. „Es wäre ein großartiges Feature.“ Mit den Händen beschrieb sie eine riesige Schlagzeile: „Ehemaliges It-Girl Kat Jackson mit der Wahrheit über ihre Ehen, die schäbige Seite des französischen Fußballs und ihre Skandalfotos.“

„Das wird nie passieren, Grace.“

„Wir könnten ganz am Anfang beginnen, eine ganze Sendung damit füllen. Wir bringen Hintergründe, reden über deine Kindheit, wie du aufgewachsen bist. Wie du mit vierzehn Marco zusammengeschlagen hast …“

„Ich hab ihn nur geschubst!“

„… und wie ihr dann alle zusammen nachsitzen musstet …“

Wusste ich doch, dass ich dir das nicht hätte erzählen sollen.“

Grace lachte. „Ich werde nichts sagen, wenn du nicht willst. Aber ich finde es wirklich faszinierend, dass deine besten Freunde ein Fußballsuperstar, ein millionenschwerer Investmentbanker und der Neffe eines angeblichen Mafiosos sind. Alles begehrte Alphamänner. Alle grundverschieden. Und alle mit Nachrichtenwert.“

Marco, Connor und Luke. Ihre besten Freunde seit der Highschool, wo sie bei einem gemeinsamen Nachsitztermin über ihren Hass auf die Schule und ihren gemeinsamen Film- und Musikgeschmack zusammengefunden hatten.

„Weswegen wart ihr noch mal dort?“, fragte Grace, als sie ins Studio gingen.

„Das weißt du doch ganz genau.“

„Du hast Marco eine verpasst …“

„Ich hab ihn geschubst, Grace. Weil er sich vor seinen Kumpels aufgespielt und mich so aggressiv angemacht hat.“

„Warum, was hat er denn gesagt?“

„Daran kann ich mich ehrlich nicht mehr erinnern.“ Doch, konnte sie. Es war ein alberner Teenie-Spruch über ihren Mangel an „weiblichen Attributen“ gewesen, für den Marco sich später sogar entschuldigt hatte.

„Na, egal“, fuhr Grace fort. „Luke war dabei erwischt worden, wie er die Toiletten beschmiert hat … und welches Verbrechen hat Connor begangen?“

„Er hat den Wirtschaftslehrer verbessert und dann gedroht, ihn in den Bankrott zu treiben.“

„Wow, wie heftig.“

Kat zuckte nur mit den Achseln. „Die Mädchen haben sich alle nicht getraut, Luke und Connor anzusprechen. Ich schon. Und wir haben uns auf Anhieb verstanden. Reiner Zufall, dass sie Jungs sind.“

„Und du hast nie daran gedacht …“ Grace wackelte mit den Augenbrauen. „Du weißt schon.“

„Was denn? Nein!“

„Nicht mal mit Marco?“

Kat rollte übertrieben mit den Augen, um ihre Verlegenheit zu überspielen. „Nein, Grace, nicht mal mit Marco. Außerdem habe ich nicht die Absicht, irgendwem ein Exklusiv-Interview zu geben. Ich mache für dich die Recherchen und damit Punkt.“

Sie hatten das Set erreicht. Grace ging zu einer erhöht stehenden gelben Couch hinüber, die von mehreren Kameras umgeben war. Der Aufnahmeleiter kam zu ihnen, um den Ablauf zu besprechen.

„Der ganze andere Kram ist kalter Kaffee“, versuchte Kat das Thema abzuschließen. „Davon wollen die Leute nichts mehr hören.“

„Doch. Und ich probiere es einfach weiter“, erwiderte Grace lächelnd und ließ sich von einem Studioangestellten ein Glas Wasser reichen.

„Klar.“ Kat wurde wie immer ihr grüner Tee gebracht, während Grace auf der Couch Platz nahm.

„Und … hast du was von Marco gehört?“, fragte Grace gespielt beiläufig.

„Noch nicht“, log Kat und fingerte an ihrem Handy herum. „Vor drei Tagen hat er noch die französischen Pokalspiele kommentiert.“

„Ich habe gehört, dass er heute zurück sein soll.“ Grace strich sich das Kleid über den elegant gekreuzten Beinen glatt. „Ich plane gerade ein Überraschungsdinner.“

„Wirklich?“ Kat verkrampfte sich innerlich und nahm einen Schluck Tee, um das merkwürdige Gefühl loszuwerden. „Seid ihr beide denn wieder zusammen?“

Grace lachte. „Eigentlich waren wir ja nie richtig auseinander. Und ich habe Pläne.“ Sie nahm noch einen Schluck Wasser. „Sehen wir den Tatsachen ins Auge – meine Uhr tickt schon seit Jahren. Und jetzt, wo ich mich im Showgeschäft etabliert habe, wird es Zeit für mich, an ein Baby zu denken.“

Kat verschluckte sich und starrte Grace an. „Mit Marco?“

„Natürlich mit Marco!“ Grace runzelte die Stirn. „Ist das ein Problem? Ich weiß, ihr steht euch nahe …“

„Oh nein. Ich meine, ja … Ich meine …“ Kat atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. „Wir stehen uns nahe, aber vor einer Sache hüten wir uns: Wir mischen uns nicht ins Liebesleben des anderen ein.“

„Wirklich?“ Grace sah sie fasziniert an. „Dann hat er nie etwas zu James oder Ezio gesagt, nicht mal im Vorübergehen?“

„Nein.“

„Und über mich hast du mit ihm auch nie geredet?“

Kat warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. „Nein. Es geht mich nichts an. Wenn du ein Baby willst, ist mir das recht.“ Sie setzte das Lächeln auf, das sie sich für all die zudringlichen Kameras angewöhnt hatte, die sie auf Schritt und Tritt verfolgt hatten, bis sie am Ende mit einer gerichtlichen Verfügung dagegen vorgehen musste.

„Sicher nicht?“, fragte Grace neugierig, während sie ihre Notizen ordnete. „Ich habe immer gedacht, dass zwischen euch so eine gewisse erotische Spannung herrscht, aber …“

„Zwischen mir und Marco? Niemals!“, leugnete Kat ein wenig zu heftig. „Ich meine, er sieht großartig aus, und er ist mein bester Freund, aber er ist …“ Sie suchte nach der passenden Beschreibung. „…ein unabhängiger Typ.“

„Ich hätte Frauenheld gesagt“, meinte Grace mit einem Lächeln. „Und ein Charmeur von Weltklasse. Was eine gute Sache ist, dann wird er sich nicht in mein Leben einmischen und mir Vorschriften machen, wie ich mein Kind aufziehen soll.“

Was soll ich dem noch hinzufügen, dachte Kat. Alles, was Grace gesagt hatte, stimmte. Marco liebte sein Leben, er lebte es in halsbrecherischem Tempo. Für eine feste Partnerin war darin kein Platz, ganz zu schweigen von einem Kind.

Kat schluckte und sah zu, wie alle um Grace herumtanzten, als die Kameras auf Position gingen. Bei aller Verwirrung, all den verrückten Gedanken der letzten Tage gab es nicht viel zu überlegen. Er würde kein Kind wollen. Sie wollte bestimmt keins.

Kat rückte ihr Headset zurecht und beobachtete Grace, wie sie in die Kamera lächelte.

Grace konnte schnippisch sein, schroff und anspruchsvoll, doch unter ihrer glänzenden Schale schlug ein Herz aus Gold.

Kat recherchierte die Schicksalsschläge, Grace berichtete darüber und sammelte dabei Tausende an Spenden für jede Geschichte, die sie veröffentlichten, das war ihre Arbeitsaufteilung. Grace war dabei das Gesicht der Kampagne, der Ex-Soapstar, der sich von Alkoholsucht und Drogen freigekämpft hatte und nun eine der größten Talkshows im Frühstücksfernsehen von Queensland moderierte. Kat war es ganz recht so, sie arbeitete lieber im Hintergrund. Das war eine nette Abwechslung für sie, auch wenn sie immer noch fünf Interviewanfragen täglich bekam.

Nein, sie war mit ihrem Leben zufrieden. Ihre Arbeit füllte jeden wachen Augenblick aus, was bedeutete, dass sie keine Zeit hatte, sich zu verabreden. Sie hatte mit der Liebe abgeschlossen, wie sie Connor bei Marcos Verabschiedung nach Frankreich vor zehn Wochen in einer Bar in Brisbane erzählt hatte.

„Zu anstrengend, zu kompliziert, zu schmerzlich, wenn das unvermeidliche Ende kommt“, hatte sie gesagt, ihren Drink hinuntergestürzt und die anderen am Tisch angesehen.

Marco und Luke hatten gelacht, doch Connor hatte ihr einen merkwürdigen Blick zugeworfen, traurig und todernst zugleich, der sie so geärgert hatte, dass sie jenen verhängnisvollen letzten Wodka Orange bestellt hatte.

Sie schluckte den irritierenden Kloß in ihrer Kehle hinunter. An ihr war nichts verkehrt. Anders als die anderen Mädchen an ihrer Schule hatte sie sich als Teenie eben nie sonderlich für Jungs, Hochzeiten oder Babys interessiert. Dazu kam, dass ihr Sport und australische Rockbands näher lagen als Make-up und Miniröcke – da war es nur natürlich, dass sie sich mehr zu den Jungs als zu den Mädchen hingezogen fühlte.

Und dann war da noch „jener Vorfall“ gewesen, wie ihr Vater es gern nannte, als sie Marco Corelli geschubst hatte, den Sohn des mittlerweile berüchtigten Gino Corelli. Nachdem sich der Aufruhr gelegt und sie ihre Strafe abgesessen hatte, wurde ihr bewusst, dass sie unter ihren Mitschülern nun einen ziemlich legendären Ruf genoss. Connor Blair, der düstere Stille, hatte ihr erlaubt, sich in den Pausen zu ihm und seinen Freunden zu setzen. Der sonst so aggressive Luke war sich gleich einig mit ihr über irgendwelche obskuren Bands gewesen, und Marco … Nun ja, er hatte sich entschuldigt, und sie hatte einen Freund fürs Leben gefunden.

Der komplizierte Marco. Der großspurige, sexy Teenager mit der Ausnahmebegabung für Fußball, der zu einem großartigen, talentierten, selbstsicheren Mann herangewachsen war. Er kannte all ihre Geheimnisse, ihre kindlichen Wünsche, ihre Familientragödien.

Vor allem die Familientragödien. Nachdem ihre Mutter an der Motoneuron-Krankheit, besser bekannt als ALS, gestorben war und Kat erfahren hatte, dass sie selbst möglicherweise Trägerin der Krankheit war, hatte sie sich nie erlaubt, von einem eigenen Baby zu träumen. Und nun, da sie sich tatsächlich mit einer möglichen Schwangerschaft konfrontiert sah, hatte sie keine Ahnung, wie sie sich fühlen sollte.

All die Jahre hatte sie sich einem Test mit dem Argument verweigert, sie wolle ihr Leben leben und sich nicht dauernd Sorgen über einen möglichen Ausbruch der unheilbaren Krankheit machen. Jetzt hatte sie sich doch testen lassen – und musste nur noch das Ergebnis abwarten, was die ohnehin schon stressige Lage allerdings noch stressiger machte.

Weswegen sie es Marco nicht erzählen konnte. Niemals.

Seufzend konzentrierte sie sich wieder auf ihre Umgebung. Bis sie die Shows dieser Woche abgefilmt hatten, war es elf Uhr abends geworden, und Kat war todmüde. Sie verabschiedete sich und schleppte sich zu ihrem Wagen, in Gedanken ganz bei einem Essen aus dem Imbiss, einem heißen Bad und der Überprüfung ihrer Wohnung auf Sturmfestigkeit.

Dann blickte sie zu ihrem Auto und blieb abrupt stehen.

Marco.

Mit klopfendem Herzen sah sie ihn an. Da stand er in seinem schicken Anzug, mit gelöster Krawatte, das dunkle Haar fiel ihm in die Stirn und lockte sich im Nacken. Der Bartschatten auf seinem festen Kinn fiel ihr auf. Und die Art, wie er dastand, lässig und sexy, die Hände in den Taschen. Und dann seine großen, durchdringenden braunen Augen …

Man hätte seine Züge fast hübsch nennen können, wenn ihn nicht eine so durch und durch männliche Aura umgeben hätte. Sein lockiges Haar war perfekt geschnitten, umrahmte die hohen Wangenknochen, den sinnlichen Mund und diese Augen …

Und wenn er lächelte … Gott, da gingen die Frauen reihenweise in die Knie. Er erinnerte sie an längst vergangene Zeiten, an Helden in Kniehosen, an dramatisch wallende Umhänge, romantische Gesten und liebestrunkene Gedichte.

Und sie hatte mit ihm den besten Sex ihres Lebens gehabt.

Ja, Millionen lagen ihm zu Füßen. Jeder kannte seine Geschichte – der einzige Sohn eines italienischen Einwanderers, der in Australien aufwuchs, wo er im zarten Alter von sechzehn Jahren von einem Talentscout entdeckt und für die erste Fußballliga in Frankreich verpflichtet wurde. Marco, der traumhafte Italiener mit den romantischen Augen und dem herrlichen Haar. Und als wäre das nicht schon unfair genug, so eignete er sich in seinen Jahren in Marseille und Paris auch noch einen heißen französischen Akzent an. Marco, ihr bester Freund.

Kats Herz zog sich zusammen. Das alles tat so weh, dass sie am liebsten sterben wollte.

Sie kannten sich seit beinahe zwanzig Jahren. Wenn sie es ihm erzählte, würde das alles verändern. Marco hielt nicht viel von Bindungen. Er liebte seinen Job, er liebte die Frauen, und er liebte die Freiheit, beides zu genießen. Außerdem wollte sie ihren besten Freund nicht wegen einer einzigen dummen – unglaublichen – Nacht verlieren.

Sie atmete tief durch und ging weiter zu ihrem Wagen. Und je näher sie ihm kam, desto schlimmer wurde das merkwürdige Gefühl.

Sie hatten Dinge miteinander gemacht – intime Dinge. Dinge, von denen sie nie geglaubt hatte, dass sie sie einmal mit ihm tun würde. Sie hatten sich ausgezogen, er hatte sie überall berührt, überall geküsst. Und nun wollte er darüber reden, während sie lieber in einem Haifischbecken schwimmen gegangen wäre.

Gott, konnte es denn noch schlimmer werden? Gespielt lässig ging sie die letzten Schritte zu ihrem Wagen und öffnete die Tür.

„Was machst du hier?“, fragte sie beiläufig und warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz.

„Wir müssen reden.“ Seine Stimme – eine sexy Mischung aus französischem und italienischem Akzent – jagte ihr wie immer einen Schauder über den Rücken, doch sie steckte sich scheinbar ungerührt das Haar hinters Ohr und wappnete sich. Im hellen Licht der Sicherheitslampen sah sie, dass seine Miene ernst war. Ihr Herz begann zu klopfen, doch sie unterdrückte die Panik und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Worüber denn?“

„Wir können auf mein Boot gehen.“

Sie seufzte. „Hör mal, Marco, es ist schon spät, und außerdem ist ein Zyklon im Anmarsch. Kann das nicht noch einen Tag warten?“

„Du hast nicht auf meine Anrufe reagiert, also nein. Und der Sturm wird erst in ein paar Stunden erwartet.“ Er blickte zum dunklen Himmel auf und kniff die Augen zusammen, als ein kaum wahrnehmbarer Wind aufkam.

„Ich bin müde.“

Verärgert sah er sie an. „Anrufe. Nicht reagiert.“

Sie blinzelte. „Du gibst nicht eher Ruhe, bis ich nachgebe, oder?“

„Nein.“

Sie seufzte. „Na schön.“

Er stieß sich von ihrem Wagen ab und trat auf sie zu. Instinktiv tat Kat einen Schritt zurück, woraufhin er die Stirn runzelte. „Du kommst doch wirklich, oder?“

„Natürlich. Großes Pfadfinderinnenehrenwort.“

„Gut.“ Er nickte, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.

Kat schaute seinen Rücklichtern hinterher, als er vom Parkplatz brauste, ehe sie sich darüber klar wurde, worauf sie sich eingelassen hatte.

Wir müssen reden.

Bedeutungsschwer lagen ihr die Worte auf der Seele, beschworen eine Vielzahl unangenehmer Erinnerungen aus ihrer katastrophalen Vergangenheit herauf. Vor zehn Wochen hatten Marco und sie die Grenze zwischen Freundschaft und Liebschaft nicht nur überschritten, sondern regelrecht niedergebrannt. Ein Teil von ihr hätte am liebsten die Flucht ergriffen, ein anderer Teil wollte jedoch, dass sie beide die unangenehme Situation klärten, sie hinter sich ließen und damit abschlossen.

Seufzend stieg sie in ihren Wagen und fuhr vom Parkplatz. Ewig konnte sie nicht vor Marco davonlaufen. Es wurde Zeit, sich den Konsequenzen jener Nacht zu stellen.

Am Jachthafen herrschte hektische Betriebsamkeit. Menschen rannten umher und vertäuten ihre Boote und Habseligkeiten, um sie vor dem kommenden Sturm zu sichern. Kat parkte, ging zum Steg hinunter und sah auf das Unheil verkündende dunkle Wasser hinaus. In ein paar Stunden würde ein Zyklon der Kategorie vier die Küste erreichen, und jeder wusste, welche Verwüstungen er anrichten konnte. Die Stadt hatte sich gerade erst vom Zyklon Yasi erholt, der vor einigen Jahren über den Norden von Queensland hereingebrochen war.

Marcos Boot war am Ende des Anlegers vor Anker gegangen, ein schnittiges Modell, von dem er in großem Detailreichtum geschwärmt hatte, als er es sich zugelegt hatte. Das Einzige, woran Kat sich aus diesen Gesprächen erinnerte, war seine jungenhafte Begeisterung.

Er stand an Deck und reichte ihr die Hand, als sie über die Gangway kam. Sie ergriff seine Hand, ohne nachzudenken.

Es war seltsam – sie hatte seine Hand schon tausendmal gehalten, doch jetzt begann sie bei dieser schlichten Geste zu zittern, als wäre ihr ganzer Körper in Alarmbereitschaft versetzt worden.

Was dumm war. Albern. Und sehr lästig.

Verdammt, das kam davon, wenn man mit seinem besten Freund schlief. Denn nun musste sie daran denken, wie er sie mit diesen Händen liebkost hatte, wie er sie mit diesen Händen zum Stöhnen gebracht hatte.

Vorsichtig löste sie ihre Hand aus seinem Griff und wich seinem Blick aus, indem sie stur geradeaus sah.

Gott, sie hasste diese angespannte Stimmung. Sie hatten tatsächlich das Unvorstellbare getan und alles kaputtgemacht, und einen Moment spürte sie wieder diesen unbeschreiblichen Schmerz in ihrem Herzen. Es würde nie wieder so sein wie vorher. Es würde sein wie in einer ihrer katastrophalen Beziehungen, genau so, wie ihr Vater ihr es in einem schrecklichen Streit einmal entgegengeschleudert hatte.

Um Himmels willen, Kat, könntest du vielleicht ein Mal nicht auf den Titelseiten stehen? Könntest du ein Mal darauf verzichten, überall im Mittelpunkt stehen zu wollen, und dich stattdessen wie ein normaler Mensch benehmen?

Voller Scham dachte sie an seinen Gesichtsausdruck zurück, eine Mischung aus Zorn und Enttäuschung. Dann wurde sie vom vertrauten Dröhnen der Motoren aus ihren Gedanken gerissen.

Sie blickte abrupt auf. „Legen wir etwa ab?“

„Oui.“ Marco sah sie ernst an. „Wir fahren auf die Insel.“

Kat blieb der Mund offen stehen. Ihr Ärger steigerte sich rasch zu glühendem Zorn. „Bist du übergeschnappt? Nein!“ Sie wandte sich zur Gangway hin, doch es war bereits zu spät. Wütend wirbelte sie herum und durchbohrte Marco förmlich mit ihrem Blick. „Damit bin ich aber nicht einverstanden! Falls es dir entgangen sein sollte, wir erwarten einen Zyklon.“ Sie zeigte aufgeregt zu der rasch entschwindenden Anlegestelle hin. „Die ganze Stadt wird verbarrikadiert. Und mein Wagen steht am Jachthafen!“

Marco verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an die Reling und schob sich geistesabwesend eine Locke aus der Stirn. „Erstens, mein Haus auf der Insel ist absolut wetterfest, auch bei einem Zyklon. Wahrscheinlich sind wir dort sicherer als irgendwo auf dem Festland. Zweitens, ich lasse deinen Wagen abholen. Und drittens, es heißt, dass die Insel vom Zyklon nur gestreift wird. Cairns soll der Zyklon erst nach drei Uhr morgens erreichen.“

„Und dann können wir Gott weiß wie lang nicht zurückkehren. Marco, dreh um.“

„Nein.“

„Ich hasse es, wenn du so herrschsüchtig bist.“

Sein Mund zuckte, doch er sagte nichts. Sie funkelte ihn immer noch voller Wut an, doch er begegnete ihrem Blick ganz gelassen.

„Du hast mich nicht zurückgerufen“, sagte er nur.

Sie stöhnte frustriert auf und hielt sich mit beiden Händen an der Reling fest. „Verdammt, du kannst so nervig sein!“

„Sagt die Frau, die mir immer noch nicht erzählt hat, dass sie schwanger ist.“

Kats Herz schlug schneller, und sie blickte hinab in die wogenden schwarzen Fluten. In diesem Augenblick zerstoben all die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, und ihr blieben nichts als das Klatschen der Wellen und der brausende Wind.

„Ich bringe Connor um“, brummte sie düster.

Marco hob eine dunkle Augenbraue. „Mach ihm keine Vorwürfe. Er fand, dass ich es erfahren sollte.“

Da richtete sie sich auf, verschränkte wie er die Arme und sah ihn an. „Dreh um. Es ist nicht sicher auf dem Wasser.“

Autor

Paula Roe

Schon als kleines Mädchen konnte sich Paula Roe nicht entscheiden, was sie werden wollte: Lieber Tierärztin … oder doch Tänzerin, wie in dem Film Flashdance? Ähnlich bewegt sah dann auch ihre Karriere aus. Sie hat als Sekretärin, Software-Trainerin und Aerobic-Lehrerin gearbeitet. Außerdem machte sie eine Rucksack-Tour einmal quer durch Europa....

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