Palast der Sinnlichkeit

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Es knistert wie verrückt, als Scheich Quadir Maggie unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen küsst. Dabei ist ihre Verlobung eine reine Geschäftsbeziehung! Bis eines Nachts im Palastgarten die Spannung zwischen ihnen in einem Rausch der Leidenschaft explodiert …


  • Erscheinungstag 28.12.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766269
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Maggie Collins gab es wirklich nicht gern zu, aber von ihrer ersten Begegnung mit einem leibhaftigen Prinzen war sie doch ein bisschen enttäuscht.

Nach einem fantastischen Flug nach El Deharia – first class selbstverständlich, wie nicht anders zu erwarten – wurde sie in einer Luxuslimousine in ein Luxushotel chauffiert. Man führte sie in eine geräumige Luxussuite mit Blick auf das Arabische Meer. Allein der Salon war so groß wie das Häuschen in Aspen, in dem sie aufgewachsen war. Zumindest kam es ihr so vor.

Der Palast entsprach ganz ihren Vorstellungen von einem königlichen Domizil – nein, er übertraf diese sogar noch. Der Bürotrakt hingegen – die Räume sahen aus wie Büros überall auf der Welt. Und die Kleidung der Angestellten wurde ihren Vorstellungen ebenfalls nicht gerecht: keine Pluderhosen, keine wallenden Gewänder, nicht mal eine kleine Tiara hier und da. Nur stockkonservative dunkle Anzüge. Und ernste Männer, die in diesen Anzügen steckten, keine Frau weit und breit. Insofern wäre natürlich auch eine Tiara fehl am Platz.

Maggie stellte sich gerade kichernd vor, der vornehme britische Gentleman, der sie ins Büro des Prinzen geführt hatte, trüge eine Tiara auf dem in Würde ergrauten Haupt, da öffnete sich die Tür, und ein hochgewachsener Mann in einem dunklen Anzug – was auch sonst! – kam herein.

„Guten Morgen. Ich bin Prinz Quadir“, erklärte er ohne Umschweife.

Maggie konnte ein enttäuschtes Seufzen nicht unterdrücken. Okay, der Prinz sah zweifellos gut aus, ließ jedoch eine gewisse majestätische Aura vermissen. Keine ordengeschmückte Brust oder andere Insignien seiner Macht.

„Mist“, stieß sie hervor.

„Wie bitte?“ Prinz Quadir hob fragend die Brauen.

Hatte sie das gerade etwa laut gesagt? Ups … „Ich, nun …“

Maggie straffte die Schultern. „Prinz Quadir, es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sie trat auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Maggie Collins. Wir haben ja schon per E-Mail korrespondiert.“

Er nahm ihre Hand und umschloss sie mit festem, aber nicht unangenehmen Griff. „Darüber bin ich mir im Klaren, Miss Colins. Und ich erinnere mich auch ganz genau, in meiner letzten Mail deutlich gemacht zu haben, dass ich es vorziehe, mit Ihrem Vater zusammenzuarbeiten.“

„Aber das Ticket war auf meinen Namen ausgestellt“, erwiderte sie geistesabwesend. Insgeheim war sie zu sehr damit beschäftigt, seine beeindruckende Größe zu bewundern, zumal sie auch nicht gerade klein gewachsen war.

„Ich habe Ihnen beiden Tickets schicken lassen. Ist Ihr Vater nicht mitgekommen?“

„Nein.“ Sie richtete den Blick durch das Fenster auf die angelegte Gartenanlage. „Mein Vater …“ Ihre Stimme brach, und sie musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. Der Schmerz war noch zu frisch. „Mein Vater ist vor vier Monaten verstorben.“

„Oh, mein aufrichtiges Beileid.“

„Danke.“

Quadir warf einen Blick auf seine Uhr. „Ein Wagen wird Sie zum Hotel zurückbringen.“

„Wie bitte?“ Ihre Empörung vertrieb die aufsteigenden Tränen. „Sie lehnen es ab, mit mir zu verhandeln?“

„Ja.“

Typisch Mann: arrogant und stur. Unglaublich! „Ich bin durchaus fähig, diesen Job zu meistern“, erklärte sie spitz.

„Daran zweifle ich nicht, Miss Collins. Aber der Auftrag ging an Ihren Vater, nicht an Sie.“

„Wir waren Geschäftspartner.“ Während des vergangenen Jahres hatte sie die Werkstatt geführt, die ihr Vater vor Jahren gegründet hatte. Dann hatten die horrenden Krankenhausrechnungen dazu geführt, dass sie den Betrieb verkaufen musste.

„Das Projekt bedeutet mir viel. Ich brauche jemanden mit Erfahrung.“

Am liebsten hätte Maggie ihm einen Tritt gegen das Schienbein verpasst. Allerdings bezweifelte sie, dass eine derartige Attacke gegen ein Mitglied des Königshauses sie dem ersehnten Ziel näher bringen würde. Also beschloss sie, ihn stattdessen zu beeindrucken.

„In den Jahren 1936 bis 1939 wurden genau 717 Rolls-Royce Phantom III gebaut, zuzüglich 10 Prototypen“, begann sie. „Die ersten Modelle brachten es auf eine Geschwindigkeit von 92 Meilen. Das Problem war, dass die Wagen diese Geschwindigkeit nicht über längere Zeit halten konnten. Der Hersteller reagierte, indem er die Besitzer anwies, nicht so schnell zu fahren, was keine wirkliche Problemlösung bedeutete. Später bot man eine Modifikation an, die die Autos allerdings auch nicht bedeutend schneller machte.“

Maggie machte eine kurze Pause. „Dazu ließe sich noch eine ganze Menge ausführen, aber ich bin sicher, dass Sie das alles längst wissen.“

„Meine Hochachtung, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.“

„Immerhin bin ich Profi.“ Und sie brauchte dringend einen Job. Prinz Quadir war im Besitz eines 1936er Phantom III, den er restaurieren lassen wollte. Die Kosten spielten keine Rolle. Maggie benötigte das beachtliche Honorar, um die letzten Arztrechnungen ihres Vaters zu bezahlen und ihr Versprechen zu erfüllen, den Familienbetrieb wiederaufzubauen.

„Sie sind eine Frau.“ Das klang skeptisch.

„Was Sie nicht sagen! Ich habe mich schon gewundert, wozu diese seltsamen Rundungen gut sind“, gab sie spöttisch zurück.

Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig. Seine Königliche Hoheit war offensichtlich amüsiert.

Umso besser. Maggie beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen. „Hören Sie, meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt. Ich bin quasi in der Werkstatt meines Vaters aufgewachsen. Noch bevor ich lesen lernte, konnte ich bereits Öl wechseln. Okay, ich bin eine Frau, das lässt sich nicht leugnen. Aber was macht das schon? Autos sind mein Leben, und ich bin eine hervorragende Mechanikerin, wie ich mit Stolz behaupten darf. Ich kann diesen Job machen, vielleicht sogar besser als ein Mann. Ich trinke nicht und pflege mich nicht mit irgendwelchen Kerlen in der Disko zu prügeln; auch lege ich nicht die einheimischen Mädchen flach.

Und, noch wichtiger, nachdem mein Vater nun nicht mehr lebt, muss ich mir etwas beweisen. Sie sehen, ich bin hoch motiviert. Als Mann von Welt wissen Sie das sicher zu schätzen.“

Quadir war beeindruckt von der jungen Frau mit den leidenschaftlich geröteten Wangen. Wenn Maggie ihre Arbeit mit derselben Energie anpackte, mit der sie ihn zu überzeugen versuchte, dann wäre sie die perfekte Wahl. Aber eine Frau in der Werkstatt?

Er nahm ihre Hand und betrachtete sie aufmerksam. Lange, schlanke Finger, kurz geschnittene, sorgfältig gefeilte Nägel. Ein paar verheilte Narben und leichte Schwielen. Hände, die harte Arbeit gewohnt waren.

„Drücken Sie meine Hand, so fest Sie können“, befahl er und sah ihr in die verwirrend grünen Augen.

Sie gehorchte, und ihr kraftvoller Griff erstaunte ihn.

„Worin soll ich mich als Nächstes beweisen?“, fragte sie spöttisch. „Im Armdrücken vielleicht?“

Quadir lachte. „Das wird nicht nötig sein.“ Er ließ ihre Hand los. „Möchten Sie den Wagen jetzt sehen?“

Ihre Augen leuchteten auf. „Da fragen Sie noch? Nichts lieber als das.“

Um zu den Garagen zu gelangen, mussten sie den halben Palast durchqueren. Quadir nutzte die Gelegenheit, Maggie auf einige besonders schöne Kunstschätze aufmerksam zu machen.

Vor einem großen seidenen Wandteppich blieb sie staunend stehen. „Darin steckt eine Menge Näharbeit, vermute ich mal.“

„Allerdings. Fünfzehn Frauen brauchten zehn Jahre, um den Wandteppich fertigzustellen.“

„Ehrlich? Für so etwas fehlt mir die Geduld. Wahrscheinlich wäre ich bereits nach einem halben Jahr durchgedreht und mit dem Hackebeil in der Hand kreischend durch den Palast gerannt.“

Die Vorstellung amüsierte ihn. Maggie Collins war so ganz anders als die Frauen, die er bis jetzt kennengelernt hatte. Und er blickte auf einen wahrlich reichen Erfahrungsschatz zurück. Sie war groß und schlank und bewegte sich mit einer Zielstrebigkeit, die nicht gerade typisch weiblich war. Ihr Gesicht hatte markante Züge und war ungeschminkt, und das lange dunkle Haar hing ihr in einem schlichten Zopf über den Rücken.

„Ich war noch nie in einem Palast“, gestand sie, während sie an seiner Seite durch die langen Korridore schritt.

„Wie gefällt es Ihnen?“

„Wunderschön, aber nicht ganz mein Fall. Ist alles ein bisschen üppig für meinen Geschmack.“

„Haben Sie nie heimlich davon geträumt, einmal Prinzessin zu sein?“

„Himmel, nein“, winkte sie lachend ab. „Meine Träume beschränkten sich auf Rennwagen. Ich beschäftige mich lieber mit einem Motor, anstatt shoppen zu gehen.“

„Warum fahren Sie nicht selbst Rennen? Darin sind Frauen doch heute schon ziemlich erfolgreich.“

„Das ist nichts für mich. Dazu fehlt mir der unbedingte Siegeswillen. Ich fahre gern schnell, aber um jeden Preis Erste sein? Nein, das brauche ich nicht.“ Mit unverhohlenem Missfallen zeigte sie auf eine antike sumerische Schale. „Eine ganz neue Dimension der Scheußlichkeit.“

„Das gute Stück ist über viertausend Jahre alt“, gab er trocken zurück.

„Wirklich? Das macht es allerdings auch nicht schöner. Würden Sie sich das Ding etwa in Ihr Wohnzimmer stellen?“

„Nun, hier ist es mit Sicherheit besser aufgehoben, wo viele Menschen die Schale bewundern können.“

„Eine diplomatische Antwort. Aber das lernt man sicher auf der Prinzenakademie.“

„Sie sagen wohl immer frei heraus, was Sie gerade denken?“

Maggie seufzte angemessen zerknirscht. „Leider ja, ich kann meine Zunge einfach nicht zügeln, was mir oft genug Ärger einbringt. Aber ab jetzt bin ich still, versprochen.“

Und das war sie – bis Quadir die Tür zur Garage öffnete – zu einer der zahlreichen Palastgaragen wohlgemerkt –, und das Licht sich automatisch einschaltete. Beim Anblick der in Maggies Augen größten Schätze der Neuzeit rief sie überwältigt aus: „Oh Mann, so viele Schmuckstücke auf einem Haufen, ich fasse es nicht!“

Das Gebäude beherbergte ungefähr ein Dutzend Luxuswagen, alle sorgfältig auf Hochglanz poliert. Beinahe andächtig schritt Maggie die Reihe ab: den Volvo des Mitarbeiterstabs, den Lamborghini, zwei Porsche, den Land Rover, den Hummer – und schließlich den Rolls-Royce Phantom ganz am Ende.

Sanft strich sie über den Lack. „Bist nicht gerade in Höchstform, was? Aber das kriege ich schon hin.“ Maggie wandte sich zu Quadir um. „Der erste Wagen dieser Art tauchte im Oktober 1935 auf der London Olympia Motor Show auf.“ Sie legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Es ist ein V-12, von 0 auf 60 Meilen in 16,8 Sekunden. Das ist beachtlich schnell für so einen großen, schweren Wagen. Besonders, wenn man bedenkt, wie leise der Motor läuft.“

Maggie umrundete den Wagen, berührte ihn, sog seinen Duft ein, als wolle sie sich ganz vertraut mit ihm machen. Ihre Augen leuchteten. „Bitte, Prinz Quadir, geben Sie mir diesen Auftrag“, bat sie eindringlich. „Niemand liebt diesen Wagen mehr als ich.“ Sie öffnete die Beifahrertür. „Ratten“, stieß sie frustriert hervor. „Die Biester haben das Leder völlig zerfressen. Aber ich kenne jemanden, der da wahre Wunder vollbringt.“

„Wie lange würden Sie ungefähr für die Restaurierung brauchen?“, fragte Quadir.

Sie lächelte herausfordernd. „Wie viel Geld haben Sie zur Verfügung?“

„Genug.“

„Muss ein schönes Gefühl sein“, seufzte sie. „Also, in dem Fall sechs bis acht Wochen, wenn ich ohne große Verzögerung alles finde, was ich brauche. Ich würde gern jemanden fürs Aufpolstern und die Malerarbeiten einfliegen lassen. Alles andere übernehme ich selbst. Die Karosseriearbeiten lassen sich bestimmt hier erledigen, denke ich.“

„Ja.“

Maggie straffte die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Also, sind wir im Geschäft?“

Normalerweise sah Quadir kein Problem darin, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Zumindest bedeuteten sie angenehme Gesellschaft. Aber der Phantom war etwas ganz Besonderes.

„Seit mein Vater nicht mehr da ist, vermisse ich ihn jede einzelne Sekunde des Tages. Ich muss das hier für ihn tun, verstehen Sie? Er hätte es sich so sehr gewünscht. Sie werden niemanden finden, der mehr Herzblut in diese Arbeit legt als ich, Prinz Quadir. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.“

Ihre Worte rührten ihn. Sie meinte es bitterernst, das wusste er. „Gut, einverstanden. Sie haben den Job. Zu denselben Konditionen, die ich bereits mit Ihrem Vater ausgehandelt hatte. Ich gebe Ihnen sechs Wochen, um den Wagen in altem Glanz erstrahlen zu lassen.“

„Sechs Wochen und ein unbeschränktes Budget.“

„Genau. Jetzt werde ich Sie zu Ihren Räumen führen lassen. Für die Dauer Ihres Aufenthalts betrachten Sie sich bitte als mein Gast.“

„Aber ich muss noch meine Sachen aus dem Hotel holen.“

„Darum brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Betrachten Sie das als erledigt.“

„Natürlich.“ Plötzlich war ihr ganz schwindlig vor Glück. „Wenn die Sonne etwas zu hell scheint, lassen Sie sie dann auch zur Seite rücken?“

„Wenn mir genug daran liegt“, erwiderte er augenzwinkernd. „Irgendwie scheint es mir nicht zu gelingen, Sie vor Respekt erstarren zu lassen. Wie kommt das?“

„Sie sind auch nur ein Mann – wenn auch mit einem Luxusschlitten und einem prallen Scheckbuch, Prinz Quadir.“

„Mit anderen Worten, Sie erledigen nur einen Job.“

„Es ist ein richtig toller Job, aber eben nur ein Job, ja. Nach getaner Arbeit kehre ich in mein altes Leben zurück, und Sie können mit einem ganz neuen Gefühl durch El Deharia kutschieren. So bekommen wir beide, was wir wollen.“

Quadir lächelte selbstzufrieden. „Das bekomme ich immer.“

Maggie streckte sich seufzend auf dem Kingsize-Bett in ihrer Kingsize-Suite im königlichen Palast aus, fand aber trotz der späten Stunde keine Ruhe. Der Jetlag machte ihr zu schaffen, und an Schlaf war nicht zu denken. Deshalb stand sie auf und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. In Flip-Flops trat sie auf den breiten Balkon hinaus, der das gesamte Gebäude zu umrunden schien.

Sie lehnte sich gegen die Balustrade und ließ den Blick über den endlos scheinenden Ozean schweifen. Tief atmete sie die salzige Luft ein. Von zu Hause war sie an Berge gewohnt, das Meer jedoch kannte sie nur aus wenigen kurzen Ferien.

Unten im Garten brannte Licht, und gedämpfte Stimmen drangen an ihr Ohr. Neugierig beschloss Maggie, eine kleine Erkundungstour zu unternehmen. Sie zog die Balkontüren hinter sich zu und machte sich auf den Weg, wobei sie jede Menge geschlossener Fenster passierte. Eine Balkontür stand offen. Maggie erhaschte einen Blick auf drei kleine Mädchen und einen Mann, die zusammengekuschelt vor dem Fernseher lagen. Der Mann sah Quadir ziemlich ähnlich, vermutlich war er einer seiner Brüder. Der König hatte mehrere Söhne, soweit sie wusste, aber keine Tochter. Wie es wohl war, in einer solchen Umgebung aufzuwachsen? Reich und verwöhnt, wunschlos glücklich?

„Quadir, ich erwarte ein bisschen mehr Engagement“, erklang da plötzlich eine herrische Stimme im Dunkeln.

Maggie blieb abrupt stehen.

„Nur Geduld“, erwiderte der Getadelte ruhig.

„Wie viel Geduld soll ich denn noch aufbringen? As’ad ist verlobt. In wenigen Wochen wird er heiraten. Höchste Zeit für dich, ebenfalls eine Familie zu gründen. Wie kann es nur angehen, dass ich jede Menge Söhne, aber keine Enkelkinder habe?“

Sie sollte besser kehrtmachen und zu ihrem Zimmer zurückkehren, das wusste Maggie. Und im Grunde hatte sie das auch fest vor … nur, es interessierte sie über die Maßen, wie ein König ganz privat mit seinem Sohn sprach. Ging es in königlichen Familien etwa genauso zu wie in ganz normalen? Unvorstellbar …

Sie schlüpfte hinter eine breite Säule. Mit angehaltenem Atem hörte sie Quadir kontern: „As’ad bringt drei Enkeltöchter mit in die Familie. Das sollte dir für den Anfang genügen.“

„Du nimmst das alles nicht ernst, mein Sohn. Unter all den Frauen, mit denen du zusammen warst, muss es doch wenigstens eine gegeben haben, die zur Ehefrau taugt.“

„Leider nicht.“

„Es ist dieses Mädchen“, grollte der König. „Die von damals.

Sie ist der Grund.“

„Sie hat nicht das Geringste damit zu tun.“

Mädchen? Welches Mädchen? Maggie nahm sich vor, das später am Computer zu checken.

„Wenn du nicht in der Lage bist, eine Frau zu finden, dann muss ich das wohl für dich übernehmen“, erklärte der König energisch. „Glaub ja nicht, dass du dich vor deinen Pflichten drücken kannst!“

Sekunden später erklangen schwere Schritte, und eine Tür wurde geschlossen.

Maggie blieb unentschlossen stehen. Waren beide Männer gegangen? So leise wie möglich atmend wollte sie sich gerade zu ihren Räumen zurückschleichen, als Quadir sagte: „Sie können rauskommen. Er ist weg.“

Ihr blieb vor Schreck und Scham fast das Herz stehen. Wie entsetzlich peinlich, beim Lauschen erwischt zu werden! Mit hochroten Wangen trat sie hinter der Säule hervor. „Entschuldigen Sie bitte, ich wollte nicht lauschen. Ich war gerade dabei, einen kleinen Spaziergang zu machen, als ich unfreiwillig Zeuge Ihrer Unterhaltung wurde. Hm, ich habe mir wirklich Mühe gegeben, leise zu sein. Wie haben Sie mich bemerkt?“

Quadir deutete mit dem Kinn auf das Fenster, das den Balkon spiegelte. „Ich sah Sie kommen. Ist nicht so schlimm, Maggie. Meine Meinungsverschiedenheit mit dem König ist ohnehin allgemeines Gesprächsthema.“

„Glauben Sie, dass Ihr Vater seine Drohung wahr macht und Ihnen eine Frau sucht?“

„Er wird es zumindest versuchen. Die Entscheidung liegt natürlich bei mir. Ich kann mich weigern, die Auserwählte zu heiraten.“

„Aber wie kann er annehmen, dass jemand eine arrangierte Ehe akzeptiert?“

Quadir lehnte sich gegen die Balustrade. „Nun, die betreffende junge Dame heiratet immerhin in die königliche Familie ein, das ist eine große Ehre. Für manche Menschen zählen Macht und Standesbewusstsein mehr als die Regungen des Herzens.“

Unvorstellbar für Maggie, die in einer ganz normalen Familie in einer ganz normalen amerikanischen Kleinstadt aufgewachsen war. Nun gut, auch in Aspen hatte sich einiges getan, und Prominente ließen sich zum Skiurlaub blicken. Dennoch zog Maggie normale Menschen Promis vor. Auch einem Prinzen. Selbst wenn er so attraktiv und charmant wie ihr Gegenüber war.

„Die Frauen liegen Ihnen bestimmt förmlich zu Füßen“, bemerkte sie amüsiert. „Schwer zu glauben, dass keine darunter sein soll, die als passende Kandidatin infrage käme.“

Er hob missbilligend die Brauen. „Sie schlagen sich auf die Seite des Feindes?“, gab er spöttisch zurück.

„Immerhin sind Sie ein Prinz. Und Prinzen sind dazu bestimmt, für Erben zu sorgen. So ist das nun mal.“

„Ah, Sie gehen die Sache praktisch an.“

„Nein, ich gebe nur etwas auf Loyalität und familiäre Pflichten.“

„Das heißt, Sie würden einer arrangierten Ehe zustimmen, wenn man das von Ihnen erwartete?“

Maggie erwog die Frage ernsthaft. „Ich weiß nicht, vielleicht. Falls mir mein Leben lang klar gewesen wäre, dass es darauf hinausläuft. Ob es mir dann gefiele, steht natürlich auf einem anderen Blatt.“

„So eine gehorsame Tochter.“ Wieder schwang milder Spott in seinem Ton mit.

„Nicht bewusst. Ich habe meinen Vater eben sehr geliebt.“ Er war ihr einziger Angehöriger gewesen. Immer noch erwartete sie, plötzlich seine Schritte im Haus oder seine Stimme zu hören, konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Zumindest entkam sie hier in El Deharia ein Weilchen ihren traurigen Erinnerungen, wofür sie äußerst dankbar war.

Quadir schüttelte betroffen den Kopf. „Tut mir leid, mir war Ihr schwerer Verlust entfallen. Es lag nicht in meiner Absicht, Sie an Ihren Schmerz zu erinnern.“

„Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Der Schmerz ist sowieso immer da, unterschwellig vielleicht, aber ich nehme ihn überall mit hin.“

Er nickte bedächtig, als verstünde er, was es bedeutete, einen solchen Verlust hinnehmen zu müssen. Womöglich konnte er es wirklich nachempfinden. Was wusste sie denn schon über ihn?

Nur das, was in den Nachrichten gesendet und in der Klatschpresse verbreitet wurde.

„Sie haben sicher noch Familie in Aspen. Wie kommen die ohne Sie zurecht?“

„Oh, da gibt es niemanden. Außer meinem Vater hatte ich niemanden. Nun, natürlich ein paar Freunde, aber die sind mit ihrem eigenen Leben beschäftigt.“

„Sie haben also niemanden, den Sie anrufen können, um zu berichten, wie es Ihnen hier ergeht?“, hakte er ungläubig nach.

„Ich habe Jon. Er macht sich Sorgen um mich.“

Quadir horchte auf. „Jon? Ist das Ihr … Freund?“

„Nicht mehr“, gab sie leichthin zurück. „Ich kenne ihn schon mein Leben lang. Wir sind gewissermaßen Tür an Tür aufgewachsen. Als Kinder haben wir zusammen gespielt, später wurde daraus eine Art Schulromanze. Alle erwarteten, wir würden heiraten, aber das sollte wohl nicht sein.“

Im Grunde hatte sie nie wirklich verstanden, warum sie den letzten Schritt nicht auch noch gewagt hatten. Jon war der einzige Mann in ihrem Leben und sie die einzige Frau in Jons, abgesehen von Elaine. Tief in ihrem Innern liebte Maggie ihn noch, und daran würde sich wohl auch nie etwas ändern.

„Ich glaube, wir haben uns gewissermaßen entliebt, falls Sie verstehen, was ich meine. Wir sind immer noch füreinander da, aber das ist nicht dasselbe. Vermutlich hätten wir uns schon eher getrennt, aber dann wurde mein Vater krank, und Jon wollte mich nicht auch noch mit dem Bruch unserer Beziehung belasten.“ Ein wehmütiges Lächeln umspielte ihre Lippen. „Nach dem Tod meines Vaters sprachen wir uns endlich aus. Jon gestand, dass es eine andere Frau gab und gibt – Elaine. Eine tolle Frau, wie es scheint, und sie sind total verliebt. Ich gönne es ihm.“ Das meinte sie ernst. Jon war ihr bester Freund, und sie wollte ihn glücklich sehen. Doch manchmal gab es auch Momente, in denen sie sich fragte, ob ihr je das gleiche Glück vergönnt sein würde.

„Sie sind sehr verständnisvoll“, sagte Quadir. „Oder ist das nur eine Maske?“

Maggie versteifte sich. „Ich spiele Ihnen nichts vor. Das ist nicht meine Art.“

„Sie behaupten ernsthaft, keinen Groll auf Jon zu empfinden, obwohl er Sie so schnell ersetzt hat?“

„Nicht im Geringsten“, erwiderte sie ein bisschen zu schnell. Kleinlaut fügte sie hinzu: „Okay, manchmal tut es ziemlich weh, wenn ich mir die beiden vorstelle, aber das ist keine große Sache. Ich will ihn ja gar nicht wirklich.“ Oder doch?

„Aber er hätte wenigstens den Anstand besitzen können, noch ein Weilchen zu warten, um die Liebe seines Lebens zu finden. Das denken Sie doch, oder?“

„Nein, so kann man das nicht sagen. Das lässt mich ja in einem schrecklichen Bild erscheinen.“

„Es macht Sie menschlich, mehr nicht.“

„In emotionaler Hinsicht bin ich ziemlich stark, wissen Sie.“ Zumindest gab sie sich alle Mühe. Bis auf einen einzigen Zusammenbruch vor ungefähr fünf Wochen war ihr das auch prima gelungen. Sie hatte Jon angerufen, schluchzend und zitternd vor Kummer. Plötzlich war ihr alles zu viel geworden – der schmerzliche Verlust ihres Vaters, die Trennung von Jon. Typisch Jon, er war natürlich sofort an ihre Seite geeilt, um sie zu trösten. Aus einer Umarmung wurde ein Kuss, und dann wollte Maggie mehr …

Sie wandte sich ab und starrte in die Dunkelheit hinaus. Die Erinnerung an jene Nacht trieb ihr die Schamröte ins Gesicht. Sie hatte Jon verführt, um all die schrecklichen Ereignisse in ihrem Leben zu vergessen. Und vielleicht auch, um sich zu beweisen, dass sie es immer noch konnte.

Zu der Zeit war er erst wenige Wochen mit Elaine zusammen gewesen. Aber Maggie spürte, dass es etwas Ernstes war. Gewissermaßen war es ihre letzte Chance gewesen, Jon zurückzugewinnen.

Danach hatte keiner von beiden die richtigen Worte gefunden. Sie hatte sich bei ihm entschuldigt, was er zurückwies. Seitdem konnten sie nicht mehr so unbefangen miteinander umgehen wie früher.

„Das Leben ist manchmal einfach zu kompliziert“, seufzte sie.

„Da stimme ich Ihnen zu.“

Sie blickte auf. „Erwarten Sie nur kein Mitleid von mir, Prinz Quadir.“

„Soll heißen, dass ich mich nicht beklagen darf, weil ich ein privilegiertes Leben führe?“

„So in etwa“, gestand sie unbehaglich.

„Sie lassen sich von vielen Grundsätzen leiten.“

„Ich mag Grundsätze.“

„Und mir gefällt es, darüber zu stehen.“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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