Bianca Exklusiv Band 298

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DER GELIEHENE RING von GINA WILKINS
Die junge Privatdetektivin Brittany soll Daniel Andreas finden, für den sie als Teenager heiß geschwärmt hat. Als sie ihn entdeckt, beginnen die Schwierigkeiten! Denn er befindet sich mitten in gefährlichen Ermittlungen - und sie soll zur Tarnung seine Ehefrau spielen …

SINGLE DAD UNTER VERDACHT von MARIE FERRARELLA
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KOMMT DAS GLÜCK ZURÜCK? von VICTORIA PADE
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  • Erscheinungstag 22.06.2018
  • Bandnummer 0298
  • ISBN / Artikelnummer 9783733733902
  • Seitenanzahl 236
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Gina Wilkins, Marie Ferrarella, Victoria Pade

BIANCA EXKLUSIV BAND 298

1. KAPITEL

B. J. Samples, die Meisterdetektivin!

Unglaublich stolz auf ihre detektivischen Fähigkeiten, stieg B. J. aus dem Mietwagen und ging die gepflegte Auffahrt entlang, an deren Ende ein Landhaus stand. Nicht irgendein Landhaus – dieses hier wirkte mit seinen Säulen, Erkern und Balkonen eher wie ein kleines Schloss, zumal es von einem Park umgeben war. Außerdem gab es einen riesigen Pool, ein Sommerhäuschen, Springbrunnen und Teiche sowie eine private Landebahn.

Der eigentliche Grund ihres Besuchs war allerdings Daniel Castillo, der sich nun Daniel Andreas nannte. Offenbar hatte er es weit gebracht – wenn man bedachte, dass er als Kind in den Slums gelebt hatte und später als schwer erziehbarer Teenager auf die Ranch ihres Onkels Jared gekommen war, wo er ein Jahr als dessen Pflegesohn gelebt hatte.

Ihn zu finden war nicht leicht gewesen. B. J. hatte eine ganze Woche lang seine Spur verfolgt, bis sie schließlich ein Hinweis zu diesem Anwesen führte. Sie konnte es nicht abwarten, vor ihren drei Chefs – die auch ihre Onkel waren – mit ihrer Findigkeit zu prahlen.

Als sie sich dem Eingangsportal näherte, verlangsamte sie ihre Schritte. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden, doch als sie sich nach allen Seiten umblickte, war niemand zu sehen.

Vielleicht war es reine Nervosität – immerhin handelte es sich hier um ihren ersten Außenauftrag, seit sie in der Detektei ihrer Onkel arbeitete. Ihr Spezialgebiet war die Computerrecherche, und ihren Onkeln schien es nur allzu recht zu sein, dass sie dabei den Schreibtisch nie verließ. Alles andere hielten sie für viel zu gefährlich für sie. Auch diesen Auftrag hatte sie nur bekommen, weil er völlig harmlos war und sie auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen konnte.

Dennoch zitterte ihre Hand ein wenig, als sie den reich verzierten Klingelknopf drückte. An solchen Luxus war sie einfach nicht gewöhnt, schließlich stammte sie aus einer liebevollen, aber ganz normalen Mittelklassefamilie.

Unsicher blickte sie an sich herunter. Sie trug ein olivgrünes, weites Safarihemd und Khakihosen. Ein wenig verspätet bereute sie, dass sie kein professionelleres Outfit gewählt hatte.

Die Eingangstür wurde von einem sehr großen, kahlköpfigen Mann geöffnet, der ein graues Jackett, ein hellblaues Hemd und Jeans mit Bügelfalte trug. „Ja?“, fragte er ziemlich unfreundlich.

Wie ein Butler wirkte er nicht, aber auch nicht wie der Hausherr. Am ehesten dachte sie bei seinem Anblick an den Türsteher einer schäbigen Nachtbar – wenn sie auch nie in einer gewesen war.

B. J. richtete sich zu ihrer vollen Höhe von einhundertsechzig Zentimetern auf, war aber immer noch zwei Köpfe kleiner als der Mann, der vor ihr stand.

So selbstbewusst wie möglich sagte sie: „Ich suche Daniel Andreas. Ist er hier?“

Der Mann hob die Augenbrauen. „Daniel Andreas?“

B. J. unterdrückte ein Seufzen. Geduld war noch nie ihre Stärke gewesen. „Ganz recht.“

Auf einmal erhellte sich die Miene des kahlköpfigen Riesen, als hätte er soeben eine Eingebung gehabt. „Oh! Sie haben es also geschafft. Das wird ihn sicher freuen. Kommen Sie rein.“

B. J. hatte keinen Schimmer, was er meinte. „Ich …“, begann sie.

Doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Daniel!“, rief er, während er B. J. hinter sich herzog. „Ach, da sind Sie ja. Schauen Sie mal, wer hier ist. Ihre Gattin.“

Als B. J. seiner Blickrichtung folgte, blieb sie überrascht stehen. Sie hatte Daniel das letzte Mal vor dreizehn Jahren gesehen und sich die ganze Zeit gefragt, wie er wohl heute aussah.

Die einzig mögliche Antwort lautete: umwerfend.

Einen Augenblick lang starrte er sie ebenso fassungslos an wie sie ihn, ohne dass sein Gesichtsausdruck verriet, was er dachte. B. J. bezweifelte, dass er sie nach all den Jahren überhaupt wiedererkannte, zumal er damals eindeutig nicht so für sie geschwärmt hatte wie sie für ihn.

Doch bevor sie etwas sagen konnte, kam er auf sie zu. Seine Bewegungen hatten etwas Raubtierhaftes, und obwohl er ein strahlendes Lächeln zur Schau trug, sah sie den todernsten Ausdruck in seinen Augen. Im nächsten Moment griff er nach ihrem Arm und zog sie an sich. „Liebling! Ich bin so froh, dass du es doch noch geschafft hast.“

Und dann küsste er sie so heiß und leidenschaftlich, dass ihr die Knie weich wurden.

Als er sich wieder von ihr löste, ließ er ihr keine Gelegenheit, etwas zu sagen – ganz abgesehen davon, dass es B. J. sowieso die Sprache verschlagen hatte. Er umfasste ihre Schultern so hart, dass sie blaue Flecken befürchten musste, und wandte sich an den kahlköpfigen Riesen, der mit einem sentimentalen Lächeln auf den Lippen herumstand. „Bernard, würden Sie uns einen Moment allein lassen? Wir haben uns länger nicht gesehen.“

Der Riese nickte. „Sicher. Gehen Sie mit Ihrer Gattin doch in den Salon gleich dort drüben. Sie werden bis zur Abreise ungestört sein. In der Zwischenzeit werde ich den Chef informieren, dass Ihre Frau nun doch mit von der Partie ist.“

„Oh, aber …“, begann B. J.

Daniels Griff um ihre Schultern verstärkte sich, sodass sie den Satz nicht zu Ende bringen konnte.

„Ja, tun Sie das“, wies er den Riesen an.

Bernard blickte B. J. stirnrunzelnd an. „Stimmt etwas nicht, Mrs. Andreas?“

Völlig verwirrt blickte sie zu Daniel auf. Sein warnender Blick verhieß nichts Gutes, und sie antwortete mit einem angespannten Lächeln: „Ich muss nur kurz mit meinem … äh, mit Daniel unter vier Augen sprechen.“

Wieder erschien das Lächeln auf Bernards Gesicht, der deshalb aber nicht weniger Furcht einflößend wirkte. „Bitte hier entlang, Ma’am.“

Er führte sie in einen elegant möblierten kleinen Salon und ließ sie allein.

Sofort drehte sich B. J. zu Daniel um. „Was zum Teufel hatte das denn zu bedeuten?“, fragte sie aufgebracht.

„Sprich bitte leise“, erwiderte Daniel, der nun nicht mehr lächelte, sondern sie ernst anblickte. „Du hast ja keine Ahnung, wie kompliziert du alles machst.“

B. J. blieb beinahe der Mund offen stehen. War sie in einem luxuriösen Irrenhaus gelandet?

Weil sie Daniel nicht anschreien wollte und einen Moment brauchte, um ihren Ärger zu bezähmen, betrachtete sie ihn neugierig und verglich ihn mit dem sechzehnjährigen Jungen, für den sie als Vierzehnjährige geschwärmt hatte. Schon damals war er mit seinem dichten, dunklen Haar, den dunkelbraunen Augen und den markanten Gesichtszügen sehr attraktiv gewesen.

Ihre Cousins und Cousinen hatten damals sein schnell aufbrausendes Temperament gefürchtet, doch für B. J. war er die erste große Liebe gewesen, und sie hatte ihn nie ganz vergessen.

Inzwischen war er neunundzwanzig und noch immer gut aussehend, aber offenbar fühlte er sich jetzt wohler in seiner Haut. Er trug ein weißes Hemd ohne Krawatte, ein dunkles Jackett, das wahrscheinlich ein kleines Vermögen gekostet hatte, dazu elegante dunkelgraue Hosen und teuer aussehende Schuhe.

Insgesamt vermittelte Daniel den Eindruck von Reichtum, Macht – und Gefahr. Doch B. J. ließ sich nicht anmerken, dass sie eingeschüchtert war. Stattdessen hob sie das Kinn, stemmte die Hände in die Hüften und sagte mit fester Stimme: „Offenbar gab es eine Verwechslung. Ich weiß nicht, wen Sie oder Bernard erwartet haben, aber ich bin es jedenfalls nicht. Mein Name ist …“

„Brittany Samples“, unterbrach er sie gelassen. „Ich habe dich sofort wiedererkannt.“

Zum zweiten Mal, seit sie hier angekommen war, verschlug es ihr die Sprache. Wie konnte das sein? Als er sie zum letzten Mal gesehen hatte, war sie eine schüchterne Vierzehnjährige mit Zahnspange und knabenhafter Figur gewesen.

Nun ja, an der Figur hatte sich leider nicht viel geändert. Die Hoffnung, dass sie irgendwann auf natürlichem Wege zu üppigen Kurven kommen würde, hatte sie schon lange aufgegeben. Aber immerhin war sie nun siebenundzwanzig, trug ihr braunes Haar kurz und stufig geschnitten, was laut ihrer Friseurin ihren jungenhaften Zügen schmeichelte, und schminkte sich so, dass ihre blauen Augen besonders gut zur Geltung kamen.

„Ich habe nicht erwartet, dass du mich wiedererkennst“, sagte sie schließlich ein wenig fassungslos. „Wieso …“

Mit einer Handbewegung unterbrach er sie. „Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen einen Weg finden, dich aus dem Schlamassel herauszubringen, den du angerichtet hast, ohne dass wir dabei in Gefahr geraten.“

„Ich habe einen Schlamassel angerichtet?“, wiederholte sie ungläubig, dann wurde ihr der zweite Teil seiner Aussage bewusst. „Gefahr?“

Daniel rieb sich den Nacken. „Vielleicht sollten wir ihnen erzählen, dass …“

„Wie wär’s denn mit der Wahrheit?“, schlug sie vor, als er nicht weitersprach.

„Das wird nicht funktionieren.“

„Hör zu.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu und stieß ihm mit dem linken Zeigefinger wiederholt vor die Brust. „Ich weiß nicht, was hier vorgeht, aber ich habe die Nase voll. Ich bin nur gekommen, um …“

Er hielt ihre Hand fest und schob sie von seiner Brust weg, ließ sie danach aber nicht wieder los. „Bernard denkt, du wärst meine Frau. Wenn er Anlass zu der Vermutung bekommt, dass einer von uns nicht der ist, für den er ihn hält, wird er uns umbringen. Und er ist nicht der einzige bewaffnete Wächter hier. Das ganze Haus ist voll davon, und sie alle stehen unter seinem Befehl.“

B. J.s Magen zog sich zusammen. „Ich glaube dir kein Wort.“

„Das solltest du aber, Brittany.“

„Ich höre nur auf B. J.“, erwiderte sie stirnrunzelnd. „Jeder Ehemann, der etwas auf sich hält, sollte das wissen.“

Daniel ignorierte ihre Bemerkung völlig. „Wir haben nicht sehr viel Zeit, also hör mir gut zu. Wie bist du hergekommen?“

„Mit dem Auto von St. Louis. Warum?“

„Dein eigener Wagen oder ein gemieteter?“

„Gemietet. Ich verstehe nicht …“

„Hast du Gepäck bei dir?“

„Nein, das habe ich im Hotel gelassen. Daniel …“

Ohne ihre Einwände zu beachten, betrachtete er ihre linke Hand, die er immer noch festhielt. „Keine Ringe. Bist du nicht verheiratet?“

„Nein.“ Er allerdings trug einen schmalen Goldreif. „Und wo ist nun deine echte Frau?“

„Das erkläre ich dir später.“ Er ließ sie los, zog eine dünne Goldkette unter seinem Hemdkragen hervor, öffnete sie und griff erneut nach ihrer linken Hand. Während er ihr tief in die Augen blickte, steckte er ihr einen Ring an den Finger.

Benommen betrachtete sie den antiken Goldreif. „Das ist ein Ehering“, bemerkte sie nicht sehr geistreich.

In diesem Moment klopfte es laut an der Tür, und Sekunden später betrat Bernard den Raum. Für ihn musste es so aussehen, als stünden sie dicht beieinander und hielten Händchen. „Tut mir leid, die Wiedersehensfreude zu unterbrechen, aber wir müssen uns jetzt wirklich auf den Weg machen.“

„Es gibt ein Problem, Bernard. Meine Frau hat mir gerade erzählt, dass sie doch nicht mitkommen kann.“ Daniel gab seiner Stimme einen bedauernden Klang und legte B. J. einen Arm um die Schultern.

Bernards grobschlächtige Züge verfinsterten sich. „Was ist das Problem?“

„Die Fluggesellschaft hat ihr Gepäck verloren. Sie hat nur die Kleidung, die sie auf dem Leib trägt.“ Daniel log so glatt und mühelos, dass sogar B. J. ihm beinahe glaubte.

Bernard betrachtete ihre saloppe Freizeitkleidung und nickte bedächtig, als hätte er gerade ein Rätsel gelöst. „Das ist nicht schlimm. Sie können alles, was sie braucht, vor Ort kaufen. Wir haben mehrere dieser exklusiven Boutiquen, die die Ladys lieben.“

Nach einer kurzen Pause sagte Daniel: „Sie hat auch Liebhaberstücke im Gepäck und würde deshalb ungern abreisen, bevor der Aufenthaltsort ihrer Koffer geklärt ist.“

Bernards Stirnrunzeln vertiefte sich, und er machte eine ungeduldige Bewegung. Dabei sprang sein schlecht sitzendes Jackett weit genug auf, dass B. J. das Schulterhalfter darunter sehen konnte. Und die Waffe darin. „Ich bin sicher, dass der Chef sich um alles kümmern wird. Warum machen wir uns nicht auf den Weg und rufen von unterwegs aus an?“

B. J. und Daniel wechselten einen Blick, und sie hatte das Gefühl, dass er sie lautlos um Entschuldigung bat. „Nein, wir wollen keine Umstände machen“, sagte Daniel zu Bernard. Und zu B. J. gewandt fuhr er fort: „Du hast doch unsere Heimatadresse auf den Kofferanhängern eingetragen, oder, Liebes?“

Angesichts der Waffe unter Bernards Jackett nickte B. J. nur stumm.

„Dann wird dein Gepäck auf jeden Fall zu uns nach Hause geschickt, wenn es auftaucht“, sagte er. „Und unbezahlbare Wertsachen sind sowieso nicht drin, oder?“

Wie er es offenbar erwartete, schüttelte sie den Kopf.

Daniel belohnte sie mit einem aufmunternden Lächeln, und auch Bernards Gesichtszüge entspannten sich. „Keine Sorge, Mrs. Andreas, es kommt alles in Ordnung.“

B. J. wünschte nur, sie könnte das glauben.

Daniel fürchtete, dass sein über Monate hinweg sorgfältig ausgefeilter Plan sich in Luft aufgelöst hatte – in genau dem Moment, als seine Besucherin aus der Vergangenheit so unerwartet vor ihm stand.

Er hatte geglaubt, gegen alle Eventualitäten abgesichert zu sein – aber mit Brittany Jeanne Samples hatte er nicht gerechnet. Ganz zu schweigen davon, dass sie direkt in seinen Armen gelandet war – und nun reichlich blass neben ihm in Judson Drakes Privatjet saß.

In den vergangenen dreizehn Jahren hatte sie sich nicht sehr verändert. Sicher, sie wirkte erwachsener – damals hatte sie eine Zahnspange getragen, und nun waren ihre weißen Zähne perfekt. Ihr glänzendes braunes Haar hatte ihr früher bis zu den Hüften gereicht, und jetzt trug sie es in einer modischen Kurzhaarfrisur, die ihr wundervoll stand.

Auch ihre Figur hatte sich nicht wesentlich verändert, doch früher war sie schlaksig gewesen, und nun strahlte sie eine sehr feminine Grazie aus. Ihre tiefblauen Augen wurden noch immer umrahmt von schwarzen, langen Wimpern.

Man konnte sie niedlich nennen oder sogar hübsch, dachte Daniel. Er jedenfalls fand ihr Aussehen so unwiderstehlich anziehend wie als Sechzehnjähriger.

Sie war der einzige Mensch auf Erden, der ihn jemals hatte weinen sehen. Und abgesehen von seinen Pflegeeltern auch die Einzige, die damals keine Angst vor ihm gehabt hatte.

Auch jetzt wirkte sie überhaupt nicht verängstigt. Wütend und angespannt, das ja, auf gesunde Art vorsichtig ebenso. Aber nicht verängstigt.

Er streckte den Arm aus und tätschelte beruhigend ihre Hand. „Ich weiß, wie sehr du es hasst, in so kleinen Maschinen zu fliegen. Geht es dir gut?“

„Ja, danke.“

„Keine Sorge, Mrs. Andreas“, sagte Bernard mit unbeholfenem Mitgefühl. „Mr. Drake beschäftigt nur die besten Piloten.“

„Gut zu wissen“, erwiderte sie nun mit angestrengtem Lächeln.

„Möchten Sie etwas trinken? Limonade? Mineralwasser?“

„Nein, danke.“

Daniel hoffte, dass Bernard B. J.s Anspannung ihrer angeblichen Flugangst zuschreiben würde, was er mit seiner Bemerkung ja auch beabsichtigt hatte. Bernard war keine Intelligenzbestie, aber ein guter Beobachter – und B. J. benahm sich im Moment nicht wie eine liebende Ehefrau, die mit ihrem Mann zu einem luxuriösen Ferienort fliegt.

Von nun an würde er ständig auf der Hut sein müssen, um ihre Fehler auszubügeln. Genau das, was ihm gerade noch gefehlt hatte.

Sie flogen jetzt schon seit fast vier Stunden. Während Bernard sich mit einem Videospiel die Zeit vertrieb und Daniel ein Buch las, starrte B. J. die ganze Zeit aus dem Fenster.

War es ein Fehler gewesen, sich auf diese Scharade einzulassen? Hätte sie klarstellen sollen, dass sie nicht Daniels Frau war?

Auch wenn der Anblick von Bernards Waffe sie schnell davon überzeugt hatte, dass die Gefahr, von der Daniel sprach, real war – sehr viel sicherer fühlte sie sich jetzt auch nicht. Schließlich kannte sie weder das Ziel noch den Zweck dieser Reise.

Daniel hatte sich ein paarmal in einem liebevoll besorgten Tonfall an sie gewandt, den sie nur schwer ertrug, und sie würdigte ihn kaum einer Antwort. Doch Daniels wiederholte Hinweise auf ihre Flugangst genügten Bernard anscheinend, ihr einsilbiges und abweisendes Verhalten zu erklären.

Als sie endlich landeten, erkannte B. J. vom Fenster aus, dass es sich wieder um eine private Landebahn handelte, die anscheinend zu einem exklusiven Ferienclub am Meer gehörte. Beim Landeanflug hatte sie tiefblaue Swimmingpools und luxuriöse Ferienhäuser, mehrere große Gebäude, einen Privatstrand und zwei Golfplätze gesehen.

Leider gab ihr die Vegetation keinen Hinweis darauf, wo sie sich geografisch gesehen befand. Florida? South Carolina?

Vielleicht hätte ihr die Anlage sogar gefallen, wenn sie freiwillig hergekommen wäre. So aber machte sie schon Fluchtpläne, bevor der Flieger ganz aufgesetzt hatte.

„Sehen Sie, Mrs. Andreas“, bemerkte Bernard jovial, „jetzt sind Sie sicher angekommen, wie ich es Ihnen versprochen habe.“

Am liebsten hätte sie ihm einen Fausthieb mitten in sein herablassendes Lächeln verpasst, doch stattdessen nickte sie nur.

Wieder half ihr Daniel aus. „Meine Frau ist erschöpft von der langen Reise. Ich hoffe, dass Sie uns schnell zu unserer Suite führen, damit sie sich ausruhen kann.“

B. J. hoffte inständig, dass diese Suite eine Hintertür hatte, durch die sie entwischen konnte. Zumindest würde sie bei erster Gelegenheit ihre Onkel anrufen, die sofort ihre Rettung in die Wege leiten würden – sobald sie wussten, wo sie sich überhaupt befand.

Bernard begleitete sie die Gangway hinunter. Auf dem Rollfeld erwartete sie bereits ein Mann, der das genaue Gegenteil des grobschlächtigen Bernard war: gut aussehend, schlank und weltgewandt. Etwas in seinem Lächeln ließ B. J. jedoch das Blut in den Adern gefrieren.

In seinem aufwendig frisierten Haar schimmerten blondierte Strähnchen, und seine Augen waren von leuchtendem Grün. Er hatte ein perfektes Profil, makellose Zähne, war gleichmäßig gebräunt und in guter Form. B. J. hätte viel Geld darauf verwettet, dass keins dieser Attribute natürlichen Ursprungs war.

„Daniel“, sagte er, als er Daniel die Hand schüttelte. „Wie schön, Sie wiederzusehen. Und dies …“, er wandte sich B. J. zu, „… ist dann sicher Ihre bezaubernde Gattin.“

Mit unverhohlenem Stolz erwiderte Daniel: „Ja, dies ist B. J. Liebling, darf ich dir Judson Drake vorstellen, den Mann, von dem ich dir so viel erzählt habe.“

Judson Drake. Nicht einmal der Name war echt – auch darauf hätte sie wetten können.

Als Drake ihre Hand nahm, zuckte sie zusammen, denn er hielt sie viel fester als notwendig. „Ich bin sehr erfreut, Sie endlich kennenzulernen, Mrs. Andreas.“

„Mr. Drake“, murmelte sie. So sehr es sie auch störte, Mrs. Andreas genannt zu werden, sie bot ihm nicht an, sie mit Vornamen anzureden.

„Bernard sagte mir, dass Sie Ärger hatten. Offenbar ist Ihr Gepäck verloren gegangen?“

Noch immer hatte er ihre Hand nicht losgelassen, und B. J. entzog sie ihm mit einem kleinen Ruck, bevor sie antwortete: „Ja, leider. Ich hatte vorgeschlagen, dass ich zurückbleibe, bis es gefunden wird …“

„Aber auf keinen Fall. Wir haben in unseren Boutiquen hier alles, was Sie benötigen. Ich werde gleich veranlassen, dass Sie sich aussuchen können, was immer Sie wollen. Nennen Sie dem Verkaufspersonal nur Ihren Namen, und alles, was Sie brauchen, gehört Ihnen.“

„Das ist sehr großzügig von Ihnen, aber ich kann die Wünsche meiner Frau sehr gut selbst erfüllen“, warf Daniel mit einem Hauch verletzten Stolzes ein. „Wenn Sie nur veranlassen könnten, dass die Rechnungen für die Einkäufe meiner Frau an unsere Suite gehen …“

Drake betrachtete Daniel mit einem Gesichtsausdruck, den B. J. beim besten Willen nicht deuten konnte. „Schon erledigt. Ich bin sicher, dass Sie beide müde und hungrig sind. Vielleicht möchten Sie ein paar der Annehmlichkeiten meiner Clubanlage genießen. Über unsere Geschäfte können wir dann morgen noch reden, Daniel.“

Daniel schien über den Vorschlag nachzudenken und nickte dann. „Danke. Ich denke, das wäre für meine Frau das Beste.“

Wenn er noch einmal in diesem besitzergreifenden Ton „meine Frau“ sagt, trete ich ihn, dachte B. J. mit zusammengebissenen Zähnen.

„Ich begleite Sie zu Ihrer Suite“, sagte Drake. „Bernard wird Ihr Gepäck bringen.“

Ihre Segeltuchumhängetasche fest unter den Arm geklemmt – immerhin befand sich darin ihr wertvollster Besitz, ihr Handy –, folgte B. J. Daniel zum Hotelgebäude.

Drake nickte der Rezeptionistin in der aufwendig dekorierten Empfangshalle nur kurz zu und zählte im Fahrstuhl die Hauptattraktionen des Ferienclubs auf. Dabei rückte er viel näher an B. J. heran als nötig. Als er sie in ihre luxuriöse Suite führte, legte er ihr sogar seine Hand auf den Rücken.

Offenbar war Drake von seinem unwiderstehlichen Charme so überzeugt, dass er von jeder Frau erwartete, ihm sofort zu verfallen – sogar wenn ihr „Ehemann“ direkt danebenstand. B. J. fragte sich, wie Drake wohl reagieren würde, wenn sie ihm sagte, wie unangenehm seine Berührung ihr war. Zum Glück verließ er die Suite sofort, nachdem er Daniel den Termin für ein geschäftliches Treffen am nächsten Vormittag genannt hatte.

Kaum waren sie allein, baute sich B. J. aufgebracht vor Daniel auf. „Wenn dieser Kerl mich noch einmal anfasst, werde ich ihm seine makellosen Jacketkronen einschlagen.“

Daniel warf ihr einen warnenden Blick zu. „Ich bin sicher, dass er sich nichts dabei gedacht hat, Liebes. Er ist eben ein sehr freundlicher Mensch.“

Ungläubig sah sie ihm dabei zu, wie er ein kleines Elektrogerät aus der Innentasche seines Jacketts zog und damit im Raum umherging.

Nach anderthalb Jahren in der Detektei ihrer Onkel wusste sie sofort, dass er nach Abhörgeräten suchte. Glaubte er wirklich, der Raum wäre verwanzt, oder zog er hier für sie eine Show ab?

Mit einem flauen Gefühl im Magen fragte sich B. J., welche Art von „Geschäften“ Daniel betrieb, seit sie ihn das letzte Mal als Sechzehnjährigen auf der Ranch ihres Onkels gesehen hatte.

2. KAPITEL

Während Daniel sich weiterhin mit dem Wanzensuchgerät durch den Raum bewegte, bedeutete er B. J. mit einer Handbewegung, weiterzusprechen.

Wenn dieser Judson Drake uns tatsächlich abhört, dann sollen ihm wenigstens die Ohren klingen, dachte B. J. „Er widert mich an“, sagte sie. „Offenbar hält er sich für ein Gottesgeschenk an Frauen, aber er ist eine Witzfigur. Und ein Schleimer.“

Daniel hob den Blick zur Decke, antwortete aber in besänftigendem Tonfall: „Liebes, du bist übermüdet. Es war ein anstrengender Tag für dich.“

Das konnte er laut sagen. Zwar hatte B. J. ihren Onkeln vor Kurzem eröffnet, dass sie anspruchsvollere Aufträge übernehmen wollte, doch mit so etwas hatte sie dabei eigentlich nicht gerechnet.

Der Gedanke an ihre Onkel erinnerte sie an ihre Prioritäten. „Ich muss zu Hause anrufen.“

Daniel kam mit seinem Gerät aus dem Schlafzimmer zurück, und schon an seinem Gang erkannte sie, dass er offenbar nicht fündig geworden war. „Wir können jetzt offen reden“, verkündete er. „Aber ich werde die Suite jedes Mal neu absuchen, wenn wir hierher zurückkehren, nur, um ganz sicherzugehen.“

„Ich muss zu Hause anrufen“, wiederholte B. J. „Aber vielleicht verrätst du mir zuerst mal, was zum Teufel hier eigentlich gespielt wird?“

Angesichts ihres verärgerten Tonfalls verzog Daniel das Gesicht, schlüpfte aus seinem Jackett und warf es achtlos über die Lehne des zierlichen weißen Brokatsofas, das wie alle anderen Möbel im Raum überhaupt nicht nach B. J.s Geschmack war. Sie mochte schlichtere, weniger überladene Zimmer. Wenn sie die Räume eines Hotels am Meer hätte einrichten sollen, hätte sie Rattan und Baumwolle, weiche Kissen und einladende Sitzmöbel gewählt.

Ohne ihre Frage zu beachten, ging Daniel zu der weißgoldenen Bar, die in einen Eckschrank eingebaut war, öffnete den geschickt verborgenen Kühlschrank und sichtete den Inhalt. „Möchtest du etwas trinken?“, fragte er. „Wir haben Limonade, Saft und Mineralwasser. Es sei denn, du möchtest etwas Hochprozentiges, was ich dir nach all der Aufregung nicht verdenken könnte.“

Impulsiv wollte B. J. ablehnen, doch dann merkte sie, wie durstig sie war. „Ich nehme ein Mineralwasser.“

Er brachte ihr eine geöffnete Flasche und lud sie mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen. B. J. entschied sich für einen aufwendig verzierten Stuhl, der vielleicht stilvoll, aber unbequem war, und ließ sich auf der Kante nieder, die Wasserflasche fest umklammert.

Daniel setzte sich ihr gegenüber auf das Sofa und wirkte völlig entspannt.

„Ich warte“, erinnerte sie ihn aufgebracht. „Ich will wissen, was das alles soll. Warum du diese Männer in dem Glauben lässt, ich wäre deine Frau, worum es bei der ganzen Sache überhaupt geht – und warum du so sicher bist, dass ich in Gefahr gerate, wenn die Wahrheit herauskommt. Vor allem aber will ich wissen, wann ich hier weg kann.“

Als er sich mit der Antwort Zeit ließ, machte sie das nur noch wütender. Es zeigte ihr, dass er jedes Wort sorgfältig abwog, was nur bedeuten konnte, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit sagte.

„In zwei oder drei Tagen“, sagte er schließlich. „Länger sollte es nicht dauern.“

„Und um was geht es? Verdammt noch mal, Daniel, rede endlich!“

Er blickte sie schweigend an und überraschte sie dann damit, dass er leise zu lachen begann. Was um alles in der Welt fand er so witzig?

„Du hast dich verändert“, stellte er fest. „Früher warst du so umgänglich und leicht zufriedenzustellen. Die perfekte Tochter, eine Einserschülerin. Du hast nie Ärger gemacht oder auch nur die Stimme erhoben.“

An all das erinnerte er sich? Was er sagte, stimmte, sie war erst vor drei oder vier Jahren darauf gekommen, wie unbefriedigend es war, sich nach anderen zu richten und dabei ihre eigenen Wünsche zurückzustellen. Weil es ein behütetes, aber langweiliges Leben bedeutete.

„Du hast meine Fragen noch nicht beantwortet“, sagte sie schroff.

Nach kurzem Zögern erwiderte er: „Viel kann ich dir nicht erzählen. Nur, dass ich in einer sehr komplizierten Situation stecke – worauf du wahrscheinlich schon selbst gekommen bist.“

„Und weiter?“

„Judson Drake denkt, dass ich mit meiner sehr vermögenden Frau in Texas lebe. Er hat mich eingeladen, sie zu dieser Reise mitzubringen, aber ich hatte eine gute Ausrede, warum das nicht ging. Als du im Landhaus namentlich nach mir gefragt hast, wo doch eigentlich gar niemand wusste, wo ich war – und als du auch noch mit texanischem Akzent sprachst – hat Bernard einfach zwei und zwei zusammengezählt. Er ist keine Leuchte, aber solch logische Schlüsse schafft sogar er.“

„Und wieso hast du den Irrtum nicht einfach aufgeklärt? Wo du so schlau bist“, sagte sie mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, „hätte es dir doch leicht fallen müssen, eine geniale Erklärung für mein Kommen zu finden. Die Wahrheit zum Beispiel?“

„Das hätte nicht funktioniert. Ich bin nach Drakes Informationen der Sohn einer wohlhabenden Familie – mit Privatschulausbildung, Studium an einer Eliteuniversität und Geldheirat. Von Pflegeeltern war dabei nie die Rede, wenn ich dich also wahrheitsgemäß vorgestellt hätte, wäre alles aufgeflogen.“

„Deine Ehefrau ist also genauso erfunden wie deine wohlhabende Familie?“

Mit ausdruckslosem Gesicht nickte er.

„Und warum hast du Drake all das erzählt?“

„Dazu kann ich im Moment nichts sagen.“

„Du erwartest also, dass ich das widerspruchslos schlucke und die nächsten zwei oder drei Tage brav bei deinem kleinen Theaterstück mitspiele?“

„Ich wünschte, du hättest eine Wahl dabei, aber das ist leider nicht der Fall. Es handelt sich um gefährliche Leute, Brittany …“

„B. J.“

„Entschuldige, B. J. Diese Männer werden es nicht einfach hinnehmen, wenn sich meine Geschichte plötzlich ändert. Der kleinste Hinweis, dass ich versucht habe, sie zu täuschen, und niemand wird je unsere Leichen finden. So arbeiten die eben.“

„Und was hast du dann mit denen zu schaffen?“

Daniel nahm einen Schluck Limonade, bevor er antwortete. „Jemand, der clever genug ist, sie an der Nase herumzuführen, kann dabei eine Menge Geld verdienen.“

„Geld?“ Sie blickte ihn stirnrunzelnd an. „Du tust das alles für Geld?“

Mit einem Achselzucken trank er den Rest seiner Limonade aus.

B. J. stellte ihre Flasche ab, verunsichert, ob sie ihm überhaupt ein Wort glauben konnte. Sie hatte gedacht, dass er vielleicht versuchen würde, sich als Undercover-Agent einer Polizeibehörde auszugeben. Hätte sie das eher geschluckt? Vielleicht, aber nur, weil sie einfach nicht glauben konnte, dass Daniel etwas Illegales tat.

„Ich fasse also zusammen“, sagte sie. „Du bist dabei, eine Gruppe von sehr gefährlichen Männern zu betrügen. Und ich sitze hier fest und soll dir dabei helfen, weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war.“

„Genau.“

„Und wenn ich mich weigere, werden die mich umbringen. Aber selbst wenn ich zustimme und aus Versehen einen dummen Fehler machen, könnten wir beide als Leichen enden.“

„Du wirst keinen Fehler machen. Du brauchst nur ein paar Details im Kopf zu behalten. Ich werde dir deine Rolle genau erklären.“

„Und was sage ich meiner Familie, wenn ich sie anrufe?“

„Du kannst sie nicht anrufen. Ich bin fast sicher, dass sowohl Telefon als auch Handy hier abgehört werden.“

B. J. schüttelte den Kopf. „Dann solltest du dir eine Möglichkeit einfallen lassen, wie wir das umgehen, damit ich meine Onkel informieren kann. Es sei denn, du möchtest, dass sie hier mitten in deinen schönen Plan platzen.“

„Wie sollen sie dich denn finden? Du hattest keine Zeit, vor unserer Abreise jemanden zu informieren.“

„Und ich weiß nicht einmal selbst, wo wir hier sind“, gab sie zu. „Aber es würde mich nicht überraschen, wenn meine Onkel mich trotzdem innerhalb von vierundzwanzig Stunden finden. Du erinnerst dich doch an sie, oder? Sie sind Privatdetektive, und zwar die besten weit und breit. Außerdem haben sie einen ausgeprägten Beschützerinstinkt gegenüber ihren Familienangehörigen und Angestellten, und ich bin beides.“

„Du arbeitest für die D’Alessandro und Walker Detektei?“

„Also erinnerst du dich tatsächlich. Dann weißt du ja, dass sie keine Ruhe geben werden, bis sie mich gefunden haben.“

„Du kannst ihnen eine E-Mail schicken“, sagte er nach kurzem Nachdenken. „Ich habe ein Laptop im Gepäck. Lösch die Nachricht aber direkt nach dem Senden.“

„Und was soll ich schreiben?“

„Dass du dir ein paar Tage Urlaub nimmst und dass sie sich keine Sorgen machen sollen. Du bist siebenundzwanzig, du musst nicht um Erlaubnis zu fragen, wenn du mal etwas Abstand brauchst, oder?“

„So was habe ich noch nie gemacht. Mich einfach spontan verdrückt, meine ich.“ Gewünscht hatte sie es sich allerdings schon oft.

„Na, dann wird es aber mal Zeit, meinst du nicht?“

„Vielleicht. Aber dafür hätte ich mir dann lieber ein anderes Ferienziel ausgesucht.“

„So? Wohin zieht es dich denn?“

B. J. lächelte versonnen. „Das ist mir eigentlich egal, bisher bin ich ja kaum aus Texas rausgekommen. Irgendwas Exotisches – Bali oder Singapur. Hongkong.“ Ungeduldig schüttelte sie den Kopf. „Verflixt, jetzt hast du mich schon wieder von den Fragen abgelenkt, die du nicht beantworten willst.“

Mit unergründlichem Lächeln blickte er sie an.

„Kannst du mir wenigstens garantieren, dass ich kein Gesetz breche, wenn ich bei deiner lächerlichen Farce mitspiele?“

Daniels Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, und er würdigte sie auch keiner Antwort.

Verärgert runzelte B. J. die Stirn. „Ich kann also nur entweder alles tun, was du sagst, auch wenn ich nicht weiß, um was es geht – oder riskieren, dass Bernard mich den Fischen zum Fraß vorwirft.“

„Die Wahlmöglichkeiten haben sich in der Zwischenzeit leider nicht geändert.“

„Vielleicht habe ich so lange gebraucht, um es wirklich zu glauben“, murrte sie.

Daniel zuckte nur die Achseln. „Da ich annehme, dass du dich für die Möglichkeit entscheidest, bei der wir beide am Leben bleiben, sollten wir jetzt unbedingt deine Rolle besprechen.“

Dagegen ließ sich nicht viel einwenden, obwohl es B. J. gewaltig gegen den Strich ging, dass Daniel so einfach über sie verfügte. „Also schön“, sagte sie. „Wenn ich schon eine Rolle spielen soll, wäre ein Drehbuch sicher nicht schlecht.“ Dann fiel ihr etwas ein. „Warte mal. Hast du Drake gegenüber nie den Namen deiner Frau erwähnt? Du hast mich ihm als B. J. vorgestellt.“

„Das ist kein Problem.“

Bevor sie fragen konnte, wieso nicht, sprach er schon weiter. „Du brauchst dir wirklich nicht viel zu merken. Wir sind seit zwei Jahren verheiratet, und du bist Hausfrau und engagierst dich viel ehrenamtlich. Alle geschäftlichen und finanziellen Angelegenheiten überlässt du deinem Mann.“

„Oh, vielen Dank, dass ich eine so emanzipierte, moderne Frau spielen darf.“

Wieder ignorierte er ihren Einwurf – etwas, was er für ihren Geschmack viel zu oft tat. „Letzten Herbst hattest du eine Fehlgeburt und leidest seitdem unter Depressionen. Daher interessierst du dich jetzt noch weniger für meine Geschäfte, und ich kann mit deinem Geld machen, was ich will.“

Na wunderbar, eine graue Hausmaus. „Wahrscheinlich bete ich dich auch an?“, fragte sie.

Ihr resignierter Tonfall schien ihn zu amüsieren. „Natürlich. Ich kümmere mich rührend um dich und bin wegen deines Zustands sehr besorgt. Ein weiterer Grund, warum es dich überhaupt nicht interessiert, was ich tue, wenn ich nicht bei dir bin.“

„Also liebst du mich nicht?“ B. J. kam es seltsam vor, diese Frage einem praktisch Fremden zu stellen, aber schließlich ging es um ihre Rolle.

Als Daniel sie ernst anblickte, lief ihr ein kleiner Schauer über den Rücken. „Ich habe Drake gegenüber durchblicken lassen, dass ich dein Geld mehr liebe.“

B. J. senkte den Blick. „Tja, dann hast du wohl ein Problem, schließlich besitze ich keinen Pfennig.“

„Meine Frau ist sehr reich“, korrigierte er.

Der Goldring an ihrem Finger blitzte im Sonnenlicht auf, und sie berührte ihn leicht. „Und du hast rein zufällig einen Ehering an einer Kette um den Hals getragen? Für den Fall, dass plötzlich eine Ehefrau in deine Pläne stolpert?“

„Der Ring gehörte meiner Mutter. Ich habe ihn seit über zwölf Jahren nicht abgelegt.“

Obwohl er völlig emotionslos sprach, musste B. J. schlucken. Sie wusste, was seiner Mutter zugestoßen war und wie viel der Ring ihm bedeutete. Er hatte ihn schon auf der Walker-Ranch getragen – als Erinnerung an seine Mutter oder vielleicht an ihren unnötigen Tod.

„Ich werde gut auf ihn aufpassen“, versprach sie.

„Danke.“ Daniel stand auf und deutete in Richtung Schlafzimmer. „Wenn du dich eine Weile ausruhen willst, sorge ich dafür, dass du nicht gestört wirst.“

„Nein, eigentlich sterbe ich eher vor Hunger“, erwiderte B. J. und erhob sich ebenfalls. „Es ist schon Stunden her, dass ich was zu essen hatte.“

Sein Lächeln schien echt zu sein. „Das werden wir ändern. Zimmerservice oder Restaurant?“

B. J. blickte zweifelnd an sich hinunter. Ihre Kleidung war nicht nur zerknittert, sondern in diesem feinen Hotel völlig fehl am Platz. „Zimmerservice ist vielleicht besser.“

Daniel nickte. „Welche Größe trägst du?“

„34. Wieso?“

„Und die Schuhgröße?“

„36. Warum …?“

„Du wirst was zum Anziehen brauchen.“

Er ging zu dem mit vergoldeten Schnitzereien verzierten Schreibtisch und nahm den Telefonhörer auf. Erstaunt hörte B. J. zu, wie er mit befehlsgewohnter Stimme eine Mahlzeit bestellte und danach veranlasste, dass eine Auswahl an Kleidung, Schuhen und Wäsche in ihre Suite gebracht wurde, damit sie sich etwas aussuchen konnte.

Dafür, dass er in Armut aufgewachsen war, hatte er sich an den luxuriösen Lebensstil offenbar schnell gewöhnt.

Nachdem er aufgelegt hatte, ging er ins Schlafzimmer. „Ich werde den Computer für dich starten. Du kannst deine E-Mail schreiben, während ich auspacke“, sagte er, als B. J. ihm folgte.

Auch der Schlafraum war mit brokatverzierten Stilmöbeln eingerichtet. Wer hatte sich das nur ausgedacht? B. J. konnte sich nicht vorstellen, sich noch feucht und sandig vom Herumtollen am Strand auf das kostbare Bett fallen zu lassen oder die Füße auf eins der zierlichen Bänkchen zu legen. Aber vielleicht tollten Leute, die sich in solchem Mobiliar wohlfühlten, ja auch nicht herum.

Daniel lachte. „Die Einrichtung ist wohl nicht dein Geschmack?“

Es ärgerte B. J., dass er ihre Gedanken so leicht lesen konnte, während sie nie wusste, was in ihm vorging. Gebieterisch wedelte sie mit der Hand. „Fahr endlich den Computer hoch, ich muss eine E-Mail schreiben.“

Er griff nach seiner Laptoptasche aus feinem Leder. „Du kannst sie aber nicht senden, bevor ich sie gelesen habe“, warnte er. „Tut mir leid, aber ich will sicherstellen, dass dir nichts zustößt, während du unter meinem Schutz stehst.“

Trotzig hob sie das Kinn. „Ich arbeite jetzt seit zwei Jahren für die Detektei. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“

„Da ich annehme, dass du hauptsächlich am Schreibtisch Computerrecherchen durchgeführt hast, bezweifle ich, dass du viel über Selbstverteidigung weißt.“

Ohne ihr Gelegenheit zum Widerspruch zu geben, schaltete er den Computer ein und trat dann beiseite. „Sag Bescheid, wenn du fertig bist, dann werde ich meinen Code eingeben, damit die E-Mail gesendet wird. Natürlich erst, nachdem ich sie gelesen habe.“

„Blödmann“, murmelte B. J., als sie sich auf dem zierlichen Schreibtischstuhl niederließ.

Überraschenderweise lachte Daniel wieder. „Das wirfst du mir nicht zum ersten Mal an den Kopf“, sagte er. „Und ich bin sicher, dass es auch nicht das letzte Mal war.“ Dann wurde seine Stimme ernst. „Aber du wirst hier heil wieder rauskommen. Das verspreche ich dir.“

Als das Essen gebracht wurde, hatte Daniel B. J.s Nachricht nach sorgfältiger Prüfung bereits abgeschickt. Der Inhalt lautete, dass B. J. Daniel nicht gefunden hatte und sich ein paar Tage freinahm, um über ihre Zukunft nachzudenken.

„Sie wissen alle, dass ich in letzter Zeit mit meinem Job unzufrieden war“, hatte B. J. widerwillig zugegeben. „Mir schwebte nicht vor, den ganzen Tag am Computer zu sitzen, als ich meine Onkel überredete, mich anzustellen.“

„Das ist heutzutage aber der Hauptteil der Arbeit eines Privatdetektivs“, hatte er mit einem Achselzucken geantwortet.

„Ja, das habe ich dann auch gemerkt.“

„Was willst du denn stattdessen machen?“

„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich es noch nicht rausgefunden habe“, hatte sie nur gesagt.

Zwanzig Minuten später betrachtete er sie über den kleinen Esstisch hinweg, der im Wohnraum stand. Offenbar hatte die Aufregung ihr nicht den Appetit verdorben, denn für so eine zierliche Person verdrückte sie ganz schön viel.

Er erinnerte sich daran, dass sie auch damals bei den Barbecues auf der Walker-Ranch immer die Erste gewesen war, die einen Nachschlag nahm, doch er sagte nichts. Auch B. J. schwieg.

Sie waren gerade beim Nachtisch, da klopfte es wieder an der Tür. Als Daniel öffnete, stand eine junge Frau in einem kurzen roten Sarong im Flur. Sie deutete auf den mit einer Haube abgedeckten Kleiderwagen neben sich und fragte: „Mr. Andreas? Ich bin Heather von der Beachfront Boutique. Wie ich höre, ist das Gepäck Ihrer Frau verloren gegangen?“

Daniel kam nicht umhin, von ihrem langen blonden Haar, ihren endlosen, gebräunten Beinen und ihren vollen Brüsten Notiz zu nehmen. Schließlich war er auch nur ein Mann. Ihre Augen strahlten in einem geheimnisvollen Blauviolett, was sie zweifellos getönten Kontaktlinsen verdankte – doch das Gesamtergebnis war atemberaubend.

„Ja, richtig. Ein Fehler der Fluggesellschaft“, antwortete er, wandte sich dann um. „B. J.?“

Sie war bereits auf dem Weg zur Tür. Ihr kurzes dunkles Haar war zerzaust, ihr Make-up verwischt, und ihre weite Kleidung betonte noch, wie schlank sie war.

Viele Männer hätten wahrscheinlich Heathers auffälligere und femininere Schönheit vorgezogen. Daniel dagegen faszinierten B. J.s subtile und ganz natürlichen Reize viel mehr.

„Heather, darf ich Ihnen meine Frau vorstellen“, sagte er und half der Boutique-Angestellten, den sperrigen Kleiderwagen in die Suite zu schieben. „Darling, ich bin sicher, dass du es kaum abwarten kannst, in frische Sachen zu schlüpfen.“

Er hatte den überraschten Blick bemerkt, mit dem Heather B. J. musterte. Wahrscheinlich hatte sie es hier nur mit den aufgerüschten, total gestylten Frauen zu tun, mit denen reiche Männer sich zu schmücken pflegten.

Das konnte man ihr natürlich nicht zum Vorwurf machen. Als er noch geplant hatte, tatsächlich eine „Ehefrau“ auf diese Reise mitzubringen, hatte er genau an diesen Typ gedacht – eine Frau, die reich, verwöhnt und ein wenig abgehoben aussah.

Diese Idee hatte er dann verworfen, weil sie seiner Meinung nach alles unnötig verkomplizierte. Niemals hätte er damit gerechnet, dass das Schicksal ihm ausgerechnet B. J. schicken würde – die einzige Frau, die fähig war, ihn tatsächlich vom Wesentlichen abzulenken.

3. KAPITEL

Daniel bat Heather, die Kleidung dazulassen, damit B. J. sie in Ruhe anprobieren konnte. Die Boutique-Angestellte versprach, in einer Stunde zurückzukommen und die restlichen Stücke abzuholen.

Nachdem Heather gegangen war, entfernte Daniel die Abdeckung über dem Kleiderwagen. „Bitte schön“, sagte er und deutete auf die farbenfrohen Kleider, die auf Bügeln an der Stange hingen, und die durchsichtigen Plastikkisten auf der unteren Ablage, die Schuhe und Wäsche enthielten. „Eine fahrbare Boutique, in der es nur Sachen in deiner Größe gibt.“

Die Hände in die Hüften gestemmt, blickte B. J. von ihm zum Kleiderwagen und wieder zurück. „Du genießt es wohl, dass du nur mit den Fingern zu schnippen brauchst, damit die Leute springen und dir zu Diensten sind, was?“

Er hob die Augenbrauen. „Natürlich.“

„Was hast du in den letzten dreizehn Jahren nur gemacht, Daniel?“

Wieder überhörte er ihre Frage und nahm einen der Bügel von der Stange. „Das hier würde dir gut stehen.“

Das gelbe Baumwollkleid war trägerlos und so geschnitten, dass es sehr figurbetont saß. „Das ist nicht mein Stil“, sagte B. J.

„Ja, aber vergiss nicht, dass du hier eine Rolle spielst. Du bist reich, modebesessen und trägst nur Designerstücke.“

„Laut deiner Geschichte bin ich depressiv und zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um zu bemerken, dass du mein Geld mit vollen Händen ausgibst. Würde so jemand wirklich knapp sitzende, schreiend bunte Kleider tragen?“

„Aber du vergötterst auch deinen Mann, der dich wie eine zerbrechliche Kostbarkeit behandelt. Du würdest dich so anziehen, um ihm zu gefallen.“

B. J. runzelte die Stirn. War der Mann immer so schnell mit Gegenargumenten bei der Hand? Nur ein Mal hätte sie gerne eine ihrer kleinen Debatten gewonnen. „Ich hasse Gelb.“

„Ach so. Tja, dann …“ Er hängte das gelbe Kleid zurück und wählte ein ähnliches in dunklem Magenta. „Ist das hier besser?“

„Vielleicht sollte ich mir selbst etwas aussuchen“, sagte sie und ging zum Kleiderwagen.

„Da es wichtig ist, dass du dem Bild entsprichst, das Drake erwartet, halte ich es für angebracht, dich dabei zu beraten.“

„Seit wann sprichst du nur so hochgestochen?“, fragte sie. „Früher, als du noch Daniel Castillo warst, hast du nicht so geschwollen dahergeredet.“

Bei ihren Recherchen hatte sie erfahren, dass er jetzt den Mädchennamen seiner Mutter benutzte, aber sie wollte ihn wissen lassen, dass sie sich sehr wohl an seine Herkunft erinnerte.

Tatsächlich verschwand sein selbstzufriedenes Lächeln, und sie sah in seinen Augen einen Abglanz des alten Schmerzes, bevor er wieder die ausdruckslose Miene aufsetzte, die ihm so leicht zu fallen schien. „Du bist eben nicht die Einzige, die eine Rolle spielt.“

Danach nahm er mehrere Kleider vom Ständer und legte sie B. J. über die Arme. „Diese könnten dir stehen. Warum nimmst du sie nicht mit ins Schlafzimmer, dann schauen wir, ob sie dir passen.“

Ungläubig starrte sie ihn über den Kleiderberg an. „Du erwartest eine Modenschau?“

Er hatte sein Lächeln wiedergefunden, ließ sich aufs Sofa sinken und legte lässig einen Arm über die Rückenlehne. „Ja, das würde mir gefallen.“

B. J. war versucht, ihm eine Bemerkung an den Kopf zu werfen, die ihm sicherlich weniger gefiel, aber sie biss sich auf die Zunge. Zum einen benutzte sie selten Kraftausdrücke, und zum anderen musste sie zugeben, dass Daniel recht hatte.

Wenn sie sich nach ihrem eigenen Geschmack kleidete, würde sie nie als Mitglied der oberen Zehntausend durchgehen. Ihre arme Mutter hatte jahrelang vergeblich versucht, sie davon zu überzeugen, sich modisch statt bequem zu kleiden.

Mit einem tiefen Seufzen gab sie nach. „Wenn das hier vorbei ist, schuldest du mir aber etwas dafür, dass ich dir aus der Patsche helfe.“

„Streng genommen hilfst du uns beiden aus der Patsche“, korrigierte er sie gelassen. „Aber wenn das hier vorbei ist, nehme ich gern jede Strafe auf mich, die du dir für mich ausdenkst.“

„Schön, dass wir uns da einig sind. Es wird mir helfen, diese Tortur hier auszuhalten, wenn ich mir dabei eine Strafe für dich ausmalen kann.“

„Jetzt probier die Sachen an, du hast nur noch knapp eine Stunde, bevor Heather zurückkommt.“

B. J. drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im Schlafzimmer.

Es stellte sich heraus, dass Daniel nicht leicht zufriedenzustellen war. Sie selbst hätte sich für die ersten paar Sachen entschieden, die passten, doch er schien ein Auge dafür zu haben, was ihr besonders gut stand. Er verwarf alle Kleidungsstücke, die zu locker saßen oder deren Farbe ihr nicht schmeichelte. Sie kam sich schon beinahe wie ein Laufsteg-Model vor, als schließlich einige Sommerkleider – einschließlich des pinkfarbenen – mehrere Kombinationen aus Caprihosen und dazu passenden Tops und ein klassisches „kleines Schwarzes“ sein Wohlwollen fanden.

„Das ist viel zu viel“, protestierte sie. „So lange sind wir doch gar nicht hier.“

„Man weiß ja nie“, erwiderte er mit einem Achselzucken. „Außerdem stehen dir die Sachen. Du solltest sie behalten.“

„Und wer bezahlt sie?“

„Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“

„Tue ich aber.“

„Probier die Badeanzüge an, B. J.“

„Du glaubst doch nicht, dass ich dir auch noch Badeanzüge vorführe?“

Daniel seufzte. „Dann such dir selbst welche aus. Wir sind hier schließlich am Meer. Und denk auch an Unterwäsche für mehrere Tage.“

B. J. unterdrückte die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Über Unterwäsche konnte sie mit Daniel nicht einmal im Streit sprechen.

Schweigend kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und beendete ihren Einkauf ohne Daniels Hilfe.

Heather hatte gerade die restlichen Sachen abgeholt, als es wieder an der Tür klopfte. Neugierig blickte B. J. Daniel an. „Was ist denn jetzt schon wieder?“

Er zuckte die Achseln und ging zur Tür. Ihr fiel auf, dass er sich bewegte wie jemand, der Ärger erwartete. Erst als er durch den Spion geschaut hatte, entspannte er sich, öffnete und kehrte kurz darauf mit einem riesigen Geschenkkorb zurück, der in Zellophan verpackt und mit einer goldenen Schleife versehen war. „Das ist für dich.“

„Für mich?“ Stirnrunzelnd ging sie zum Tisch, auf dem er den Korb abstellte.

Der Korb war mit Kosmetikprodukten gefüllt – Cremes, Lotionen, Feuchtigkeitsmasken, Sonnenschutz. Verschiedene Sorten parfümierter Seife, Make-up, Haarpflegemittel inklusive einer Bürste und einem Handspiegel.

In einem durchsichtigen Plastikbehälter entdeckte sie Zahnbürste und Zahncreme, Mundwasser, einen Damenrasierer und Rasiercreme – alles, was eine Frau auf Reisen brauchte.

Normalerweise achtete sie nicht auf Markennamen, aber sie vermutete, dass alle Produkte zu den teuersten gehörten, die erhältlich waren.

„Hast du das auch bestellt?“, fragte sie Daniel.

Er schüttelte den Kopf und zog eine kleine Karte unter der Schleife hervor. Sie trug das goldene Logo einer der Hotel-Boutiquen. „Nicht, dass Sie Verbesserung nötig hätten, aber vielleicht finden Sie Gefallen an einigen der Produkte. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie sonst noch etwas benötigen. Judson Drake.“

B. J. zog die Nase kraus. „Iiiih.“

Kopfschüttelnd sagte Daniel: „Du solltest dir abgewöhnen, jedes Mal zu erschaudern, wenn du seinen Namen hörst. Er ist unser Gastgeber, und ich versuche immerhin, ihn um eine größere Summe Geld zu erleichtern. Es wäre angebracht, ihm ein wenig die Füße zu küssen.“

Wieder schüttelte sich B. J. „Wenn du ihn unbedingt küssen willst, nur zu. Und die Stelle kannst du dir gerne aussuchen. Ich fasse den Kerl nicht mal mit der Feuerzange an.“

Daniel streckte die Hand aus und strich sanft über ihre Schmolllippen. „Er ist nicht mein Typ“, murmelte er.

Seine Berührung erinnerte sie an den Kuss, mit dem er sie bei ihrer Ankunft im Landhaus überrascht hatte. War das wirklich erst acht Stunden her? Es kam ihr viel länger vor, und dennoch konnte sie beinahe noch die Wärme seiner Lippen spüren.

Er ließ die Hand sinken und zupfte an ihren zerknitterten Sachen, in die sie nach der Anprobe wieder geschlüpft war. „Warum ziehst du nicht eins deiner neuen Kleider an? Dann gehen wir in die Bar, trinken was und hören der Band zu. Wir sollten uns mal blicken lassen.“

Da sie offenbar nur die Wahl hatte, mit ihm auszugehen oder mit ihm in der Suite zu bleiben, entschied sie sich für die Bar. „Klingt gut“, sagte sie – vielleicht ein wenig zu hastig.

„Ich werde mich nach dir frisch machen. Es dauert nicht lange“, sagte er mit diesem Lächeln, das sie immer ganz durcheinanderbrachte.

Ein Glück, dass ich mich fürs Ausgehen entschieden habe, dachte sie im Badezimmer. Ein ganzer Abend mit Daniel allein in der Suite hätte sie entschieden zu viel Nerven gekostet.

Die Sonne war schon untergegangen, als sie die Terrasse der Bar betraten, doch es war noch angenehm warm. B. J. trug das pinkfarbene Kleid und kam sich vor, als hätte sie sich verkleidet. Niemals hätte sie sich selbst eine so auffällige Farbe ausgesucht, und das Kleid war für ihren Geschmack viel zu tief ausgeschnitten und viel zu kurz. Zwar erkannte sie schnell, dass es im Vergleich zu den Outfits einiger anderer Frauen geradezu züchtig wirkte, aber sie hätte sich dennoch in Jeans und T-Shirt viel wohler gefühlt.

Da das Kleid ohne Make-up nicht wirkte, hatte sie sich sogar geschminkt und dafür widerwillig Drakes Geschenkkorb geöffnet.

Daniel hatte ihr gesagt, dass sie sehr hübsch aussah. Wie immer war es ihr nicht gelungen, dabei an seiner Miene abzulesen, ob er das Kompliment ernst meinte oder nur höflich sein wollte.

Während sie unauffällig die aufwendig gestylten, schönen Frauen betrachtete, die an den anderen von Kerzenlicht erhellten Tischen saßen, dachte sie unwillkürlich, dass sie zwischen ihnen aussehen musste wie ein Spatz zwischen exotischen Vögeln.

Daniel dagegen passte hervorragend in die illustre Gesellschaft. Sein schwarzes Haar war vom Duschen noch etwas feucht, und er trug ein dünnes weißes Hemd und lässige schwarze Hosen.

Viele der schönen Frauen – und auch ein paar attraktive Männer – drehten sich nach Daniel um, als er mit ihr im Schlepptau auf ein Tischchen am Ende der Terrasse zusteuerte. B. J. glaubte, Überraschung auf ihren Mienen zu lesen, dass ein Mann wie Daniel sich mit einer Frau wie ihr abgab.

„Was ist los mit dir?“, fragte er leise, als er ihr den Stuhl zurechtrückte.

„Nichts.“

Daniel setzte sich neben sie und zog seinen Stuhl so dicht neben ihren, dass sich ihre Knie unter dem Tisch berührten. Als B. J. ihn fragend ansah, flüsterte er: „Um den Schein zu wahren.“

„Es nimmt mir doch sowieso niemand ab, dass ich mich an einem Ort wie diesem zu Hause fühle“, murmelte sie mit einer vagen Handbewegung. In der Mitte der runden, palmengesäumten Terrasse befand sich eine Tanzfläche, auf der ein fünfköpfiges Ensemble romantische Musik spielte. Einige gebräunte, blondierte und designergekleidete Paare zeigten dort ihre gepflegten Tanzkünste.

Welch ein himmelweiter Unterschied zu den zünftigen Country-Abenden in einer Bierkneipe, die ihre Familie in Texas besuchte, wenn sie sich gut unterhalten wollte.

Daniel runzelte die Stirn. „Wieso solltest du dich hier nicht zu Hause fühlen?“

„Weil ich es mir nie leisten könnte, in einer Ferienanlage wie dieser Urlaub zu machen.“

„Das heißt doch nicht, dass du dich mit den Leuten hier nicht messen könntest. Du darfst Geld nicht mit Klasse verwechseln.“

Eine hübsche Blondine in einem farbenfrohen Sarong trat an den Tisch. „Was darf es sein?“

„Liebling?“

B. J. widerstand dem Impuls, ein Bier zu bestellen, nur um Daniel zu zeigen, was sie meinte. „Warum bestellst du nicht für uns, Liebling?“

Er zeigte sein unwiderstehliches Lächeln, wobei für einen Moment das Grübchen in seiner linken Wange zu sehen war, dem sie schon als Vierzehnjährige verfallen war. „Dann also Champagner, den magst du doch am liebsten.“

Ohne Zögern bestellte er eine Marke, die B. J. nicht kannte – wahrscheinlich, weil sie unglaublich teuer war.

„Ich mag am liebsten Champagner?“, flüsterte sie, als die Bedienung gegangen war.

„Es erschien mir passend.“

Weil es sie nervös machte, so dicht neben ihm zu sitzen, blickte sie sich zur Tanzfläche um. Lichtreflexe der Kerzen spiegelten sich auf dem Flügel und den Blechinstrumenten. Die Musik war angenehm leise, sodass man das Meeresrauschen noch hören konnte, und die leichte Brise trug den Duft von exotischen Blüten heran.

Als der Champagner kam, nahm B. J. einen Schluck und sagte: „Eins muss man dem Ekelpaket lassen, er hat einen hübschen Club hier.“

Daniel lächelte ein wenig, doch er blickte sich schnell nach allen Seiten um und erinnerte sie dadurch daran, dass sie vorsichtig sein musste. „Ja, oberflächlich betrachtet schon.“

Nervös geworden blickte B. J. sich ebenfalls um und entdeckte Bernard und einen ihr unbekannten Mann an einem der Tische nahe der Tanzfläche. Zweifellos hatten sie genau registriert, wann sie und Daniel in die Bar gekommen waren. Ein Schauer überlief sie.

Daniel legte ihr einen Arm um die Schultern. Der feine Stoff seines Hemdes fühlte sich auf ihrer nackten Haut sehr weich an. „Frierst du?“

„Nein.“

„Wir können offen reden, solange wir es leise tun.“ Daniels Lippen berührten beinahe ihre Schläfe. Nicht einmal am Nebentisch hätte jemand sie belauschen können. Außerdem war ihr Tisch durch eine große Topfpalme vom Rest der Bar abgeschirmt. Sicher hatte Daniel ihn deshalb ausgesucht.

B. J. hatte den Eindruck, dass jede seiner Handlungen wohlüberlegt war – inklusive des Körperkontakts, den er offenbar suchte.

„Du solltest mich ab und zu mal anlächeln. Tu einfach so, als wärst du unglaublich interessiert daran, was ich zu sagen habe“, schlug er vor.

„Soll ich dir auch bewundernd in die Augen blicken?“, fragte sie zuckersüß.

Mit einem kleinen Lachen hauchte er einen Kuss auf ihre Wange. „Das würde helfen.“

Hätte Bernard sie nicht beobachtet, wäre B. J. wohl zusammengezuckt. Sie bezweifelte, dass sie genügend Schauspieltalent besaß, um glaubhaft zu machen, dass Daniels Berührungen etwas Alltägliches für sie waren. „Ich werde sehen, was ich tun kann“, sagte sie ein wenig heiser.

„Entspann dich, B. J., ich beiße nicht.“ Er trank einen Schluck Champagner, stellte dann die langstielige Flöte wieder ab. „Möchtest du tanzen?“

„Ich tanze nicht sehr gut.“

„Kein Problem. Außerdem scheinen Bernard und sein Freund darauf zu warten, dass wir irgendetwas tun. Wir sollten sie nicht enttäuschen.“

Unwillkürlich wandte B. J. den Kopf zu dem betreffenden Tisch um. Tatsächlich starrte Bernard jetzt offen zu ihnen herüber. Als sich ihre Blicke trafen, nickte er und prostete ihr mit seinem Glas zu.

Obwohl das an sich keine bedrohliche Geste war, zog sich ihr der Magen zusammen. „Eigentlich bin ich ziemlich müde.“

„Dann gehen wir zurück in die Suite – nach diesem Tanz.“

Daniel stand auf und hielt ihr die linke Hand hin. Damit blieb ihr keine andere Wahl. Offenbar hielt er es für wichtig, dass Bernard sie tanzen sah. Sie legte ihre Hand in seine und ließ sich zur Tanzfläche führen.

Wie immer hatte er recht – es war kein Problem, dass sie nicht gut tanzte. Er hielt sie so eng an sich gedrückt und bewegte sich so langsam, dass sie sich nur im Stand hin- und herwiegen musste. Dabei klammerte sie sich fest an ihn – um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, sagte sie sich, nicht, weil sie beobachtet wurden.

Als er seine Lippen auf ihre Wange drückte, legte sie instinktiv den Kopf schräg, um ihm Zugang zu gewähren. Es war wohl besser, im Moment einfach zu handeln, ohne groß darüber nachzudenken. Jedes Mal, wenn sie überlegte, was Daniel im Schilde führte oder warum sie nicht energischer daran arbeitete, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, bekam sie Kopfschmerzen.

Vielleicht sollte sie Daniels Anweisungen nicht so willig folgen. Bisher wusste sie ja noch nicht einmal sicher, ob er nicht in illegale Geschäfte verstrickt war. War sie zu naiv, wenn sie sich weigerte, von dem Mann, in den sie als Mädchen verliebt gewesen war, schlecht zu denken?

Oder waren es die Hormone, die ihr einen Streich spielten? Ihr Körper reagierte ganz eindeutig darauf, sich zu langsamer Musik mit Daniel im Takt zu wiegen, und jedes Mal, wenn er sie anlächelte, begann ihr Herz, schneller zu schlagen.

Im Moment ruhte ihre Wange an seiner Schulter. Als das Lied zu Ende ging, hob er ihr Kinn an, und bevor sie protestieren konnte, küsste er sie auf den Mund. Damit beendete er den Tanz, denn auf einmal war sie bewegungsunfähig.

Erst nach einigen langen Sekunden gab er sie frei. „Jetzt können wir zurück in die Suite gehen“, sagte er.

B. J. blinzelte benommen und bemerkte, dass auch die anderen Paare die Tanzfläche verließen. Niemand schien von ihnen Notiz zu nehmen, aber falls doch, würden sie wie ein Pärchen wirken, dass es eilig hatte, dort weiterzumachen, wo der Kuss aufgehört hatte.

Sie ließ es zu, dass Daniel einen Arm um sie legte, sie eng an sich drückte und mit ihr die Bar verließ, und ihr wurde klar, dass er genau diesen Eindruck hatte erzielen wollen.

Als sie in die Suite zurückkamen, wirkte B. J. etwas blass. Daniel bedeutete ihr, still zu sein, während er nach Abhörgeräten suchte.

Kein Wunder, dass sie todmüde war, nach allem, was sie mitgemacht hatte. Es tat ihm leid, dass er sie zum Besuch in der Bar hatte überreden müssen, doch der Ausflug war nützlich gewesen. Er untermauerte die Geschichte, dass seine „Frau“ dank seiner ausgefeilten Verführungskunst völlig von ihm eingenommen war und gar nicht bemerkte, was um sie herum vorging.

Nachdem er keine Wanzen gefunden hatte, wandte er sich zu B. J. um. „Du solltest schlafen gehen, du bist ja völlig erschöpft.“

B. J. trottete in Richtung Schlafzimmer, blieb aber stehen, als er ihr folgte. „Und wo wirst du schlafen? Auf dem Sofa?“

Hatte sie tatsächlich erst jetzt bemerkt, dass ihr Schauspiel es erforderte, sich das Bett zu teilen?

„Es ist ein riesiges Doppelbett. Wir können beide darin schlafen, ohne uns auch nur ein Mal zu berühren.“

„Kommt nicht infrage.“

Daniel massierte sich den Nacken und erwiderte bewusst ungeduldig: „Glaub mir, Brittany, du hast von mir nichts zu befürchten. Wir dürfen nicht riskieren, dass unsere Geschichte auffliegt, also werden wir uns das Bett teilen – um darin zu schlafen, nichts weiter. Ich will mich nur ein paar Stunden ausruhen, und dann muss ich sowieso am Laptop arbeiten, um mich auf das Treffen mit Drake morgen vorzubereiten.“

Als B. J. rot wurde, wusste er, dass er sein Ziel erreicht hatte. Offenbar hatte sie seine Worte so verstanden, dass er kein Interesse daran hatte, eine Nacht mit ihr im selben Bett auszunutzen. Deswegen hatte er auch den Namen benutzt, mit dem sie als junges Mädchen gerufen worden war – um ihr den Eindruck zu vermitteln, dass sie für ihn nur eine unwillkommene Erinnerung war, ein Mädchen, an dem er kein Interesse hatte.

So war es damals zwar nicht gewesen, und im Augenblick traf es erst recht nicht zu, doch diese Erkenntnis behielt er lieber für sich. Wenn sie sich von ihrer Verlegenheit erholt hatte, würde sie sich in seiner Gegenwart viel entspannter fühlen, weil sie wusste, dass sie keine unwillkommenen Annäherungsversuche von ihm zu befürchten hatte.

Jedenfalls nahm er an, dass sie unwillkommen wären. Wenn nicht, würde das ganz neue Probleme heraufbeschwören.

B. J. hob trotzig das Kinn – eine Geste, die er noch von früher kannte. „Schlaf doch, wo du willst. Ich bin so müde, dass ich dich nicht einmal wahrnehmen werde. Und morgen erwarte ich, dass du einen Weg findest, dieses lächerliche Schauspiel zu beenden und mich hier rauszubringen.“

Er nickte. „Ich warte im Wohnzimmer, bis du im Bett bist. Ich werde versuchen, dich nicht zu stören, wenn ich reinkomme oder später wieder aufstehe.“

Mit einem Achselzucken drehte sie sich um und ging ins Badezimmer, wobei sie über die Schulter sagte: „Und ich ziehe es wirklich vor, B. J. genannt zu werden.“

„Ich werde mir Mühe geben.“

„Tu das.“

Hinter ihr fiel die Badezimmertür mit einem Knall ins Schloss, der ihn ein wenig zusammenzucken ließ.

4. KAPITEL

Trotz ihrer Bedenken schlief B. J. wie ein Stein. Sie hatte den züchtigsten Schlafanzug angezogen, den die Boutique ihr zur Auswahl gestellt hatte, und bemerkte weder, dass Daniel etwa eine Stunde nach ihr ins Bett kam, noch, wann er wieder aufstand.

Als sie selbst gegen sieben aufwachte, war er schon nicht mehr da, und nur eine leichte Delle im Kissen zeigte, dass er überhaupt neben ihr gelegen hatte.

Kaum zu glauben, dass sie gerade tatsächlich eine ganze Nacht mit Daniel im Bett verbracht und dieses Ereignis völlig verschlafen hatte …

Nach einer ausgiebigen Dusche legte B. J. ein leichtes Make-up auf und wählte eins der neuen Outfits – ein hellgrünes, ärmelloses Top und grün-weiß karierte Caprihosen, dazu grüne Riemchensandalen. Als sie in den Spiegel blickte, erkannte sie sich kaum wieder, so verkleidet kam sie sich vor.

„Guten Morgen“, sagte er gut gelaunt, als sie in den Wohnraum trat.

„Guten Morgen.“

„Hast du gut geschlafen?“

„Ja, sehr gut, danke.“ Ihm musste sie diese Frage nicht stellen. Er wirkte völlig ausgeruht. Sein Haar war ordentlich gekämmt, das cremefarbene Hemd und die braune Hose hatte er offenbar bügeln lassen. Obwohl sie mehr Make-up trug als gewöhnlich, kam sie sich neben ihm einfach immer unzulänglich gekleidet vor.

Ihr gezierter Tonfall entlockte ihm ein spöttisches Lächeln. „Du siehst sehr hübsch aus“, sagte er.

„Ich sehe aus wie eine reiche Hausfrau“, entgegnete sie missmutig. „Fehlt nur noch die Perlenkette.“

„Oder das hier.“ Daniel zog ein Schächtelchen aus seiner rechten Hosentasche und reichte es ihr.

B. J. betrachtete die Schachtel misstrauisch. „Was ist das?“

„Mach sie auf, dann siehst du es.“

„Ich weiß nicht …“

Seufzend öffnete er die Schachtel selbst. Darin lag ein einreihiges Armband aus goldgefassten Diamanten.

Mit Schmuck kannte B. J. sich nicht aus – sie selbst trug nur eine sportliche Uhr und Ohrringe mit Diamantsplittern, die ihre Eltern ihr zum College-Abschluss geschenkt hatten – aber sie schätzte, dass das Armband insgesamt mindestens drei Karat an Diamanten hatte.

„Du erwartest doch nicht, dass ich das trage?“, fragte sie.

Daniel hatte das Armband bereits aus der Schachtel genommen. „Aber sicher.“

„Warum?“

„Weil Daniel Andreas nach der Liebesnacht mit seiner Frau so gute Laune hatte, dass er gleich morgens beim Hoteljuwelier vorbeiging, um ein kleines Geschenk für sie zu besorgen. Da gewisse Leute zweifellos bereits über den Kauf informiert sind, solltest du das Armband auch tragen. Vorzugsweise ohne dabei angewidert auszusehen.“

„Darum geht es nicht. Das Armband ist wirklich hübsch. Es ist nur nicht …“

„Dein Stil, ich weiß.“ Er nahm ihre rechte Hand und legte ihr das Schmuckstück um. „Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass du für die Zeit, die wir hier sind, eine Rolle spielst?“

Stirnrunzelnd blickte sie auf das funkelnde Armband. „Also schön. Wie lautet denn mein Tagesbefehl?“

Ihr Sarkasmus schien ihn nicht zu erreichen. „Du befindest dich in einer Luxusferienanlage. Genieß es. Sonn dich am Pool, geh am Strand spazieren. Bummle durch die Boutiquen, lass dich im Wellnessbereich verwöhnen und dich massieren, maniküren oder …“, er strich mit den Fingerspitzen über ihren kurzen Stufenschnitt, „… frisieren.“

Verlegen schob sie seine Hand weg. Sie hatte einfach schon länger keine Zeit mehr für einen Friseurtermin gehabt und sich die Haare selbst geschnitten, wenn sie ihr zu sehr in die Augen hingen. Aber so schlecht sah es nun auch wieder nicht aus. „Vielleicht bleibe ich einfach in der Suite und sehe fern.“

„Es wäre sicher besser, wenn du dich wenigstens eine Weile draußen blicken lassen würdest. Führ dein neues Armband vor und tu so, als wärst du daran gewöhnt, dich verwöhnen zu lassen.“

„Ach, ich dachte, ich wäre depressiv und in mich gekehrt?“

Er lächelte über ihre Wortwahl. „Das warst du auch, aber du reagierst positiv auf meine liebevollen Aufmerksamkeiten.“

„Tanzen und Diamanten, zum Beispiel.“

„Zum Beispiel.“

„Und was machst du, während ich mich vergnüge?“

„Ich schließe mit unserem Gastgeber Geschäfte ab.“

„Und du wirst mir nicht sagen, um was es dabei geht.“

Er hauchte einen Kuss auf ihre Schläfe. „Darüber brauchst du dir nicht das hübsche Köpfchen zu zerbrechen.“

„Ich lasse mich scheiden!“, rief sie empört.

Lachend trat er einen Schritt zurück. „Sobald ich es einrichten kann, wird die Ehe annulliert.“

„Gut.“

„Du hast bestimmt Hunger. Wollen wir frühstücken?“

„Ja, warum nicht?“, erwiderte sie mit einem Achselzucken.

„Unten gibt es ein Frühstücksbüfett. Es sah schon im Vorbeigehen ganz nett aus.“

Bedauernd kehrte sie dem kleinen Esstisch in der Suite den Rücken. Daniel hatte wohl wie immer seine Gründe dafür, dass er sich mit ihr blicken lassen wollte.

„Ganz nett“ war eine Untertreibung. Noch nie hatte B. J. ein so reichhaltiges Frühstücksbüfett gesehen. Kopfschüttelnd beobachtete sie die Frau vor sich dabei, wie sie eine einzige Erdbeere und eine halbe Scheibe Vollkornbrot auf einen winzigen Teller legte, und griff dann selbst zu. Ihr eigener Teller war randvoll, als sie zum Tisch zurückkehrte.

Leider saß dort außer Daniel auch Judson Drake. Am liebsten hätte sie sich einen anderen Tisch gesucht, doch sie ließ sich nichts anmerken und nickte Drake beiläufig zu.

„Guten Morgen, Mrs. Andreas.“ Drake war aufgestanden und setzte sich erst wieder, als sie selbst Platz genommen hatte.

„Mr. Drake.“

„Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier.“

„Es ist eine wunderschöne Anlage.“ Das war zumindest nicht gelogen.

Er warf einen Blick auf ihren Teller. „Es ist mir immer eine Freude, wenn ich sehe, dass eine Frau die Künste unseres Kochs zu würdigen weiß.“

Dieser Kerl war wirklich schrecklich. Obwohl er den perfekten Gastgeber spielte, hätte sie ihn am liebsten geohrfeigt, und dabei war sie keine übermäßig gewalttätige Frau.

Schnell nahm sie einen Bissen von ihrer Waffel, um ihm nicht antworten zu müssen.

Ihre Bewegung lenkte Drakes Aufmerksamkeit auf das Armband. „Sehr hübsch“, bemerkte er und berührte es mit den Fingerspitzen. „Wenn auch nicht so schön wie seine Trägerin.“

Viel länger als nötig ruhten seine Finger auf ihrer Haut. Der Mann hatte wirklich Nerven. Anscheinend glaubte er, dass er sie erobern konnte – und das, obwohl Daniel direkt neben ihr saß.

„Danke“, sagte sie und schenkte Daniel ein strahlendes und – wie sie hoffte – bewunderndes Lächeln. „Mein Mann hat es mir geschenkt. Er ist so ein liebenswerter Mensch.“

„Liebenswert“, murmelte Drake ein wenig irritiert. Unter diesem Aspekt hatte er Daniel wohl noch nicht betrachtet.

Daniel nahm B. J.s linke Hand und hob sie an die Lippen. „Genau“, flüsterte er. „Einfach liebenswert.“

Ihre Blicke trafen sich, und B. J. war wie gebannt von seinen dunklen Augen. Man hätte glauben können, er wäre wirklich in sie verliebt.

„Nun, dann werde ich die Turteltäubchen mal frühstücken lassen“, sagte Drake und erhob sich. „Daniel, wir treffen uns um zehn in meinem Büro. Ach, und übrigens … Sie sind Ihrer reizenden Brittany wirklich nicht gerecht geworden, wenn Sie bisher von ihr erzählt haben.“

Mit einem besonders öligen Lächeln nickte er und entfernte sich.

„Das ist der ekelhafteste Mensch, dem ich je begegnet bin“, murmelte B. J. aufgebracht.

„Er ist nur …“

„Warte mal.“ B. J. ließ die Gabel sinken. „Er hat mich Brittany genannt.“

„Ja. Er weiß eben nicht, dass du …“

„Er sagte, dass du von mir – Brittany – gesprochen hast, bevor wir gestern hier ankamen. Oder habe ich mich verhört?“

Daniel seufzte. „Nein. Als ich Drake gegenüber meine Frau das erste Mal erwähnte, nannte ich sie Brittany. Glücklicherweise scheint er zu akzeptieren, dass ich dich mit deinem Spitznamen anrede, wenn wir zusammen sind.“

„Du hast deine imaginäre Frau Brittany genannt?“

Vorsichtig blickte Daniel sich um, ob sie nicht belauscht wurden, bevor er antwortete. „Als ich einen Namen für eine Frau in Texas brauchte, fiel mir einfach Brittany zuerst ein. Wahrscheinlich war es eine alte Erinnerung. Außerdem klingt der Name ganz nach schwerreicher Texanerin.“

„Deshalb bevorzuge ich ja auch B. J.“, erwiderte sie. „Der Name, den meine Mutter mir gab, hat nie zu mir gepasst. Trotzdem verstehe ich nicht, warum …“

Ausdruckslos griff Daniel nach seiner Kaffeetasse. „Dass ich zufällig deinen Namen benutzt habe, hat nichts zu bedeuten. Aber alles in allem war es ein glücklicher Umstand, der es uns jetzt leichter macht.“

Ganz eindeutig wollte er nicht länger darüber reden, also wandte sich B. J. wieder ihrem Teller zu. Vielleicht hatte es wirklich nichts zu bedeuten, dass er seine „Frau“ nach ihr benannt hatte, aber interessant war es doch.

Später am Morgen brach B. J. zu einem Bummel durch die Ferienanlage auf, als die Zimmermädchen zum Saubermachen kamen. Sie durchstöberte ein paar Läden, fand aber nichts von Interesse, schaute sich die Leute an den Pools an, ging an den Tennisplätzen vorbei und entschied sich schließlich für einen Strandspaziergang.

Sie war noch nicht oft am Meer gewesen, und von all den angebotenen Annehmlichkeiten kam ihr der Strand am verlockendsten vor. Entspannt schlenderte sie am Ufer entlang, blieb oft stehen, um sich nach hübschen Muscheln zu bücken, und sah zu ihrem Entzücken einige Delfine in der Brandung spielen.

Bis auf zwei Reiter viel weiter vorn war der Strand menschenleer, nachdem sie den mit Sonnenschirmen und einer Bar ausgestatteten Bereich direkt beim Club einmal verlassen hatte. Vor ihr lagen nur Sand, Gras und ein paar Steine. Wenn sie einfach weiterging, würde sie wahrscheinlich irgendwann zur nächsten Ferienanlage oder zu einem Privatgrundstück kommen.

Mit ein wenig Glück würde sie nach ein paar Anrufen schon am Abend wieder in Dallas sein. Aber wenn sie einfach so „verschwand“, brachte sie damit Daniel in Schwierigkeiten. Selbst ihm würde es schwerfallen, dafür vor Drake eine plausible Erklärung zu finden. Und wenn Drake die Wahrheit erfuhr, würde er Daniel womöglich „beseitigen“.

B. J. blieb stehen. „Verdammt.“ Mit einem tiefen Seufzen drehte sie sich um und ging in Richtung der Ferienanlage zurück, während sie gleichzeitig mit sich haderte, weil sie so eine leichtgläubige Idiotin war.

„Mrs. Andreas.“

Wie aus dem Nichts stand plötzlich Bernard vor ihr, und B. J. prallte erschrocken zurück. „Woher …“

„Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe“, sagte er. „Ich dachte, Sie hätten mich kommen sehen.“

Was gelogen war. Er hatte sich absichtlich angeschlichen. B. J. ließ sich jedoch nichts anmerken und begann zu improvisieren, indem sie verlegen lachte. „Nein, das war meine Schuld. Ich habe vor mich hingeträumt und meine Umgebung vollkommen vergessen.“

„Sie haben sich ziemlich weit von der Anlage entfernt.“

„Tatsächlich?“ B. J. berührte das Diamantarmband. „Mein Mann sagt, dass ich die meiste Zeit in meiner eigenen Welt lebe. Ich habe diese schreckliche Angewohnheit, dass ich völlig in Gedanken bin und mich dann irgendwo verirre. Mein Auto finde ich übrigens auch nie wieder. Gut, dass ich keins dabei habe.“

Mit einem Blick auf das Armband erwiderte Bernard ironisch: „Sie hatten sicher viel, worüber Sie nachdenken mussten. Sind Sie jetzt auf dem Weg zurück ins Hotel?“

„Ja. Ich werde heute Nachmittag am Pool ein wenig lesen. Der große Pool mit dem Wasserfall und den vielen Blumen ist so hübsch. Man kommt sich fast wie in Hawaii vor, nicht wahr?“

„Äh, ja, ich glaube, diesen Eindruck wollte der Chef auch erzielen, als er ihn plante.“

„Wie klug von ihm. Ich muss ihn unbedingt dafür loben, wenn ich ihn wiedersehe.“ Sie ging an Bernard vorbei und blickte sich dann über die Schulter zu ihm um. „Oh, tut mir leid, jetzt habe ich ganz vergessen, Sie zu fragen, ob Sie mich aus einem bestimmten Grund gesucht haben.“

„Oh, äh, nein … Nein, ich habe Sie gar nicht gesucht. Ich bin nur selbst ein wenig spazieren gegangen.“

„Ja, es ist ein schöner Tag dafür“, sagte sie mit einem gedankenverlorenen Lächeln. „Viel Spaß noch.“

„Danke. Bis dann, Mrs. Andreas.“

B. J. legte den Rückweg sehr viel schneller zurück und hielt sich nicht mehr mit interessanten Muscheln auf. Bernard war ihr gefolgt. Und sie wurde das schreckliche Gefühl nicht los, dass er nicht zugelassen hätte, dass sie bei ihrem „Spaziergang“ überhaupt bis zur nächsten Ansiedlung kam.

5. KAPITEL

Als Daniel am späten Nachmittag in die Suite zurückkehrte, saß B. J. mit angezogenen Beinen in einem der Sessel, ein Buch in der Hand. Weit gekommen war sie allerdings anscheinend nicht.

Nach seiner obligatorischen Wanzensuche fragte er: „Warst du auch mal draußen?“

„Ich habe einen Strandspaziergang gemacht“, antwortete sie und legte das Buch zur Seite. „Aber ich konnte ihn wegen der lästigen Schatten nicht genießen.“

„Schatten?“

Autor

Gina Wilkins

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden!

Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt...

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Victoria Pade

Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...

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Marie Ferrarella

Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...

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