Collection Baccara Band 340

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MAN NEHME: ETWAS RACHE, SEHR VIEL LUST von ETHERINGTON, WENDY
Shelby sinnt auf Rache an dem Mann, der ihre Eltern um ihr Vermögen gebracht hat! Doch der Plan, den sie ausheckt, führt sie direkt zu Trevor Banfield, dem Bruder ihres Erzfeindes. Und ausgerechnet dieser smarte Millionär weckt in ihr einen nie gekannten Hunger - auf Lust …

DUNKLE SCHATTEN DER LEIDENSCHAFT von ANDERSON, SARAH M.
Bis jetzt stand Maggie auf der Schattenseite des Lebens. Aber als wichtigste Zeugin des smarten Anwalts James Carlson erlebt sie Macht, Glamour und Luxus in Washington - und sinnliche Nächte in seinem Bett! Verführt er sie im Namen der Gerechtigkeit?

DIE HEIßE NACHT IN SEINEN ARMEN von COLLEY, JAN
Ich will dich heiraten. Was der erboste Zack zu Sky sagt, ergibt für die Fortune-Erbin keinen Sinn. Sie bekommt ein Baby von ihm - na und? Das gibt ihm nicht das Recht, über sie zu bestimmen. Würde er dagegen ihre erotische Anziehungskraft erwähnen, würde sie glatt Ja sagen …


  • Erscheinungstag 29.04.2014
  • Bandnummer 340
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722296
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Wendy Etherington, Sarah M. Anderson, Jan Colley

COLLECTION BACCARA BAND 340

WENDY ETHERINGTON

Man nehme: etwas Rache, sehr viel Lust

Eine heiße Affäre mit dem brennenden Wunsch nach Rache zu mixen, scheint geradewegs ins Desaster zu führen. Aber als die hübsche Shelby dem umwerfend attraktiven Trevor Banfield, Halbbruder ihres Erzfeindes, gegenübersteht, ahnt sie: An diesem sexy Selfmade-Millionär führt kein Weg vorbei. Und der mag in der Hölle enden. Oder im Himmel …

SARAH M. ANDERSON

Dunkle Schatten der Leidenschaft

Alles steht und fällt mit dieser Frau: Die Karriere des Anwalts James Carlson liegt in den Händen der Indianerin Maggie Eagle Heart. Aber als James seine wichtigste Zeugin nach Washington einlädt, spürt er nur eins: verboten heißes Verlangen! Und plötzlich hängt noch mehr von Maggie ab, als er sich in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können …

JAN COLLEY

Die heiße Nacht in seinen Armen

Sky Fortune braucht keinen Mann. Sie ist reich und hat eine große Familie. Und dass sie vor einiger Zeit eine einzige Nacht mit dem Neuseeländer Zack Manning verbracht hat, geht niemanden etwas an! Doch die leidenschaftlichen Stunden in Zacks Armen sind nicht ohne Folgen geblieben – und plötzlich braucht Sky doch einen Mann …

1. KAPITEL

New Yorker Abendblatt

12. April

Finanzmogul oder Finanz-Mogelei?

Hallo, liebe New Yorker!

Wir alle wissen, was in dieser Stadt wirklich zählt – Macht und Popularität. Und es scheint, als ob der Möchtegern-Tycoon Maxwell Banfield beides endlich fest in den Händen hält.

Er ist nun stolzer Besitzer des Crown Jewel, des beliebten Luxushotels auf der 42. Straße. Neben dem noblen Vier-Sterne-Hotelrestaurant Golden ist die legendäre Bar im dreißigsten Stockwerk das eigentliche Juwel im Crown Jewel. Dort geben sich schon seit den 50er-Jahren Stars und Sternchen die Klinke in die Hand.

Hoffen wir nur, dass Maxwell Banfield seine prominente Klientel zufriedenstellen kann. Schließlich ist er in der Vergangenheit eher durch windige Geschäfte und spektakuläre Misserfolge aufgefallen.

Andererseits kann Banfield mit einem bemerkenswerten gesellschaftlichen Hintergrund aufwarten. Er ist der nächste rechtmäßige Earl of Westmore – so lautet der Adelstitel seines Vaters in England.

Nun hat der zukünftige Earl dem Namen seiner respektablen Familie nicht gerade Ehre gemacht, wenn man all seine Auftritte in der Klatschpresse bedenkt. Wie es heißt, hat der gute alte Daddy seinem Sohn den Geldhahn ab­gedreht.

Trotzdem hat er genügend Kohle für ein Luxushotel?

Da kommt man schon mal ins Grübeln, oder?

Aber vielleicht hat Max die dreißig Millionen Dollar ja einfach unter dem Sofakissen gefunden?

Wir halten die Ohren offen und euch auf dem Laufenden!

„Wir müssen etwas unternehmen.“

Mit angewidertem Gesichtsausdruck schob Shelby Dixon die Zeitung beiseite. „Woher hat dieser Betrüger Banfield Geld, um ein Hotel zu kaufen?“, fragte sie aufgebracht ihre beiden besten Freundinnen, mit denen sie in ihrem Lieblingscafé saß.

„Anscheinend gibt es außer deinen Eltern noch mehr Opfer seiner Schwindeleien“, antwortete Calla Tucker mitfühlend.

Victoria Holmes, die Dritte im Bunde, kniff ihre eisblauen Augen zusammen. „Für dreißig Millionen muss es verdammt viele Opfer geben.“

Shelby, die eigentlich aus Georgia stammte, war vor fünf Jahren nach New York gezogen, um die Kochschule zu besuchen. Mittlerweile hatte sie sich mit einem eigenen kleinen Unternehmen, dem Big Apple Catering, selbstständig gemacht, und sie hatte nicht vor, je wieder von hier fortzugehen.

Sie liebte das brodelnde Stadtleben, das Chaos und die aufregenden Gegensätze unterschiedlicher Kulturen und Lebensweisen. An ihr winziges Apartment hatte sie sich ebenso gewöhnt wie an die Touristenmassen, die vollen U-Bahnen und die nie endende Symphonie hupender Taxis.

Hier war sie zu Hause.

Friedliche Südstaatengemütlichkeit war mehr nach dem Geschmack ihrer Eltern.

Doch dank Max Banfields betrügerischem Investmentplan hatte sich deren Traum vom Altersruhesitz an der Küste in einen Albtraum verwandelt. Ihr Sparkonto war leer, ihr Lebensmut gebrochen, ihre neue Eigentumswohnung stand kurz vor der Zwangsversteigerung.

„Er hat einen reichen Vater.“ Shelby überflog noch einmal den Artikel in den Klatschspalten. „Vielleicht kann ich mich an den wenden.“

Victoria schüttelte den Kopf. „Hör auf zu träumen. Typen wie Max zahlen ihre Zeche nie.“

Callas Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an. „Ich war übrigens letzte Woche auf einen Drink in dieser Bar ganz oben im Crown Jewel. Sehr schick. Schummrige Beleuchtung, intime Nischen und eine Theke, an der bestimmt fünfzig Gäste Platz haben.“ Sie seufzte. „Wenn ich so darüber nachdenke … der Barkeeper war heißer als mein Date.“

„Könnten wir uns wieder auf mein Problem konzentrieren?“, unterbrach Shelby ihre Schwärmerei. „Ich bekomme die Polizei einfach nicht dazu, im Fall meiner Eltern irgendetwas zu unternehmen. Und wenn es mir nicht gelingt, ihr Geld zurückzuholen, werden sie über kurz oder lang bei mir einziehen müssen.“

Calla biss genüsslich in ihr Törtchen – eins von denen, die Shelby selbst an das Café lieferte. Sie hatte viel Energie darauf verwandt, gute Beziehungen zur örtlichen Gastronomie aufzubauen. War all diese harte Arbeit in Gefahr?

Ihre Eltern konnten unmöglich mit in ihrem Ein-Zimmer-Apartment wohnen, doch eine größere Wohnung konnte sie sich einfach nicht leisten. Sie hatte die Bank angefleht, ihnen mehr Zeit zu geben, sie hatte sogar ihr Cateringunternehmen als Sicherheit angeboten. Was wäre, wenn sie ihre Firma tatsächlich aufgeben und nach Savannah zurückziehen müsste, um ihre Eltern zu unterstützen?

Das würde ihr das Herz brechen. Es musste einen anderen Weg geben.

„Wie kann es Zwietracht und Verzweiflung geben, solange es solche Köstlichkeiten gibt?“ Genüsslich leckte sich Calla die Krümel von den Fingern. „Die sind wirklich himmlisch, Shelby.“

„Zwietracht?“ Victoria blickte spöttisch. „Wo sind wir denn jetzt gelandet? Im Mittelalter oder was?“

„Wenn es nur so wäre“, seufzte Calla. „Dann könnte Shelby einfach als edler Ritter mit erhobenem Schwert die Tyrannei der Ungerechtigkeit bezwingen und Frieden und Hoffnung über das ganze Land bringen.“

„Du bist eine talentierte Reisejournalistin, Schätzchen, aber denk bitte nicht daran, dich an historischen Romanen zu versuchen.“

„Warum denn nicht? Ich denke da an ein aufregendes Abenteuer mit …“

„Einen Moment“, unterbrach Shelby sie. „Warum soll ausgerechnet ich der Ritter sein?“

„Wer denn sonst?“

„Na ja, mit Messern kann ich umgehen“, bemerkte Shelby. „Aber Schwerter sind mir eine Nummer zu groß.“

„Und Kettenhemden tragen so schrecklich auf“, fügte Victoria trocken hinzu.

Calla biss sich auf die Unterlippe. „Aber es muss doch einen Weg geben.“ Plötzlich funkelten ihre Augen vor Begeisterung. „Wir machen es wie Robin Hood.“

„Hattest du Whiskey im Kaffee?“, fragte Victoria misstrauisch.

Calla schüttelte den Kopf. „Ach was, ich bin absolut nüchtern.“

„Wie kommst du dann darauf, dass Robin Hood die Finanzkrise von Shelbys Eltern lösen könnte?“

„Du hast mich mit deinem Gerede vom Mittelalter selbst darauf gebracht“, wehrte sich Calla. „Robin Hood hat sich doch auch das Geld von den Reichen zurückgeholt.“

„Dann schlägst du also vor, dass wir die Ersparnisse meiner Eltern von Max Banfield zurückstehlen?“, fragte Shelby skeptisch.

„Robin Hood hat nicht gestohlen“, versicherte Calla. „Er kämpfte gegen eine korrupte Obrigkeit, um Menschen zu helfen, die sich selbst nicht wehren konnten.“

„Nach modernen Maßstäben war er ein Strauchdieb“, argumentierte Victoria.

„Mag sein. Aber er war im Recht, oder nicht? Und ich will ja auch nicht, dass wir irgendetwas stehlen. Ich finde bloß, dass wir dem Gesetz ein wenig auf die Sprünge helfen sollten. Dieser Investmentplan von Maxwell Banfield muss doch vielen Menschen geschadet haben. Wir sollten sie finden und uns mit ihnen zusammenschließen.“

„Wir sammeln Beweise für seine Betrügereien“, murmelte Shelby nachdenklich.

„Genau.“ Calla war offensichtlich begeistert von ihrer eigenen Idee. „Dieses neue Hotel liefert uns einen perfekten Vorwand. Ich könnte ihn vielleicht sogar zu einem Interview überreden. Wir tragen einfach Informationen zusammen, die beweisen, dass er ein verlogener, betrügerischer Schuft ist.“

Victoria war immer noch unbeeindruckt. „Etwas, wozu die Polizei von New York bisher nicht in der Lage war.“

„Nur weil sie es gar nicht richtig versucht haben“, entgegnete Calla verärgert.

Shelby musste zugeben, dass sie Max Banfield zu gern in Handschellen sehen würde. Aber war so etwas überhaupt legal? Was, wenn Banfield in Amerika diplomatische Immunität genoss? Dann konnte die Polizei nichts gegen ihn unternehmen, und man würde sie und ihre Freundinnen noch wegen Belästigung einsperren. „Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du mir helfen willst, Calla. Aber ich muss Victoria recht geben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie eine Köchin, eine Reisejournalistin und eine PR-Agentin einen Fall lösen können, an dem selbst die Polizei gescheitert ist.“

Trotzig hob Calla das Kinn. „Wir können es. Wir müssen nur …“

Victoria hob abwehrend die Hand. „Es gibt doch eine ganz einfache Lösung des Problems. Ich werde Shelbys Eltern die nötige Geldsumme leihen.“

Shelby schüttelte den Kopf. „Nein. Auf gar keinen Fall. Sie könnten dir den Kredit nie zurückzahlen. Alles, was sie gespart hatten, haben sie in die Anzahlung ihrer Eigentumswohnung gesteckt.“

„Damit wären wir also wieder bei Robin Hood“, bemerkte Calla zufrieden. „Außerdem wäre es sicher ein Riesenspaß, dem widerlichen Betrüger das Handwerk zu legen, findet ihr nicht?“

Die Vorstellung schien sogar Victoria zu gefallen. „Vielleicht hast du recht. Ein Versuch kann ja nicht schaden.“

Shelby sah in die erwartungsvollen Gesichter ihrer Freundinnen.

„Na gut“, seufzte sie. „Ich bin dabei.“

„Trevor, dein Bruder ist auf Leitung eins.“

Trevor Banfield blickte von dem Finanzbericht auf, den er gerade studierte, und sah seine Assistentin Florence im Türrahmen stehen.

„Er ist sehr beharrlich.“

„Darauf wette ich.“ Max steckte zweifellos wieder in irgendeinem Schlamassel. Wie jedes Mal, wenn er anrief.

„Er ist unverschämt, dreist und völlig verzogen.“

Trevor schmunzelte über die hitzige Empörung der Frau, die früher sein Kindermädchen gewesen war. „Das war ich auch mal.“

Sie stemmte die Hände in die ausladenden Hüften. „Du warst bloß lebhaft, vielleicht ein bisschen übermütig und außerdem ein Kind. Er ist ein erwachsener Mann.“

„Zumindest äußerlich.“

Florence lächelte. „Eines Tages muss man das Vögelchen aus dem Nest werfen.“

„Hättest du bei mir auch die Geduld verloren?“

„Er ist nicht du.“

„Wofür ich aufrichtig dankbar bin. Trotzdem ist er mein Bruder.“

„Dein älterer Bruder“, erinnerte ihn Florence, bevor sie sich wieder zurückzog.

Trevor wusste, worauf sie hinauswollte. Der ältere Bruder sollte der Vernünftige sein, der sich um den jüngeren kümmert. Irgendwie hatte sich das in seiner Familie von Anfang an umgekehrt.

Er war auf alles gefasst, als er zum Hörer griff.

„Hey, Trevor, was weißt du über das Hotelgewerbe?“, fragte Max lässig.

Trevor war es gewohnt, dass sein Bruder seine verrückten Geschäftsideen mit ihm besprach, nur um dann seinen Rat zu ignorieren. Obwohl Trevor ihn gewarnt hatte, hatte er vier gebrauchte Heißluftballons gekauft, weil er die abwegige Vorstellung hatte, mit Rundflügen über Manhattan ein Vermögen zu verdienen.

„Das Hotelgewerbe ist sehr komplex, arbeitsintensiv, und du solltest einen weiten Bogen darum machen.“

„Hm …“ Max schwieg einen Moment. „Äh … okay. Wie fandest du das Jets-Spiel am letzten Sonntag?“

Trevor hatte ein ungutes Gefühl im Magen. Die Jets spielten Football, und jetzt, Mitte April, war gar keine Saison.

„Was hast du ausgefressen?“

„Ich?“, fragte sein Bruder mit gut einstudierter Ahnungslosigkeit. „Gar nichts. Ich hatte gestern Abend nur ein heißes Date mit einer feurigen Dame aus Venezuela. Vielleicht hat sie ja eine Schwester, dann kannst du uns nächstes Mal begleiten.“

Wirklich entzückend. „Ich kann mich selbst um meine Dates kümmern, vielen Dank. Hast du Miss Venezuela mit in ein Hotel genommen?“

„Nein, in mein Apartment.“

„Hattet ihr Dinner in einem Hotelrestaurant?“

„Äh … lass mich überlegen.“

Trevor hatte keine Zeit zu warten, bis Max sich eine Ausrede zurechtgelegt hatte. „Wo habt ihr gegessen?“

„Irgendwo im Theater District. Ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern …“, antwortete Max ausweichend. „Ich war etwas angetrunken. Wir hatten ein paar Cocktails in der Bar im obersten Stockwerk.“

Es gab unzählige Hotels im Theater District. Aber nur ein Hotel mit einer Bar in der obersten Etage.

„Golden.“

Max hüstelte. „Ach, verflixt, ich habe einen Anruf auf der anderen Leitung. Ich muss Schluss machen.“ Dann legte er auf.

Als Trevor am Nachmittag aus San Francisco zurückgekommen war, hatte er am Flughafen eine Zeitung gekauft. Auf dem Heimweg im Taxi hatte er die Schlagzeilen überflogen, doch bisher noch keine Zeit gehabt, sich in die Artikel zu vertiefen.

Ein kurzer Blick ins Internet ergab jedoch mehrere Verweise auf einen Artikel im New Yorker Abendblatt mit der Überschrift „Finanzmogul oder Finanz-Mogelei?“.

„Finanzmogul“, murmelte er kopfschüttelnd. „Seit wann?“

Als er zu der Stelle über das Crown Jewel kam, schloss er ungläubig die Augen. Verfluchter Mist, Max hatte ein Hotel gekauft.

Trevor zwang sich weiterzulesen. Er seufzte, als der Titel seines Vaters erwähnt wurde. Vermutlich würde er spätestens morgen einen wütenden Anruf aus England erhalten. Max war schon häufiger in dubiose Situationen geschlittert, und zweifellos würde man erwarten, dass Trevor die Angelegenheit wieder einmal ausbügelte.

Sein Bruder war der rechtmäßige Erbe des Titels Earl of Westmore. Als zweiter Sohn war Trevor weitgehend überflüssig. Er hatte immer gewusst, dass er seinen Weg durchs Leben aus eigener Kraft gehen musste.

Ehrlich gesagt, war Trevor erleichtert gewesen, als sein Bruder aufs Internat gegangen und nur gelegentlich mit einer Horde arroganter Kumpel eingefallen war, die alle glaubten, aufgrund ihrer zukünftigen Titel unantastbar zu sein.

„Die Scheidung hat ihn härter getroffen als dich“ oder „Er trägt die Last des Titels auf seinen Schultern“ waren immer Entschuldigungen für Max’ schlechtes Benehmen gewesen.

Trevor hingegen war unter Florences liebevoller Obhut förmlich aufgeblüht. Von ihr hatte er Besonnenheit und Disziplin gelernt. Und sie hatte ihm beigebracht, seine eigenen Vorteile zu nutzen – eine beachtliche Portion Charme, eine große Dosis Vernunft und einen Treuhandfonds, der ihm ermöglichte, seine Zukunft nach Belieben zu gestalten.

Während sein Vater das Scheitern seiner Ehe beklagte, und Max dessen Unaufmerksamkeit ausnutzte, um allerlei Unsinn anzustellen, hatte Trevor beschlossen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, in dem er allein die Zügel in der Hand halten würde.

Doch sogar nachdem er mit Anfang zwanzig nach Amerika gegangen war, war er immer wieder in Max’ Probleme hineingezogen worden. Er hatte ihm mehrmals aus finanziellen Engpässen herausgeholfen, Wogen geglättet und versucht, ihn so gut es ging aus der Regenbogenpresse herauszuhalten.

Er empfand das als seine Pflicht. Trevor hatte immer gewusst, dass alles, was er tat, auf die Familie zurückfiel. Max hingegen liebte Partys, Frauen … und sich selbst. Darin glich er ihrer Mutter – wie sie war er flatterhaft und unberechenbar. Und er erwartete immer, dass andere ihm aufhalfen, wenn er stolperte.

Einige fanden insgeheim, dass Trevor der bessere Erbe gewesen wäre. Doch die Rollen waren nun einmal fest verteilt.

Die Gegensprechanlage summte. „Dein Vater ist in der Leitung.“

„Fabelhaft“, erwiderte Trevor resigniert.

2. KAPITEL

Das Schlafzimmer einer Hotelsuite gehörte zu den ungewöhnlicheren Orten, an denen Shelby bislang ihre transportable Küche aufgebaut hatte. Gerade richtete sie ein Tablett mit winzigen Krabbenpastetchen an, als Calla hereinstürmte.

„Ich bin an Banfield dran“, verkündete sie triumphierend.

„Das ging aber schnell. Du bist doch erst seit knapp zehn Minuten hier.“

„Ich bin selbst beeindruckt von mir.“ Calla grinste. „Obwohl es natürlich hilft, dass er wahnsinnig von sich eingenommen ist.“

„Kann ich mir denken. Ist Victoria schon da?“

„Gerade gekommen.“

„Sorg dafür, dass sie ihn nicht verschreckt.“

„Ach was, sie wird spielend mit ihm fertig.“

Shelby fühlte, dass ihr Herz vor Aufregung schneller schlug. Dieser verrückte Robin-Hood-Plan konnte womöglich funktionieren.

Die Freundinnen hatten sich ein wenig umgehört und herausgefunden, dass Max als neuer Besitzer des Crown Jewel eine Einweihungsparty in der Präsidentensuite des Hotels geben wollte. Victoria war es gelungen, eine Einladung zu ergattern, indem sie ihre Dienste als PR-Agentin anbot und versprach, Pressevertreter – also Calla – mitzubringen. Sie hatte auch Shelbys Cateringfirma empfohlen. Max war direkt darauf angesprungen, weil die Hotelküche zurzeit unterbesetzt war.

Sie wollten sich unters Volk mischen und die Ohren offen halten. Womöglich stießen sie dabei auf Beweise für seine betrügerischen Finanzgeschäfte, die sie an die Polizei weiterleiten könnten.

Calla wollte mit Max ein Interview für das City Magazine führen. Die Tatsache, dass sie sich bereits das Vertrauen ihrer Zielperson erschlichen hatten, war eine gute Voraussetzung.

„Ihr seid die Besten“, versicherte Shelby dankbar.

„Vergiss nicht, dass es meine Idee war“, erwiderte Calla übermütig. Dann warf sie ihren blonden Pferdeschwanz nach hinten und ging hinüber in den Salon, den größten Raum der Hotelsuite.

Shelby folgte ihr und warf auf dem Weg einen kurzen Blick in den Spiegel. Sie hatte versucht, ihre schulterlangen, kastanienbraunen Locken zu zähmen. Doch die schweißtreibende Arbeit und der heiße Dampf aus dem Ofen hatten ihre Frisur wieder in eine wilde Mähne verwandelt.

Egal. Schließlich waren es ja Calla und Victoria, die Banfield den Kopf verdrehen sollten. Ihr Job war es nur, ihn und seine Gäste zu beköstigen.

Auf einer Hand balancierte sie das Tablett und trat in den Salon, als sie plötzlich einen Stoß von der Seite spürte. Hilflos sah sie, wie zwei der kostbaren Krabbenpasteten zu Boden fielen.

„Verzeihung“, sagte eine dunkle Stimme mit englischem Akzent.

„Ist nicht schlimm“, erwiderte Shelby schnell und blickte auf.

Beinahe hätte sie die ganze Platte fallen gelassen, als sie den Mann sah, dem die Stimme gehörte.

Gewelltes schwarzes Haar, Augen so blau wie Bergseen und ein athletischer Körper in einem maßgeschneiderten schwarzen Anzug.

Verdammt. Warum kann meine Frisur nicht besser sitzen?

„Darf ich probieren?“, fragte er und nahm eine der Pasteten von ihrem Tablett.

Wow, und einen tollen Mund hat er auch noch.

Sie sah in seine Augen, und ihr wurde schwindelig. Galt sein sinnlicher Blick ihr? Oder war er nur besonders begeistert von ihren Krabbenpasteten?

Er nahm er einen Schluck von seinem Martini und lächelte. „Sind Sie die Köchin?“

„Ja.“

„Mehr Krabben als heiße Luft“, bemerkte er. „Das ist selten bei solchen Veranstaltungen.“

„Eine Frage der Südstaatenehre. Eigentlich komme ich aus Georgia.“

Er neigte den Kopf. „Der Dialekt passt. Ich hatte so ein Gefühl, dass Sie nicht von hier stammen.“

„Sie aber auch nicht.“

Er nickte. „Ich bin in London aufgewachsen.“

„Passt auch.“ Es war wohl eine besondere Ironie des Schicksals, dass ihr mitten in ihrer Spionagemission ein leibhaftiger James Bond über den Weg lief. „Shelby Dixon“, stellte sie sich vor und streckte ihm die Hand entgegen.

„Trevor“, erwiderte er.

Sie blickten einander unverwandt an, während sie sich die Hand gaben.

Shelby hätte nichts dagegen gehabt, wenn dieser Moment für die nächsten ein bis zwei Jahre angedauert hätte, aber sie hatte zu tun.

Neue Gäste waren eingetroffen. Trevor anzuhimmeln, musste bis später warten.

Warum hatte er seinen Nachnamen nicht genannt? War das nicht seltsam? Doch als sie sich zu ihm umdrehte, um mehr zu erfahren, ging er schon davon … geradewegs auf Maxwell Banfield zu.

Der stolze Hotelbesitzer begrüßte ihn breit grinsend.

„Verdammt“, murmelte Shelby.

Sie hätte es wissen müssen. Kein Mann war perfekt. Wahrscheinlich war er Maxwells Buchhalter oder noch Schlimmeres. Wenn Trevor einer von Max’ Mitarbeitern war, wunderte es sie gar nicht, wie dieser Schuft an dreißig Millionen Dollar gekommen war.

Widerstrebend wandte sie den Blick von Max und Trevor und begann, mit ihrem Tablett durch den Salon zu gehen, um die Gäste zu bedienen.

Calla unterhielt sich gerade mit dem Hotelmanager. Hoffentlich bekam sie wertvolle Insiderinformationen über Max und seine Machenschaften. Ein voller Magen und ein bis zwei Cocktails waren die beste Geheimwaffe, wenn es darum ging, Menschen zum Reden zu bringen. Vielleicht sollte sie diesen Tipp mal an die Polizei weitergeben.

Shelby trat mit ihrem Tablett zu Victoria, die am Fenster stand.

„Ich liebe New York“, hauchte Victoria, während sie mit verklärtem Blick in Trevors Richtung starrte.

„Stell dir vor, er hat auch noch einen englischen Akzent.“

Victoria seufzte. „Wundervoll.“

„Allerdings scheint er sich auch sehr gut mit Max zu verstehen“, bemerkte Shelby kühl. „Damit steht er auf Platz zwei unserer Liste verdächtiger Personen in diesem Raum, ganz egal, wie gut er aussieht.“

„Bei mir steht er auf Platz eins.“ Victoria leckte sich über die Lippen.

„Komm wieder zu dir.“ Shelby wedelte mit der Hand vor dem Gesicht ihrer Freundin. „Max ist der Erzfeind beim Projekt Robin Hood. Er ist unser Sheriff von Nottingham. Und jeder, der ihm nahesteht, wird damit automatisch zu seinem Komplizen.“

„Stimmt. Und deshalb werde ich ihm zur genaueren Untersuchung mal ein wenig auf die Pelle rücken.“ Victoria machte einen Schritt in Trevors Richtung.

„Nicht so schnell, Sherlock.“ Shelby hielt ihre Freundin am Arm fest. „Ich denke, einfaches Observieren ist zunächst einmal die bessere Methode. Außerdem habe ich bereits Kontakt aufgenommen.“

„Ach ja?“

„Ich habe ihn zuerst gesehen.“

Viktoria verschränkte die Arme vor der Brust. „Wirklich?“

„Sein Name ist Trevor.“

„Trevor und weiter?“

Errötend zuckte Shelby die Schultern.

„Ein Gespräch, das nicht einmal lang genug dauerte, um seinen Nachnamen herauszufinden? Da kannst du ihm ja wohl nicht allzu nahe gekommen sein. Außerdem dachte ich, er wäre Feind Nummer zwei.“

Ja, das war er.

Und der bestaussehende Mann, den sie je gesehen hatte.

Es war, als ob das Schicksal ihr wieder einmal einen bösen Streich spielen wollte.

„Los, geh und plaudere mit ihm“, sagte sie zu Victoria. „Vielleicht kannst du ja seinen Nachnamen herausfinden.“

„Oh, nein. Der gehört nun dir ganz allein.“ Mit einem vielsagenden Lächeln nahm Victoria ihr das Tablett ab.

Nun, sie hatte es herausgefordert. Jetzt sollte sie mutig genug sein und die Gelegenheit ergreifen.

Auf dem Weg zu ihrem Opfer bemerkte Shelby, dass Trevor von mehr Frauen umringt war als Max. Das wunderte sie nicht. Max war zwar auch eine elegante Erscheinung, doch er war kleiner und ein wenig stämmiger als der gut aussehende Engländer, und sein Blick hatte etwas Verschlagenes.

Doch bevor sie in seine Nähe kommen konnte, wurde Shelby von einem anderen Gast aufgehalten. „Entschuldigen Sie. Ob ich wohl noch eine dieser köstlichen Pasteten bekommen könnte?“

„Natürlich, sofort.“ Shelby warf noch einen kurzen Blick in Trevors Richtung, dann eilte sie ins Schlafzimmer zurück.

Während sie dabei war, ein weiteres Tablett vorzubereiten, kam Trevor plötzlich ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

„Woher kennen Sie Max?“, fragte er ohne Umschweife.

„Er hat meinen Cateringservice für seine Party gebucht.“ Seine Neugier machte ihn nur noch verdächtiger. „Und woher kennen Sie ihn?“, fragte sie zurück. „Sie beide wirken wie alte Freunde.“

„Wir kennen uns sehr gut“, erwiderte er ausweichend und kam näher. „Und was ist mit der Journalistin und der kühlen Brünetten? Sind Sie mit den beiden befreundet?“

„Woher wissen Sie das?“, fragte sie, doch im gleichen Moment erkannte sie, dass sie in die Falle getappt war, weil sie seine Vermutung bestätigt hatte.

Sie war eine lausige Geheimagentin.

Trevor lächelte selbstbewusst. „Ich habe gesehen, wie Sie mit ihnen gesprochen haben. Die Brünette hat sogar Ihre Servierplatten aufgefüllt.“

„Sie sind ein aufmerksamer Beobachter.“

„Ich beobachte Sie gern.“ Er strich ihr eine Strähne aus der Stirn. Die unerwartet intime Geste verschlug ihr fast den Atem. „Sie fallen auf.“

„Sie auch“, flüsterte Shelby.

Sein eindringlicher Blick verunsicherte sie ebenso sehr wie seine körperliche Nähe.

Er war ein Freund ihres Feindes. Sie sollte nicht mit ihm flirten. Außerdem gehörte sie nicht zu den Frauen, die auf böse Jungs abfuhren.

Dennoch wich sie nicht zurück. Sie kämpfte um Gerechtigkeit für ihre Eltern.

Sie würde jetzt keinen Rückzieher machen.

Trevor kämpfte den Impuls nieder, die hübsche rothaarige Köchin in seine Arme zu ziehen und herauszufinden, warum ihre verführerischen haselnussbraunen Augen so sorgenvoll schauten. Er war schließlich nur hier, um Max vor einer weiteren Dummheit zu bewahren.

Doch er musste zugeben, dass Shelby Dixon mit ihrer zierlichen Figur und ihrer wilden Lockenmähne seine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellte.

„Hat es Sie nicht misstrauisch gemacht, dass ein Hotelbesitzer einen externen Cateringservice engagiert?“, versuchte er, das Gespräch wieder auf geschäftliche Themen zu lenken.

Sie zuckte die Schultern. „Die Hotelküche ist wohl unterbesetzt. Außerdem wollte meine Freundin Victoria einen Auftrag für ihre PR-Agentur an Land ziehen. Da habe angeboten, ihr behilflich zu sein.“

Ihre Erklärung klang einleuchtend. Vielleicht interpretierte er zu viel hinein in diese Party. Aber er hatte auch allen Grund, misstrauisch zu sein. „Nach heute Abend werden Sie sicher viele neue Aufträge erhalten. Auch von mir.“

„Freut mich zu hören. Was machen Sie denn beruflich?“

„Internationale Transporte. Aber ich hatte eher an eine private Dinnerparty gedacht. Was halten Sie davon?“

„Ich liebe Dinnerpartys, solange der Scheck gedeckt ist.“

Sie war schön und geschäftstüchtig. Er war jetzt schon hingerissen. „Eine kluge Einstellung.“

Nun holte sie einen Kalender aus ihrer Handtasche. „An welches Datum hatten Sie gedacht?“

„Nun ja, ich …“

Die blonde Journalistin steckte den Kopf zur Tür herein. „Shelby, die Gäste fragen nach mehr Krabbenpasteten und Geflügelspießchen.“ Sie warf einen kurzen Blick auf Trevor. „Man könnte meinen, diese Leute hätten seit Tagen nichts zu essen bekommen.“

„Gratisessen macht jeden Menschen zum Tier“, bemerkte Trevor.

„Hübsch formuliert.“ Die Blondine schmunzelte. „Darf ich das verwenden?“

Trevor machte eine altmodische Verbeugung. „Aber gern.“

„Mmh. Heiß und höflich.“ Sie zwinkerte ihm zu, dann zeigte sie auf Shelby. „Mehr Häppchen. Aber dalli.“ Und schon war sie wieder verschwunden.

Shelby räusperte sich. „Das ist meine andere Freundin, Calla. Sie schreibt als freie Journalistin für verschiedene Lifestyle-Magazine.“

„Ich weiß. Sie hat vorhin schon versucht, mich auszuquetschen.“

Irgendwas stimmte nicht mit diesem hübschen Frauentrio, das in Max’ Nähe aufgetaucht war, aber Trevor wusste beim besten Willen nicht, was.

Ging es um den Titel? Ein zukünftiger Earl galt in New York weitaus weniger als in London. Filmstars oder Sportler erregten hier mehr Aufmerksamkeit.

Die drei machten aber auch nicht den Eindruck, als seien sie hinter Geld her.

Trotzdem traute er ihnen nicht. Er traute niemandem so leicht. Zu oft hatten Menschen versucht, über ihn an seine einflussreiche Familie heranzukommen. Daher hatte er auch nicht vor, zu viel von sich preiszugeben, egal wie sehr ihm Shelby gefiel.

„Sie und Ihre Freundinnen sind anscheinend ein gutes Team“, stellte er fest.

„Wir halten zusammen.“ Gekonnt balancierte sie ihr Tablett auf der Schulter. „Vermutlich genau wie Sie und Ihre Freunde.“

Trevor nickte. „Natürlich“, sagte er, obwohl er insgeheim zugeben musste, dass er kaum Freunde hatte. Er hatte Bekannte, Geschäftspartner und gelegentlich auch flüchtige Liebschaften, aber niemanden, der ihm wirklich nahestand.

Nun ja, abgesehen von der Familie.

„Die Krabbenpasteten-Fans werden ungeduldig“, sagte sie. Er öffnete ihr die Tür, und sie warf ihm einen Blick zu. „Das hier ist der Rest, ich werde also in wenigen Minuten unauffällig die Flucht antreten müssen. Geben Sie mir dann Rückendeckung?“

„Selbstverständlich.“

„Rufen Sie mich an, wenn Sie entschieden haben, wann Sie Ihre Dinnerparty geben wollen.“ Sie reichte ihm eine Visitenkarte und verließ das Zimmer.

Er blickte ihr nach und seufzte.

Sein Plan, sich von dieser Frau fernzuhalten, war jetzt schon zum Scheitern verurteilt.

Es war fast Mitternacht, als Shelby ihren Wagen vor dem Lieferanteneingang des Hotels parkte. Gemeinsam mit ihren Freundinnen verlud sie das Equipment. Dabei unterhielten sich die Frauen über die enttäuschenden Ergebnisse dieses Abends.

Dank des ausgezeichneten Essens war es für Big Apple Catering zwar ein voller Erfolg gewesen, aber ihre Spurensuche hatte mehr Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert.

Wie vorhergesehen waren alle Krabbenpasteten und Geflügelhäppchen restlos verspeist worden. Zum Dessert hatte Shelby dann köstliche dunkle Schokoladentrüffel mit Himbeercreme serviert. Max und seine Gäste waren begeistert gewesen. Sie hatte Dutzende Visitenkarten verteilt. Dann, trotz seines Versprechens, sie vor der gierigen Meute zu retten, war Trevor plötzlich verschwunden.

Als hätte er sich in Luft aufgelöst.

Er war zweifellos raffiniert. Irgendwie hatte er es geschafft, ihr jede Menge Informationen über sich und ihre Freundinnen zu entlocken, ohne ihr auch nur seinen Nachnamen zu verraten, geschweige denn irgendetwas über seine Geschäfte.

Internationale Transporte. Das konnte ja alles bedeuten. Womöglich steckte er bis zum Hals in Schwarzhandel.

Calla reichte ihr einen Stapel schmutziger Servierplatten. „Ich habe nicht gerade viel aus Max herausbekommen.“

„Natürlich nicht“, bemerkte Victoria trocken, während sie die letzten Töpfe und Pfannen in den Ladekisten verstaute. „Er ist Profi. Ein aalglatter Experte in Sachen Vertuschung und Irreführung.“

„Ich bin auch ein Profi“, entgegnete Calla missmutig. „Trotzdem habe ich ihn nicht dazu kriegen können, sich auf einen Interviewtermin festzulegen. Außerdem hat er nicht das Geringste über seine geschäftlichen Pläne erzählt – falls es welche gibt.“

„Immerhin haben wir in Erfahrung gebracht, dass er irgendwann nächste Woche eine Investorenversammlung veranstaltet“, erinnerte Victoria sie.

„Aber Investoren für was?“, fragte Calla.

„Wahrscheinlich für seinen Plan B, falls die Sache mit dem Hotel in die Hose geht.“ Victoria klopfte sich den Staub von ihrem eleganten schwarzen Hosenanzug. „Er hat offensichtlich nicht die geringste Ahnung von der Branche.“

Seufzend ließ sich Calla auf der Ladefläche nieder. „Wir müssen irgendwie an eine Einladung für diese Investorenversammlung kommen.“

Shelby war ebenso frustriert wie ihre Freundinnen. „Warum habe ich nur so blauäugig dahergequatscht und ihm so viel verraten?“

Calla blickte sie irritiert an. „Wem? Max?“

„Trevor“, erklärte Victoria, bevor Shelby antworten konnte. „Aber du hast ihm doch gar nichts verraten. Du hast ihm unsere Tarngeschichte erzählt.“

Shelby dachte an das herausfordernde Glitzern in seinen Augen. „Ich glaube, er wusste, dass wir etwas im Schilde führen.“

Beruhigend legte Calla ihr den Arm um die Schultern. „Mach dir darüber keine Gedanken.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich bin sicher, dass ich diesen Typ schon mal irgendwo gesehen habe, ich weiß nur nicht mehr wo.“

„Ich werde mich mal umhören, ob jemand etwas über diese Anlegerversammlung weiß“, versprach Victoria. „Wenn Max für sein nächstes Projekt Geld braucht, steht meine Familie sicher ganz oben auf seiner Liste. Mach dich nicht verrückt. Wir werden diesem Kerl schon das Handwerk legen.“

Dankbar sah Shelby sie an. Die Unterstützung ihrer Freundinnen bedeutete ihr viel. Sie hatten sich immer gegenseitig beigestanden – bei Liebeskummer, Kündigungen und Familien­dramen. Sicher würden sie auch dieses Problem gemeinsam bewältigen.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als plötzlich Schritte zu hören waren.

Neugierig blickte sie auf, um zu sehen, wer da kam.

Trevor.

„Guten Abend, meine Damen.“

Sein rabenschwarzes Haar glänzte im Licht der Straßenlaterne. Sein maßgeschneiderter Anzug betonte perfekt seine hochgewachsene Statur mit den breiten Schultern. Seine blauen Augen funkelten.

„Tolle Party“, sagte er und blieb direkt vor Shelby stehen.

„Äh … danke.“

Ihre Freundinnen murmelten irgendetwas von vergessenen Handtaschen und machten sich übertrieben unauffällig aus dem Staub.

„Wo waren Sie?“, fragte Shelby ein wenig vorwurfsvoll. „Sie sagten, dass Sie mich vor der hungrigen Meute beschützen würden, und dann sind Sie einfach verschwunden.“

„Tut mir leid. Ich musste einen wichtigen Anruf entgegennehmen.“

„Von wem?“

Er trat so dicht vor sie, dass sich ihre Körper fast berührten, und legte die Hand an ihre Wange. „Von meinem Vater.“

„Ist alles in Ordnung mit ihm?“, fragte Shelby besorgt.

„Es geht ihm gut. Er ist wütend, aber das ist nichts Ungewöhnliches.“

Sein Blick und die warme Berührung seiner Hand brachten Shelby völlig aus der Fassung. „Ich verstehe ni…“

Noch bevor sie weitersprechen konnte, küsste er sie.

Dabei berührte er nur ganz sachte ihre Lippen. Als wollte er ihr Raum geben. Als ob er auf ihr Einverständnis wartete. Es war romantisch, bezaubernd, verlockend. Es war, als wüsste er, dass er eine Grenze überschritten … und dass sie ihn nicht zurückweisen würde.

Das hatte Shelby nicht vor.

Sie kannte ihn nicht. Sie misstraute ihm sogar.

Doch er hatte etwas an sich, das sie fesselte.

Sie schlang die Arme um seinen Nacken, schmiegte sich an ihn und erwiderte den Kuss.

Er antwortete mit hungriger Leidenschaft, neigte seinen Kopf tiefer und erkundete ihren Mund mit der Zunge. Sie schmolz in seinen Armen wie Schokolade in der Sonne. Tief atmete sie seinen warmen Duft nach Sandelholz ein. Sie spürte die Hitze seines starken Körpers und ließ alles geschehen.

Als sie sich voneinander lösten, trafen sich ihre Blicke.

„Du hast recht“, flüsterte Shelby ein wenig atemlos. „Eine verdammt tolle Party.“

3. KAPITEL

Trevor starrte aus dem Fenster hinunter auf die Straßen Manhattans, in denen das übliche nachmittägliche Verkehrschaos herrschte. Eigentlich sollte er sich Sorgen um seinen Bruder machen, doch stattdessen musste er immer wieder an Shelby und diesen unglaublichen Kuss gestern Abend denken.

Er war zu weit gegangen, aber er bereute es keine Sekunde.

Sein Verantwortungsgefühl gegenüber seiner Familie verblasste angesichts der Leuchtkraft und des strahlenden Lächelns dieser Frau.

Dennoch war er vernünftig genug, die Entschlossenheit in Shelbys Blick zu erkennen. Sie hatte ihr Ziel offensichtlich klar vor Augen. Er wusste nicht, was es war, aber er war sicher, dass es irgendetwas mit Max zu tun hatte.

Gestern Abend hatte er ein sehr unerfreuliches Gespräch mit seinem Vater geführt. Der Earl war außer sich vor Wut, dass sein guter Name in amerikanischen Klatschspalten auftauchte.

„Du wirst diese Situation doch wohl unter Kontrolle bringen, Trevor“, hatte er gefordert. „Mir stehen einige wichtige Anhörungen im Parlament bevor. Ich habe keine Zeit für solchen Unfug.“

„Ich werde mich darum kümmern, Sir.“

Trevor wusste, dass er in den Augen seines Vaters versagt hatte.

Doch was sollte er tun, wenn Max einfach nicht auf ihn hörte? Sein Bruder weigerte sich nach wie vor, erwachsen zu werden. Stattdessen flog er lieber nach Las Vegas und verprasste sein Geld.

Trotz allem war Trevor froh, dass er nicht selbst die Last des Titels tragen musste. Er durfte seine Zukunft nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Und dazu gehörten ganz sicher keine Parlamentsdebatten und keine zugigen Landschlösser.

Er hatte ein eigenes Unternehmen zu führen.

Mit diesem Gedanken wandte er sich wieder dem Stapel von Verträgen und Schriftstücken auf seinem Schreibtisch zu, die auf seine Unterschrift warteten.

Er hatte kaum ein paar Seiten gelesen, als die Gegensprechanlage summte.

„Eine Shelby Dixon ist hier“, sagte Florence. „Sie hat keinen Termin, aber sie sagt, dass du sie dennoch empfangen würdest.“

Nicht nur das. Er sehnte sich förmlich danach, sie zu sehen.

„Schick sie bitte herein zu mir“, erwiderte er und hoffte, dass seine Stimme seine Aufregung nicht verriet.

Er stand auf. Sein Herz schlug schneller. Irgendwie war es Shelby gelungen, ihn zu finden, und er war nicht sicher, ob er beeindruckt oder eher besorgt sein sollte.

Selbstbewusst trat Shelby in sein Büro. Sie deutete ironisch einen Hofknicks an. „Eure Lordschaft.“

„Äh … nein“, erwiderte er gequält und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und ließ sich dann auf seinem Chefsessel nieder. „Ich habe keinen Titel. Und obwohl der Portier in meinem Apartmenthaus darauf besteht, mich Mr Banfield zu nennen, bevorzuge ich Trevor.“

„Dein Vater ist der Earl of Westmore“, erklärte sie anklagend und ihre Augen blitzten.

„Ja, das ist er“, antwortete Trevor ruhig. „Aber ich bin der zweite Sohn. Das heißt, ich bin nur dann von Bedeutung, wenn der erste Sohn stirbt. Aber keine Sorge. Er erfreut sich bester Gesundheit.“

„Dein älterer Bruder ist Maxwell Banfield.“

Da sie die Verbindung selbst herausgefunden hatte, gab es keinen Grund mehr zu leugnen. „Ja, das ist er.“

„Und du warst gestern Abend auf der Party …“

„Um meinem Bruder zu seinem Erfolg zu gratulieren.“

„Du hast mir nicht gesagt, dass er dein Bruder ist.“

Er lächelte. „Habe ich nicht?“

„Nein.“

„Es spielt ja auch keine Rolle.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Das sehe ich anders.“

Trevor zuckte die Schultern. Ihm gefiel ihre misstrauische Natur. Es gefiel ihm, dass sie ihm seine Geschichte nicht abkaufte. Und ihm gefiel, dass sie seine Ahnenreihe nicht im Mindesten zu beeindrucken schien.

Sie war einfach nur wütend auf ihn.

War das nicht großartig?

„Hat Max seine Rechnung nicht bezahlt?“, fragte er.

„Doch, hat er.“

„Hat er dich angemacht?“

„Nein.“

„Bitte entschuldige. Er hatte immer schon einen miserablen Geschmack, was Frauen angeht.“

„Ich wollte nicht, dass er …“ Sie unterbrach sich. „Du tust so, als ob du nicht wüsstest, warum ich sauer bin.“

„Nun, ich bin sehr froh, dass du hier bist, aber ich habe wirklich keinen Schimmer, warum du so aufgebracht bist.“

„Du hast mich geküsst.“

„In der Vergangenheit gab es in dieser Hinsicht noch nie Anlass zur Beschwerde“, sagte er ehrlich überrascht. „Könntest du genauer erklären, inwiefern ich dich enttäuscht habe?“

Shelby beugte sich über den Schreibtisch. „Und könntest du mir erklären, warum ein englischer Akzent auch die absurdesten Fragen intelligent klingen lässt?“

Ihre Direktheit war bezaubernd … genau wie ihre körperliche Nähe.

Er neigte sich zu ihr. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. „Das ist eine faszinierende Debatte. Warum unterhalten wir uns nicht heute Abend beim Dinner darüber?“

„Nicht so schnell, Eure Lordschaft. Du hast mich geküsst, obwohl du mir absichtlich deine Identität verheimlicht hast. Ich habe nur herausgefunden, wer du bist, weil Calla in einem Wirtschaftsmagazin einen Artikel über dich und dein erfolgreiches Unternehmen entdeckt hat.“ Trotzig hob sie das Kinn. „Wenigstens weiß ich jetzt, dass du legale Waren durch die Welt transportierst.“

„Was hast du denn gedacht? Gefälschte Designerhandtaschen?“

„Zum Beispiel. Aber ich hatte eigentlich eher an etwas Pharmazeutisches gedacht.“

Na großartig. Die Frau, nach der er total verrückt war, hielt ihn für einen Drogendealer. „Ein Grund mehr, mit mir essen zu gehen. Es gibt da ein sehr gutes italienisches Restaurant unten an der Straße.“

Sie sah ihn prüfend an. „Warum wolltest du nicht, dass ich weiß, wer du bist?“

„Ich posaune meinen familiären Hintergrund nicht gern aus. Es führt leicht dazu, dass Menschen sich … anders verhalten.“

„Schmarotzer?“

Er nickte lächelnd. „Ganz genau.“

„Warum spricht dein Bruder nicht so wie du?“

„Max hat sich einen amerikanischen Akzent angeeignet. Er passt sich gern an.“

Ihrem Blick nach zu urteilen, fand sie das ebenso seltsam wie er, aber er hatte wirklich keine Lust, Max’ Eigenheiten zu diskutieren.

„Dein Akzent gefällt mir besser.“ Ihre Augen schimmerten jetzt golden. „Ist das italienische Restaurant, von dem du gesprochen hast, zufällig Giovanni’s?“

Fasziniert beobachtete Trevor, wie sich ihre Augenfarbe mit ihrer Stimmung veränderte. Mit den Fingerspitzen strich er sanft über ihren Arm. „Ja, das ist es.“

Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Ich hätte schon ein wenig Hunger.“

„Hervorragend. Vielleicht können wir ja auch noch an meiner Kusstechnik arbeiten. Es wäre mir sehr unangenehm, dich ein zweites Mal zu enttäuschen.“

„Hattest du vor, während des Essens zu trainieren?“

„Ich könnte ausnahmsweise bis danach warten.“

Sie senkte ihren Blick auf seinen Mund. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob das Pesto so gut ist, wie ich es in Erinnerung habe.“

Lustvolle Vorfreude jagte heiße Schauer durch seinen Körper. „Ich werde beim Chefkoch persönlich reservieren.“

„Sein Name ist Mario.“

Er trat um den Schreibtisch und half ihr auf. „Er ist aber kein messerwetzender Cousin oder Liebhaber von dir, oder?“

„Mein Cousin betreibt eine Autowaschanlage in Florida, und einen Liebhaber habe ich nicht.“

„Dabei habe ich immer geglaubt, die New Yorker Männer hätten Geschmack. Das war offensichtlich ein Irrtum.“ Er öffnete die Bürotür und ließ Shelby den Vortritt. „Ich bin außer Haus, Florence.“

„Für den Rest des Tages?“, fragte seine Sekretärin ungläubig. „Es ist doch erst kurz nach fünf.“

„Es ist Freitag. Geh nach Hause. Genieß deinen Feierabend.“

„Oh, ich weiß noch, wie das geht. Du auch?“

„Natürlich weiß ich das.“ Trevor warf Florence einen warnenden Blick zu. Hoffentlich plauderte sie jetzt bloß nicht aus, was für ein Workaholic er war.

„Aber dann bekommst du diese Woche ja gar kein Fleißsternchen“, rief sie ihm nach.

„Auf Wiedersehen, Florence“, sagte er, ohne auf ihre ironische Bemerkung einzugehen.

Zu seiner Erleichterung lachte Shelby. „Und ich dachte schon, wir hätten nichts gemeinsam. Meine Freunde sagen mir auch andauernd, ich solle weniger arbeiten und mehr Spaß haben.“

„Leicht gesagt, wenn man nicht die Verantwortung für eine eigene Firma trägt.“

„Stimmt.“

Sie stiegen in den Aufzug.

„Ist dein Bruder ein Betrüger?“, fragte Shelby unvermittelt.

Vor Schreck wäre Trevor beinahe gestolpert. „Nein. Warum fragst du?“

Sie zuckte die Schultern. „Ach, nur so.“

Aus dem lauen Frühlingsabend trat Calla durch die Eingangstür der Polizeiwache hinein ins Chaos.

In einer Ecke des großen, schäbigen Warteraums stand eine Gruppe von Leuten, die sich lautstark stritten. Zwei ältere Frauen heulten unentwegt. Ein paar kleine Kinder kletterten über die schmutzigen Plastikstühle, während ihre Mutter neben ihnen in ihr Handy keifte.

Über dem ganzen Gewimmel thronte eine Beamtin hinter einem hohen Schalter und blätterte gelangweilt in einer Illustrierten.

Calla holte tief Luft und trat zu ihr. „Ich muss mit jemandem aus dem Betrugsdezernat sprechen.“

„Termin?“, fragte die Frau, ohne aufzublicken.

Musste man einen Termin haben, um eine Straftat zu melden? „Nein, es ist ziemlich dringend. Wenn ich bitte mit jemandem …“

„Ist jemand in Gefahr?“

„Allerdings. Die Eltern meiner Freundin Shelby haben diesem Typen ihre ganzen Ersparnisse anvertraut, und der hat sich dann damit aus dem Staub gemacht. Aber wir haben herausge…“

Die Frau blickte müde auf. „Befindet sich jemand in Lebensgefahr?“

Calla blinzelte irritiert. „Äh … nein, aber …“

„Alle sind beschäftigt.“ Die Beamtin wandte sich wieder ihrer Zeitschrift zu.

Calla wusste, dass man mit Charme weiter kam als mit Konfrontation.

„Mir ist klar, dass Sie außerordentlich beschäftigt sind“, flötete sie. „Aber ich habe Informationen zu einem Betrugsfall, die wirklich sehr …“

„Sind Sie betrunken?“, fragte die Frau misstrauisch.

„Nein, natürlich nicht.“

„Wissen Sie, dass es Freitagabend ist?“

„Ja, natürli…“

„Dann verschwinden Sie.“

Okay, möglicherweise wurde Charme überschätzt.

In diesem Moment erschien ein stämmiger Polizist am anderen Ende des Raumes. Eilig lief Calla zu ihm, bevor ihr irgendjemand anders zuvorkommen konnte. „Ich muss mit jemandem vom Betrugsdezernat sprechen.“

Er sah unbeeindruckt aus. „Tut mir leid, aber ich …“

„Bitte. Es ist ein Notfall.“

„Das ist es immer.“ Seufzend deutete er in den Flur, aus dem er gerade gekommen war. „Sechste Tür links. Detective Antonio.“

„Don!“, rief die Beamtin am Empfangsschalter und sprang auf die Füße.

„Was zum Teufel soll ich denn machen, Mary?“, donnerte er zurück. „Ich muss mich hier um einen versuchten Mord kümmern.“

Ohne auf den Streit zu achten, eilte Calla durch den Gang.

Hoffentlich waren hier nicht alle so übellaunig wie die Dame am Empfang. Sie klopfte an die angegebene Tür und trat ein.

In dem Dienstzimmer war es angenehm ruhig.

Nur eine Person befand sich im Raum. Ein dunkelhaariger Mann, der auf einer Computertastatur tippte. Seine Hände waren groß, und sein zerknittertes schwarzes Hemd spannte über seinen breiten Schultern. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt, sodass seine muskulösen, gebräunten Unterarme zu sehen waren.

Kein Mann, mit dem man sich anlegen sollte.

„Detective Antonio?“, fragte Calla zaghaft.

Er blickte auf. Sein markantes Gesicht war gut aussehend, aber unfreundlich.

„Ja?“, erwiderte er und musterte sie von Kopf bis Fuß.

Sein Blick blieb abweisend, und Calla bekämpfte ein Gefühl der Kränkung. Normalerweise konnte sie sich ihrer Wirkung auf Männer sicher sein.

Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Mein Name ist Calla Tucker.“

Er erhob sich seufzend und ergriff ihre Hand. „Devin Antonio“, sagte er knapp und deutete auf einen Stuhl. „Reporter sollten eigentlich im Presseraum warten.“

„Ich bin keine Reporterin“, winkte sie ab. „Okay, ich war mal eine. Aber jetzt bin ich Autorin. Hauptsächlich Reiseberichte und Interviews für Lifestyle-Magazine.“

„Und was wollen Sie? Ein Interview?“ Er blickte auf seine Armbanduhr. „Um sieben Uhr an einem Freitagabend?“

„Nein, kein Interview. Und warum erinnern mich alle immerzu an die Uhrzeit? Ich dachte, eine Polizeiwache wäre rund um die Uhr geöffnet.“

„Ist sie auch, aber ich habe nicht rund um die Uhr Dienst. Ich wollte gerade gehen.“

„Sie haben doch eben noch getippt.“

„Ich habe nur einen Bericht zu Ende geschrieben. Stecken Sie in irgendwelchen Schwierigkeiten, Miss?“

„Nennen Sie mich Calla, und nein, es geht nicht um mich, sondern um meine Freundin Shelby. Genauer gesagt, um ihre Eltern.“

Bevor er sie unterbrechen konnte, berichtete Calla ihm die ganze Geschichte, wie Max Banfield die Dixons um all ihre Ersparnisse gebracht hatte.

„Ich habe Aussagen von sechs weiteren Ehepaaren“, sagte sie schließlich und holte den Umschlag mit ihren Unterlagen heraus. „Sie alle bezeugen, dass Max Banfield sie betrogen hat.“

Der Detective warf nicht einmal einen Blick auf den Umschlag, den sie ihm auf den Tisch gelegt hatte. „Finanzanlagen bergen ein gewisses Risiko. Ich bin sicher, dass Mr Banfield das seinen Klienten erklärt hat.“

„Aber er hat das Geld ja gar nicht angelegt. Er hat sich einfach damit aus dem Staub gemacht.“

„Sehen Sie, Miss …“

„Calla.“

„Na gut, Calla.“ Er schob den Umschlag zu ihr zurück. „Ich arbeite zurzeit an zehn ungeklärten Fällen. Und es sieht ganz so aus, als ob einer von ihnen ans Morddezernat weitergeleitet werden muss, da die Hafenpolizei vor zwei Stunden meinen Hauptverdächtigen tot aus dem East River gefischt hat.“

Sie schob den Umschlag wieder zu ihm. „Dann haben Sie ja nur noch neun ungeklärte Fälle und Zeit genug für einen weiteren.“

„Falsch. Ich werde in den nächsten Tagen ausschließlich dem Morddezernat zuarbeiten müssen. Das bedeutet, dass sich sogar noch mehr Arbeit anhäuft.“

Enttäuscht stand Calla auf und wandte sich ab. Shelby und Victoria hatten recht gehabt. Hier verschwendete sie nur ihre Zeit.

„Ihr Material ist vor Gericht nicht verwertbar“, erklärte er. „Diese Leute müssen ihre Aussage gegenüber einem Polizeibeamten wiederholen.“

„Dann befragen Sie sie.“ Calla war erleichtert, dass er wenigstens einen Blick in die Unterlagen geworfen hatte. „Mrs Rosenberg wohnt gleich hier um die Ecke, und sie hat mir gesagt, dass sie schon vor Monaten Anzeige erstattet hat. Warum tun Sie nichts?“

„Die Fälle betreffen unterschiedliche Staaten. Da ist die Bundespolizei zuständig.“

Calla beugte sich vor und stützte sich auf dem Tisch ab. „Ach, das ist doch völliger Unsinn. Solange Banfield nicht mit geladener Knarre eine Bank überfällt, wird sich die Bundespolizei nie mit dem Fall befassen. Und warum sollte er Gewalt anwenden? Für ihn läuft doch alles wie geschmiert. Er ist absolut gewissenlos.“

Der Detective lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Woher zum Teufel kommen Sie?“

„Texas.“

„Das erklärt so einiges.“

Calla wusste wirklich nicht, wie sie das alles finden sollte. Oder ihn. Sie war es nicht gewohnt, sich zu jemandem hingezogen zu fühlen, der so abweisend war.

„Ich darf mit Ihnen nicht über unsere Vorgehensweise sprechen“, sagte er und sah nicht mehr ganz so mürrisch aus. „Aber ich will nicht, dass Sie hier auf eigene Faust den Rächer spielen. Ich weiß über Banfield Bescheid. Einer unserer Leute hat Mrs Rosenberg befragt, aber wir konnten niemanden finden, der ihre Aussage bestätigen konnte.“ Er klopfte mit dem Zeigefinger auf den Umschlag. „Ich werde mir die Aussagen der anderen Opfer ansehen, aber ich kann Ihnen nichts versprechen.“

Sie lächelte. „Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich anzuhören.“

Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich. „Das gehört zu unserem Bürgerservice.“

„Gut zu wissen.“

„Und, Calla. …“ Jetzt sah er wieder so finster drein wie zuvor – was seiner Attraktivität keinerlei Abbruch tat. „Wir sollten diese Informationen für uns behalten. Lassen Sie mich meine Arbeit machen. Und halten Sie sich von Banfield fern. Nehmen Sie in keiner Weise Kontakt zu ihm auf. Verstanden?“

„Oh, natürlich.“ Calla dachte schuldbewusst an die Party gestern Abend. „Ich nehme an, dass die New Yorker Polizei nichts für Selbstjustiz übrig hat.“

„Darauf können Sie Ihren niedlichen texanischen Hintern verwetten.“

4. KAPITEL

„Es war köstlich, Mario.“ Shelby schenkte dem italienischen Chefkoch ein strahlendes Lächeln. „Ich hätte zu gern das Rezept für deine Marinara-Sauce.“

Mario hob den Zeigefinger. „Das verrate ich nicht einmal dir, bella.“

„Wie wär’s mit einem Tausch? Ich bringe dir vier Dutzend Schokoplätzchen, und du gibst mir dafür vier Gläser dieser wundervollen Sauce?“

Mario nickte. „Das ist eine tolle Idee.“

Zufrieden seufzend lehnte sich Shelby zurück. Sie mochte ja in einer finanziellen Zwickmühle stecken, doch die besten Dinge im Leben waren mit Geld nicht zu bezahlen.

Sie wandte sich wieder Trevor zu. „Tut mir leid. Aber bei gutem Essen werde ich schwach. Berufskrankheit.“

Er ergriff ihre Hand, hob sie an seinen Mund und küsste sie. Die altmodische Geste war bezaubernd. „Ich muss zugeben, dass das Essen hier immer ausgezeichnet ist, aber ich bin noch nie mit so viel Aufmerksamkeit bedient worden.“ Er grinste. „Im Gegensatz zu dir bin ich vermutlich nicht Marios Typ.“

„Ach, du liebe Güte. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.“

„Wirklich? Nun, ich bin nicht sicher, ob seiner Frau seine intensive Gästebetreuung gefallen würde.“

Seine besitzergreifende Art sollte sie eigentlich stören. Doch das tat sie nicht. „Bist du etwa eifersüchtig?“

„Ich mag auch gerne Plätzchen.“

Sie rutschte in der kleinen Nische, in der sie saßen, ein wenig näher an ihn heran. „Wie viele möchtest du denn?“

„Wenn Mario vier Dutzend bekommt, will ich mindestens fünf.“

„Ich könnte dir auch noch ein paar Preiselbeertörtchen dazutun. Deren Reiz liegt in der leichten Säure.“

„Ich mag es süßsauer.“

Eigentlich hatte Shelby seine Einladung angenommen, um ihn auszuhorchen, doch bis jetzt hatte sie kaum einen Gedanken an das Robin-Hood-Projekt verschwendet. Sie vermied das Thema sogar bewusst. Und je länger der Abend dauerte, desto schuldiger fühlte sie sich, weil sie Trevor ihre wahren Motive verschwieg.

Das Dinner war wundervoll gewesen. Und Trevor war ein intelligenter und aufmerksamer Gesprächspartner. Gelegentlich blitzte sein britischer Humor auf, doch er hatte auch viele amerikanische Gewohnheiten übernommen. Und er hatte es offensichtlich aus eigener Kraft zu etwas gebracht.

Sie versuchte, sich einzureden, dass sie nur deshalb so beeindruckt war, weil ihr letztes Date bereits Monate zurücklag. Doch tief in ihrem Innern wusste sie, dass Trevor überall und jederzeit beeindruckend war.

„Wann soll ich dir die Plätzchen vorbeibringen?“, fragte sie.

„Wie wär’s mit Dienstag? Dann können wir sie als Dessert essen, nachdem ich dich in ein fantastisches Steakhaus ausgeführt habe. Kennst du das Palo’s?“

Sie würde mit Trevor auch zu Abend essen, wenn er sie zum Hotdog an irgendeiner Imbissbude einladen würde. Und sie konnte auch ganz bestimmt ihre Beziehung zu ihm von ihrem Rachefeldzug gegen seinen Bruder trennen. Das Thema Max war einfach tabu. Kein Problem.

„Ich würde sehr gern am Dienstag mit dir essen gehen“, antwortete sie.

Er hauchte einen flüchtigen Kuss auf ihre Lippen. Ein Kuss wie ein leises Versprechen. „Heißt das, Date Nummer zwei ist gesichert, bevor Date Nummer eins vorbei ist? Und ich hatte schon befürchtet, dass meine kümmerliche Kusstechnik meine Chancen mindern würde.“

„Deine Technik ist völlig in Ordnung.“

„Nur in Ordnung?“

„Ich habe mich nicht über deinen Kuss beschwert – nur darüber, dass du mir nicht gesagt hast, wer du bist.“

„Wir Banfield-Männer gelten im Allgemeinen als überaus charmant. Mein Urgroßvater hatte jede Menge Mätressen, und mein Großvater war viermal verheiratet. Mein Vater ist etwas aus der Art geschlagen, weil er nach der Scheidung von meiner Mutter Single geblieben ist.“

Shelby zog die Augenbrauen hoch. „Und wie viele Ehefrauen möchtest du haben?“

„Mit reicht eine. Aber dafür bin ich ausgesprochen wählerisch. Etwa so wie du, wenn es darum geht, wer dich küssen darf.“

„Entschuldige mein Misstrauen. Aber in dieser Stadt gibt es viele Männer, die mit einer Frau nur spielen wollen.“

Er sah sie ernst an. „Denkst du, dass ich bloß mit dir spiele?“

Nein. Wahrscheinlich nicht. Außerdem konnte sie angesichts ihrer eigenen Geheimniskrämerei wohl kaum volle Offenheit von ihm erwarten. „Vielleicht sollten wir es noch einmal versuchen. Ich meine das Küssen. Um zu sehen, ob der Kuss letzte Nacht nur ein Glückstreffer war.“

„Ich nehme die Herausforderung an.“

Das Verlangen in seinen schönen blauen Augen machte sie ganz schwindelig. „Warum ich?“, hätte sie beinahe gefragt. Er hätte jede haben können – vermutlich hatte er viele gehabt. War sie vielleicht doch zu vertrauensselig?

Aber wenn Trevor im Auftrag seines betrügerischen Bruders Frauen umgarnte, hätte er sich auf der Party ganz sicher an Victoria herangemacht. Ein so weltgewandter Mann wie er hätte doch bestimmt gemerkt, dass sie Chanel trug. Da konnte Shelby in ihrer schlichten Arbeitskluft nicht mithalten.

Vielleicht stand er aber auch einfach auf Rothaarige.

Statt andauernd jede Kleinigkeit zu analysieren, sollte sie den Abend lieber genießen. Wer wusste schon, wie lange Trevors Interesse an ihr anhalten würde?

Die Kellnerin kam, um ihre Teller abzuräumen. Sie empfahl ihnen Tiramisu zum Nachtisch, und sie beschlossen, sich eine Portion zu teilen.

Als sie wieder allein waren, streichelte Trevor über Shelbys Rücken, so selbstverständlich, als ob er das schon tausende Male getan hätte. Offensichtlich mochte er Körperkontakt. Wie die Leute zu Hause in Georgia. Das gefiel ihr. Die New Yorker waren in dieser Hinsicht viel zurückhaltender.

„Übrigens habe ich das gestern auf Max’ Party ernst gemeint“, sagte er.

Die Erwähnung von Max’ Namen ließ sie zusammenzucken. Es war also doch nicht so leicht, Romantik und Rache voneinander zu trennen.

Sie trank einen Schluck Wein. „Was denn?“

„Die Dinnerparty, die ich plane.“

Erleichtert atmete sie aus. „Oh ja, richtig.“

Er blickte sie aufmerksam an. „Es macht dir doch nichts aus, übers Geschäft zu reden, oder?“

„Nein, überhaupt nicht.“ Sie lächelte und hoffte, dass er ihren Moment des Unbehagens nicht bemerkt hatte.

Beim Cappuccino besprachen sie alle Details des Abendessens, zu dem er ein paar Kunden einladen wollte. Er betonte, dass er es nicht zu elegant haben wollte. Seine Geschäftspartner führten ein kleines Familienunternehmen, und Whiskey war ihnen lieber als teurer Rotwein.

Deshalb schlug ShelbySteaks und Kartoffeln mit einem leichten Beilagensalat vor. Sie würde alle Zutaten direkt zu ihm liefern lassen. Als er ihr die Adresse seines Apartments in einer der teuersten Wohnlagen von New York nannte, hätte sie sich beinahe verschluckt.

„Mein Geschäft läuft ganz gut“, bemerkte er beiläufig.

„Du arbeitest sicher sehr viel“, sagte sie.

„Genau wie du.“

„Aber in deinem Gewerbe verdient man offensichtlich viel mehr als in der Gastronomie.“

Lachend legte er ihr den Arm um die Taille und zog sie zu sich heran. „Trotzdem werden wir jederzeit von Jungs übertrumpft, die einen Ball in ein Tor schießen können. Ja, es ist eine seltsame Welt.“

Nachdem er die Rechnung bezahlt hatte, gingen sie hinaus und stiegen in ein Taxi.

„Ich bin überrascht, dass du keine eigene Limousine hast.“

„Ich bin lieber ein normaler New Yorker.“ Er verschränkte seine Finger mit ihren, als sie nebeneinander auf dem Rücksitz saßen. „Und wie ich schon sagte, ich bin der zweite Sohn. Natürlich hat man sich um meine Sicherheit, Gesundheit und Ausbildung gekümmert. Aber ansonsten war ich ziemlich auf mich allein gestellt.“

„Was war denn mit deinen Eltern?“

„Sie haben sich scheiden lassen, als ich fünf war. Mein Vater war ein viel beschäftigter Parlamentsabgeordneter. Und meine Mutter machte es sich zum Hobby, mit jedem Tennislehrer Englands ins Bett zu steigen. Als mein Vater dahinterkam, jagte er sie aus dem Haus. Es war eine ziemlich bittere Scheidung. Danach hat sich mein Vater hauptsächlich darauf konzentriert, den perfekten Erben für seinen Titel zu formen.“ Er zuckte die Schultern. „Na ja, jeder muss wohl mit Fehlschlägen im Leben klarkommen.“

„Und was war mit dir?“

„Ich habe nie einen Anspruch auf den Titel gehabt, und ich habe ihn auch nie gewollt. So bin ich frei, mein Leben zu gestalten, wie es mir passt.“

„Hat sich denn niemand um dich gekümmert?“, fragte Shelby empört.

„Ich hatte Florence. Sie war damals mein Kindermädchen.“

„Trotzdem …“ Shelby legte eine Hand auf seine Brust und spürte seinen starken, gleichmäßigen Herzschlag. „Warum bist du nicht wütend?“

„Familie kann man sich nicht aussuchen. Und abgesehen von dem vornehmen Getue sind die Banfields nun einmal seit Jahrhunderten Teil der englischen Geschichte. Es liegt in meiner Verantwortung, die Familie in Ehren zu halten, so gut ich kann. Ich könnte mir vorstellen, dass du für deine Familie auch alles tun würdest.“

Shelby senkte den Blick. Sie tat wirklich so einiges für ihre Familie. Trotzdem hatte sie wochenlang über die Last geklagt, die ihre Eltern ihr aufgeladen hatten. Trevors Hingabe zu seiner Familie mit all ihren Fehlern und Schwächen beschämte sie.

Das Taxi hielt vor dem kleinen Backsteingebäude in Chelsea, in dem Shelby wohnte. Die Straßenlaternen beleuchteten die Bäume, die den Gehweg säumten. Es war ein Traum, hier zu leben.

Trevor zahlte das Taxi, dann begleitete er Shelby zur Haustür. „Eine schöne Gegend“, stellte er fest.

„Meine Vermieterin ist eine dankbare Kundin. Sie ist stinkreich. Und solange ich ihr jedes Jahr eine spektakuläre Geburtstagstorte backe, überlässt sie mir mein Apartment für eine ziemlich bescheidene Miete.“

Shelby war stolz auf ihr Zuhause. Nur wenige Leute mit ihrem Einkommen konnten sich eine so hübsche Wohngegend leisten. „Möchtest du auf einen Kaffee mit raufkommen?“

„Ich würde sehr gern mit raufkommen. Aber nicht, um Kaffee zu trinken.“ Er legte einen Arm um ihre Taille und hielt mit der anderen Hand ihr Kinn. „Ich sollte besser gehen.“

Trotz seiner Worte kam er immer näher und küsste sie. Er tauchte die Zunge zwischen ihre Lippen. Die lockenden Berührungen ließen ihren Körper bis in die Zehenspitzen kribbeln. Sie lehnte sich an seine muskulöse Brust und spürte die Wärme seiner Haut unter dem Hemd.

Er weckte Gefühle in ihr, die aufregender und betörender waren als alles, was sie bislang gekannt hatte.

Alles an ihm faszinierte sie. Gern hätte sie mehr über ihn gewusst. Zum Beispiel, ob es ihn ebenso viel Überwindung gekostet hatte wie sie, von zu Hause fortzuziehen, um sein Glück in New York zu suchen. Sie fragte sich, ob ihn die Gleichgültigkeit seines Vaters zu seinem Erfolg angespornt hatte. Sie sehnte sich danach, alles über ihn zu erfahren, von seiner politischen Meinung über seine Lieblingsmusik bis hin zu seinem Lieblingsessen.

In ihr entbrannte ein heißes Verlangen, wie sie es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, und als sie seinen Kuss erwiderte, spürte sie, dass ihre Herzen im Gleichklang schlugen.

„Und?“, fragte er und löste sich von ihren Lippen.

Shelby war noch ganz schwindelig. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wo sie eigentlich war – außer in seinen Armen –, welches Jahr gerade war und auf welchem Planeten sie lebte. „Hmm?“

„Wie war die Technik, Mylady?“

„Oh.“ Sie blinzelte benommen. „Äh, ja …“ Sie räusperte sich. „Ausgezeichnete Arbeit, Eure Lordschaft.“

„Freut mich zu hören. Männer sind ja in solchen Dingen schnell verunsichert.“

„Wirklich?“ Sein Blick sah alles andere als unsicher aus. Sie las darin eher Leidenschaft und Begierde. „Glaub mir, du hast keinen Anlass zur Sorge.“

„Wenn du es sagst.“ Ein letztes Mal presste er seine Lippen auf ihre und trat dann auf den Gehsteig zurück. „Bist du sicher, dass du nicht auf Titel stehst? Ich habe es nämlich ernst gemeint, als ich sagte, dass ich keinen habe.“

„Ich habe es auch ernst gemeint.“ Sie merkte, dass dieses Thema ein heißes Eisen für ihn war. „Ganz ehrlich, der einzige Titel der mir etwas bedeutet, ist Chefkoch. Beruhigt?“

Sein Lächeln ließ ihren ganzen Körper erneut wohlig erschauern. „Es ist auf jeden Fall ein vielversprechender Anfang.“

Er ging die Straße hinunter, und sie blickte ihm nach, bis seine hochgewachsene Silhouette in der Dunkelheit verschwand.

War sie in ein Märchen geraten? Hatte sie das Schicksal herausgefordert, als sie sich auf diese verrückte Robin-Hood-Geschichte eingelassen hatte? Verlor sie die Kontrolle über Zeit und Raum, sodass die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwammen?

„Du hast in letzter Zeit bestimmt zu viele Science-Fiction-Filme gesehen“, sagte sie leise zu sich selbst, während sie die Tür aufschloss.

Trevors Anziehungskraft war so erregend, so überwältigend. Warum sollte sie sich nicht darauf einlassen?

Weil er mindestens so weit außerhalb deiner Liga spielt wie die Außerirdischen in dem Film, den du letzten Freitag gesehen hast. Außerdem ist er mit dem Mann verwandt, an dem du dich rächen willst.

Die Stimme der Vernunft erinnerte sie daran, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte.

Dennoch konnte sie an nichts anderes denken als daran, wie sie Trevor näherkommen konnte.

5. KAPITEL

„Nicht gedeckt!“, rief Shelby und schleuderte Max’ wertlosen Scheck auf die Arbeitsfläche.

„Ich weiß nicht, warum dich das überrascht“, bemerkte Victoria. „Du weißt doch, dass der Kerl das Letzte ist.“

Shelby dachte an die geplante Investorenversammlung. Weder Victoria noch Calla hatten herausfinden können, wann und wo das Treffen stattfinden sollte und worum es dabei eigentlich ging. Max war entweder sehr wählerisch, was seine Einladungsliste betraf, oder er hatte auf seiner Party bloß geprahlt und das Treffen war reine Erfindung.

Trevor würde es wissen.

Sie waren heute Abend zum Dinner verabredet. Die Freundinnen hielten ihre Besprechung in der Firmenküche von Big Apple Catering ab, weil Shelby gerade dabei war, die versprochenen Plätzchen zu backen, für Trevor und für Mario.

Seit Freitagabend hatten Trevor und sie mehrmals miteinander telefoniert oder sich SMS geschickt. Heute Morgen war ein wunderschöner Blumenstrauß für sie geliefert worden. Auf der beiliegenden Karte hatte Trevor allerdings zugegeben, dass Florence die Blumen ausgesucht hatte, weil er seit Montag früh auf Geschäftsreise in Boston war.

Seine Ehrlichkeit beschämte sie. Dabei war sie auch immer stolz auf ihre Aufrichtigkeit gewesen. Jedenfalls bis vor etwa zwei Wochen.

Jetzt fühlte sie sich hin- und hergerissen zwischen dem, was sie wollte, und dem, was richtig war. Sie dachte an ihren Plan, Max zu ruinieren. Würde sie mit ihrer Schnüffelei möglicherweise auch jene verletzen, die unschuldig waren? Sollte sie lieber geduldig warten, bis die Staatsmacht ihn zur Rechenschaft ziehen würde? Irgendwann?

Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Seine Sekretärin muss doch über die Versammlung Bescheid wissen.“

„Wessen Sekretärin?“, fragte Calla.

„Max’ Sekretärin.“ Shelby zog das letzte Backblech aus dem Ofen. „Jemand muss doch seine Telefonate erledigen, Einladungen verschicken und einen Raum buchen.“

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