Wie zähmt man einen Millionär?

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Sie hat ihn geliebt, und doch hat sie ihn damals verraten. Wie könnte er ihr das jemals verzeihen - wo sie sich doch selbst nie vergeben hat? Jetzt ist Mason zurück: Als neuer Besitzer des Anwesens ihrer Familie, das sie trotz aller Bemühungen nicht retten konnte. EvaMarie muss weg von diesem Mann, der ihr Herz noch immer schneller schlagen lässt - obwohl sie weiß, dass er sie hasst. Aber ist das wirklich Hass, der in seinen Augen blitzt, wenn er sie ansieht? Oder hat auch er ihre Liebe nie vergessen können?


  • Erscheinungstag 08.08.2017
  • Bandnummer 1988
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723842
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Zu erfahren, dass das alte Hyatt-Anwesen zum Verkauf stand – nur gegen Barzahlung –, war Mason Harringtons bisher größter Triumph. Wie viele Leute konnten sich schon den Lebenstraum erfüllen, eine Pferdefarm zu kaufen und gleichzeitig die Rache zu nehmen, nach der sie sich sehnten?

„Die Zwangsvollstreckung ist gerade bewilligt und durch unsere Firmenleitung eröffnet worden“, sagte der Bankmanager über seinen polierten Schreibtisch hinweg. Er wirkte eher wie ein besorgter Großvater als ein Geschäftsmann. „Die Familie ist noch nicht informiert worden. Es war einfach noch keine Zeit …“

„Das übernehme ich gern für Sie“, hörte Mason sich sagen. Ups! War das zu viel? Dem Gesicht des Managers nach zu urteilen, wahrscheinlich ja. Der Rippenstoß, den er von Kane bekam, bestätigte seinen Eindruck.

Unmerklich rückte Mason vom spitzen Ellbogen seines Bruders ab und ignorierte das Knarren des Ledersessels. Kane mochte Daulton Hyatt verabscheuen, weil er den Ruf ihres Vaters in dieser Stadt ruiniert hatte, aber Mason war dabei gewesen, als der Mann die Bombe hatte platzen lassen.

Er würde nie vergessen, wie Daulton ihn voller Befriedigung gedemütigt und wie weh es ihm getan hatte, dass EvaMarie dabei zugesehen hatte, ohne ihn zu verteidigen.

Die Erinnerung daran ließ ihn wohl etwas unverschämt werden.

„Ich muss sagen, dass die Zwangsvollstreckung gegen meinen Willen durchgesetzt worden ist. Ich hatte gehofft, EvaMarie dabei helfen zu können, das Ruder doch noch herumzureißen“, sagte der Manager. Sein Stirnrunzeln vertiefte die Falten in seinem ältlichen Gesicht.

„Warum EvaMarie?“, fragte Kane. „Ist es nicht Daulton Hyatt, der Hilfe braucht?“

Der Manager riss die Augen auf. Nach einem Moment erklärte er: „Entschuldigen Sie bitte, das hätte ich nicht sagen sollen. Ich wollte keine persönlichen Details über meine Kunden ausplaudern.“ Er senkte den Blick auf den Ausdruck, der vor ihm lag. Mason hatte den Hinweis auf die Zwangsvollstreckung im Internet entdeckt. Die Bank hatte nicht lange damit gewartet, ihre Verluste auszugleichen. „Es ist mir einfach unangenehm …“

„Das spielt jetzt keine Rolle. Die Bank bietet das Anwesen zum Verkauf an“, unterbrach Mason ihn. „Wir zahlen einen höheren Preis als gefordert, und zwar bar auf die Hand. Müssen wir jemanden bei der Geschäftsleitung kontaktieren?“ Dort würde man das Geld der Harringtons sicher gern annehmen.

Er sah dem Manager an, dass er das absolut nicht wollte. Aber wenn es sein musste, würde Mason es tun.

„Wir können das Geld bis heute Nachmittag besorgen“, sagte Kane. „Aber unser Angebot gilt nur eine Stunde lang. Sind wir uns handelseinig?“

Mason verkrampfte sich und protestierte stumm dagegen, einfach wieder zu gehen. Sein Bruder wusste, was er tat. Aber der Gedanke, diese Chance nicht zu nutzen, machte Mason zu schaffen. Der schwafelnde Manager wollte offensichtlich lieber im Sinne der Familie handeln als in dem der beiden Fremden, die vor ihm saßen. Aber im Moment waren Mason die Hyatts völlig egal.

Ihm war es nur wichtig, sie für das bezahlen zu lassen, was sie ihm und seiner Familie vor vielen Jahren angetan hatten.

Er fragte sich, wie EvaMarie reagieren würde, wenn er ihr sagte, dass sie ihr Elternhaus räumen musste.

Langsam und widerwillig nickte der alte Mann. „Ja, ich schätze, ich habe wirklich keinen Einfluss mehr darauf.“ Er stand auf und strich sich Jackett und Krawatte glatt, als müsste er sich für eine besonders unangenehme Aufgabe stählen. „Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick, ich lasse meine Sekretärin den Vertrag aufsetzen.“

Mason hatte den Verdacht, dass er außerdem die Geschäftsleitung anrufen würde, sobald er das Büro verlassen hatte, aber das würde ihm nichts nützen. Die Harrington-Brüder bekamen praktisch immer, was sie wollten. Normalerweise aus schierer Sturheit. Diesmal aber hatten sie auch noch ihr Erbe im Rücken.

Geld öffnete einem alle Türen.

Noch immer vermisste Mason seinen Dad, der vor einem halben Jahr gestorben war. Einen Großteil von Masons Leben waren sie zu dritt gewesen und hatten zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Zu erfahren, dass sein Vater Krebs hatte, war ein Schock gewesen.

Aber das war nur die erste von weiteren Überraschungen gewesen.

Die beiden Jungen hatten nicht gewusst, dass ihre Mutter aus einer sehr reichen Familie im Nachbarstaat stammte. Sie war an einem Gehirntumor gestorben, als Mason sieben gewesen war. Er erinnerte sich nur noch daran, wie gut sie gerochen hatte, wenn sie mit ihm gekuschelt hatte, und wie seidig ihr Haar gewesen war. Manchmal hatte er es ihr gebürstet, nachdem sie krank geworden war, weil sie es als tröstlich empfunden hatte.

Aber sie war schon lange nicht mehr da, und die Brüder hatten nicht geahnt, dass sie ihnen etwas hinterlassen hatte. Etwas? Es war nicht bloß „etwas“ – es war ein Vermögen. Ihr Vater hatte das Geld umsichtig verwaltet. Das hatte sich ausgezahlt. Er hatte dafür gesorgt, dass ihr ohnehin stattliches Erbe zu einer gewaltigen Summe angewachsen war. Mason konnte sie sich nicht in Dollarnoten vorstellen. Sie war einfach zu astronomisch.

In ihrer Jugend war das Geld oft knapp gewesen. Zum Beispiel als Mason seinen Job auf der Hyatt-Farm verloren hatte. Sie hatten in die Heimatstadt seiner Mutter zurückziehen müssen. Es waren schwere Zeiten gewesen. Dabei hatte ihr Dad nur auf so vieles verzichtet, um für die Zukunft vorzusorgen.

Und die Zukunft begann jetzt.

Als das Geheimnis gelüftet gewesen war, hatte Mason seinen Vater gefragt, warum er nicht einen Teil des Vermögens für sich und seine Söhne verwendet hatte. Er hatte gesagt, dass er die Vorurteile seiner Schwiegereltern hatte widerlegen wollen. Sie hatten behauptet, er hätte seine Frau nur wegen ihres Geldes geheiratet.

Die Brüder hatten ihr ganzes Leben mit Pferden verbracht. Ihr Vater war Pferdetrainer gewesen und dafür bekannt, Sieger auszubilden. Er hatte ihnen alles beigebracht, was er wusste. Viel hatten sie auch dadurch gelernt, dass sie in den besten Ställen der Region gearbeitet und selbst Pferde und Rinder gezüchtet hatten. Jetzt hatten sie endlich das Kapital, um ihren eigenen Rennstall zu gründen.

Und sich an EvaMarie Hyatt zu rächen – dafür, dass sie die Harringtons beinah ruiniert hätte.

„Deine Miene macht mir Sorgen.“ Aufmerksam musterte Kane ihn.

Mason stand auf und lief hin und her. Das Büro war relativ groß, aber er fühlte sich eingeengt. „Ich kann nicht glauben, dass es endlich so weit ist.“

„Du weißt, dass Dad nicht gewollt hätte, dass wir den Hyatts wegen dieser alten Geschichte eins auswischen, oder?“

Es war fast fünfzehn Jahre her, aber Masons seelische Wunden und sein Zorn waren noch so frisch wie damals. Kane glaubte, es sei nur ein Teenagerflirt gewesen, aber Mason wusste, dass er EvaMarie damals aus tiefster Seele geliebt hatte. Sonst hätte es jetzt nicht mehr so wehgetan.

„Ja, ich weiß.“ Aber damit konnte er leben. Das Entsetzen in EvaMaries Gesicht und dem ihres tyrannischen Vaters zu sehen würde das schlechte Gewissen aufwiegen.

Oder?

„Hast du es dir etwa anders überlegt?“, fragte er Kane.

Sein Bruder schwieg und überlegte, bevor er antwortete. Das bewunderte Mason an Kane. Er selbst war nicht so. Er handelte erst und dachte später an die Konsequenzen. Aber so unterschiedlich sie auch waren, sie waren ein gutes Team. Meistens zumindest.

Kane sah ihm in die Augen. „Nein, zieh es durch. Aber vor einem muss ich dich warnen, Mason …“

Mason stöhnte. „Musst du unbedingt wieder den großen Bruder spielen? Dafür sind wir ein bisschen zu alt.“

„Ich bin dein großer Bruder, aber darum geht es nicht.“ Nüchtern sah er Mason an. „Du musst bedenken, dass es sicher einen guten Grund gibt, warum sie das Anwesen verloren haben. Vielleicht ist es ihnen egal, was daraus wird oder wer es bekommt. Ich habe keine Gerüchte über ihre finanzielle Lage gehört, nur dass sie sich vor einer Weile verkleinert haben.“ Er zuckte die Schultern, als Mason die Augenbrauen hochzog. „Ja, ich habe sie im Auge behalten. Aber bis auf ein paar alte Freunde sind wir nicht mehr auf dem Laufenden.“

In seinem Anzug sah er für Mason immer noch ungewohnt aus. Sie trugen sonst Holzfällerhemden und robuste Jeans. Feine Kleidung war für sie nicht alltäglich – aber nach dieser Erbschaft würde sie es wohl bald werden …

Kane schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich habe einfach das Gefühl, dass es nicht so laufen wird, wie du es dir vorstellst.“

Mason dachte daran zurück, wie sehr ihn das Hyatt-Anwesen beeindruckt hatte, als er noch ein altkluger Achtzehnjähriger gewesen war. Die Pracht, die Sorgfalt, mit der EvaMaries Mutter noch auf die kleinsten Details geachtet hatte … Das Haus war ihr Leben gewesen. Offiziell hatte Mason es nur ein einziges Mal betreten, als er mit ein paar Papieren zu Daulton Hyatt geschickt worden war. EvaMaries Mutter war ihm besorgt gefolgt, damit er ja keinen Pferdemist auf ihren antiken Teppichen hinterließ, als wäre er zu schlecht erzogen, um zu wissen, dass man sich die Füße abtrat.

Bei seinem zweiten Besuch im Haus waren die Eltern nicht da gewesen.

„Vielleicht hast du recht“, räumte Mason ein und versuchte, die Erinnerungen zu verdrängen. „Aber glaub mir, es ist ihnen nicht egal, das weiß ich.“ Und er würde das, was er über sie wusste, zu seinem Vorteil nutzen.

Es zahlte sich aus, seine Feinde zu kennen.

EvaMarie Hyatt hatte keine Ahnung, wer da in einer Luxuslimousine und einem glänzenden neuen Pick-up zum Haus gefahren kam. Aber als sie aus ihrem Schlafzimmerfenster im ersten Stock spähte, wünschte sie sich, dass die Besucher wieder dorthin verschwinden würden, woher sie gekommen waren.

Sie war schließlich verschwitzt und zerzaust, nachdem sie in dem alten Ankleidezimmer nebenan Schalldämmung installiert hatte. Außerdem hatte sie so heftige Kopfschmerzen, als hätte sie einen Presslufthammer im Schädel. Und sie war die Einzige, die bereit war, an die Haustür zu gehen.

Dennoch lächelte sie befriedigt in sich hinein. Das Ergebnis ihrer harten Arbeit war perfekt für das, was sie vorhatte.

Aber jetzt musste sie erst einmal die Besucher abfangen. Schnell lief sie die Hintertreppe hinunter und war sich nur zu bewusst, wo ihre Eltern sich aufhielten. Sie waren bestimmt auch neugierig, aber sie wusste, dass sie sich nicht hervorwagen würden.

Es war traurig, mit anzusehen, wie ihre früher so kontaktfreudigen Eltern kaum noch das Haus verließen. Ihre Geheimniskrämerei und ihre Scham machten EvaMarie das Leben noch schwerer.

Als sie am Seiteneingang ankam, hielten die Autos gerade an. Nervös und mit zitternden Fingern versuchte sie, sich die Haare glatt zu streichen. Vielleicht färbte das zurückgezogene Dasein ihrer Eltern auf sie ab. Oder die Belastung, sich um jede Kleinigkeit kümmern zu müssen, ließ auch EvaMarie langsam zur Einsiedlerin werden.

Zu ihrer Überraschung stieg der Bankmanager aus dem ersten Auto. Sein makelloser Anzug machte ihr nur allzu bewusst, dass sie ein staubiges T-Shirt und eine Jogginghose trug. Aber es war der Fahrer des Trucks, der sie völlig verwirrte.

Sie musterte ihn, als die beiden Männer über die rissige Einfahrt näher kamen. Er war ihr fremd und doch irgendwie vertraut. Seine gerade Haltung und sein selbstbewusster Gang kamen ihr bekannt vor. Plötzlich traf die Erkenntnis sie wie ein Blitz.

Sie hatte Mason Harrington seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Zwar hatte sie seitdem fast jeden Tag an ihn gedacht, aber aus ihrer Neugier nie mehr werden lassen. Schließlich ging sie davon aus, dass sie der letzte Mensch war, von dem Mason je wieder etwas hören wollte.

Er war noch genauso attraktiv wie damals. Die dunkelblonden Haare waren an den Seiten kurz geschnitten, aber oben lang genug, dass sie sich leicht wellten. Seine großen Hände waren rau von der Arbeit, und das kantige Kinn stand in schönem Kontrast zu seiner vollen Unterlippe.

Er wirkte jetzt noch größer als damals, muskulöser. Zielstrebig richtete er den durchdringenden Blick seiner blauen Augen auf sie. Aber erst der schwarze Cowboyhut, den er sich aufsetzte, war der letzte Nagel in ihrem Sarg und bestätigte ihr, dass sie vor dem Jungen stand, dem sie unrecht getan hatte.

Nur dass er jetzt durch und durch ein Mann war.

Mason Harrington war jemand, den sie noch nicht einmal in der Nähe dieses Hauses haben wollte … oder ihres Vaters. Obwohl ihr vor Nervosität flau im Magen wurde, ging sie den beiden schnell entgegen und konzentrierte sich auf den Manager. „Clive“, begrüßte sie ihn, „was kann ich für dich tun?“

„Es tut mir leid, EvaMarie, aber ich habe schlechte Neuigkeiten.“

Sie wollte Mason ansehen, um festzustellen, ob er wusste, was vorging. Das war albern. Natürlich wusste er es, sonst wäre er nicht hier. „Ich dachte, wir hätten letzten Monat alles geklärt?“ Mein Gott. Bitte lass es nicht das sein, wovor ich am meisten Angst habe!

„Leider hat die Geschäftsführung sich über uns hinweggesetzt. Es muss nun mal alles erst von oben abgesegnet werden.“

Ihr stockte der Atem. Dann zwang sie sich zu antworten: „Aber du hast doch gesagt, dass du genug Leute in der Geschäftsführung kennst, um sie zu überzeugen?“

„Ich weiß, meine Liebe. Anscheinend hat das nicht gereicht. Ich wollte heute anrufen, aber …“ Er sah den schweigenden Mann neben sich an. „Ich war verhindert.“

EvaMarie schlang die Arme um sich und bekam heftiges Herzklopfen. Ihr wurde übel. Sie hatte in den letzten fünf Jahren viele Schwierigkeiten allein meistern müssen. Jetzt fragte sie sich, ob es überhaupt einen Menschen auf der Welt gab, der sie nicht enttäuschen würde. „Was heißt das?“

Mason trat vor. Seine Stiefel knirschten auf der Einfahrt. „Das heißt, dass ich der neue Besitzer der Hyatt-Farm bin.“

Seine Stimme war tiefer geworden. Er sprach als Mann. Als Mann, der ihr wegnahm, was ihr die Welt bedeutete, und das wusste er. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Also wandte sie sich wieder an Clive und rang darum, nicht zu flehentlich zu klingen. „Ich brauche nur etwas Zeit …“

„Zu spät.“

Masons harte Worte ließen sie zusammenzucken, aber sie versuchte, sich weiter auf Clive zu konzentrieren. Atemlos stieß sie hervor: „Die Stuten werfen bald ihre Fohlen …“

Clive stellte sich zwischen sie und Mason und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Du weißt doch, dass das nur ein paar Ratenzahlungen abdeckt“, sagte er leise, aber mit Nachdruck, obwohl seine Berührung sanft war. „Danach bist du wieder im Rückstand. Du hast dein Bestes getan, EvaMarie, aber wir wissen beide, dass du das Unvermeidliche nur hinausgezögert hast. Es wird Zeit loszulassen.“

Sie schüttelte den Kopf, aber sie musste kapitulieren – vor Mason Harrington. Ihr Vater würde lieber sterben, als das zu tun.

Eine Moment lang war sie nahe daran, den Tränen freien Lauf zu lassen, die sie nun schon seit einem halben Jahr zurückhielt. Sie sah zu dem Stall in der Ferne hinüber. Die prächtigen Bäume ringsum spendeten ihr schon Geborgenheit, seit sie ihre ersten Schritte gemacht hatte. Im See dahinter hatte sie Schwimmen und Angeln gelernt. In ihrer Kindheit hatte sie in den sanften Hügeln gespielt und später dort Trost gefunden. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie es hier gewesen war, als es auf dem Hof noch vor Angestellten, Pferden und Besuchern gewimmelt hatte.

Doch das war vorbei. Ganz egal, wie sehr ich mich bemüht habe …

Jedes Mal, wenn sie geglaubt hatte, Fortschritte zu machen, hatte ein neuer Rückschlag wieder alles zerstört. Dieser hier schlug dem Fass allerdings den Boden aus.

Sie musterte Mason und staunte über seinen triumphierenden Gesichtsausdruck. Offenbar erinnerte er sich auch noch gut an dieses Anwesen. Einem Teil von ihr tat es sehr weh, dass er sie offenbar immer noch genug hasste, um ihr jetzt ihr Zuhause zu nehmen. Aber ein anderer Teil fand einen Hauch von Trost in dem Wissen, dass sie ihm nicht gleichgültig geworden war.

Sie würde sich nie eingestehen, wie sehr er sie verändert hatte, selbst nachdem er fort gewesen war. Der Gedanke half ihr, wieder eine ausdruckslose Miene aufzusetzen, um ihre wahren Gefühle zu verbergen, all den Schmerz, mit dem sie sich quälte, seit Mason gegangen und ihr Vater krank geworden war.

Sie fühlte sich so einsam.

„Bis wann müssen wir ausziehen?“, murmelte sie und versuchte, sich auf die praktischen Dinge zu konzentrieren. Sie würde jetzt nicht daran denken, wie es sich anfühlen würde, das einzige Zuhause zu verlassen, das sie je gekannt hatte. Sonst würde sie sich nicht länger beherrschen können.

Mason drängte sich an Clive vorbei und baute sich vor ihr auf. „So bald wie möglich. Die Einzelheiten kannst du nachher mit Clive besprechen, aber erst mal möchte ich mir ansehen, was ich da überhaupt gekauft habe.“

Wenn sie sich nicht ohnehin schon zusammengerissen hätte, dann hätte sein völliger Mangel an Mitgefühl ihr den Atem verschlagen. EvaMarie sah den selbstgefälligen Mann an und entdeckte wieder die letzten Spuren des Jungen, den sie einmal von ganzem Herzen geliebt hatte, des Jungen, dem sie sich hingegeben hatte, obwohl sie gewusst hatte, dass sie ihn nicht würde halten können – und wünschte sich, sie hätte den Mut, ihn zu ohrfeigen.

2. KAPITEL

Masons Befriedigung darüber, es EvaMarie und ihrer Familie gezeigt zu haben, wandelte sich rasch in Bestürzung, als er ihr ins Haus folgte.

Kahl. Das war das erste Wort, das ihm einfiel, als er sich im Eingangsbereich umsah. Es war, als hätte man alle Einzelheiten aus einem prächtigen Gemälde entfernt, bis nur noch die ersten breiten Pinselstriche auf der Leinwand übrig waren. Die Grundlagen waren noch da: die mit Blattsilber überzogenen Möbel, die Türgriffe aus Kristall, das zierliche Schmiedeeisen. Aber die dekorativen Porzellanfiguren und Landschaftsgemälde, an die er sich erinnerte, waren verschwunden. Die leeren Regale und Wände verliehen dem Haus eine traurige Atmosphäre.

Sie waren durch dieselbe Seitentür ins Innere gelangt wie Mason vor fünfzehn Jahren. Der lange Flur führte sie am Esszimmer und an einem Salon vorbei, dann an einigen leer stehenden Räumen. Schließlich gelangten sie in einen tiefer gelegenen Bereich an der Rückseite des Hauses, den die Familie offenbar als gemütliches Wohnzimmer nutzte, wenn man denn den gewaltigen Kalksteinkamin und die eindrucksvollen Orientteppiche als „gemütlich“ bezeichnen konnte.

Auf den zweiten Blick wirkten die Möbel abgenutzt. Aber was Mason am meisten traf, waren die Blumen. Nicht die in dem überwucherten Garten vor der Fensterfront, sondern die in der Vase auf dem Beistelltisch hinter dem Sofa.

Er erinnerte sich noch gut an die riesigen Blumensträuße, die ihn bei seinem ersten Besuch mit ihrer Farbenpracht so beeindruckt hatten. Jedes Zimmer, in das er einen Blick erhascht hatte, war mit mehreren geschmückt gewesen. Aber heute war diese Blumenvase die erste, die er sah: ein schlichtes Kristallgefäß. Die Blumen stammten offensichtlich aus dem verwilderten Garten. Hübsch, aber kein professionelles Arrangement aus Treibhausgewächsen wie damals.

Mit den feinen Leuten ist es aber wirklich steil bergab gegangen!

In dem Pärchen am Kamin erkannte er EvaMaries Eltern, obwohl sie sehr gealtert waren. Mrs. Hyatt war gekleidet, als ob sie Besuch erwartete. Alles andere hätte Mason auch gewundert, aber die Seidenbluse und die sorgfältig frisierten Haare zeugten davon, dass sie sich der Realität noch nicht gestellt hatte.

Aber die Perlen waren ein nettes Detail.

„Was ist los?“, fragte Daulton. Seine Stimme dröhnte einem immer noch in den Ohren. „Clive, was machst du hier?“

Der Bankmanager schüttelte dem Ehepaar die Hand und machte dann EvaMarie Platz.

Mason hatte geglaubt, dabei sein zu wollen, wenn die Hyatts von ihrem hohen Ross gestürzt wurden. Schließlich hatten sie versucht, seine Familie in den Ruin zu treiben.

Doch irgendwie konnte er sich nicht überwinden, EvaMarie ins Gesicht zu sehen, als sie ihren Eltern die Neuigkeiten mitteilte. Er zwang sich, hoch aufgerichtet stehen zu bleiben und sich für die drohende Auseinandersetzung zu stählen. Er malte sich aus, wie sein Vater sich wohl gefühlt hatte, als er ihm und Kane hatte sagen müssen, dass er auf Daulton Hyatts Betreiben gefeuert worden war.

Auch das war nicht schön gewesen.

„Mom, Dad.“ EvaMaries Stimme war so leise, dass Mason sie fast nicht hören konnte. Dennoch verspürte er ein Prickeln im ganzen Körper. EvaMarie hatte eine einzigartige Stimme – sogar noch rauchiger als in ihrer Jugend. Heute klang sie fast wie Kathleen Turner. „Die Bank hat das Anwesen verkauft.“

Mrs. Hyatts Aufkeuchen ging in Daultons Flüchen unter. „Wie ist das möglich?“, fragte er. „Clive, erklär mir das!“

„Daddy, du weißt doch, wie es so weit gekommen ist …“

„Unfug! Clive …“

„Die Geschäftsführung hat uns den Fall aus der Hand genommen. Ich kann nichts mehr tun.“

„Natürlich kannst du etwas tun. Was für einen Sinn hat es schon, seinen Banker gut zu kennen, wenn er einem nicht helfen kann?“

„Daddy.“ Wenigstens klang EvaMarie tadelnd. „Clive hat sich mehr als einmal ein Bein ausgerissen, um uns zu helfen. Wir müssen uns mit der Situation abfinden.“

„Ich gehe nicht von hier weg!“ Ein Geräusch hallte wider, als würde jemand mit dem Stock auf den Holzfußboden aufstampfen, aber Mason konnte nichts sehen. „Und außerdem … Wer kann schon spontan so etwas Teures kaufen?“

Clive drehte sich zur Seite, sodass Daulton Mason sehen konnte. „Das hier ist Mason Harrington aus Tennessee. Er und sein Bruder haben heute Morgen den Kauf in die Wege geleitet.“

„Tennessee?“ Daulton kniff die Augen zusammen und musterte Mason, der spürte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte. „Warum kauft jemand aus Tennessee ein Anwesen in Kentucky?“

Mason nutzte den Adrenalinschub aus. „Ich freue mich darauf, meinen eigenen Rennstall aufzubauen, und die Hyatt-Farm eignet sich perfekt dazu.“

Mason sah, wie es Daulton langsam dämmerte, wer er war. Dann breitete sich rasender Zorn auf Hyatts Gesicht aus. Mason war stolz darauf, diese grandiose Explosion herbeigeführt zu haben.

„Ich kenne dich“, stieß Daulton zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und beugte sich vor, obwohl seine Frau ihm die zierliche Hand auf den Arm legte. „Du bist dieser Habenichts von einem Stallburschen, der meine Tochter befummelt hat.“

Ich habe sie nicht nur befummelt. Aber das sprach Mason nicht aus. Siehst du, Kane, ich beherrsche mich. „Ich bin kein Habenichts … sondern sehr reich.“ Es fühlte sich so gut an, das zu betonen. „Und Stallbursche bin ich auch nicht mehr.“

Durchdringend sah Daulton seine Tochter an. Sie wich zurück, als wollte sie sich verstecken. „Ich habe dir doch gesagt, dass keiner von den dreckigen Harringtons etwas in einem meiner Betten zu suchen hat! Das lasse ich nicht zu.“

„Ihre Betten brauche ich nicht“, versicherte Mason ihm. „Ich habe mir gerade ein sehr schönes gekauft. Ich nehme nur das zugehörige Zimmer.“

„Von mir bekommst du es nicht“, knurrte Daulton.

Diesmal antwortete Mason im selben Ton: „Bist du dir da so sicher?“

Daulton riss die Augen auf. Ihm schien klar zu werden, dass Mason kein Kind mehr war, das giftige Bemerkungen demütig über sich ergehen ließ. „Einer wie du kann diesen Stall doch gar nicht erfolgreich führen!“, brüllte er. „Binnen eines Jahres gibst du auf.“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber das ist meine Entscheidung“, sagte Mason befriedigt und grinste. „Nicht deine.“

Daulton lief rot an und machte Anstalten aufzustehen. Mason sah, dass er sich ungewöhnlich schwer auf die Stuhllehne stützte.

„Daulton“, flüsterte seine Frau warnend.

Aber der alte Mann war zu aufgeregt, um auf sie zu hören, wenn er überhaupt mitbekam, dass sie mit ihm sprach. Masons Hochgefühl, das Monster aus seinen schlimmsten Albträumen besiegt zu haben, schlug in Entsetzen um, als Daulton einen Schritt vorwärts machte … und zusammenbrach.

Jemand schrie auf, vielleicht EvaMaries Mutter. Alle rannten zu Daulton, bis auf Mason, der verwirrt stehen blieb.

Mit Clives Hilfe gelang es den Frauen, Daulton umzudrehen und ihm zu helfen, sich aufzusetzen. Mason sah, wie der Kopf des Mannes herabsackte.

Obwohl EvaMarie in Jogginghose und T-Shirt neben ihrem Vater kniete und die Haare zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt hatte, sah sie immer noch wie eine Prinzessin aus, als sie Mason einen Blick zuwarf. Ihr ruhiges, kultiviertes Auftreten machte sie undurchschaubar. „Entschuldigst du uns bitte für einen Moment?“, sagte sie leise. Sie flehte nicht. Ihr Blick verriet, dass sie von ihm erwartete, zu tun, was sie verlangte.

Er hatte ihren vergissmeinnichtblauen Augen noch nie widerstehen können. Es standen immer so viele unterdrückte Gefühle darin, die er ergründen wollte.

Dann nickte sie zur Flurtür hinüber. Dieses eine Mal gab er nicht seinem Drang nach, sich nichts sagen zu lassen.

Auf dem Rückweg in den Flur fragte er sich, ob er das Gefühl würde abschütteln können, dass sein Bruder recht hatte. Es lief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte … Überhaupt nicht.

EvaMarie zitterten die Hände, als sie endlich das Drama im Wohnzimmer hinter sich ließ, um sich in den Flur zu Mason zu wagen. Vom Regen in die Traufe. Ihr Körper fühlte sich an, als hätte sie eine Zeitreise hinter sich. Seit ihr Vater Mason angeschrien hatte, tobten die gleichen schrecklichen Gefühle in ihr wie damals bei dem Streit im Stall, als ihre Teenagerwelt zusammengebrochen war.

Ihr Leben lang war sie wie auf rohen Eiern gegangen, um ja nicht den Zorn ihres Vaters zu wecken. Als sie endlich einen Hauch von Rückgrat entwickelt hatte, war der wütende Mann, der er früher gewesen war, schon so gut wie verschwunden gewesen. Heute reagierte er nur noch in Stresssituationen so, aber es verlangte EvaMarie alles ab, nicht in ihre Kindheitsängste zurückzuverfallen.

Jetzt musste sie mit Mason reden und konnte vorher noch nicht einmal tief Luft holen und ihre unsichtbare Rüstung anlegen. Sie musste sich einfach zusammenreißen und durchhalten – wie mittlerweile fast ständig. Es kam ihr unwirklich vor, dass er hier war, im selben Haus wie sie, aber sein höhnischer Gesichtsausdruck war nur allzu real.

Sie hatte keine Zweifel daran, wie wenig er nach all den Jahren von ihr hielt. Es hätte ihr ein Trost sein sollen, dass er sie nicht vergessen hatte. Aber sie ahnte, dass alles nur noch schlimmer werden würde.

Vielleicht würde ein bisschen Diplomatie helfen.

„Herzlichen Glückwunsch, Mason“, sagte sie, während sie gemessenen Schritts auf ihn zuging und versuchte, seine breiten Schultern unter dem maßgeschneiderten marineblauen Jackett zu ignorieren. Früher hätte er so etwas nie getragen – nicht einmal zu Jeans und Cowboystiefeln. Einfach unwirklich.

Er hatte das Esszimmer betrachtet, aber jetzt drehte er sich zu ihr um und zog kühl eine Augenbraue hoch. Wie konnte er durch diese kleine Veränderung seiner Mimik so viel Arroganz ausdrücken? „Wozu?“

„Es geht dir doch offensichtlich sehr gut, wenn du es dir leisten kannst …“

„… mich nicht mehr von Leuten herumschubsen zu lassen, nur weil sie mehr Geld haben als ich?“

Autor

Dani Wade

Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...

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