Collection Baccara Band 331

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DIE NACHT MIT DEM MILLIARDÄR von LOVELACE, MERLINE
"Bist du die Mutter meines Babys?" Zuerst glaubt Julie, dass Alex Dalton scherzt. Aber keineswegs! Der Milliardär, mit dem sie damals eine heiße Nacht verbracht hat, ist auf der Suche nach der Wahrheit: notfalls mit Erpressung, Geld - oder Verführung …

SANFTE HÄNDE AUF NACKTER HAUT von DUARTE, JUDY
Verbotene Gefühle! Sich leidenschaftlich in einen Patienten zu verlieben, ist komplett unprofessionell, weiß Schwester Leah. Aber sie kann nicht anders. Javier Mendoza ist einfach ihr Traummann. Und gegen ihr Herzklopfen in seiner Nähe hilft nur eins …

WIE WEIT WILLST DU GEHEN? von ROSE, EMILIE
Ihre Blicke treffen sich - und plötzlich fällt Aubrey das Atmen schwer. Wie kann dieser Mann nur so unglaublich sexy lächeln? Doch als er sie anspricht, erfährt sie geschockt, wer Mr Unwiderstehlich ist: Liam Elliott, den sie auf Wunsch ihres Vaters ausspionieren soll!


  • Erscheinungstag 20.08.2013
  • Bandnummer 0331
  • ISBN / Artikelnummer 9783954466696
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Merline Lovelace, Judy Duarte, Emilie Rose

COLLECTION BACCARA BAND 331

MERLINE LOVELACE

Die Nacht mit dem Milliardär

Alex Dalton hat schon viele Frauen gehabt, doch jetzt braucht er nur eine: Julie Bartlett, mit der er die heißeste Nacht seines Lebens verbracht hat. Ist sie die Mutter des Babys, das vor seiner Tür gefunden wurde? Zwar verweigert Julie den DNA-Test, aber da kennt sie Alex schlecht: Der Milliardär wird sie schon dazu bekommen, ihm alles freiwillig zu geben …

JUDY DUARTE

Sanfte Hände auf nackter Haut

Mit dem Tornado, der Javier Mendoza schwer verletzt hat, ist auch sein Seelenheil verschwunden. Der einst so athletische Traummann muss ganz von vorn anfangen. Und nur die bildhübsche Schwester Leah kann ihm dabei helfen! Wenn sie ihn sanft berührt, ist es, als ob er wieder der gesunde Mann von früher ist. Der lachen kann – und lieben …

EMILIE ROSE

Wie weit willst du gehen?

Spionier ihn aus: So einfach war der Grund für Aubrey, sich mit Liam Elliott zu treffen. Aber dann wird alles kompliziert. Denn der Mann vom Konkurrenzunternehmen ist charismatisch, ultrasexy, unwiderstehlich – und küsst Aubrey heiß! Sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis in Manhattan ein Skandal losbricht …

1. KAPITEL

„Oh, oh“, murmelte der Mechaniker.

Julie Bartlett hob den Kopf. Sie war völlig verschwitzt, von oben bis unten mit Öl beschmiert und hatte keine Lust auf eine weitere Panne.

Die PA-36 Pawnee, an der sie gerade arbeiteten, war beinahe doppelt so alt wie sie selbst und hatte schon einiges mitgemacht, bevor Julies neue Partner sie aus dritter oder vierter Hand gekauft hatten. Auf keinen Fall würde Julie noch mal mit diesem Flugzeug fliegen, ehe sie nicht gemeinsam mit dem Mechaniker die neuen Zylinderkopfringe eingebaut hatte.

Chuck Whitestone war nicht nur der leitende, sondern der einzige Mechaniker bei Agro-Air. Er und Julies anderer Partner, Dusty Jones, waren seit Jahrzehnten in der Agrarfliegereibranche tätig. Sie hatten es geschafft, sich in den mageren Jahren, als viele Bauern in Oklahoma die Landwirtschaft aufgeben mussten, irgendwie durchzuschlagen. Mittlerweile befand sich die Getreideproduktion in den USA wieder im Aufschwung und die Geschäfte sollten eigentlich besser laufen.

„Sollten“, wohlgemerkt. Dusty und Chuck waren beide Ende sechzig und wollten sich zur Ruhe setzen. Sie brauchten angeblich nur eine kleine Finanzspritze und wollten, dass Julie in die Firma mit einstieg. In ein paar Jahren, wenn die Firma wieder profitabel wirtschaften würde, könne sie ihnen Agro-Air dann ganz abkaufen.

Julie kannte Dusty Jones schon, seit sie neun Jahre alt gewesen war. Er war ein hervorragender Pilot und konnte es trotz seines Alters noch mit jedem jungen Flieger aufnehmen. Damals hatte er die Weizenfelder ihrer Eltern besprüht und hatte sie mehrmals im Cockpit mitgenommen. Schon beim zweiten Flug durfte Julie den Steuerknüppel bedienen.

Dusty half ihr dabei, sich schon sehr früh für eine Pilotenlizenz zu qualifizieren. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie das Studium an der Oklahoma State University mit verschiedenen Jobs als Pilotin finanziert und wurde anschließend von einer kleinen regionalen Fluggesellschaft eingestellt.

Damals hatte sie vorgehabt, möglichst viele Flugstunden zu sammeln, um dann große Passagierflugzeuge fliegen zu können. Aber wegen der hohen Treibstoffpreise hatten viele Fluggesellschaften Routen gekürzt und Personal entlassen und sie hatte sich auf Frachtflugzeuge spezialisiert. Sie war dann in ganz Amerika herumgeflogen und würde das sicher jetzt auch noch tun, wenn Dusty sie nicht gebeten hätte, sich mit ihm und Chuck White­stone zusammenzutun.

Wie sich herausstellte, war die kleine Finanzspritze, die Dusty und Chuck brauchten, gar nicht so klein, aber Julie wollte nicht, dass die beiden die Firma aufgeben mussten. Also hatte sie ihren Job gekündigt und all ihr Erspartes in Agro-Air gesteckt.

Obwohl sie schon viel geflogen war, war die Agrarfliegerei doch etwas völlig anderes. Sie musste lernen, unter Hochspannungsleitungen hindurch und dicht über Baumwipfeln zu fliegen. Außerdem bestand Dusty darauf, dass sie in den ersten zwei Monaten auch alle sonstigen Arbeiten lernte, die in der Firma anfielen: Lastwagen fahren, Pflanzenschutzmittel mischen und das Flugzeug instand halten.

Während dieser anstrengenden Zeit hatte sie entdeckt, dass einer ihrer neuen Partner mindestens genauso oft ins Spielkasino ging, wie er ins Cockpit stieg. Für das Geld, das sie in Agro-Air gesteckt hatte, hätten sie neue Ausrüstung kaufen sollen, aber stattdessen zahlte Dusty davon seine Spielschulden ab.

Julie hoffte also sehr, dass Chuck nicht wieder ein Problem am Motor entdeckt hatte, denn sie wollten ja das fünfundvierzig Jahre alte Gerät möglichst bald wieder in Schuss bringen.

„Oh, oh, was?“

Chuck schob seinen Kautabak von einer Wange in die andere und spuckte etwas Schwarzes aus, bevor er ihr vielsagend über die Schulter blickte und antwortete: „Wir kriegen Besuch.“

Julie drehte sich um und versuchte zu erkennen, wen Chuck meinte. Die Luft flimmerte über der Straße, die zu Agro-Airs Wellblechhangar führte, und roter Staub wirbelte auf. Langsam näherte sich ein tiefergelegter Jaguar XFR und blieb vor dem Gebäude stehen.

„Scheiße!“

Ihr Magen krampfte sich zusammen. Es konnte nur einen Grund geben, warum hier mitten im Nirgendwo ein Siebzigtausenddollarsportwagen auftauchte. Chuck hatte offensichtlich denselben Gedanken. Nochmals spuckte er Kautabak aus und schüttelte dann den Kopf.

„Dusty hat es also wieder mal geschafft.“

Julie wischte sich das ölverschmierte Gesicht mit einem Lappen ab. Wegen der unerträglichen Hitze hatte sie ihre widerspenstigen langen Haare unter ihrer Baseballkappe hochgesteckt. Sie war völlig verschwitzt und überhaupt nicht in der Stimmung, sich mit einem von Agro-Airs Gläubigern zu streiten.

Es sei denn …

Der Mann, der kurz darauf aus dem silberfarbenen Jaguar stieg, sah allerdings ganz und gar nicht wie ein Gläubiger aus. Julie schob ihre Sonnenbrille auf die Nasenspitze hinunter.

Der Mann, der jetzt vor ihnen stand, hatte von der Sonne aufgehelltes blondes Haar und breite Schultern. Die Ärmel seines weißen Hemdes hatte er aufgerollt, was den Blick auf seine muskulösen Unterarme freigab. Die schmal geschnittene schwarze Hose, die er trug, konnten nur Männer mit einem flachen Bauch und schmalen Hüften tragen.

Diesem Mann stand die Hose unglaublich gut. Er sah sowieso aus, als wäre er einem Modemagazin entsprungen, und Julie konnte sich gut vorstellen, wie sich irgendein dürres Fotomodell mit Schmolllippen lasziv an ihn schmiegte. Julie genoss den Anblick, bis der Mann seine Sonnenbrille abnahm.

„Oh, mein Gott!“

Nun erkannte sie die schmalen Hüften und die breiten Schultern. Vor etwa einem Jahr war sie mit diesem Mann im Bett gewesen.

Eine völlig andere Art von Hitze überfiel sie plötzlich und breitete sich wie ein Feuer in ihr aus, als die Bilder aus ihrer Erinnerung an ihr vorbeirasten. Dieser schöne schlanke Mann hatte verschwitzt auf dem Bett gelegen, während sie rittlings auf seinen Hüften gesessen hatte. Überall hatte er sie berührt und ihre Brüste und Hüften gestreichelt, und sie hatte jeden Zentimeter seines umwerfenden Körpers mit ihren Händen, ihren Lippen und ihrer Zunge erkundet.

Wie hieß er doch gleich? Andy? Aaron? Sie konnte sich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern und diese Erkenntnis traf sie wie ein Schwall kaltes Wasser. Normalerweise ging sie nicht mit wildfremden Männern ins Bett! Nie! Nur dieses eine Mal, und das würde ihr nie wieder passieren. Sie war eigentlich viel zu vorsichtig und wählerisch für One-Night-Stands.

Eigentlich.

Wenn er damals nicht auf diesem kleinen Flughafen außerhalb von Nuevo Laredo in einer schicken, zweimotorigen Gulfstream-Maschine gelandet wäre … Wenn sie sich nicht zufällig in dem kleinen Abfertigungsschuppen begegnet wären … Wenn er sie nicht auf ein Bier eingeladen hätte …

Ach herrje! Diese wilde Nacht war völliger Irrsinn gewesen. Und dann die bangen Stunden des Wartens nach ihrem verrückten Sexmarathon. Sie hatten ein Kondom benutzt, mehrere sogar, aber ihre Periode war im darauffolgenden Monat beinahe zehn Tage zu spät gekommen.

Später war ihr dann klar geworden, dass das vermutlich an den unregelmäßigen Arbeitszeiten und dem Schlafmangel gelegen hatte, aber die zehn Tage zwischen Hoffen und Bangen waren ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen. Sie dachte daran, wie furchtbar es gewesen war, als sie in eine Drogerie gegangen war, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen.

Schnell schob sie die Sonnenbrille wieder vor ihre Augen, sie wollte unbedingt gefasst wirken, wenn sie dieses Gespenst aus ihrer Vergangenheit begrüßte.

Oder auch nicht begrüßte. Er blickte sie nämlich nur kurz abschätzig an und ging dann zum Motorbock, um dort mit dem Chefmechaniker zu reden.

„Ich suche Julie Bartlett. Ist sie hier?“

Chuck war, selbst wenn er besonders gut gelaunt war, nicht besonders herzlich. Er betrachtete den Fremden von oben bis unten.

„Könnte schon sein“, sagte er mit schleppender Stimme und schob den Kautabak träge von einer Wange in die andere. „Wer will das wissen?“

„Ich heiße Alex Dalton.“

Aha! Alex. Das war also sein Name.

„Sind Sie in der Spielbankenbranche tätig?“, fragte Chuck lakonisch.

Dalton schien überrascht zu sein und schüttelte den Kopf. „Nein, in der Erdölbranche. Ist Julie Bartlett jetzt hier oder nicht?“

Chuck schwieg.

Julie wischte sich noch mal die Hände an dem Lappen ab und atmete tief durch.

„Ja, das bin ich.“

Sie konnte verstehen, dass er sie in dem Overall und mit der Baseballkappe nicht erkannt hatte. Aber auch der kritische Blick, den er ihr jetzt zuwarf, war nicht besonders freundlich. War das Überraschung, die sie da in den stechenden blauen Augen zu sehen glaubte? Oder Fassungslosigkeit darüber, dass er sich jemals mit so einer ölverschmierten, schlampigen Person eingelassen hatte?

Was immer es auch war, es tat weh. Deshalb verhielt sich Julie jetzt äußerst kühl. „Was kann ich für dich tun, Dalton?“

„Ich möchte mit dir reden.“ Er blickte kurz zu Chuck hinüber. „Unter vier Augen.“

„Okay, gehen wir rein. Das Büro ist wenigstens klimatisiert.“

Der Begriff „Büro“ war etwas übertrieben, denn es war nur ein kleiner mit Sperrholzbrettern abgetrennter Bereich im Wellblechhangar. Aber er verfügte über eine Klimaanlage, die der Hitze wacker trotzte. Die angenehm kühle Luft schlug ihnen entgegen, als Julie die Tür öffnete.

Dalton sah sich in dem kleinen Raum um. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie das Büro auf ihn wirken musste. Ihr war es nicht anders ergangen, als sie es vor zwei Monaten zum ersten Mal betreten hatte.

Überall verstreut lagen Wetterberichte, Sprühpläne, Rechnungen für Treibstoff und Chemikalien. Den altmodischen Computer, den Dusty irgendwann mal gekauft hatte, konnte man unter dem Papierberg fast nicht sehen. Eine wackelige Lampe stand auf dem Schreibtisch. Ein nicht minder wackeliger Stuhl stand daneben, ein weiterer in der Ecke neben dem verbeulten Aktenschrank.

Dustys einäugige fette Katze Belinda lag faul auf dem Stuhl in der Ecke. Sie öffnete kurz ein Auge zu einem goldenen Schlitz, und als sie erkannte, dass die Besucher ihr nichts zu fressen mitgebracht hatten, drehte sie sich gelangweilt auf den Rücken.

Gerade wollte Julie das Tier vom Stuhl vertreiben, als ihr Blick auf Daltons weißes Hemd und seine schwarze Hose fiel. Wenn er sich da hinsetzen würde, wäre er voll mit Katzenhaaren. Dalton schien denselben Gedanken zu haben und entschied sich, doch lieber stehen zu bleiben.

Kaum zu glauben, dass dieser kühle elegante Managertyp derselbe Mann war wie der übermütige Pilot, mit dem sie ein paar intime Stunden verbracht hatte. Natürlich hatte er sich damals nicht so gleichgültig und zurückhaltend verhalten. Sie waren beide verrückt nacheinander gewesen und übereinander hergefallen. Julie spürte, wie sie rot wurde. Mit aller Kraft verbannte sie die Gedanken an seine muskulösen Oberschenkel und seine breiten Schultern aus ihrem Kopf und lehnte sich gegen die Schreibtischplatte.

„Hier sind wir ungestört. Worüber möchtest du mit mir sprechen?“

„Erinnerst du dich an mich?“, fragte er zurück.

Wie hätte sie ihn vergessen können? Aber sie musste ihr Gesicht wahren.

„Im ersten Moment habe ich dich nicht erkannt, aber dann ist es mir wieder eingefallen. Nuevo Laredo, vor ungefähr einem Jahr.“

Sein Blick wanderte von ihrem Gesicht zu ihrem ausgebeulten Overall, wobei er es dieses Mal besser schaffte, seine Gedanken zu verbergen. Aber Julie konnte sich schon vorstellen, was er dachte.

„Aber du hattest anscheinend Schwierigkeiten, mich wiederzuerkennen, oder?“ Sie nahm die Baseballkappe und die Sonnenbrille ab. „So besser?“

Erst jetzt, als er ihr kastanienbraunes Haar und ihre verschiedenfarbigen Augen sah, schien er sie wirklich zu erkennen. Er hatte sie damals wegen ihrer Augen geneckt, da eins grün war und das andere haselnussbraun. Danach hatte er zuerst ihre Augenlider geküsst und hatte dann ganz langsam mit seinen Lippen zuerst ihren Mund erkundet und war dann weiter zu ihrem Kinn, ihren Hals hinunter und schließlich zu ihren Brustwarzen gewandert. Fast schon quälend lange hatte er sie mit seiner Zunge und seinen Zähnen gestreichelt, gereizt, liebkost und Julies Lust ins Unermessliche gesteigert.

Allein die Erinnerung an dieses erotische Erlebnis erregte sie so, dass ihre Brustspitzen hart wurden und zu kribbeln begannen.

„Ja“, gab er zu, „aber jetzt weiß ich wieder, wer du bist.“

Wow! Das war er, der Mann von damals. Sein zaghaftes sexy Lächeln zauberte winzige Lachfältchen auf die gebräunte Haut um seine Augen und verwandelte ihn von einem sehr gut aussehenden Mann in einen umwerfend schönen griechischen Gott.

Das hatte damals schon gereicht. Dieses Wahnsinnslächeln. Danach hatten sie zusammen zu Abend gegessen, ein paar Bier getrunken, sich ein paar Geschichten erzählt und dann zwei – halt, drei! – explosionsartige Orgasmen erlebt.

Leider waren ihr alle anderen Männer, die sie seitdem kennengelernt hatte, wegen dieses aufregenden Abends langweilig oder uninteressant vorgekommen, sodass sie bei Dates immer gleich nach dem Abendessen heimgegangen war. Sie hatte in den letzten paar Monaten allerdings wenig Zeit gehabt, sich mit Männern zu treffen. Aber vielleicht würde sich das ja bald ändern.

„Du bist nicht leicht zu finden.“

Er hatte sie gesucht? Vielleicht würde es sich ja sogar ganz schnell ändern.

Es sei denn …

War er etwa den ganzen Weg hierher rausgefahren, weil er Spaß mit ihr haben wollte? Weil er noch einmal so ein schnelles Abenteuer erleben wollte? Diese Möglichkeit gefiel Julie gar nicht und der Gedanke hinterließ einen bitteren Beigeschmack. Das hatte sie jetzt davon, dass sie sich damals von seinem schönen Gesicht und seinem herausfordernden Lächeln hatte einwickeln lassen.

Aber wenn er so weit gefahren war, wollte er ja vielleicht doch mehr von ihr als nur seinen Spaß. Wenn das der Fall war, würden sie es dieses Mal anders angehen, nahm sich Julie entschieden vor. Langsamer. Sie würden zuerst mehr Zeit zusammen verbringen, ehe sie ins Bett steigen würden. Trotz ihres felsenfesten Entschlusses lief ihr bei dem Gedanken, wieder mit ihm zu schlafen, ein wohliger Schauer der Vorfreude über den Rücken.

„Du warst weg, als ich aufgewacht bin“, unterbrach er ihre Gedanken.

„Ich musste schon um fünf Uhr wieder am Flugplatz sein.“

Sie hatte damals auch Schuldgefühle gehabt, weil sie sich zu der Zeit mit einem anderen Mann traf. Es war nichts Ernstes gewesen, aber trotzdem hatten sie sich regelmäßig verabredet und ein Gefühl der Untreue hatte irgendwie an ihr genagt. Kurz danach hatte sie sich von Todd getrennt.

Die Tatsache, dass Todd – genau wie die anderen zwei oder drei Männer, mit denen Julie sich danach getroffen hatte – einfach nicht mit dem einen mithalten konnte, hatte bei der Trennung sicher eine Rolle gespielt.

Okay, sie konnte es ja genauso gut zugeben. Sie hatte nach ihrer kurzen Begegnung ab und zu daran gedacht, Dalton ausfindig zu machen. Nachdem sie mit Todd Schluss gemacht hatte, hatte sie sogar die Logbücher am Flughafen in Nuevo Laredo durchgesehen, um herauszufinden, wo er wohnte. Aber dann hatte sie einen Job in Chile angenommen, wo sie Vorräte zu Minen transpor­tieren musste. Das war eine aufreibende Tätigkeit gewesen, und seit sie in die Staaten zurückgekehrt war, hatte sie viel gearbeitet und sich immer wieder große Sorgen um Dusty Jones gemacht.

Es war einfach keine Zeit geblieben, um an irgendetwas anderes zu denken. Gott sei Dank war im Moment weniger zu tun, sodass sie jetzt wenigstens ein paar Wochen Zeit hatten, um die Pawnee wieder auf Vordermann zu bringen.

Beim Gedanken an den Motor, den es zu reparieren galt, beschloss Julie, direkt Klartext zu reden. „Ich fühle mich geschmeichelt, dass du hierhergekommen bist, um mich zu finden, Dalton, aber ich bin nicht mehr derselbe Mensch wie damals. Es ist seitdem viel passiert in meinem Leben, und ich habe weder die Zeit noch die Energie für ein Techtelmechtel.“

Als seine Augenbrauen sich zusammenzogen, fügte sie schnell hinzu: „Das soll nicht heißen, dass es beim letzten Mal keinen Spaß gemacht hat.“

„Ich bin nicht in der Hoffnung hergekommen, dort weiterzumachen, wo wir aufgehört haben.“

„Weshalb hast du dann den weiten Weg auf dich genommen?“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, kam es ihr in den Sinn, dass er ja vielleicht mit ihr über etwas Geschäftliches reden wollte. Sie hatten zwar nicht darüber gesprochen, aber das Flugzeug, das er beim letzten Mal geflogen hatte, und die teure Uhr hatten darauf schließen lassen, dass er vermutlich mit den Daltons verwandt war, denen ein großes Produktionsunternehmen gehörte, das seinen Hauptsitz in Oklahoma hatte.

Das hatte er gerade vor ein paar Minuten Chuck gegenüber bestätigt. Soweit Julie wusste, hatte Dalton International nichts mit Agrarfliegerei zu tun, aber man wusste ja nie. Die Branche könnte eventuell schon bald sehr lukrativ werden.

Es sei denn, man hatte sich in eine Firma eingekauft, deren Seniorpartner spielsüchtig war.

„Ich bin hergekommen, um herauszufinden, ob du in der Nacht damals schwanger geworden bist.“

„Was?“

„Du hast mich schon verstanden.“ Sein Gesichtsausdruck war jetzt alles andere als freundlich. „Warst du schwanger, hast dann ein Mädchen zur Welt gebracht und es vor zwei Wochen bei meiner Mutter vor die Haustür gelegt?“

Der Mund blieb ihr offen stehen, und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Alex an. „Soll das … Das ist ein Witz, oder?“

„Nein“, antwortete er lediglich.

Dieser Mann hatte in den letzten zehn Minuten die unterschiedlichsten Gefühle in ihr wachgerufen – die meiste Zeit war sie überrascht gewesen, aber jetzt wurde sie wütend. Und sie hatte gedacht … Hatte irgendwie gehofft …

Idiot!

Sie waren nur eine Nacht zusammen gewesen, ohne überhaupt richtig Zeit gehabt zu haben, sich richtig kennenzulernen. Aber dass er es jetzt wagte, sie für die Art von Mutter zu halten, die ihr eigenes Kind aussetzen würde, brachte sie zur Weißglut. Sie ging zur Tür und riss diese auf.

„Jetzt hör mir mal gut zu. Wenn ich ein Baby hätte, würde ich es ganz sicher nicht vor die Haustür deiner Mutter oder sonst irgendwo hinlegen. Jetzt schlage ich vor, dass du ganz schnell wieder in deinen glänzenden Jaguar steigst und dich hier nie wieder blicken lässt.“

Er rührte sich nicht vom Fleck.

„Du hast vor acht Monaten einen Job in Chile angenommen und bist erst Ende Mai zurückgekommen. Der Privatdetektiv, den ich engagiert habe, konnte nicht herausfinden, wo du dich während der ganzen Zeit aufgehalten hast.“

Kein Wunder. Julie musste selbst in ihrem Logbuch nachsehen, wenn sie wissen wollte, wo sie während dieser hektischen Monate überall gewesen war. Es gefiel ihr aber ganz und gar nicht, dass Dalton einen Spürhund auf ihre Fährte gesetzt hatte.

„Wo ich war und wann ich zurückgekommen bin, geht dich, verdammt noch mal, nichts, aber auch gar nichts an. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“

„Ich glaube, dass ich der Vater des Babys bin“, fuhr er sie an. „Die DNA-Tests zeigen eine siebzigprozentige Wahrscheinlichkeit an.“

Julie horchte auf. „Ich dachte, diese Tests seien zu neunundneunzig Komma neun Prozent sicher.“

„Das sind sie auch in neunundneunzig Komma neun Prozent aller Fälle. Aber der Spielraum für fehlerhafte Ergebnisse ist größer, wenn der potenzielle Vater einen eineiigen Zwillingsbruder hat.“

„Du hast einen Zwillingsbruder?“

„Ja.“

Gütiger Himmel! Da draußen gab es zwei von denen, und sie rannten beide frei herum? Oder vielleicht auch nicht so frei? Damals hatte Dalton keinen Ehering getragen und jetzt auch nicht. Aber ein Ringfinger ohne Ring hieß gar nichts.

„Das ist dein Problem und nicht meins“, antwortete Julie mit eiskalter Stimme. „Du solltest jetzt lieber gehen. Ich muss den Motor da draußen reparieren.“

Sie öffnete die Tür noch ein Stück weiter und forderte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung auf zu verschwinden.

Wieder bewegte er sich keinen Schritt vorwärts.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, den Vater des Babys zweifelsfrei festzustellen.“

„Und die wäre?“

„Man muss die DNA des Vaters mit der DNA der Mutter abgleichen.“

„Ich wiederhole noch einmal: Das ist ganz allein dein Problem.“ Ein weiterer Gedanke kam ihr in den Sinn. „Außerdem kann es ja wohl kaum sein, dass ich die einzige Frau bin, mit der du dich letztes Jahr näher eingelassen hast. Hast du bei den anderen auch schon mal nachgefragt?“

„Ja, das habe ich. Und du bist die Letzte auf meiner Liste.“

Na ja, sie hatte es ja wissen wollen. Er hatte zuerst alle anderen Frauen abgeklappert, bis er schließlich ganz unten bei ihr angelangt war.

„Weißt du, was du mit deiner Liste machen kannst?“

Daltons Gesicht verfärbte sich dunkelrot und er war jetzt genauso wütend wie sie. „Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich geh nicht mit jeder Frau ins Bett, die ich treffe.“

Und Julie ließ sich normalerweise auch nicht von fremden Männern abschleppen. Aber warum sollte sie das zugeben? Wenn Mister Superreich-Dalton sie für ein Flittchen hielt, sollte er doch!

Bebend vor Wut, riss sie die Tür ganz auf. „Verschwinde!“

„Alles, was ich von dir will, ist eine Haar- oder Speichelprobe.“

„Raus!“

Er baute sich jetzt direkt vor ihr auf, und Julie streckte das Kinn in die Höhe, sie würde sich schon behaupten.

War dieser Mann immer schon so groß gewesen? Oder so bedrohlich? Sie hatte ihn kleiner und liebenswerter in Erinnerung. Und dabei war Julie auch nicht gerade klein. Mit ihren eins dreiundsiebzig hatte sie sich schon oft in enge Cockpits zwängen müssen. Aber Dalton war noch gute zehn Zentimeter größer als sie und im Moment wirkte er sehr einschüchternd.

Er stand so dicht vor ihr, dass sie die goldenen Spitzen seiner Wimpern und die verblasste Narbe auf seinem Kinn erkennen konnte. Seine durchdringenden blauen Augen blickten entschlossen auf sie herab.

„Hör mal“, er bemühte sich ganz offensichtlich, seine Wut im Zaum zu halten, „hier geht es nicht nur um dich und mich. Wir müssen allein schon aus gesundheitlichen Gründen wissen, wer die Eltern des Babys sind.“

Oje. Das hatte sie gar nicht bedacht. Natürlich würden sie wissen wollen, ob es ernsthafte Krankheiten in der Familie des Babys gab.

„Wir bezahlen dich auch dafür.“

Julie hatte schon nachgeben wollen, aber dieser Satz ließ ihre Wut wieder aufflammen.

„Wie bitte?“

„Ich gebe dir jetzt und hier tausend Dollar in bar, wenn du mir eine DNA-Probe gibst.“

Julie schnappte nach Luft. Jetzt dachte er also auch noch, dass sie sich bestechen ließ, um zu beweisen, dass sie die Wahrheit sagte. Wenn sie jetzt einen Hammer in der Hand gehalten hätte, hätte sie ihn Dalton mit Sicherheit über den Schädel gezogen.

„Raus! … Verschwinde!“

Seine Augen blickten sie eiskalt an. „Das wird ein Nachspiel haben.“

„Was willst du denn tun?“, fragte sie ihn spöttisch. „Deinen Privatdetektiv beauftragen, mir heimlich eine Tasse zu stehlen, damit du eine Speichelprobe bekommst?“

„Es gibt viele Möglichkeiten.“

Er ließ seinen Blick langsam und bedächtig über das Durcheinander im Büro schweifen. Dann wandte er sich wieder ihr zu.

„Das Angebot steht für die nächsten vierundzwanzig Stunden. Denk drüber nach.“

Wie gern hätte sie ihm jetzt ihr Knie in die Weichteile gerammt. Stattdessen schlug sie mit voller Kraft die Tür hinter ihm zu.

2. KAPITEL

„Tausend Dollar!“

Dusty Jones’ faltiges Gesicht leuchtete freudig auf, als Julie ihm erzählte, was passiert war. Er war nicht da gewesen, als Alex sie aufgesucht hatte. Dusty war ein kleiner Mann mit O-Beinen und borstigen grauen Haaren, die unter der Krempe seines Strohhuts in alle Himmelsrichtungen abstanden. Er schlug sich mit beiden Händen auf die Knie und brüllte vor Freude.

„Juhu! Tausend Dollar nur für ein Haar oder ein bisschen Spucke. Das reicht fast für die Chemikalien, die ich letzte Woche gekauft habe.“

„Du hast eine neue Lieferung bestellt?“

Julie ließ den Stuhl, mit dem sie sich an die Wand gelehnt hatte, krachend nach vorn kippen, woraufhin Belinda, die es sich auf ihrem Schoß gemütlich gemacht hatte, ein wütendes Fauchen ausstieß und ihre Krallen in Julies Oberschenkel bohrte.

„Au!“ Julie sah Belinda wütend an und befreite sich von den Katzenklauen. „Chuck, kannst du unseren Partner bitte daran erinnern, dass wir die letzte Chemikalienlieferung noch nicht bezahlt haben?“

Es war zum Haareraufen! Wenn Julie diese beiden alten Knaben nicht so gern gehabt hätte, wäre sie schon lang wieder abgehauen. Krampfhaft bemüht, ihren Zorn unter Kontrolle zu halten, blitzte sie ihren Geschäftspartner aus zusammengekniffenen Augen an.

„Du hast es versprochen!“

„Weiß ich doch …“ Dusty fuhr sich mit seiner rauen Hand über den Nacken. „Aber jetzt ist bald Winterweizenanbauzeit. Wir werden kein Geld verdienen, wenn wir unsere Kunden nicht bedienen. Also gib diesem Dalton-Kerl ein bisschen Spucke und wir sind aus dem Schneider.“

„Hast du mich nicht gehört? Der Mann denkt, ich hätte ein Baby vor seine Haustür gelegt.“

„Du hast doch gesagt, vor die Haustür seiner Mutter.“

„Seine eigene oder die von seiner Mutter. Was macht das schon für einen Unterschied?“

„Dann hast du Delilah Dalton noch nicht kennengelernt.“

„Und du etwa schon?“

„Ja. Es war vor dreißig oder vierzig Jahren. Sie und ihr Mann waren gerade ins Ölgeschäft eingestiegen. Er war ein echtes Allround-Talent. Und Delilah …“ Dusty schüttelte den Kopf. „Sie war eine tolle Frau und ist es vermutlich immer noch. Nur leider stockkonservativ.“

„Ich werde ihm keine DNA-Probe geben, ich will nichts mit ihm oder seiner Mutter zu tun haben.“

„Hey, mein Fräulein! Wir sprechen von tausend Dollar für einmal kurz spucken.“

„Nein, ich mach es nicht.“

Er stieß einen langen Seufzer aus, als sei sie es gewesen, die die Gewinne der letzten Saison verspielt hatte, und nicht er. „Okay, ich verstehe ja, was du meinst, aber …“

„Nein, Dusty.“

Er seufzte erneut auf. „Aber wenn die Daltons wirklich so sehr darauf brennen, die Mutter des Babys zu finden, dann werden sie nicht lockerlassen und auch ihre Anwälte einschalten.“

„Anwälte?“

Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie hatte schon genug am Hals mit der dringend notwendigen Reparatur der Pawnee und einem Partner, der alles in Spielbanken verzockte. Würde sie sich jetzt etwa auch noch um eine Horde Anwälte Sorgen machen müssen, die ihr das Leben schwer machen würden?

„Also gut, ich melde mich morgen bei Dalton, wenn ich mich etwas beruhigt habe, und sage ihm noch einmal klar und deutlich, dass ich nicht die Mutter seines Kindes bin. Aber ich werde kein Geld von ihm nehmen, Dusty.“

„Ich sag ja bloß, dass Dalton bestimmt kein Typ ist, der lange auf Antworten wartet.“

Auf der Rückfahrt nach Oklahoma starrte Alex verbissen durch die Windschutzscheibe. Julie Marie Bartlett hatte nicht die Spur einer Ahnung, mit wem sie es hier zu tun hatte.

Oh, Mann! Beinahe hatte er ihr wunderschönes kastanienbraunes Haar vergessen, das ihm damals im Abfertigungsschuppen in Nuevo Laredo als Erstes aufgefallen war. Und die interessanten Augen. Ganz zu schweigen von ihren vollen Lippen, ihren straffen Brüsten und den schlanken, aber wohlgerundeten Hüften.

In Wahrheit hatte er bis vor zwei Wochen überhaupt nicht mehr an diese verführerische Frau gedacht. Seine Mutter hatte damals bei ihm angerufen und ihn sofort zu sich in die Villa nach Oklahoma City bestellt. Ihn und seinen Zwillingsbruder.

Sie war ihnen schon an der Tür entgegengekommen – mit einem Baby im Arm. Alex und sein Bruder waren schockiert gewesen, als sie ihnen erzählt hatte, jemand habe den Säugling vor ihre Tür gelegt, zusammen mit einem Zettel, auf dem stand, dass das sechs Monate alte Kind Delilah Daltons Enkelkind sei.

Nachdem sich Alex und Blake von dem Schock erholt hatten, hatten sie die Echtheit des beigefügten Zettels angezweifelt. Sie hatten guten Grund dazu, denn in den letzten fünf Jahren hatte ihre Mutter ihnen beiden ziemlich Druck gemacht, doch endlich zu heiraten. Dabei war es ihr völlig egal, welcher von ihren beiden Söhnen welche der zahlreichen Kandidatinnen, die sie ihnen vorgestellt hatte, heiraten würde. Sie wollte sie einfach nur versorgt und glücklich wissen. Und sie sollten natürlich Enkelkinder produzieren, möglichst viele. Zunächst hatten Alex und Blake das Baby also für einen weiteren skrupellosen Plan ihrer Mutter gehalten, bis sie ihnen von dem DNA-Test erzählt hatte.

Alex starrte weiterhin geradeaus, doch in seinem Kopf spielte sich wieder einmal die unwirkliche Szene im Wohnzimmer ihrer Mutter ab. Entweder er oder sein Bruder hatten tatsächlich ein Kind gezeugt.

Er hatte das Baby im Arm gehalten, als seine Mutter dies bekannt gegeben hatte, und der Schock steckte ihm immer noch in den Knochen. Er hatte die kleine blauäugige, rotwangige Molly sofort ins Herz geschlossen, als sie ihm ein zahnloses Lächeln geschenkt hatte. Dann hatte sie vor Freude gegluckst, und Alex hätte sie in diesem Moment sofort als sein Kind anerkannt, hätte Blake ihn nicht an die dreißigprozentige Unsicherheit im DNA-Ergebnis erinnert, und Delilah hatte darauf bestanden, dass sie die Mutter finden mussten.

Alex und sein Bruder hatten deshalb die letzten zwei Wochen damit verbracht, mit den Frauen Kontakt aufzunehmen, mit denen sie Anfang letzten Jahres zusammen gewesen waren. Blakes Liste war deutlich kürzer gewesen als die seines Bruders. Alex war bei Dalton International Bereichsleiter für die Produktion und in dieser Funktion wesentlich mehr unterwegs als Blake, der als Bereichsleiter für die finanzielle Planung zuständig war.

Aber selbst Alex’ Liste war nicht lang gewesen. Er war während der Zeit sechs Monate lang immer wieder mit einer Rechtsanwältin zusammen gewesen, hatte ein paar Nächte mit einer geschiedenen Frau verbracht, die seine Mutter ihm vorgestellt hatte, und war dann noch beim Wohltätigkeitsball des Country-Klubs mit der heißen Tochter des Senators im Bett gelandet. Und mit Julie Bartlett.

Die ersten drei hatten auf seine Anfrage erstaunt und auch belustigt reagiert. Die Letzte allerdings …

Es musste einfach Bartlett sein. Sie war im letzten Jahr die meiste Zeit weg gewesen. Der Privatdetektiv, den Alex damit beauftragt hatte, herauszufinden, was sie getrieben hatte, war zwar bisher nicht weit gekommen, würde aber sicher bald Ergebnisse liefern.

Alex brauchte eigentlich keine weitere Bestätigung, denn aus welchem Grund hätte sich Julie Bartlett sonst weigern sollen, eine DNA-Probe abzugeben? Ganz sicher hatte sie das Baby zur Welt gebracht und dann vor der Haustür seiner Mutter ausgesetzt.

Blake hielt Alex’ Einschätzung für richtig. Bis zu einem gewissen Punkt. Alex hatte seinen Bruder in dessen Büro aufgesucht. Eine Seite des Raumes war von der Decke bis zum Fußboden verglast, und man hatte eine tolle Aussicht auf das rege Treiben in der Innenstadt von Oklahoma City mit ihrem großen Baseballstadion, ihren zahlreichen Restaurants und dem erst kürzlich umgeleiteten und von Bäumen gesäumten Fluss. Viele Touristenboote waren unterwegs zum Skulpturenpark. Aber weder Blake noch Alex interessierten sich auch nur im Geringsten für den schönen Ausblick.

„Es ist schon ein wenig merkwürdig, dass sie keine DNA-Probe abgeben will“, stimmte Blake seinem Bruder zu, „aber das ist noch lange kein Beweis dafür, dass sie die Mutter ist.“

„Und was machen wir jetzt? Können wir sie dazu zwingen, eine Probe abzugeben?“ Verärgert lief Alex im Raum auf und ab.

„Das ist nicht so einfach. Wir bräuchten Krankenhausunterlagen, Beweise dafür, dass sie schwanger war, Zeugen, irgendwelche eindeutigen Indizien, die einen Antrag vor Gericht rechtfertigen könnten.“

Alex hatte sich das schon gedacht. Blake, der Jura studiert hatte, untersuchte die Dinge immer erst ganz genau, bevor er etwas unternahm. So war er schon als Kind gewesen. Er hatte problematische Situationen immer erst einmal genau abgeschätzt, während Alex sich kopfüber hineingestürzt hatte. Aber dennoch hatte Blake seinem Zwillingsbruder immer sofort geholfen, wenn dieser sich in Schwierigkeiten gebracht hatte. Auch jetzt ist es wieder einmal so, dachte Alex grimmig.

„Ich hätte sie einfach zum Essen einladen sollen, dann hätte ich mir ihre Gabel oder ihre Serviette schnappen können, und der Fall wäre erledigt gewesen.“

„Das hättest du tun können“, antwortete Blake ruhig, „aber vor Gericht hätte uns das gar nichts genützt. Um vor Gericht bestehen zu können, muss die Probe unter bestimmten Bedingungen abgegeben werden.“

„Aber wenigstens wüssten wir dann Bescheid.“

„Na ja, vermutlich, obwohl da auch immer wieder Fehler auftreten.“

Alex sah seinen Bruder erstaunt an. Jemand, der die beiden nicht so gut kannte, hätte sie vermutlich nicht auseinanderhalten können. Beide waren eins fünfundachtzig groß, hatten blaue Augen und waren von gleicher Statur. Aber es gab auch Unterschiede. Blakes Haar war etwas dunkler und nach links gekämmt und Alex hatte eine Narbe am Kinn, die er sich als Kind zugezogen hatte, als er gegen einen Zaun gerannt war.

Wie so viele Zwillinge konnten sie meistens erraten, was der andere dachte, und was Blake da andeutete, gefiel Alex ganz und gar nicht.

„Willst du damit sagen, dass Molly vielleicht gar nicht unser Kind ist?“

Er hatte zwei Wochen Zeit gehabt, sich an den Gedanken zu gewöhnen, Vater zu sein, oder zumindest Onkel. Und die Vorstellung, dass das eventuell doch nicht so sein sollte, löste in ihm eine merkwürdige Leere aus.

„Ich finde, es würde nichts schaden, noch einen Test zu machen. Besonders hinsichtlich der Tatsache, dass es nicht wir waren, die den ersten Test in die Wege geleitet haben.“

„Du hast recht.“ Alex stieß einen Seufzer aus. „Ich würde unserer lieben Mutter sogar zutrauen, dass sie Haare von uns als Babys eingeschickt hat anstatt Mollys.“

Blake musste lachen. „Mit wie vielen Frauen hat sie versucht, dich in den letzten sechs Monaten zusammenzubringen?“

„Acht. Und dich?“

„Fünf.“

Alex wollte Mollys Herkunft jetzt eindeutig klären. „Also, wir machen zuerst noch einen Test, um sicherzugehen, dass einer von uns beiden Mollys Vater ist. Dann überreden wir Miss Bartlett dazu, eine DNA-Probe abzugeben. Wenn sie nicht Mollys Mutter sein sollte, dann …“

Er wurde vom Summen der Sprechanlage unterbrochen. „Ich habe deiner Sekretärin doch gesagt, sie soll uns nicht stören“, fuhr er Blake entrüstet an.

Sosehr Alex seinen Bruder auch liebte, manchmal hätte er ihn am liebsten richtig durchgeschüttelt, denn das hier war sehr wichtig für beide.

„Sag ihr doch einfach … Oje.“ Alex konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken.

Die Tür des Büros flog auf, und ihre Mutter kam herein. Ihre schwungvollen Auftritte hatten immer etwas Extravagantes und ließen die Gespräche im Raum meistens zunächst einmal verstummen. Heute trug sie ihr schwarzes Haar, das nur von ein paar wenigen grauen Strähnen durchzogen war und ihr bis zur Taille reichte, offen, und an ihren Fingern steckten wie gewöhnlich mehrere diamantenbesetzte Ringe.

Bekleidet war sie mit einem mit grellen pinken Geranien bedruckten Tunikakleid über schwarzen Leggings. Das Babytragetuch, in dem Molly lag, war aus demselben Stoff.

„Und, wie ist es gelaufen mit dieser Bartlett?“, wollte Delilah Dalton sofort wissen.

Statt zu antworten, fragte Alex: „Wo hast du denn dieses Outfit her?“

„Hab’s im Internet bestellt. Vielleicht bestell ich noch ein paar Stirnbänder und Strumpfhosen im Leopardenmuster für Molly und mich.“

Alex und Blake warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Sie kannten ihre Mutter, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann steigerte sie sich ganz hinein. Wenn sie der Meinung war, dass Molly ihre Enkelin war …

Aber den Zwillingsbrüdern ging es seit zwei Wochen ja auch nicht anders. Selbst wenn die noch folgenden Tests anders ausfallen würden, sie hatten das Baby beide ins Herz geschlossen.

Blake, der jetzt neben seiner Mutter stand, sah lächelnd auf die schlafende Molly hinunter, und Delilah konnte ihre Freude kaum verbergen, als sie stolz von einem Sohn zum anderen blickte.

„Also erzähl, was hat diese Bartlett gesagt?“

„Sie heißt Julie“, erwiderte Alex.

„Ist doch völlig egal. Hat sie zugegeben, dass sie Mollys Mutter ist?“

„Nein.“

„Na, dann wird sie bald die Wahrheit herausfinden. Wann gibt sie die DNA-Probe ab?“

„Gar nicht.“

„Was?“, schrie Delilah auf, worauf das Baby aus dem Schlaf schreckte. Verwundert blinzelte Molly die Erwachsenen an. Alex’ Beschützerinstinkt meldete sich prompt und er streckte die Arme nach der Kleinen aus.

„Komm, ich nehme sie mal.“

Vorsichtig nahm er sie aus dem Tragetuch, und als Delilah seinen sanften Blick sah, mit dem er jetzt liebevoll das Kind in seinen Armen betrachtete, hätte sie am liebsten vor Freude laut gejauchzt.

Es gab nichts Schöneres für sie. All die langen Jahre, in denen sie von Ölfeld zu Ölfeld gereist waren und Dalton International zu der Firma gemacht hatten, die sie jetzt war, waren sehr anstrengend gewesen. Delilah wollte jetzt ausspannen und diesem kleinen Wesen, das Alex in den Armen hielt, ihre Liebe schenken.

„Aber was hat die Bartlett denn genau gesagt? Denkst du, sie ist die Mutter?“

„Keine Ahnung. So wie sie zunächst reagiert hat, dachte ich, nein. Aber als ich sie um eine DNA-Probe gebeten habe, wurde sie zornig und reagierte beleidigt.“

„Ha! Da hast du es! Das zeigt, dass sie etwas zu verbergen hat. Hast du ihr gesagt, dass wir in erster Linie Mollys Abstammung klären wollen, damit wir wissen, ob es eine medizinische Vorgeschichte gibt?“

„Ja, hab ich.“

Zärtlich strich er dem Baby über die Wange.

„Ich hab ihr auch Geld für eine Probe angeboten, aber das hat sie noch wütender gemacht.“

„Dann hast du ihr nicht genug geboten.“ Sofort verwandelte sich Delilah in die tüchtige Geschäftsfrau. „Alle Menschen sind käuflich. Du musst nur ihren Preis herausfinden.“

Alex wusste, dass sie recht hatte. Er hatte das schon oft genug erlebt. Das hatte Dalton International auch schon oft dazu verholfen, die Konkurrenz auszuschalten.

„Hast du die Firma mal überprüft, für die sie arbeitet?“, wollte Delilah wissen.

„Natürlich“, erwiderte Blake, „wir haben eine komplette Finanzanalyse durchgeführt, bevor Alex hingefahren ist. Agro-Air ist finanzschwach. Der Alte, der die Firma gegründet hat, heißt Josiah Jones.“

„Josiah Jones!“ Delilah blickte ihn völlig entgeistert an. „Alias Dusty Jones?“

Alex’ und Blakes Blicke trafen sich erneut. Sie konnten sich nicht daran erinnern, wann sie ihre Mutter zum letzten Mal so entsetzt gesehen hatten.

„Ich glaube … Nein, ich bin mir sogar sicher, dass Julie gesagt hat, er sei einer ihrer Geschäftspartner“, sagte Alex leise.

„Oh, Gott!“

Die Brüder blickten sich noch mal an. Was war hier eigentlich los?

„Kannst du uns vielleicht mal erklären, woher du diesen Dusty kennst?“

„Wir haben uns vor Jahren mal in die Haare gekriegt, warum, weiß ich auch nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass dieser o-beinige Mistkerl seinen klapprigen Doppeldecker fliegen konnte wie kein anderer.“

„Na ja, mittlerweile ist es kein Doppeldecker mehr, sondern eine PA-36.“ Alex musste unwillkürlich grinsen, als er daran dachte, wie das Öl aus dem Motor des Flugzeuges herausgetropft war. „Aber auch ganz schön klapprig, das Ding.“

Ein nur allzu bekanntes kampflustiges Leuchten blitzte in Delilahs Augen auf. „Und er ist der Partner von deinem One-Night-Stand?“

„Sie heißt Julie“, wiederholte Alex. „Julie Bartlett.“

Zufrieden lächelnd nahm Delilah ihm das Baby ab und legte es wieder in das Tragetuch.

„Setz deinen Privatdetektiv auf diesen Dusty an, denn wie ich den kenne, steckt er immer irgendwie in Schwierigkeiten. Ich wette meinen neuen Chinchilla-Mantel darauf, dass wir bei Dusty etwas finden, was uns bei ihm und dieser Schnecke, mit der du im Bett warst, nützlich sein kann.“

„Julie“, fuhr Alex seine Mutter wütend an. „Sie heißt Julie.“

„Das interessiert mich nicht.“ Delilah winkte ihren Söhnen kurz zu und ging zur Tür. „Es geht hier um deine Tochter. Um deine oder Blakes. Also verschwende keine Zeit, sondern ruf deinen Detektiv an.“

Mit dem Aufzug fuhr Alex hinauf in sein Penthouse-Apartment im obersten Stockwerk des Firmengebäudes von Dalton International.

Er wusste, dass er den Killerinstinkt seiner Mutter geerbt hatte. Während der langen Autofahrt zurück nach Oklahoma City war er fast schon besessen davon gewesen, Julie zu beweisen, dass er sich nicht so einfach abspeisen ließ. Er war ein Mensch, der einfach nicht gern verlor. Aber es war nicht nur das. Julie Bartlett hatte in ihm, wie auch schon beim ersten Mal, ein ganz neues Gefühl geweckt.

In seiner Wohnung angekommen, schenkte er sich einen Whiskey ein und setzte sich damit an seinen Schreibtisch. Zuerst einmal setzte er seinen Privatdetektiv auf Dusty Jones an, und es dauerte nicht lange, da rief Jamison schon zurück und berichtete von den Höhen und Tiefen aus dem Leben des Agrarpiloten. In den letzten paar Monaten waren es anscheinend hauptsächlich Tiefen gewesen.

Anschließend verbrachte Alex mehrere Stunden damit, sich noch einmal mit der Firma Agro-Air zu beschäftigen. Es konnte schließlich nicht schaden, noch etwas genauer nachzuforschen. Kurz nach Mitternacht hatte er einiges über das kleine Unternehmen herausgefunden, was der Hauptteilhaber seinen Partnern vermutlich nicht erzählen würde.

Alex verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. Helles Mondlicht schien durch das Fenster. Jetzt, wo er Zeit gehabt hatte, seine Gedanken zu ordnen, musste er sich etwas eingestehen. Es waren weder die Kommentare seiner Mutter noch die Juristensprache seines Bruders und auch nicht die Frage, wer Mollys Eltern waren, die ihn dazu bewegt hatten, alles noch genauer zu untersuchen. Der Grund war Julie Bartlett.

Es war die kratzbürstige, unkooperative, ölverschmierte Pilotin, die ihm heute Nachmittag unter die Haut gegangen war und ihm jetzt nicht mehr aus dem Kopf ging. Er fand sie sogar noch anziehender als vor einem Jahr in Nuevo Laredo. Nein, er würde nicht aufgeben, bis er herausgefunden hatte, ob diese Frau die Mutter des Babys war oder nicht. Und vielleicht würde er sie ja auch noch mal rumkriegen …

Ja, klar. Als hätte er nicht schon genug Probleme.

Andererseits …

Verschwommene Bilder aus der gemeinsamen Nacht mit ihr schwirrten durch seinen Kopf und wurden immer klarer. Er konnte sich nicht mehr an den Namen des Restaurants oder des Motels erinnern. Aber jetzt, wo er Julie Bartlett wiedergesehen hatte, wurde er den Gedanken daran nicht mehr los, wie sie nackt und vor Lust bebend vor ihm gelegen hatte. Unwillkürlich musste er aufstöhnen. Wütend über sich selbst, schlug er mit der flachen Hand auf die Tischplatte.

3. KAPITEL

Ganz früh am Mittwochmorgen rief Alex seine Mutter an. Seit Delilah das Unternehmen an ihre Söhne übergeben hatte, schlief sie mehr als früher, als die Jungs klein gewesen waren und sie die Firma fast allein aufgebaut hatte. Aber jetzt, wo Molly bei ihr war, war sie wieder frühmorgens auf den Beinen.

Nach dem Gespräch, in dem Alex ihr von seinen Plänen erzählt hatte, blieb sie noch lange in der Küche sitzen. Sie würde es ihren Söhnen natürlich nie sagen, aber sie fühlte sich in ihrer gemütlichen Küche mit der gestreiften Tapete viel wohler als in irgendeinem anderen der siebzehn Zimmer ihrer Villa, die alle teuer eingerichtet waren.

Sie war in einer Baracke aufgewachsen, und weder sie noch Big Jake hatten die Highschool abgeschlossen. Es war immer ihr größter Wunsch gewesen, dass ihre Söhne es mal besser haben würden als sie. Diese hatten mittlerweile so viel erreicht, und Delilah war stolz auf sie. Aber dass sie immer noch nicht verheiratet waren und ihr bisher keine Enkelkinder geschenkt hatten, ärgerte sie maßlos. Wie sehr wünschte sie sich eine kleine Enkelin wie Molly.

„Ah, Jake, du solltest die Kleine sehen. Sie hat deine Augen“, murmelte sie und blickte hinaus in den kunstvoll angelegten terrassenförmigen Garten.

Wie immer, wenn sie an Jake dachte, versetzte es ihr einen leichten Stich. Hoffentlich hatte Molly nur die Augen und nichts anderes von ihrem unverantwortlichen, unverbesserlichen und unwiderstehlichen Großvater geerbt. Dann unterbrach Mollys Weinen ihre wehmütigen Gedanken.

Alex’ zweiter Anruf an diesem Morgen galt Agro-Air. Er wollte sichergehen, dass der Seniorpartner des Unternehmens auch anwesend war, wenn er nochmals hinfahren würde, um sein Angebot zu unterbreiten.

Dusty Jones, Julie Bartlett und der Mechaniker mit dem zerfurchten Gesicht waren alle im Büro, als Alex an dem vom Hagel zerbeulten Hangar ankam. Die beiden Männer sahen ihm neugierig entgegen, Julies Blick hingegen war alles andere als freundlich.

Heute trug sie keinen Overall. Was sie aber anhatte, verschlug Alex fast den Atem. Ihre langen, von der Sonne gebräunten Beine kamen in den Shorts voll zur Geltung und der Anblick ihrer festen Brüste unter ihrem Tanktop rief eine fast schon animalische Lust in ihm hervor. Er musste sich beherrschen, sie nicht ständig anzustarren.

„Ich wollte dich anrufen“, sagte sie, als er zur Tür hereinkam.

„Ach, wirklich?“

Alex wurde hellhörig. Wollte sie ihm etwa die Wahrheit gestehen, dass sie sein Kind zur Welt gebracht hatte? Oder ihm die DNA-Probe als Beweis geben, dass sie nicht die Mutter war?

Er wusste in diesem Moment nicht, was ihm lieber gewesen wäre. Diese Frau hatte ihn in der letzten Nacht viel Schlaf gekostet, und er war sich nicht sicher, ob er wollte, dass sie ein Leben lang wegen eines Kindes miteinander verbunden waren. Trotzdem gefiel ihm der Gedanke auch ein wenig.

„Möchtest du mir etwas mitteilen?“

„Ja, ich …“

„Moment mal, Mädchen.“

Alex ließ seinen Blick zu dem weißhaarigen alten Mann wandern, der jetzt aufstand und eine Katze, die bisher auf seinem Schoß gesessen hatte, vor sich auf den mit Papieren übersäten Schreibtisch setzte. Das war also Dusty Jones, mit dem sich seine Mutter mal in die Haare gekriegt hatte. Was war wohl der Grund gewesen, dass sie sich mit diesem Kerl gestritten hatte?

„Dalton hat uns angerufen. Hören wir uns doch zuerst mal an, was er zu sagen hat“, sagte Jones an Julie gewandt.

„Ich weiß schon, was er sagen will.“ Wut flackerte in Julies Augen auf. „Er will wissen, ob ich mein Kind ausgesetzt habe oder nicht.“

Verdammt! Julie hatte sich vorgenommen, nicht wütend zu werden. Dalton hatte schließlich das Recht dazu, herauszufinden, wer die Mutter seines Kindes war. Trotzdem konnte sie sich jetzt kaum beherrschen.

„Und? Hast du es ausgesetzt?“

„Moment mal! Sie sagten, Sie hätten ein revidiertes Angebot für uns, Dalton. Was ist das für ein Angebot?“

„Wir sind an keinem Angebot interessiert“, fuhr Julie auf.

„Vielleicht schon, lass uns doch erst mal sehen, was uns der Herr vorschlägt.“

Dusty Jones wandte sich erneut an Dalton. „Warum wollten Sie, dass wir alle drei hier sind?“

„Ich befürchte, ich habe gestern nicht das nötige Feingefühl an den Tag gelegt. Aber ich habe mir alles noch mal durch den Kopf gehen lassen. Statt einer Barabfindung, dachte ich, könnten wir …“

„Bargeld passt schon“, unterbrach ihn Dusty. „Das passt mir gut.“

„Ja, aber vielleicht könnten wir ja ein Geschäftsabkommen abschließen.“

„Und wie soll das aussehen?“

„Dalton International war bisher noch nicht im Bereich der Agrarfliegerei tätig. Beim derzeitigen Aufschwung des Pflanzenanbaus wäre jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wir wollen eine beträchtliche Summe in Agro-Air investieren.“

„Wie beträchtlich?“, fragte Dusty gespannt.

„Genug, um ein weiteres Flugzeug, ein neueres Modell, zu erwerben. Ich habe eine gebrauchte Lane AT-602 gefunden, die wir sofort kaufen könnten. Sie hat eine viel höhere Kapazität, und Sie könnten Ihre Geschäftsbasis verdoppeln. Mit einer einzigen Füllung lassen sich fünfzig Hektar mit jeweils fünfzig Liter pro Hektar besprühen.“

Er hatte sich gut vorbereitet, das musste Julie ihm lassen. Und wenn sie an den leistungsstarken Motor der 602 dachte, schlug ihr Pilotinnen-Herz unwillkürlich höher.

„Ich werde dafür sorgen, dass unsere Ingenieure sich in der Zwischenzeit mal die derzeitigen Sprühsysteme ansehen. Mit den Mitteln, die Dalton International zur Verfügung stehen, und der Erfahrung, die Agro-Air auf diesem Gebiet mitbringt, könnten die beiden Firmen zusammen noch groß rauskommen.“

„Und was bekommt Dalton International als Gegenleistung für diese Investition?“, wollte Dusty wissen.

„Wir bekommen fünfzig Prozent der Gewinne, bis wir die Anschaffungskosten des Flugzeuges wieder reingeholt haben. Und dann verhandeln wir eine Beteiligung für die Anschaffung weiterer Flugzeuge. Was das Design und die eventuelle Herstellung eines neuen Sprühsystems angeht, werden wir die Forschungs- und Entwicklungskosten tragen, allerdings nicht die Kosten für die technischen Einsätze und für die Flugtests.“

Dusty fuhr sich über sein unrasiertes Kinn und blickte Dalton an. „Und das ist alles? DI bekommt einen Anteil der Gewinne vom neuen Flugzeug und Agro-Air hilft bei der Entwicklung neuer Sprühsysteme?“

„Ja, unter einer Voraussetzung.“

„Ha! Jetzt kommt’s, hab ich es doch gewusst“, schnaubte Julie wütend.

„Na, dann wirst du ja nicht überrascht sein darüber, wenn ich dich für eine Woche zu mir nach Oklahoma City einlade“, entgegnete Dalton kühl lächelnd.

„So läuft das also. Ich komme mit in die Stadt, du holst dir meine DNA von einem Glas oder einer Haarbürste, und auf einmal löst sich das großzügige Angebot von DI in Luft auf.“

„Das Angebot steht. Und ich verspreche dir auch, dass ich mir nichts von dir holen werde, was du mir nicht geben möchtest.“

Die Art, wie er das sagte, jagte Julie einen Schauer über den Rücken. Unweigerlich musste sie an die unsagbare Lust denken, die dieser Mann in der gemeinsamen Nacht in ihr ausgelöst hatte.

„Ich verstehe das nicht“, sagte sie und versuchte mit aller Kraft, die Erinnerung an seine leidenschaftlichen Küsse zu verdrängen. „Was soll denn das bringen? Wie willst du denn dann wissen, ob ich die Mutter deiner Tochter bin oder nicht?“

Er zögerte und blickte kurz zu den anderen beiden Männern hinüber. Chucks Gesichtsausdruck war stoisch und undurchdringlich. Dusty schien genauso gespannt auf seine Antwort zu sein wie Julie.

„Es bringt gar nichts“, gab Alex schließlich zu. „Aber es gibt dir die Gelegenheit, etwas Zeit mit Molly und mir zu verbringen, um zu sehen, ob wir zusammenpassen würden und ob du dir ein Zusammenleben vorstellen könntest, wenn du tatsächlich Mollys Mutter sein solltest. Außerdem würdest du einen Einblick hinter die Kulissen von Dalton International bekommen.“

Noch ehe sie widersprechen konnte, schob Dusty ihren Besucher zur Tür hinaus. „Warten Sie bitte draußen, meine Partner und ich müssen das besprechen.“

„Nein, müssen wir nicht“, erwiderte Julie empört, als er die Tür vor Daltons Nase zuschlug. „Ich werde ganz bestimmt keine Woche in Oklahoma City verbringen.“

„So schlimm ist es doch auch nicht. Ist doch nicht weit weg.“

„Dusty, jetzt hör mir mal gut zu. Ich werde auf keinen Fall nach Oklahoma City gehen.“

„Komm, wir reden noch mal in aller Ruhe darüber.“

Als Julie zwanzig Minuten später aus dem Büro kam, lehnte Alex an seinem Jaguar. Sie stolzierte hocherhobenen Kopfes auf ihn zu. Ihr Gesicht sprach Bände, und es fiel ihm schwer, ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken, als sie ihm sagte, dass sie den Vertrag abschließen wollten.

„Aber nur, damit du es weißt, Dalton, ich bin nicht glücklich darüber.“

„Das sehe ich.“

„Und ich will auch nicht, dass du für mich bezahlst. Ich treffe meine eigenen Vorkehrungen.“

„Wenn du das möchtest, gern“, sagte er und zuckte mit den Achseln. „Aber DI verfügt über eine Gästesuite, die zurzeit leer steht.“

Sie zögerte. Schließlich willigte sie ein.

„Möchtest du, dass ich hier warte, während du packst, oder soll ich mit zu dir kommen?“

„Sag mir einfach, wo es ist, und gib mir die Schlüssel.“

„Ich wollte dich eigentlich mitnehmen in die Stadt.“

„Ich fahre selbst. Ich muss mich erst noch um ein paar Dinge kümmern.“

Er hatte gewonnen. Kein Grund mehr für irgendwelches Geplänkel. Alex schrieb die Adresse und den Zugangscode zur Gästesuite auf die Rückseite einer Visitenkarte. Dann schrieb er noch eine Nummer darauf. „Das ist mein privater Anschluss. Ruf mich an, wenn du angekommen bist.“

Er gab ihr die Karte, hielt sie jedoch noch am Rand fest, als sie danach greifen wollte. Ihre Blicke trafen sich.

„Danke, dass du das tust“, sagte er leise.

Ihr ärgerlicher Gesichtsausdruck wich einem widerwilligen Lächeln. „Du wirst mir vielleicht nicht mehr danken, wenn Dusty erst einmal dein Partner ist. Er ist zwar der beste Pilot in sechsundzwanzig Bundesstaaten, aber … na ja …“

„Mit Dusty werde ich schon fertigwerden.“

Aber würde er mit ihr fertigwerden?

Er war sich dessen nicht so sicher, als er sie beobachtete, wie sie mit den Hüften schwingend auf einen Pick-up zuging, der neben dem Hangar geparkt stand.

Die kommende Woche wird sicher interessant, dachte er sich, als er in die Stadt zurückfuhr.

Am späten Nachmittag machte sich Julie auf den Weg. Eigentlich hatte sie Alex klipp und klar sagen wollen, dass er woanders nach der Mutter seines Babys suchen solle. Sie hatte alles unterschreiben und dann eine Speichelprobe abgeben wollen. Stattdessen hatte Dusty auf sie eingeredet und so lange gebettelt, bis sie diesem lächerlichen Vorschlag zugestimmt hatte.

Und jetzt fuhr sie auf die Wolkenkratzer von Oklahoma City zu. Der Grund, warum sie auf das Angebot eingegangen war, war, dass Dusty versprochen hatte, sich von den Spielkasinos fernzuhalten, wenn sie einwilligte. Zudem würde sie einen Einblick in die Tätigkeiten von Dalton International bekommen und sich die Maschinen und Testanlagen gründlich ansehen können. Außerdem hatte sie schon lange keinen Urlaub mehr gehabt.

Sie würde shoppen gehen, sich ein paar Museen ansehen, vielleicht auch ein Musical, und notgedrungen nebenbei ein paar Stunden mit Alex und seiner Familie verbringen.

Am Nachmittag hatte sie sich im Internet über die Daltons informiert. Es gab viele Artikel und Finanzberichte über den Aufstieg der Firma Dalton International vom kleinen Familienunternehmen zum Riesenkonzern. Sie hatte auch ein paar Fotos von gesellschaftlichen Anlässen in der prächtigen Villa von Delilah Dalton gefunden. Auf diesen waren unter anderem auch die beiden Zwillingsbrüder zu sehen, zusammen mit irgendwelchen schmuckbehängten Schönheiten in Abendkleidern.

Die Bilder zeigten Julie allzu deutlich, dass die Welt, in der die Daltons lebten, eine völlig andere war als ihre eigene. Mit dem dreisten Piloten, der ihr damals in einer Stadt in Mexiko einen Drink ausgegeben hatte, hatte sie sich identifizieren können. Aber außer der Fliegerei und einer heißen Nacht hatte sie mit Alex Dalton nichts gemeinsam.

Julie fuhr jetzt durch die Straßen der Stadt. Sie war schon mehrmals in der Hauptstadt von Oklahoma gewesen. Das letzte Mal, als sie die Papiere unterzeichnet hatte, die sie zur Teilhaberin von Agro-Air machten.

Es herrschte reger Verkehr und die Luft war von einem unaufhörlichen Summen erfüllt. Die Stadt hatte in der Vergangenheit viel durchgemacht, war jedoch unerschütterlich und ihre Einwohner waren stolz auf sie. Auch das Bombenattentat von 1995 hatte daran nichts geändert. Julie meinte, das zu spüren, als sie zwischen den Wolkenkratzern hindurchfuhr.

An der Einfahrt zur Tiefgarage des Gebäudes, in dem Dalton International seine Büroräume hatte, wurde sie von einer Schranke und einem uniformierten Wachmann aufgehalten. Er fragte sich sicher, was die Fahrerin eines alten Ford-Pick-ups, der von oben bis unten mit rotem Staub bedeckt war, mit dem leitenden Geschäftsführer von Dalton International zu tun haben könnte, ließ sich aber nichts anmerken. Lächelnd übergab er ihr einen elektronischen Kartenschlüssel.

„Mr Dalton hat mich darüber informiert, dass Sie heute Nachmittag hier ankommen würden, Ms Bartlett. Neben dem Aufzug wurde ein Parkplatz für sie reserviert. Mithilfe der Karte können Sie mit dem Aufzug direkt ins Penthouse fahren.“

Ins Penthouse? Dieser Zwangsurlaub schien ja gar nicht schlecht anzufangen. Julie fuhr auf den für sie reservierten Parkplatz und hievte ihre Reisetasche vom Beifahrersitz. Ein gläserner Aufzug brachte sie aus der dunklen Tiefgarage ins grelle Sonnenlicht und dann außen am Gebäude etwa dreißig Stockwerke nach oben. Julie genoss die atemberaubend schöne Aussicht auf die Parks und den Fluss.

Oben angelangt, folgte sie der Wegbeschreibung auf einer dezenten Bronzetafel und stand kurz darauf vor einer Doppeltür. Nachdem sie den Zugangscode eingegeben hatte, ließ sich die Tür öffnen.

„Wahnsinn!“

Die Wand gegenüber der Tür war von oben bis unten verglast. Die Aussicht auf das Baseballstadion bis hinüber zur Bronzestatue auf der Kuppel des Kapitols war überwältigend. Während Julie noch staunend im Türrahmen stand, hörte sie, wie irgendwo im Gang hinter ihr eine Tür geschlossen wurde. Sie warf einen flüchtigen Blick über die Schulter, und ihr Puls begann zu rasen.

Der Wachmann unten hatte Dalton sicher über ihre Ankunft informiert, denn Alex schlenderte jetzt lässig und selbstbewusst auf sie zu.

„Das ging aber schnell. Wo bist du so plötzlich hergekommen?“

„Ich wohne hier.“

„Hier?“

„Ja, gleich den Flur hinunter. Das ist ganz praktisch für die Arbeit und auch, weil öfter Gäste von auswärts hier wohnen.“

„Das denke ich mir!“

Unweigerlich kam die Erinnerung an all die Fotos von den schönen Frauen hoch, mit denen sich die beiden Brüder umgaben. Julie hätte wetten können, dass sie nicht die Erste war, die hier untergebracht worden war.

„Wenn du meinst, du kannst einfach wieder in mein Leben spazieren und da anfangen, wo wir letztes Jahr aufgehört haben, hast du dich schwer geirrt.“

Ein Lächeln breitete sich auf seinem sonnengebräunten Gesicht aus.

„Hör mal, Dalton …“

„Ich bin der falsche Dalton.“

„Wie bitte?“

„Ich bin Blake, Alex’ Bruder.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Und ich nehme an, Sie sind Julie Bartlett.“

„Ich, äh, ja.“

Die Ähnlichkeit war verblüffend. Sie versuchte immer noch, die Verwechslung zu begreifen, als er ihr mit festem Griff die Hand schüttelte.

„Alex hat mir erzählt, dass sie auf seinen Vorschlag eingegangen sind.“ Seine durchdringenden blauen Augen waren denen von Alex so ähnlich. „Sie wissen, dass Sie das nicht tun müssen, oder?“

„Ihr Bruder gab mir zu verstehen, dass es beiden Daltons wichtig sei, die Abstammung des Babys zu klären.“

„Das ist richtig, aber das heißt nicht, dass wir Sie mit Füßen treten werden.“

Julie hätte ihm beinahe geglaubt, wenn nicht genau in dem Moment der Aufzug geklingelt hätte und sein Zwillingsbruder ausgestiegen wäre. Beim Anblick der beiden Daltons nebeneinander verschlug es ihr den Atem. Besonders als Alex sie auf genau die gleiche Art wie sein Bruder anlächelte.

„Aha, den Schwächsten des Wurfs hast du also auch schon kennengelernt.“

„Ja, er hat mir erzählt, dass er auch in diesem Stockwerk wohnt.“

„Richtig, ebenso wie ich.“

Er deutete auf eine weitere Doppeltür auf der rechten Seite. Julie stellte auf einmal fest, dass sie zwischen den zwei Daltons eingepfercht war.

„Ich hab einen Tisch in einem Restaurant in der Stadt reserviert. Passt dir neunzehn Uhr?“

Ja, natürlich. Es war ihr lieber, seine Mutter auf neutralem Boden kennenzulernen. Dort konnte die beeindruckende Frau, die Dusty ihr beschrieben hatte, bestimmt nicht übermäßig viel Staub aufwirbeln.

„Neunzehn Uhr ist gut.“

„Ich hole dich ab.“

Sie nickte und schloss die Tür hinter sich. Warum hatte sie sich bloß auf all das eingelassen?

Eine Stunde später hatte sie geduscht, sich die Haare geföhnt, sich geschminkt und die einzigen schicken Kleidungsstücke angezogen, die sie mitgebracht hatte.

Die letzten drei oder vier Jahre hatte sie meistens Jeans, Shorts oder Overalls getragen. Es hatte nicht viele Gelegenheiten gegeben, sich hübsch zu machen. Kritisch blickte sie jetzt an sich herunter. Sie hatte die schwarze eng anliegende Hose und die dazu passende perlenbesetzte Tunika schon viele Male in ihre Reisetasche gepackt, weil sie knitterfrei waren. Ob sie allerdings passend waren für ein Abendessen mit den Daltons, bezweifelte sie doch sehr.

Alex Daltons bewundernder Blick, den er ihr zuwarf, als sie ihm die Tür öffnete, räumte allerdings sämtliche Zweifel aus dem Weg. Sie war sich diesmal sicher, dass es Alex war, weil sie ihn an der kleinen Narbe am Kinn erkannte.

Und plötzlich stieg eine andere Erinnerung in ihr hoch. Der Mann, mit dem sie vor einigen Monaten geschlafen hatte, besaß noch ein weiteres Erkennungsmerkmal. Ein Muttermal genau …

Völlig unabsichtlich ließ Julie ihren Blick zu einer Stelle knapp unter seinem Gürtel wandern. Schnell wandte sie sich wieder ab. In der Hoffnung, dass sie nicht rot geworden war, griff sie nach ihrer Handtasche.

„Blake hat sich gefreut, dich kennenzulernen“, bemerkte Alex, als er zur Seite wich, um sie aus der Tür treten zu lassen.

„Ich fand es auch sehr nett, ihn kennenzulernen. Fährt er mit ins Restaurant?“

„Nein, er kommt nicht mit. Und ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber wir gehen zu Fuß. Das Restaurant ist nicht weit weg.“

„Kommt dann also nur deine Mutter mit?“

Und womöglich das Baby. Nein, sie würden das Kind sicher nicht in ein überfülltes Lokal mitnehmen. Während sie auf den Aufzug zugingen, bereitete sich Julie innerlich auf die erste Begegnung mit der kompromisslosen Delilah vor.

„Nein, genau genommen, gehen nur wir beide heute zusammen essen“, unterbrach Alex ihre Gedanken.

4. KAPITEL

„Nur wir beide?“

Abrupt blieb Julie stehen. Was führte er im Schilde?

Sie musste zugeben, dass Alex in seiner beigen Hose und dem kurzärmligen blau gestreiften Hemd zum Anbeißen aussah. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass er irgendetwas plante. Schließlich war er der Meinung, sie könnte eine Frau sein, die es übers Herz brachte, ihr Kind auszusetzen. Und sie durfte nicht vergessen, dass er sie dazu zwang, eine Woche in der Stadt zu verbringen.

„Ich dachte, ich solle während dieses Aufenthaltes herausfinden, wie wir beide und das Baby zusammenpassen.“

„Ja, das sollst du auch.“ Gelassen drückte er auf den Aufzugknopf. „Aber bevor ich dich dem Tiger zum Fraß vorwerfe, in diesem Fall meiner Mutter, möchte ich, dass wir beide uns ein bisschen besser kennenlernen.“

Besser kennenlernen? Hatten sie das nicht schon hinter sich? Wieder ertappte Julie sich dabei, wie ihr Blick zu seiner Gürtelschnalle wanderte. Sofort sah sie wieder auf. Hör auf damit, ermahnte sie sich selbst.

Oh Mann, sie musste diese Bilder, die ständig zu den unpassendsten Momenten vor ihr auftauchten, aus ihrem Kopf verjagen.

Als sie aus dem Gebäude traten, war die Luft draußen drückend heiß. Zum Glück war das Restaurant nur einen Häuserblock entfernt. Das kleine französische Bistro befand sich in einem Hotel aus den dreißiger Jahren, das vor Kurzem für fünfzig Millionen Dollar renoviert worden war. In der Zeitung hatte Julie gelesen, dass Dalton International einen maßgeblichen Teil der Renovierungskosten bezahlt hatte.

Deshalb war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Besitzerin des Bistros persönlich auf sie zukam, als sie das Lokal betraten.

„Alex!“

Die zierliche Frau strahlte Freude und Energie aus und begrüßte Alex überschwänglich auf Französisch. Er küsste sie auf beide Wangen und erwiderte den Gruß, ehe er auf Englisch fortfuhr, um Julie und die Wirtin miteinander bekannt zu machen.

„Cecile, das ist Julie Bartlett. Julie, das ist Cecile Duchamp. Sie macht die besten Crêpes weit und breit.“

Das Lächeln, das Cecile Julie zuwarf, war zwar freundlich, aber irgendwie schien sie Julie zu mustern.

Oh, oh. Während die lebhafte Brünette sie zu einem der Tische brachte, konnte Julie nicht umhin, sich zu fragen, ob Cecile vielleicht auch eine der Frauen war, die als Mutter von Alex’ Baby infrage kamen?

„Ich bring Ihnen gleich eine Flasche Rotwein, ja? Und die Gemüseplatte?“

Alex blickte zu Julie. „Ist Rotwein okay, oder möchtest du lieber Weißen? Oder etwas anderes?“

Zum Beispiel Tequila, wie sie ihn an dem Abend in Nuevo Laredo in sich hineingeschüttet hatten? Alex hatte damals so gelacht, als sie eine Grimasse geschnitten hatte, weil die Zitrone so sauer gewesen war, dann hatte er sich über den Tisch zu ihr gebeugt und sie geküsst.

„Roter ist gut“, sagte Julie hastig.

Der Rotwein war sogar mehr als gut, stellt sie fest, nachdem Cecile den Wein dekantiert und Julie einen Schluck probiert hatte. Er hatte eine weiche und samtige Note, der sie unwillkürlich an Sonnenblumen denken ließ, die ihre Köpfe der heißen Julisonne entgegenreckten. Wahrscheinlich lag es daran, dass auf fast jedem Foto, das Julie jemals von Südfrankreich gesehen hatte, Sonnenblumen abgebildet waren.

„Er ist sehr gut. Schmeckt ein wenig wie ein Syrah aus Chile.“

„Ich merke schon, du kennst dich aus. Sie stammen von derselben Traube.“

Julie bemerkte, dass Alex nicht so entspannt war, wie er vorgab.

„Erzähl mir von deinem Aufenthalt in Chile.“ Aha, daher wehte also der Wind.

„Das hast du also gemeint, als du von ‚besser kennenlernen‘ gesprochen hast? Du willst wissen, was ich im letzten Jahr getrieben habe.“

„Entschuldigung. Ich sollte das anders formulieren. Was für Jobs hast du in Chile gemacht?“

„Zum größten Teil Transportflüge für Caterpillar.“

„Einer unserer größten Konkurrenten“, warf er ein.

„Ich bin auch für Komatsu geflogen und habe Ausrüstungsteile zu den Gold- und Kupferminen von Minera Escondida gebracht. Aber das hat dir doch sicher dein Privatdetektiv alles schon erzählt.“ Diese Bemerkung konnte sie sich nicht verkneifen.

Alex sah sie verärgert an. „Ich möchte mich einfach nur mit dir unterhalten.“

„Okay, dann erzähl mir doch mal etwas von dir.“

„Was möchtest du denn wissen?“

Vieles wusste sie schon von ihren Nachforschungen im Internet. Alter, beruflicher Werdegang und so weiter. Die intimeren, körperlichen Details kannte sie aus ihrer gemeinsamen Nacht. Und sie hatte erfahren, dass die Familie Dalton mit ziemlich skrupellosen Methoden an die Spitze gelangt war. Aber sonst wusste sie nicht viel über Alex.

„Wie ist es so, ein Zwilling zu sein?“

Alex lächelte betrübt. „All die Klischees treffen zu. Blake und ich wollten von Anfang an allen zeigen, dass wir völlig verschieden sind. Wir haben viel gestritten. Natürlich haben wir auch vor Babysittern und Lehrern oft die Rollen getauscht.“

Er trank noch einen Schluck Wein, und Julies Blick blieb an seiner Kehle haften. Sie konnte sich noch vage daran erinnern, wie sie ihr Gesicht in seine Halsbeuge gedrückt hatte.

„Es besteht halt eine ganz enge Verbindung“, fuhr er fort. „Man kann es nicht wirklich erklären. Selbst wenn wir ganz weit weg voneinander sind, spüre ich, wenn es Blake nicht gut geht. Und sein Blutdruck steigt, wenn ich mich über etwas ärgere.“

Julie zeichnete mit dem Finger das Muster der Tischdecke nach und versuchte, sich diese Vertrautheit vorzustellen.

„Und was ist mit dir? Wie war es, als Einzelkind aufzuwachsen?“

„Ich fand es ganz toll.“ Sofort spürte sie wieder den tiefen Schmerz, als sie an ihre Eltern dachte, die sie vor über zehn Jahren verloren hatte. „Meine Eltern haben mich total verwöhnt.“

„Dann war es also ein Kinderspiel für dich, sie dazu zu überreden, so früh den Flugschein machen zu dürfen. Wie alt warst du? Vierzehn? Fünfzehn?“

Als er merkte, dass sie wütend wurde, weil er wieder in ihrer Vergangenheit herumgeschnüffelt hatte, hob er abwehrend die Hände.

„Ich wollte nach Nuevo Laredo mehr über dich wissen und habe ein wenig nachgeforscht.“

„Aber du hast dich nicht gemeldet. Erst als jemand ein Baby vor der Haustür deiner Mutter abgelegt hat.“

Oje, was hatte sie denn jetzt gesagt? Julie hoffte, dass es in Alex’ Ohren nicht so bissig klang, wie es ihr jetzt vorkam. Scheinbar nicht, denn er zuckte nur mit den Schultern.

„Ich hab’s versucht, aber du warst schon in Südamerika.“

Autor

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