ANN DEFEE
Ein Date mit meinem Mann
Eigentlich wollte Maizie ihre Ehe retten, doch im Streit
setzt Clay sie einfach vor die Tür. Jetzt muss sie alle Register
ziehen, um ihren Mann zu halten – und bringt sich dabei in
große Gefahr.
MICHELLE CELMER
Kein Tag mehr ohne dich, Caitie
„Es tut mir so so leid.“ Eine kleine Notiz, das ist alles, was
Nate von seiner Jugendliebe geblieben ist. Jetzt ist Caitie
zurück, und er liebt sie immer noch. Aber wird er ihr je verzeihen
können?
RACHEL LEE
Ein Baby von Mr Navy
Mutig, tapfer und bildhübsch. Die Nacht mit Edie wird
Navy-Spezialist Seth nie vergessen – außerdem hat sie ihm in
Afghanistan das Leben gerettet. Warum bloß will sie ihn nicht
als Vater für ihr Kind?
AMANDA BERRY
Tausche New York gegen Familie fürs Leben
Die Leitung eines Großprojekts! Für Brady ein Karriereschub.
Doch als Maggie ihm offenbart, dass er schon lange Vater
einer Tochter ist, steht er plötzlich vor einer ganz anderen
Herausforderung.
Ein Date mit meinem Mann
1. KAPITEL
„Findest du meinen Hintern in diesen Jeans zu fett?“ Mary Stuart Walker, genannt Maizie, wusste, dass sie keine ehrliche Antwort auf diese Frage bekommen würde. Und wenn, würde sie ihr vermutlich nicht gefallen. Abgesehen davon war die Frage ziemlich unfair. Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, sie zu stellen.
Clay, mit dem sie seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet war, schaute von seiner Zeitung auf. Sein verblüffter Blick hatte fast schon etwas Komisches. Maizie unterdrückte einen Seufzer. Früher hätte er keine Sekunde mit der Antwort gezögert. Aber inzwischen … tja, inzwischen war ihre Ehe, gemessen auf einer Skala von eins bis zehn, gefährlich in den unteren Bereich abgesackt. Höchste Zeit, für frischen Wind zu sorgen.
Maizie war sich bewusst, dass sie in der Midlife-Crisis steckte. Hannah, ihre Tochter, studierte seit Kurzem in Atlanta. Obwohl die Emory University nur fünfzig Meilen von Magnolia Bluffs entfernt lag, vermisste Maizie ihre Tochter wie wahnsinnig. Sie sagte sich mindestens einmal pro Tag, dass ihr Verhalten unvernünftig sei. Aber konnte man ihr deswegen einen Vorwurf machen?
„Nun ja …“ Ratlos wedelte Clay mit den Händen durch die Luft. „Was soll ich darauf antworten? Ich könnte es dir ja doch nicht recht machen. Manchmal habe ich bei dir das Gefühl, Teilnehmer in einem Quiz zu sein, von dem ich keine Ahnung habe.“
Der arme Clay! Maizie liebte ihn, seit sie Teenager waren. An ihren Gefühlen hatte sich nichts geändert – warum verhielt sie sich dann so zickig? Waren es schon die Wechseljahre? Oder verlor sie einfach nur den Verstand? Seit Monaten empfand sie diese vage Unzufriedenheit, deren Ursache ihr völlig unbekannt war.
Hör sofort damit auf! Ihr Leben war wunderbar. Sie musste es bloß wieder in den Griff bekommen.
„Darauf sagst du gar nichts?“ Clay zwinkerte ihr zu – eine Angewohnheit von ihm, in die sie sich schon in der sechsten Klasse verliebt hatte.
„Nein.“ Maizie setzte sich auf seinen Schoß und schlang die Arme um seinen Hals. „Tut mir leid. Ich fühle mich nur irgendwie so – komisch.“
Clay zog sie an seine Brust. „Ich weiß, mein Schatz. Ich weiß.“
Vermutlich wusste er es sogar wirklich. Mit den Jahren waren sie einander immer ähnlicher geworden, sodass sie nicht nur die Sätze des anderen vervollständigen konnten, sondern sich sogar ohne Worte verstanden.
Clay liebkoste ihren Nacken und widmete sich besonders intensiv der empfindlichen Stelle hinter ihrem Ohr. Meistens konnte Maizie ihm dann nicht mehr widerstehen und zerfloss in seinen Armen.
Clay war ein ruhiger Mann, der es faustdick hinter den Ohren hatte. Sein besonderer Humor gehörte zu den vielen Eigenschaften, die Maizie an ihm liebte. Noch immer hatte Clay die leuchtend blauen Augen und das strubblige blonde Haar, das ihr bereits in der Grundschule aufgefallen war – damals, als er glaubte, eine feuchte Zunge im Mund der Freundin sei das Nonplusultra eines unwiderstehlichen Vorspiels. Gott sei Dank war seine Technik seitdem besser geworden.
„Ich brauche erst um zehn Uhr im Laden zu sein.“ Maizie setzte ihr verführerischstes Lächeln auf. „Kannst du nicht noch ein bisschen bleiben?“
Ein letztes Mal knabberte Clay an ihrem Ohrläppchen. „Ach Darling, ich wünschte, ich könnte es. Wirklich! Leider habe ich einen wichtigen Termin mit den Leuten vom Straßenbauamt.“ Clay und seinem Partner Harvey gehörte das größte Ingenieursbüro in Magnolia Bluffs. „Den darf ich nicht versäumen.“ Er küsste sie auf die Nasenspitze. „Ich werde es wiedergutmachen. Versprochen.“
„Kein Problem!“ Maizie sprang auf und rauschte aus der Küche.
Clay sah ihr hinterher. Natürlich war es ein Problem, da konnte Maizie sagen, was sie wollte. Er war schließlich nicht dumm und lange genug verheiratet, um zu erkennen, wenn ihr etwas nicht gefiel. In letzter Zeit schien er immer alles falsch zu machen – vor allem, wenn es um seine Frau ging, die attraktivste, humorvollste und liebenswerteste Person, die er jemals getroffen hatte.
Maizie erinnerte ihn an einen Filmstar der Fünfzigerjahre – eine Mischung aus Marilyn Monroe und Pamela Anderson ohne chirurgische Eingriffe. Sie jammerte zwar über die Pfunde, die sie mit den Jahren zugelegt hatte, aber in Clays Augen hatte sie eine perfekte Figur mit den Rundungen genau an den richtigen Stellen.
Nicht ein einziges Mal hatte er in all den Jahren an einen Seitensprung gedacht. Warum auch, wenn zu Hause die Frau seiner Träume auf ihn wartete? Doch in letzter Zeit – vor allem seit Hannah aufs College ging – war vieles anders geworden.
Maizie war die Besitzerin von Miss Scarletts Boudoir, der angesagtesten Boutique in Magnolia Bluffs, Georgia, in der fast ständig Hochbetrieb herrschte. Langeweile hatte sie gewiss nicht. Also konnte es nur daran liegen, dass sie ihre Tochter vermisste.
Plötzlich schoss Clay ein erschreckender Gedanke durch den Kopf. Was, wenn sie von ihm gelangweilt war? Maizie und Hannah waren ihm das Wichtigste auf der Welt. Ohne sie würde er nicht leben wollen.
Häusliche Probleme konnte er im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Dafür hatte er bei der Arbeit viel zu viel um die Ohren. Wenn er an die Schwierigkeiten in seinem Büro dachte, wäre er am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand gerannt.
Unvermittelt kam ihm eine grandiose Idee. Er musste eine Expertin zurate ziehen – und wer wäre dafür besser geeignet als Maizies Zwillingsschwester Liza? Die beiden standen sich so nahe, wie sich Geschwister nur nahe sein konnten. Und dann gab es da noch ihre Cousine Kenni Whittaker. Zusammen waren sie die drei Musketiere. Ja, Liza und Kenni wussten bestimmt Rat.
Zufrieden schnappte Clay sich die Autoschlüssel und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Sobald er eine Pause hatte – von denen es derzeit allerdings nicht sehr viele gab –, würde er Liza anrufen.
Es war ein scheußlicher Morgen gewesen. Maizie hasste es, mit Clay zu streiten, aber manchmal überkam es sie wie eine schwarze Wolke, die sich über ihr Gemüt legte, und es fiel ihr immer schwerer, damit fertigzuwerden.
Im Hinterzimmer ihrer Boutique praktizierte Maizie gerade einige Atemübungen, um sich zu beruhigen, als sie lautes und schrilles Stimmengewirr aus dem Ladenlokal hörte. „Lass uns das draußen erledigen“, forderte jemand mit grollendem Tonfall. Solche Sätze hörte man normalerweise in Spelunken und nicht bei Miss Scarlett.
Maizie unterbrach ihre Übungen und eilte in den Laden. Zwei ältere Kundinnen waren sich in die Haare geraten. PJ und Bambi, Maizies Angestellte, sahen der Auseinandersetzung hilflos zu.
„Was fällt euch eigentlich ein?“ Empört stemmte Maizie die Hände in die Hüften, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Sie war mindestens einen Kopf größer als ihre Kundinnen und bereit, diesen Vorteil voll für sich zu nutzen. „Wir sind hier nicht in einer Kneipe.“
Sue Belle Pennington und Lucy Albright waren schon seit der Grundschule erbitterte Feindinnen. Hinzu kam, dass sie ebenso dumm wie reizbar waren. Kein Wunder, dass sie andauernd in Streit gerieten, sobald sie sich über den Weg liefen.
„Ich warte auf eine Erklärung.“ Ungeduldig trommelte Maizie mit dem Fuß auf den Boden.
„Sie, sie …“ Mit knochigem Finger zeigte Sue Belle auf ihre Erzfeindin. „Sie glaubt, sie könne den Keksverkauf der Pfadfinderinnen organisieren. Dabei weiß doch jeder, dass sie nicht mal eins und eins zusammenzählen kann.“ Das hämische Lachen, das sie ihren Worten folgen ließ, machte ihre Beleidigung noch ungeheuerlicher.
Lucy wollte Sue Belle einen Schlag versetzen, aber Maizie hielt sie am Arm fest. „Ihr streitet euch in meinem Laden darüber, wer bei der Pfadfinderaktion das Sagen hat?“ Am liebsten hätte Maizie ihre Köpfe zusammengeschlagen – wenn es denn etwas genützt hätte.
Sue Belle wollte mit einer beleidigenden Geste antworten, hielt jedoch inne, als sie Maizies drohenden Blick bemerkte.
Wenn Lucy jedoch einmal in Fahrt war, konnte sie nichts und niemand bremsen. „Jeder weiß doch, dass ihre Mutter das Geld für die Kekse gestohlen hat, als wir in der dritten Klasse waren. Und jeder weiß auch, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.“ Sie krönte ihre Antwort mit einem verächtlichen Lächeln.
Oje. Die Schlacht fing gerade erst an!
„Halt Sue Belle zurück!“, rief Maizie PJ zu. Hoffentlich konnte ihre Kollegin die wütende Frau bändigen. Was nicht sehr wahrscheinlich war, da Sue Belle ungefähr sechzig Pfund schwerer war als die zierliche PJ.
„Ruf meinen Schwager an.“ Maizie warf Bambi, die halbtags bei ihr arbeitete, das schnurlose Telefon zu. „Sag ihm, er soll sofort jemanden vorbeischicken.“
Zack Maynard, Lizas Ehemann, war der Bezirkssheriff. Manchmal war es ganz nützlich, einen Sheriff in der Verwandtschaft zu haben.
„Und ihr beiden hört sofort auf!“, schrie Maizie. Um Himmels willen! So laut hatte sie zuletzt als Cheerleaderin gebrüllt. Aber es funktionierte. Alle im Laden erstarrten. „Setzt euch. In meinem Laden dulde ich keinen Streit.“
Zögernd kamen die Kampfhennen Maizies Aufforderung nach und setzten sich an das entgegengesetzte Ende der Couch, die vor den Umkleidekabinen stand. Wenn sie sich auch nicht mehr angifteten, so hätten die Blicke, die sie sich zuwarfen, töten können.
„Es kommt gleich jemand“, verkündete Bambi kichernd.
Und tatsächlich traf knapp zehn Minuten später Hilfssheriff Bubba Watson ein. Er war zwar nicht der Klügste unter der Sonne, aber er verkörperte das Gesetz. Und wenn er den streitsüchtigen Weibern Respekt einflößen könnte, wäre das schon die halbe Miete.
„Was höre ich da von einem Streit?“, fragte er mit seinem breiten Südstaaten-Akzent, ohne sein Kaugummi aus dem Mund zu nehmen.
Maizie zeigte auf die beiden Frauen. „Da sitzen die beiden.“
„Was habt ihr beiden Hübschen denn angestellt?“ Ein FBI-Beamter hätte wahrscheinlich eine geschicktere Frage gestellt.
Sue Belle wollte etwas sagen, aber Lucy fiel ihr ins Wort. „Sie wollte …“
Sue Belle ließ sich nicht beirren und begann ebenfalls zu reden. Niemand verstand ein Wort.
„Bubba, schaff sie aus meinem Laden“, fuhr Maizie dazwischen. „Und ihr beiden lasst euch hier nie wieder sehen.“
„Bitte tu das nicht“, jammerte Sue Belle.
„Wenn wir nicht bei dir einkaufen können, müssen wir immer nach Atlanta, um etwas Schönes zu finden“, stimmte Lucy ein. „Das kannst du doch nicht wirklich wollen.“
In Maizies Laden gab es alles, was man in Magnolia Bluffs sonst nicht bekam: seidene Kissen, feine Unterwäsche und elegante Kleider. Dazu Toilettenartikel, französische Kosmetikartikel und Jeans für junge Kundinnen. „Und ob!“, entgegnete Maizie.
„Dann werde ich dich verklagen“, trompetete Lucy.
Maizie verbiss sich ein Lachen. „Mach das nur. Mein Anwalt ist sowieso viel gerissener als deiner. Und jetzt raus hier.“
Bubba war zwar etwas langsam im Kopf, aber immerhin verstand er den Hinweis. „Okay, Ladies, dann wollen wir mal gehen.“ Verschwörerisch zwinkerte er Maizie zu, während er die Streithennen hinausbegleitete. „Und jetzt vertragt ihr euch, verstanden?“
Maizie ließ sich aufs Sofa fallen. „Wenn ich das Clay erzähle … er wird es nicht für möglich halten.“
„Zicken!“ Angewidert schüttelte PJ den Kopf. Die Mutter von zwei reizenden Kindern arbeitete für Maizie, seit sie die Schule verlassen hatte. Sie lächelte oft, war die Freundlichkeit in Person und mit ihren blonden Locken und haselnussbraunen Augen eine ausgesprochen hübsche Frau.
„Ich glaube, wir haben uns eine Belohnung verdient.“ Maizie verschwand im Hinterzimmer und kam mit einer Schachtel belgischer Pralinen zurück.
„Greift zu“, forderte sie die beiden auf. „Zum Teufel mit den Kalorien.“
Nach Ladenschluss fuhr Maizie zum Supermarkt. Sie hoffte, niemanden zu treffen, weil sie ziemlich müde war und so schnell wie möglich nach Hause wollte. Doch noch ehe sie sich in die Schlange an der Kasse einreihen konnte, hatte ihr Laverne Hightower, das gefürchtete Klatschweib, alles über ihre letzte Gallenkolik erzählt. Shirley Smith hatte sie über den Stand der Heiratsvorbereitungen ihrer Tochter informiert. Und alle wollten etwas über den Streit bei Miss Scarlett erfahren, der sich längst herumgesprochen hatte.
Erleichtert atmete Maizie auf, als sie den Wagen vor ihrem Haus abstellte. Es war typisch für den Süden: grüne Fensterläden, eine Rundum-Veranda, die das ganze Haus umfasste, und schmiedeeiserene Gitter, an denen sich Heckenkirschen emporrankten.
Auf dieser Veranda erholte Maizie sich am liebsten nach einem hektischen Tag.
„Clay, ich brauche Hilfe“, verkündete sie, als sie ihre Handtasche und eine Einkaufstüte auf dem Küchentisch abgestellt hatte.
Aus dem Wohnzimmer dröhnte der Fernseher. Ihr Mann hatte ihren Hilferuf bestimmt nicht gehört.
„Clay, wo bist du?“ Natürlich hätte sie den Wagen auch allein ausladen können, aber es ging schließlich ums Prinzip.
„Clayton!“
Endlich wurde er aufmerksam. „Was gibt’s, Schatz?“, fragte er, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden.
„Kannst du mir mal mit den Einkäufen helfen?“
„Hat das noch eine Minute Zeit? Ich schaue mir gerade etwas Interessantes an.“
Maizie stürmte ins Wohnzimmer. Was konnte denn so interessant sein? Vermutlich ein Baseballspiel. Aber nein, viel schlimmer. Clay sah sich eine Sendung über Preisangeln an! Empört griff sie nach der Fernbedienung und schaltete das Gerät aus. Dann rauschte sie aus dem Zimmer in der Hoffnung, Clay ein ganz schlechtes Gewissen gemacht zu haben.
Mist! Clay ahnte, dass neue Probleme auf ihn warteten. Was hatte er dieses Mal bloß angestellt? Er hatte doch nur sehen wollen, ob Skeeter Johnson, der ehemalige Basketballspieler, das Angelturnier gewinnen und die hunderttausend Dollar Preisgeld einstreichen würde. Das Geld hätte er selbst gut gebrauchen können. Wenigstens eines seiner Probleme wäre damit gelöst.
Doch seine Tagträumereien waren für Maizie die reinste Provokation. Clay musste sie unbedingt besänftigen. Sollte er sich mit einem „Tut mir leid, ich bin nun mal ein unsensibler Holzklotz“ entschuldigen? Das funktionierte normalerweise, vor allem wenn er sie dabei mit Zärtlichkeiten überschüttete – und ihr hoch und heilig versprach, den Abwasch zu machen und den Müll hinauszutragen.
„Entschuldige bitte.“ Clay tat es wirklich leid. Er hasste es, Maizie zu erzürnen.
„Ruh dich aus. Ich bringe dir etwas zu trinken“, schlug er vor. Ohne auf ihre Antwort zu warten, holte er einen Softdrink aus dem Kühlschrank und reichte ihn ihr.
Clay wollte sich schon insgeheim auf die Schulter klopfen, weil er die Situation – wieder einmal – gerettet hatte. Doch dann fiel sein Blick auf das Gesicht seiner Frau. Irgendetwas stimmte nicht – und es hatte nichts mit den Einkaufstüten zu tun, die im Wagen standen.
„Clay.“ Maizie setzte sich an den Kieferntisch und hielt sich die kühle Dose an die Wange. „Wie soll das denn bloß mit uns weitergehen?“
Diese Frage jagte Clay einen mächtigen Schrecken ein. Wenn seine Frau philosophisch wurde, bedeutete das selten etwas Gutes!
Es war ein herrlicher Samstag im Oktober. Die Blätter wechselten die Farbe, die Luft war kristallklar, und die Universität von Georgia bereitete sich darauf vor, die Meisterschaft zu gewinnen. Die ganze Stadt war vom Footballfieber infiziert. Die Walkers bildeten da keine Ausnahme. Schließlich waren Maizie vor hunderttausend Jahren Cheerleaderin und Clay ein großartiger Linebacker gewesen. Folgerichtig waren sie noch immer Fans.
Dennoch hatte Maizie dieses Mal Schwierigkeiten, sich in Spiellaune zu bringen. Irgendwie stand sie dem ganzen Trubel gleichgültig gegenüber. Entsprechend missgelaunt ging sie ans Telefon, als es klingelte.
„Was ist denn los?“ Nur ihre Zwillingsschwester war in der Lage, an einem knappen „Hallo“ ihre Stimmungslage zu erkennen.
„Nichts. Ich fühle mich bloß nicht so richtig.“ Ihrer Schwester konnte sie alles anvertrauen. Aber was sollte sie ihr sagen, da sie selbst nicht so recht wusste, was eigentlich mit ihr los war?
„Ist mit Hannah alles in Ordnung?“
Maizie lächelte. „Klar. Nur Clay ist beinahe ausgeflippt, als sie ihm erzählte, dass sie einen Töpferkurs belegen will.“
Maizie hatte mit solchen Ideen überhaupt keine Probleme. Liza schon eher, denn sie war Anwältin und absolut nüchtern und vernünftig. Vermutlich hielt sie Töpferkurse ebenfalls für eine dumme Idee.
„Ach? Ich wusste gar nicht, dass man das an der Emory belegen kann.“
„Ich auch nicht“, gestand Maizie. „Aber ich mache mir keine Gedanken darüber. Nächste Woche hat sie wahrscheinlich schon wieder etwas anderes vor.“
Als Fan von „Vom Winde verweht“ hatte Maizie längst die pragmatische Haltung der Heldin Scarlett O’Hara verinnerlicht. Morgen war auch noch ein Tag, und dann würde man weitersehen. „Wann seid ihr denn bei uns?“
„Das Spiel beginnt um sechs. Wie wäre es mit fünf oder halb sechs?“
„Das passt. Kenni und Win kommen allerdings erst gegen sieben Uhr. Er muss sich noch mit einem Klienten treffen.“
„Sie werden nicht viel verpassen. Soll ich etwas mitbringen?“, erkundigte Liza sich.
„Nicht nötig.“
„Dann bis bald.“ Sollte Maizie gehofft haben, dass ihre Schwester ihre Bemerkung zu Beginn des Gesprächs vergessen hatte, hatte sie sich getäuscht. „Und dann werden wir beide uns mal unter vier Augen unterhalten.“
Dieser Frau entging wirklich nichts. Kein Wunder, dass sie Anwältin geworden war.
„So, dann schütte mir dein Herz aus!“ Liza hatte zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank geholt und Maizie eine davon in die Hand gedrückt. Die Männer saßen bereits vor dem Fernseher, knabberten Chips und schauten sich die Vorbereitungen zum Spiel an.
Die beiden Frauen saßen am Küchentisch einander gegenüber. Maizie wusste, dass Liza nicht lockerlassen würde, bis sie ihre Karten auf den Tisch legte.
Ihre Mutter behauptete oft, dass die Dickköpfigkeit das Einzige war, was die Geschwister gemeinsam hatten. In der Tat hätte sie kaum jemand für Zwillinge gehalten: Im Gegensatz zu Maizie war Liza zierlich und dunkelhaarig. Schwer zu glauben, dass sie sich neun Monate lang den Mutterleib geteilt hatten.
„Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was für ein Problem ich habe“, begann Maizie. „Erst habe ich geglaubt, es sei das Leere-Nest-Syndrom. Aber allmählich frage ich mich, ob es das verflixte zweiundzwanzigste Jahr ist.“ Ratlos hob sie die Schultern. „Ich weiß nur, dass ich irgendwie melancholisch bin.“ Über ihr brachliegendes Liebesleben verlor sie kein Wort. Das ging sogar ihre Zwillingsschwester nichts an.
„Du brauchst etwas, das dich aufmuntert. Es sind wahrscheinlich nur die Hormone.“ Liza reckte den Finger in die Luft – wie so häufig, wenn sie eine Idee hatte. „Was hältst du davon, wenn wir mit Kenni zum Lennox Square fahren und einen Frauentag machen? Wir kaufen Schuhe und vertilgen Unmengen von Schokolade. Importierte Schokolade und sexy Sandalen – was kannst du mehr verlangen? Denk mal drüber nach.“
Maizie grinste. „Du willst also Geld verschleudern und fett werden?“
„Genau.“ Liza streckte die Hand aus und wartete darauf, dass Maizie einschlug.
Obwohl Maizie nicht davon überzeugt war, dass ein Einkaufsbummel ihr Problem lösen würde, erklärte sie sich einverstanden.
Die Party war ein voller Erfolg – nicht nur wegen der Gäste, sondern auch, weil das Universitätsteam das Spiel gewonnen hatte. Jetzt stand die nächste Partie auf dem Terminplan. Die Footballfans waren aus dem Häuschen.
Die Besucher waren gegangen, und Maizie hatte die Küche und das Wohnzimmer aufgeräumt. Nach der siegreichen Partie war Clay immer noch aufgedreht, und Maizie verspürte Lust auf einen gemütlichen Abend zu zweit. Genauer gesagt: Sie war in Schmusestimmung.
Nach einem langen Schaumbad, gekleidet in einen knappen Morgenmantel und umweht von einem Hauch Parfüm, war sie eine Stunde später zu allem bereit. Aber wie stand es um Clay?
„Schatz, wollen wir ins Bett gehen?“ Maizie lehnte am Türrahmen und schaute ihren Mann mit einem lasziven Blick an.
Keine Antwort.
„Clayton! Hast du mich gehört?“
Als er immer noch nicht antwortete, beschloss Maizie, aktiv zu werden. Langsam ging sie zur Couch und begann, Clays Nacken zu liebkosen.
„Lass mich noch die Nachrichten zu Ende schauen. Danach bin ich ganz für dich da“, antwortete er, ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen.
„Wie bitte?“ Maizie konnte nicht glauben, dass sie soeben einen Korb bekommen hatte. Dieser Dummkopf sah sich lieber den Wetterbericht an, als mit ihr ins Bett zu gehen? Das war doch die Höhe! Sie beschloss, bis zehn zu zählen und ihm eine zweite Chance zu geben.
Alle Südstaatenschönheiten hatten einige Tricks auf Lager. Maizie bildete keine Ausnahme. Sie stellte sich vor ihren Mann, wackelte verführerisch mit den Hüften und zwinkerte ihm verheißungsvoll zu.
Null Reaktion! Absolut keine Regung! Das bedeutete Krieg! Clay wusste es zwar noch nicht, aber diesen Tag sollte er noch lange bereuen.
Maizie stürmte ins Schlafzimmer, streifte ein übergroßes T-Shirt der „Atlanta Braves“ über und schlüpfte in ausgebleichte Boxershorts. Von wegen sexy! Zum Teufel damit.
Dann hatte sie eine grandiose Idee. Sie würde Clay eifersüchtig machen. Natürlich wollte sie nicht mehr als flirten, aber das umso gründlicher.
Clay war zwar der einzige Mann in ihrem Leben, doch ein kleiner Flirt konnte nicht schaden. Sie musste ihm nur demonstrieren, dass andere Männer sie ebenfalls attraktiv fanden. Ein sicherer Weg, um seine Leidenschaft neu anzufachen.
Es klang ganz einfach, aber konnte sie es wirklich durchziehen? Die Auswahl an attraktiven, alleinstehenden Männern in Magnolia Bluffs war äußerst überschaubar. Hallo – wem machte sie da gerade etwas vor? Es gab praktisch keine Kandidaten. Kenni und Liza hatten zwar äußerst attraktive Männer gefunden – aber Zack und Win waren Importware. Die Auswahl war sehr dünn, wenn man sich auf die Eigengewächse beschränken musste.
Wo also konnte sie einen Mann finden, vorzugsweise jemanden unter sechzig, der noch voll im Saft stand? Sie würde sich einige Gedanken machen müssen. Aber vor einer Herausforderung war Maizie noch nie zurückgeschreckt.
Nachdem sie ihren Entschluss gefasst hatte, schlenderte sie in die Küche, um eine Kleinigkeit zu essen. Clay klebte noch immer am Bildschirm. Am liebsten hätte sie sich auf seinen Schoß gesetzt und ihm das Haar zerzaust – aber das kam nicht infrage, nachdem er sie vor den Kopf gestoßen hatte. Sie mussten neuen Schwung in ihr Leben bringen, und sie wusste, wie sie vorgehen würde.
Ein Glas kalte Milch und ein Schokoladenkeks waren schon mal ein guter Anfang. Sie halfen ihr beim Ausarbeiten einer Strategie. Andererseits weckte die Zufuhr von Kalorien auch Zweifel in ihr.
War der Plan, Clays Eifersucht anzustacheln, eine brillante Idee – oder das Dümmste, was ihr jemals eingefallen war? Die Zukunft würde es zeigen.
Clay versuchte, die Anzeichen einer drohenden Katastrophe zu ignorieren, aber die Geräusche aus der Küche verhießen nichts Gutes. Er hatte Maizie wieder einmal wütend gemacht – und das war wirklich nicht seine Absicht gewesen.
Die Party war die Hölle gewesen. Clay hatte seine ganze Energie darauf verwandt, ständig zu lächeln und über Football und die Nationalmeisterschaft zu reden. Hinzu kam, dass er in den vergangenen zwei Wochen kaum mehr als drei Stunden pro Nacht geschlafen hatte.
Sobald er die Augen schloss, tauchte das Bild des Konkursgerichts vor ihm auf, und der Gedanke, was mit ihren Angestellten passieren würde, ließ ihm keine Ruhe. Mit Maizie würde er klarkommen; sie hatten immer alles miteinander geteilt. Er und sein Geschäftspartner hatten allerdings ein paar so dumme Fehler gemacht, dass er sie selbst Maizie gegenüber nicht zugeben wollte.
Es würde alles wieder gut werden. Es musste alles wieder gut werden. Das war das Letzte, das ihm durch den Kopf ging, ehe er in seinem Sessel einschlief.
2. KAPITEL
Endlich war es Montag. Maizie konnte es kaum erwarten, in ihren Laden zu kommen. Sie brauchte einige Auskünfte, und die bekam sie am ehesten in Miss Scarletts Boudoir. Von hier aus würde sie ihren Eifersuchtsfeldzug starten. Jetzt musste sie nur noch den richtigen Mann dafür finden.
Maizie richtete ihre Haare und setzte ihr bezauberndstes Lächeln auf. Jeannine Crabtree hatte sich für eine Generalüberholung angemeldet. Diese verrückte Gans erwartete nicht weniger als ein Wunder. Schade, dass es kaum noch welche gab.
Die gute Nachricht allerdings war: Jeannine war mit mindestens einem Viertel der Stadtbevölkerung bekannt oder befreundet. Wenn es also irgendwo den richtigen Mann für Maizie geben sollte, würde Jeannine es wissen. Die Frage war natürlich, ob sie es ihr verraten würde.
„Maizie? Bist du da?“ PJ öffnete die Ladentür. Maizie überlegte kurz. Dieses Mädchen war in der Lage, jeden um den Finger zu wickeln – sogar Jeannine Crabtree. Sie konnte die alte Hexe in ein Kreuzverhör verwickeln, ohne dass sie wusste, wie ihr geschah.
„Hier bin ich!“, rief Maizie und streifte sich einen Kittel über ihr Kleid. „Ich komme.“
„Ich bin an der Bäckerei vorbeigekommen und habe Beignets mitgebracht.“ PJ präsentierte eine weiße Tüte mit kleinen Fettflecken am Boden. „Sie sind noch warm.“
Maizie stöhnte. „Wie bösartig von dir. Du weißt doch, dass ich gerade versuche, ein paar Pfund abzunehmen.“
„Unsinn, du siehst fantastisch aus. Ich wünschte, ich hätte ein bisschen mehr von deinen …“, PJ machte eine großzügige Handbewegung in Höhe ihrer Brust, „… Kurven“, beendete sie den Satz mit einem Kichern.
Maizie griff nach der Tüte und holte ein Beignet heraus. „Meine Güte, das ist ja viel besser als Sex“, verkündete sie genießerisch kauend. Fast schnurrte sie vor Wonne. „Ich glaube, ich gebe dir eine Gehaltserhöhung.“
PJ zog eine Augenbraue hoch. „Echt?“
„Natürlich nicht. Aber wenn du dich um Jeannine Crabtree kümmern könntest, wäre ich dir ewig dankbar.“
In der Stadt machte der Spruch die Runde, dass man Miss Scarletts Boudoir als Aschenputtels hässliche Stiefmutter betreten und als Carmen Electra wieder verlassen konnte. Maizie behauptete, es läge alles an dem Zaubermittel namens Mascara. Wie auch immer – Frauen jeglichen Alters waren zu willigen Gläubigen geworden. Sogar die zickige Miss Crabtree.
PJ schnaubte verächtlich. „Das glaube ich dir gern. Diese Frau ist so falsch wie ein räudiger Hinterhofköter.“ Sie warf Maizie ein ebenso bedauerndes wie unaufrichtiges Lächeln zu. „Tut mir leid, aber mein Terminkalender ist randvoll.“ Sie log tatsächlich, ohne rot zu werden.
„Wenn das so ist …“ Maizie glaubte ihr kein Wort. Doch sie wusste, wann es Zeit war aufzugeben.
„Fast hätte ich es vergessen“, wechselte PJ das Thema, während sie die Kasse mit Wechselgeld bestückte. „Heute Morgen habe ich Liza auf der Post getroffen. Sie möchte mit dir zu Mittag essen. Du sollst sie im Büro anrufen.“
„Danke.“ Maizie griff nach dem schnurlosen Telefon und wählte die Nummer ihrer Schwester.
„Liza Hender … Maynard am Apparat.“
„Hast du etwa deinen Namen vergessen?“
„Du kannst mich mal …“
„Das sagst du als Anwältin? Schäm dich!“ Maizie tat empört. Sie war zwar nur zehn Minuten älter, hatte aber immer die Rolle der großen Schwester übernommen. „Aber mal was anderes – PJ hat gesagt, dass du mit mir zu Mittag essen willst. Wo und wann?“
„Einen Moment.“ Liza musste die Hand über die Sprechmuschel gelegt haben, denn die Hintergrundgeräusche klangen gedämpft durch den Hörer. Kurz darauf war sie wieder da. „Okay, das wäre erledigt. Montagvormittage sind einfach schrecklich, findest du nicht?“
„Und ob.“ Während des Gesprächs kramte Maizie im Kasten mit den Make-up-Utensilien, denn Multitasking war eine ihrer leichtesten Übungen. Um die alte Crabtree wieder auf Vordermann zu bringen, musste sie jeden erdenklichen Kunstgriff anwenden.
„Zack hat von einem neuen Grillrestaurant an der Autobahn gesprochen. Wollen wir das mal ausprobieren?“
Pfeif auf die Diät! „Klar, warum nicht? Gegen eins? Dann sollte der Vormittagsbetrieb vorbei sein.“
„Prima. Dann bis später.“
Das Läuten der Ladenglocke verkündete Miss Crabtrees Erscheinen. Maizie setzte ihr verbindlichstes Lächeln auf und begrüßte ihre Kundin überschwänglich. „Jeannine, wie geht’s Ihnen denn? Ich habe Sie ja eine Ewigkeit nicht gesehen!“ Sie griff nach einem Plastikumhang. „Setzen Sie sich doch hier hin.“ Sie führte sie zu einem Stuhl im hinteren Teil der Boutique. „Machen Sie es sich bequem.“
Maizie glaubte, PJs Kichern zu hören, doch als sie sich nach ihr umsah, strahlte ihre Freundin sie nur an.
Jeannine dagegen blickte mürrisch wie immer.
„Wissen Sie was, Miss Crabtree?“ Maizie massierte einige der Runzeln von der Stirn der alten Frau. „Sie bekommen eine Auffrischungsmaske. Gratis. Ihre Haut wird so zart sein wie ein Kinderpopo.“ Eine glatte Lüge – aber gekonnt vorgetragen. Sie drückte rosafarbenes Gel in das Gesicht ihrer Kundin, von dem sie genau wusste, dass es gar nichts nützen würde. Sie vertraute einfach auf den Placeboeffekt.
„Entspannen Sie sich, während die Maske einzieht. Sprechen Sie nicht, denn sonst platzt sie nämlich.“ Maizie tätschelte Jeannines Schulter, ehe sie sich zurückzog.
Die einzige andere Kundin war eine Frau mit Kinderwagen. Maizie hatte sie kurz im Country Club gesehen. Sie war vor Kurzem erst aus Atlanta hergezogen. Eine zierliche Frau, gebräunt und blond, elegant und geschmackvoll gekleidet. Maizie musterte sie verstohlen. Ja, sie könnte eine ihrer Stammkundinnen werden.
„Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Maizie Walker. Mir gehört die Boutique.“
Die blonde Frau streckte die Hand aus. „Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Paige Butler. Ich liebe Ihren Laden jetzt schon“, sprudelte es aus ihr heraus. „Und diese Stadt ist einfach toll. Wir wohnen erst sechs Monate hier. Trotzdem habe ich das Gefühl, die Menschen schon immer gekannt zu haben.“
Maizie warf PJ einen Blick zu. Sie war damit beschäftigt, die Kleidungsstücke, die Paige innerhalb weniger Minuten vom Ständer genommen hatte, wieder einzuordnen. „Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen.“
Offenbar hatte das Baby beschlossen, an der Unterhaltung teilzunehmen, denn es begann zu jammern.
„Das ist Ali“, stellte Paige ihre Tochter vor, ganz die stolze Mutter. „Sie möchte andauernd auf den Arm. Meine Mutter sagt, ich verwöhne sie, aber ich kann nicht anders. Sie ist zum Anbeißen!“
Paiges Tochter war ein kleines, rosa gekleidetes Moppelchen mit einem Band in den strohblonden Locken.
„Darf ich sie mal nehmen?“ Maizie kitzelte das Baby am Kinn.
„Sicher.“ Paige beugte sich vor und zupfte an Alis Rüschenkleid herum. „Dann kann ich mich mal eine Viertelstunde in aller Ruhe umsehen.“
„Miss Crabtrees Maske muss noch zehn Minuten einziehen.“ Maizie ignorierte das Grummeln aus dem Hintergrund. „Schauen Sie sich nur in aller Ruhe um.“
„Das mache ich, Ma’am. Vielen Dank.“
„Na, du bist aber eine Süße.“ Ali hörte sofort auf zu schreien, als Maizie sie aus dem Kinderwagen hob.
Als Hannah noch ein Baby war, hatte Maizie oft mit ihr in dem Schaukelstuhl gesessen, den sie von Grammy Nelson geerbt hatte. Aus einer Laune heraus hatte sie ihn als Dekorationsstück in ihren Laden gestellt. Er passte ausgezeichnet in die Einrichtung – und manchmal, wenn es im Laden ruhiger war, ruhte sie sich darin aus.
Summend schaukelte Maizie hin und her, während „Crabass’“ Maske härter wurde. Sofort schlief das Baby ein. Maizie gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Der süße Babygeruch stieg ihr in die Nase. Es gab nichts Schöneres als einen schlafenden Engel. Wenn sie wach waren, sah das schon anders aus. Zehn Minuten blieb sie so sitzen, bis sie sich an ihre Kundin erinnerte.
„PJ, Paige!“, rief sie, „ich muss mich um Miss Crabtree kümmern.“
„Das wird auch langsam Zeit“, brummelte Jeannine ungnädig.
„Wir sind fertig.“ PJ tauchte mit einem Arm voller Kleidungsstücke auf. „Paige hat eine Menge gefunden.“ Verschwörerisch zwinkerte sie Maizie zu.
Die junge Mutter legte das schlafende Baby zurück in den Wagen und zog ihre Kreditkarte heraus. „Vielen Dank, dass Sie auf Ali achtgegeben haben, Miss Walker.“
„Es war mir ein Vergnügen. Bei uns können Sie einen Rundumservice erwarten. So, und jetzt muss ich mich um die Maske meiner Kundin kümmern.“
„Na, endlich“, stöhnte Miss Crabtree, als Maizie sich an ihr zu schaffen machte.
„Ihre Haut wird sich so zart anfühlen, dass Ihnen die Wartezeit im Nachhinein nichts mehr ausmachen wird.“
„Das bezweifle ich, aber machen Sie trotzdem weiter“, brummelte ihre Kundin mit unfreundlicher Reibeisenstimme.
„Dann wollen wir mal.“ Maizie tupfte Reinigungsmilch auf Jeannines Gesicht. Obwohl sie ihre besten Produkte verwendet hatte, konnte sie keinen Unterschied erkennen.
„Na, wie ist das? Fühlt sich Ihre Haut nicht viel besser an?“ Maizie drehte Miss Crabtrees Stuhl zum Spiegel und bemühte sich, nicht allzu enthusiastisch zu klingen, was ihre Kundin sicherlich misstrauisch gemacht hätte. Glücklicherweise ertönte in diesem Moment die Ladenglocke.
„Hallo, Paige. Alles klar?“ Ein Mann! Interessant. Männer verirrten sich eher selten in Miss Scarletts Boudoir.
„Trip, um Himmels willen. Was machst du denn hier?“ Paige klang jetzt mehr nach einem liebeskranken Teenager als nach einer Mutter.
Als Maizie nachschaute, was los war, staunte sie nicht schlecht. Der Mann, mit dem Paige redete, hätte Pierce Brosnans jüngerer Bruder sein können. Bei seinem Anblick wären selbst Amazonen schwach geworden.
„Maizie, PJ, das ist Trip Fitzgerald. Er ist Tennislehrer im Country Club. Einige Mitglieder nehmen bei ihm Unterricht.“
Maizie spitzte die Ohren. Kein Wunder, dass dieses Prachtstück von einem Mann braun gebrannte Beine und breite Schultern hatte. Trip Fitzgerald war genau der Richtige für ihr Vorhaben! „Dann wohnen Sie also auch noch nicht lange in dieser Stadt, nicht wahr, Mr Fitzgerald?“ Maizie ging zu dem Neuankömmling, um ihm die Hand zu schütteln.
„Nein, Ma’am. Seit etwa einem Monat. Ich komme aus Atlanta.“
„Wirklich? Na dann, herzlich willkommen in Magnolia Bluffs. Ich hoffe, man hat Sie freundlich empfangen.“
„Ich kann mich nicht beklagen.“ Sein jungenhaftes Grinsen war charmant und entblößte makellos weiße Zähne – der Traum eines jeden Dentisten.
„Ich brauche ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter.“ Suchend sah er sich um. „Einige meiner Schülerinnen haben mir versichert, dass Sie für solche Dinge die erste Adresse am Ort sind.“
„Das versuchen wir zumindest. PJ …“
Beinahe wäre PJ über ihre eigenen Füße gestolpert, als sie auf ihn zustürzte. „Da kann ich Ihnen helfen. Was mag Ihre Mutter denn? Wir haben ein paar hübsche Dinge im Angebot.
Im Handumdrehen hatte sie einige Geschenkvorschläge auf der Ladentheke ausgebreitet.
„Wow! Das nenne ich eine Auswahl.“ Wieder setzte er sein jungenhaftes Grinsen auf. „Die Damen sollten mal in meine Tennisstunde kommen. Wir haben auch eine Menge im Angebot. Gruppenunterricht, Einzelunterricht, Privatstunden – alles, was Ihr Herz begehrt. Ich glaube, Sie werden begeistert sein. Sie tun etwas für Ihre Gesundheit und werden auch noch braun dabei.“
In Maizies Kopf überschlugen sich die Gedanken. Kein gutes Zeichen. Es mündete meist in einer Katastrophe.
„Tennisstunden sind genau das, was ich brauche.“
Am Mittag war Maizie bereit für ein saftiges Barbecue. Sie hatte einen interessanten Morgen erlebt und überlegte, ob sie sich ein kühles Bier leisten sollte, als sie im Lokal eintraf, in dem sie sich mit Liza verabredet hatte, zögerte jedoch, als sie an die Kohlenhydrate dachte.
„Hallo!“ Liza stürmte herein und umarmte ihre Zwillingsschwester. In letzter Zeit schien sie bei allem, was sie tat, auf Wolken zu schweben. Kein Wunder! Sie war frisch verheiratet und total verliebt. Nicht dass Maizie eifersüchtig gewesen wäre …
„Hast du schon bestellt?“, fragte sie, während sie sich auf einen Stuhl fallen ließ.
„Nein. Ich habe auf dich gewartet und die Speisekarte studiert. Ich denke, ich nehme die Rippchen.“
„Mal sehen, was nehme ich denn …?“ Liza griff zur Speisekarte. „Ich glaube, ich nehme ebenfalls Rippchen.“
In dem Moment kam die Kellnerin mit zwei Riesenbechern voll Eistee. „Die Damen wollen doch bestimmt etwas Kaltes trinken.“ Sie stellte die Becher ab und zückte den Bestellblock. „Die Rippchen kann ich empfehlen.“
„Die hätten wir dann gern zwei Mal. Über den Nachtisch reden wir später.“ Liza klemmte die Speisekarte hinter die Tabascoflasche.
Sobald die Kellnerin verschwunden war, kam Liza auf den Grund der Verabredung zu sprechen.
„Ich habe mir eine Menge Gedanken gemacht und bin zu der Überzeugung gelangt, dass du keinen Einkaufsbummel brauchst. Du hast ein größeres Problem. Normalerweise bist du doch ein so sonniges Gemüt. Und ich möchte dich wieder glücklich sehen.“
Maizie spielte mit dem Salzstreuer. Sollte sie ihre Zwillingsschwester einweihen – oder besser nicht? Liza war nicht nur frisch verheiratet und bis über beide Ohren verliebt. Außerdem hatte sie eine Menge in der Kanzlei zu tun und gewiss keine Zeit, sich Maizies Klagen über ihre Ehe anzuhören.
„Ich habe mich entschlossen, Tennisunterricht zu nehmen“, platzte sie heraus.
„Tennis?“ Verblüfft starrte Liza sie an. „Du? Ist das dein Ernst? Das Anstrengendste, was du machst, ist doch Fingernägel lackieren.“
„Darf ich dich daran erinnern, dass ich in der Schule Tennis gespielt habe?“ Zugegeben, sie war wirklich nicht gerade sportlich, aber Lizas Reaktion ärgerte sie doch ein bisschen.
„Das habe ich tatsächlich vergessen. Du warst die Steffi Graf deiner Klasse.“ Liza lachte über ihren eigenen Witz. „Aber was hat das mit deiner Depression zu tun?“
Konnte sie ihrer Zwillingsschwester und gleichzeitig besten Freundin ins Gesicht lügen? Oder sollte sie sich ihr anvertrauen?
Sie entschied sich fürs Vertrauen. „Ehrlich gesagt …“ Maizie nagte an ihrer Unterlippe und verzog das Gesicht.
Liza wartete ein paar Sekunden. „Ehrlich gesagt … was?“
„Ich habe Hintergedanken.“
„Oh.“ Liza verschränkte die Arme vor der Brust. „Schwitzen ist nicht gerade dein Ding, und ob du’s mir glaubst oder nicht: Wenn du trainierst, glühst du wie eine Hundertwattbirne.“
Jedes Mädchen aus den Südstaaten wusste, dass Pferde schwitzten, Männer transpirierten und Frauen glühten. Maizie bemühte sich nicht, ihr Missfallen zu verbergen. „Ich habe wasserdichtes Make-up. Es verstopft deine Poren; deshalb benutze ich es praktisch nie. Aber in diesem Fall werde ich es mal ausprobieren.“
„Mal ehrlich.“ Liza stützte das Gesicht in die Hand. „Was soll das alles?“
„Ich möchte Clay eifersüchtig machen.“
„Was?“
Plötzlich fühlte Maizie sich unbehaglich. „Seit einiger Zeit bin ich nur noch Luft für ihn. Ich möchte ihm beweisen, dass andere Männer mich noch attraktiv finden – selbst wenn ich nicht mehr die Jüngste und mollig bin.“
Liza massierte sich die Stirn. „Damit ich dich richtig verstehe, lass mich noch mal nachfragen. Du willst mit irgendeinem Typen auf dem Tennisplatz flirten, um Clay eifersüchtig zu machen?“
„Sozusagen.“
Liza schlug mit der flachen Hand auf den Holztisch. „Das ist das Dümmste, was ich jemals gehört habe. Ich will dir mal eines sagen: Du bist eine fantastische Frau. Und mollig – ich bitte dich! Überall auf der Welt geben Frauen eine Menge Geld aus, um eine Figur wie deine zu bekommen.“
„Nun reg dich mal nicht auf!“ Verschwörerisch beugte Maizie sich zu Liza. „Es ist alles ganz harmlos. Ich will nur ein bisschen mit dem Tennislehrer flirten. Ich habe mich über ihn erkundigt. Er ist weder verheiratet noch verlobt. Er hat nicht mal eine Freundin.“ Das hatte sie von einer Bekannten erfahren, die Mitglied im Tennisclub war. „Ich will doch nur Clays Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Was soll denn da schon passieren?“
Obwohl Maizie sich bemüht hatte, Liza gegenüber so selbstsicher wie möglich zu klingen, war sie selbst nicht sehr überzeugt, dass ihr Plan klappen würde. Und egal, was Liza gesagt hatte – sie hatte zugenommen, vor allem am Po. Nun ja, mit einer ansprechenden Tennisausstattung konnte man den durchaus attraktiv verpacken.
Beim Frühstück ließ Maizie den ersten Versuchsballon für ihre Aktion „Unternehmen Eifersucht“ steigen. „Ich fahre heute nach Atlanta zum Shoppen.“
„Okay“, entgegnete Clay.
„Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“ Warum reagierte sie so schnippisch?
Clay ließ die Zeitung sinken und schüttelte den Kopf.
„Entschuldige bitte“, sagte Maizie zerknirscht. „Das war jetzt nicht nötig.“
Er sah sie einige Sekunden an, ehe er ihr sanft über die Wange streichelte. „Ich liebe dich. Das weißt du doch, oder?“
Die Zärtlichkeit in seiner Stimme ließ Maizie zögern.
„Möchtest du, dass ich mit dir komme?“
„Nein. Ich meine, das ist nicht nötig.“ Mit ihm im Schlepptau würde ihr „Unternehmen Eifersucht“ höchstwahrscheinlich im Sande verlaufen.
„Wenn du meinst.“ Clay nahm ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. Verflucht sei dieser Mann! Er wusste genau, wie er sie zu nehmen hatte. Wenn er es doch bloß öfter täte!
Maizie bog auf den Parkplatz des Sportgeschäfts für Tennis- und Golfartikel ein. Es war ein riesiger Laden, in dem es von der Kleidung bis zur Ausrüstung alles gab. In solchen Kaufhäusern fühlte sie sich gar nicht wohl. Sie war mehr der Boutiquentyp. Ratlos schaute sie sich um, nachdem sie eingetreten war.
„Kann ich Ihnen helfen?“ Eine sonnengebräunte Verkäuferin mit brünetten Haaren und einem hautengen Sportoverall kam ihr entgegen.
„Ich brauche Tennissachen.“
„Schläger oder Kleidung?“
„Alles. Ich habe seit Jahren nicht mehr gespielt. Deshalb benötige ich eine Rundumerneuerung – von den Socken bis zur Unterhose.“
Maizies freimütiges Bekenntnis brachte die Verkäuferin zum Lachen. Sie streckte die Hand aus. „Ich bin Cindi.“
Maizie vermutete, dass sie beim Schreiben anstatt der I-Punkte kleine Herzchen malte.
„Wir finden bestimmt, was Sie brauchen.“
Eine Stunde später und nach ausgiebigem Gebrauch ihrer Kreditkarte war Maizie stolze Besitzerin von drei neuen Tennisausstattungen – alle natürlich ausgesprochen sexy –, einem erstklassigen Schläger und Schuhen, die eine eingebaute Sprungfeder zu haben schienen. Jetzt brauchte sie nur noch einen Plan, der hoffentlich auch funktionieren würde.
Maizies Bekannte vom Tennisclub hatte ihr erzählt, dass Trip Fitzgerald nicht so jung war, wie er aussah. Er kam eher ihrem Alter näher als dem der jungen Schülerinnen, die ihn umschwärmten wie Bienen die Honigwaben.
Dennoch zweifelte Maizie, dass sie seine Aufmerksamkeit so ohne Weiteres auf sich ziehen konnte. Sie war weder zwanzig, noch trug sie Größe 34. Hielt er sie vielleicht nur für ein Groupie in fortgeschrittenem Alter? Das wäre eine entsetzliche Vorstellung!
Und äußerst demütigend.
Maizie bereitete sich gründlich auf ihren D-Day – oder besser: T-Day – vor. Sie hatte Kleidung, Schuhe und Schläger und einige Unterrichtsstunden gebucht. Das Einzige, was ihr fehlte, war Selbstvertrauen. Deshalb beschloss sie, sich im Frisiersalon ihrer Cousine Kenni Rückendeckung zu holen.
Liza missbilligte Maizies Vorhaben. Vielleicht war Kenni anderer Meinung. Doch was, wenn auch sie die Idee für verrückt hielt?
Die Kundschaft in Kennis Salon reichte von Dauerwellenmuttis bis zu Teenagern, die auf der neuesten angesagten Frisur bestanden. Außerdem war der Laden – genau wie Miss Scarletts Boudoir – ein richtige Gerüchteküche, oder positiver ausgedrückt: eine rege Nachrichtenbörse.
„He, Tooli, wie geht’s?“, sagte Maizie beim Eintreten. Tallulah war von Atlanta hergezogen, ein süßes Ding und ziemlich cool. Heute trug sie ihr rot gefärbtes Haar hochgesteckt, sodass man ihre zahlreichen Ohrringe sehen konnte.
„Ganz gut. Kenni ist hinten und kümmert sich um Laverne Hightower.“ Bei der Erwähnung des Namens verzog sie das Gesicht.
„Verstehe.“ Maizie klatschte sie kurz ab, ehe sie nach hinten verschwand. „Hi, Kenni!“ Sie lächelte ihrer Cousine im Spiegel zu. „Guten Tag, Mrs Hightower. Wie geht es Ihnen?“
„Danke der Nachfrage, Maizie. Und selbst?“
„AlIes prima, danke. Ich habe Sie lange nicht in meinem Laden gesehen. Wir machen demnächst Ausverkauf. Sie sollten mal vorbeischauen. Einen Kaffee bekommen Sie natürlich auch.“
„Kaffee?“ Laverne war berüchtigt für ihr Talent, in jedem Laden alles mitzunehmen, was kostenlos war.
„Jawohl, Ma’am.“
Kenni löste den letzten rosafarbenen Lockenwickler aus dem Haar und drehte Laverne in ihrem Sessel. „Ich setze Sie jetzt unter die Trockenhaube.“
Nachdem sie ihre Kundin versorgt hatte, wandte sie sich an Maizie.
„Gehen wir ins Büro.“ Das „Büro“ war mehr ein Lagerraum, vollgestopft mit Kisten und Schachteln voller Schönheitsprodukte. Wenigstens gab es eine gemütliche Couch und jede Menge Erfrischungsgetränke.
„Setz dich, Mädchen. Du siehst aus, als hättest du etwas auf dem Herzen.“
„Kann man so sagen.“ Maizie schob einen Stapel Modemagazine von einem alten Plastikstuhl und ließ sich fallen.
„Etwas zu trinken?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, holte Kenni zwei Dosen Eistee aus dem Kühlschrank.
Ehe sie ihr das Getränk in die Hand drücken konnte, sprudelte es schon aus Maizie heraus: „Bei Clay und mir läuft es im Moment nicht so toll. Dagegen will ich etwas tun.“
Mitten in der Bewegung hielt Kenni inne. „Okay …“ Sie stellte den Eistee zurück in den Kühlschrank und holte eine Flasche heraus, deren Inhalt grünlich schimmerte.
„Das sieht ziemlich radioaktiv aus. Was ist es?“
Kenni grinste. „Margarita à la Tooli. Ich glaube, die können wir jetzt gebrauchen.“
Nachdem Kenni zwei Plastikbecher zur Hälfte gefüllt hatte, erzählte Maizie ihrer Cousine alles haarklein. Sie erwähnte sogar ihre neuen und fast schon gewagten Tennisoutfits.
Als sie ihren Bericht beendet hatte, starrte Kenni sie verblüfft an. „Ist das dein Ernst?“, wollte sie schließlich wissen.
„Und ob.“ Maizie stellte ihren halb leeren Becher auf dem niedrigen Tisch vor dem Plastikstuhl ab. „Ich habe es mit Reizwäsche und romantischen Dinnern versucht.“ Sie wedelte mit der Hand durch die Luft. „Ich habe sogar einen Striptease vor ihm hingelegt. Und weißt du, wie er reagiert hat? Er hat gesagt, er sei todmüde, und ob wir das Ganze nicht verschieben könnten. Verschieben!“ Mit jedem Wort wurde Maizies Stimme lauter.
„Shh. Sonst hört man dich nebenan.“
Maizie nickte ergeben.
„Gehen wir doch mal logisch an die Sache heran. Gibt es irgendetwas in seinem Büro, was er dir verschweigt? Vielleicht hat er Probleme – oder er ist einfach überarbeitet und müde. Er liebt dich doch heiß und innig. Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock.“
Clay hatte in letzter Zeit wenig von seiner Arbeit erzählt. Das war in der Tat ungewöhnlich.
„Ich schlage dir Folgendes vor“, fuhr Kenni fort. „Geh nach Hause, mach dich schick und überrede ihn, dich zu einem romantischen Wochenende einzuladen. Wenn das nichts nützt, dann helfe ich dir meinetwegen bei deinem bescheuerten Plan. Was sagt Liza eigentlich dazu?“
Maizie seufzte. „Das Gleiche wie du. Aber okay, ich versuch’s. Ich tue mein Möglichstes.“
In seinem Büro wusste Clay Walker nicht, wo ihm der Kopf stand. Das ging ihm nun schon seit sechs Monaten so. Der Vertrag für den Bau des Autobahnzubringers, den er mit einem Subunternehmen abgeschlossen hatte, war auf Wunsch des Abteilungsleiters im Straßenbauamt so oft ergänzt und umgeändert worden, dass Clay mittlerweile vollkommen den Überblick verloren hatte.
Kaum waren sie bei einer Sache handelseinig geworden, legte derselbe Abteilungsleiter sein Veto ein. Deshalb waren sie mit den Bauarbeiten so weit im Rückstand, dass sie die verlorene Zeit kaum wieder einholen konnten – und alle Leute machten ihn dafür verantwortlich.
Er hätte auf sein Bauchgefühl hören sollen. An der Ausschreibung hatte er zunächst gar nicht teilnehmen wollen, aber das Objekt war zu verlockend gewesen. Es war ihre Chance, in der Riege der ganz Großen spielen zu können. Doch wenn sich die Bedingungen nicht bald verbesserten, wäre der Konkurs ihr einziger Ausweg aus dem Schlamassel.
Außerdem trieb Maizie ihn zurzeit in den Wahnsinn. Sie waren immer gut miteinander ausgekommen. Doch in letzter Zeit schien sie nur noch sauer auf ihn zu sein. Ihm war klar, dass sie mehr Aufmerksamkeit wollte, aber im Moment stand ihm überhaupt nicht der Sinn danach. Der Tag hatte nur vierundzwanzig Stunden, und die meisten davon musste er seit einigen Monaten ausschließlich seiner Arbeit widmen. Was würde er für eine Woche Urlaub geben!
Im Moment jagte ein Termin den nächsten. Es war der reinste Albtraum. Und kein Ende war abzusehen.
Als er abends nach Hause kam, hätte er sich am liebsten mit einem kalten Bier vor den Fernseher verzogen. Aber als er die Tür aufschloss, wartete Maizie bereits im Wohnzimmer auf ihn. Auf dem Esstisch standen Kerzen, und aus der Stereoanlage erklang leise Musik.
Bitte nicht heute Abend! Normalerweise wäre Clay nur zu bereit gewesen, seiner Frau entgegenzukommen, aber im Moment lief nichts normal in seinem Leben. Bitte nicht jetzt. Obwohl er seine Frau abgöttisch liebte, stand ihm überhaupt nicht der Sinn nach Sex und Zärtlichkeiten.
Maizie schien seinen inneren Aufruhr nicht zu bemerken. Sie trug eine weit ausgeschnittene, schulterfreie Seidenbluse. Unter anderen Umständen hätte er ihr die innerhalb von dreißig Sekunden aufgeknöpft und ausgezogen, und noch einmal dreißig Sekunden später wären sie im Bett gelandet. Aber nicht heute Abend!
„Clay!“ Maizie legte den Arm um seinen Hals. „Ich glaube, wir sollten mal ein Wochenende wegfahren.“ Sie unterstrich ihre Worte, indem sie verführerisch mit der Hand über seinen Rücken streichelte.
Oh, Mist! Er zog sie in die Arme und legte das Kinn auf ihren Kopf. Sie war groß, aber mit seinen eins neunzig überragte er sie. „Maizie, Schatz, ich kann nicht. Ich würde nichts lieber tun, als ein Wochenende mit dir zu verbringen – am liebsten weit weg von hier, ohne Telefon und E-Mails. Aber im Moment ist es unmöglich. Ich stecke bis zum Hals in diesem verdammten Projekt.“
Um ein Haar hätte Clay ihr von seiner prekären finanziellen Situation erzählt, aber er entschied sich, den Mund zu halten. Er wollte sie nicht beunruhigen. Warum sollten sie beide Magengeschwüre bekommen? Insgeheim wusste er natürlich, dass das nur eine Ausrede war, denn die Angelegenheit war ihm ausgesprochen peinlich.
Es dauerte einige Sekunden, ehe Maizie sich aus seinen Armen löste und ihn mit einem Blick musterte, den er nicht einordnen konnte. Hoffentlich führte sie nichts Unbesonnenes im Schilde. Aber da die Glücksgöttin ihm in letzter Zeit nicht gerade wohlgesonnen war, befürchtete er das Schlimmste.
3. KAPITEL
Maizie war stolz darauf, es mit jeder nur erdenklichen Situation aufnehmen zu können. Sie war redegewandt, schlagfertig und flink. Nur auf dem Tennisplatz fühlte sie sich … nun ja, fehl am Platz.
„Mrs Walker. Schön, dass Sie sich entschlossen haben, zu uns zu kommen.“
Mrs Walker? Lief Clays Mutter etwa hinter ihr her? „Nennen Sie mich doch einfach Maizie.“
„Klar.“ Trip wandte sich an die anderen Kursteilnehmerinnen. „Meine Damen, das ist Maizie. Bitte sorgen Sie dafür, dass sie sich bei uns wohlfühlt.“
Die meisten der Frauen kannte sie bereits. Viele von ihnen lebten in dem neuen Viertel. Sie waren schlank und braun gebrannt – ganz anders als sie selbst.
Maizie kam sich vor wie ein Holzklotz. In der Highschool hatte sie zum letzten Mal Tennis gespielt. Deshalb hatte sie sich einen Anfängerkursus belegt – und das war eine gute Entscheidung. Denn so sehr sie sich bemühte – sie schaffte es nicht, diesen blöden Ball übers Netz zu schmettern.
Was das Ganze noch schlimmer machte: Maizie „glühte“ nicht, sie schwitzte wie ein Schwein. Obwohl es an diesem herrlichen Augusttag gar nicht mal so heiß war.
Maizie verschlug einen Ball, der am Netz abprallte, ehe er vom Spielfeld rollte. Das war ganz offensichtlich nicht ihr Spiel, und wenn sie nicht sehr bald besser wurde, hätte sie eine Menge Tennisklamotten beim nächsten Garagenverkauf im Angebot. Von allen Plänen, über die sie nachgedacht hatte, war das hier wirklich der absurdeste. Inzwischen zweifelte sie erheblich, dass er jemals funktionieren würde.
„Keine Sorge. Sie werden schon bald besser werden“, versicherte Trip ihr.
„Da bin ich mir nicht so sicher“, entgegnete Maizie mit einem schiefen Grinsen. Die anderen waren bereits im Clubhaus verschwunden, um sich ein kaltes Getränk zu besorgen.
„Sie machen das ganz gut. Sie müssen nur am Ball bleiben.“
Er hatte gut reden. Für ihn war es ein Leichtes, den Ball und das ganze Spiel zu beherrschen.
„Soll ich Ihnen beim Bällesammeln helfen?“, bot Maizie sich an. Sie wunderte sich, dass die jungen Dinger schon den Platz verlassen hatten. Deshalb nutzte sie die Gelegenheit für einen ersten Flirt.
„Das wäre sehr nett.“ Trip griff nach einem der Container, mit deren Hilfe man die Bälle einsammeln konnte, ohne sich bücken zu müssen.
Maizie nahm einen der Sammler, der wie ein Spielzeugstaubsauger aussah, und begann die Bälle einzusammeln, die auf dem ganzen Platz verstreut lagen. Für Könner war Tennis natürlich ein leichtes Spiel – aber galt das nicht auch für Gymnastik und Eislaufen? Selbst wenn ihre Flirtabsichten erfolglos blieben, würde sie vielleicht doch Spaß am Tennisspielen finden.
Da Clay keine Ahnung hatte, wie er sich Maizie gegenüber verhalten sollte, rief er die Kavallerie zu Hilfe – sprich Liza und Kenni. Er musste all seine Überredungskunst aufbieten, ehe er sie so weit hatte, dass sie sich mit ihm im Coffee Cup treffen wollten, einem Café am anderen Ende der Stadt, weit weg von Miss Scarletts Boudoir.
Clay hatte Magenschmerzen. Kaffee kam also nicht infrage. Wie hieß doch noch der Tee, den Eleanor so liebte? Genau: Earl Grey. Er bestellte eine Tasse und wollte gerade den ersten Schluck trinken, als die Schwester und die Cousine seiner Frau eintrafen.
„Hier bin ich!“ Clay versuchte, so lässig wie möglich zu klingen, was ihm allerdings misslang. Die Gerüchteküche von Magnolia Bluffs qualmte unaufhörlich, und Maizie würde wahrscheinlich der Schlag treffen, wenn sie erfuhr, dass die drei sich hinter ihrem Rücken trafen.
„Was kann ich den Damen bringen?“, fragte die Kellnerin.
„Einen kleinen Latte für mich“, antwortete Kenni.
„Für mich auch“, ergänzte Liza.
Ein unbeteiligter Beobachter hätte das Trio für ein Treffen von drei guten Bekannten halten können, zumal sie zunächst nur über belanglose Dinge redeten. Doch sobald die Kellnerin die Getränke gebracht hatte und verschwunden war, kam Clay sofort zur Sache.
„Nun, was haltet ihr davon?“, wollte er wissen, nachdem er einen kurzen Abriss der Situation gegeben hatte.
Liza holte tief Luft. „Wir können dir wirklich nichts sagen. Ich würde es gern tun, ehrlich, aber ich kann nicht.“
„Kannst du nicht oder willst du nicht?“
„Sowohl als auch.“ Sie warf Kenni, die zustimmend nickte, einen Blick zu.
Clay stützte das Kinn auf die Faust. „Ich verlange keinen Vertrauensbruch von euch. Ich brauche bloß eure Hilfe. In letzter Zeit scheint sie nur noch sauer auf mich zu sein, und ich habe keine Ahnung, was ich dagegen tun kann. Ich weiß auch nicht, was überhaupt falsch gelaufen ist.“ Bittend hob er die Hand. „Ich bin ziemlich verzweifelt.“
Liza rieb sich den Nacken. „Sag uns doch einfach, was du für das Problem hältst. Vielleicht können wir dir helfen, ohne dir wirklich zu helfen – wenn du verstehst, was ich meine.“ Sie zwinkerte ihm zu.
Clay nickte. „Okay. Ich glaube, es ist einiges im Busch. Seit Hannah ausgezogen ist, fühlt Maizie sich irgendwie unausgefüllt. Sie würde es natürlich niemals zugeben. Ihr kennt sie ja. Wenn irgendjemand das Leere-Nest-Syndrom auch nur erwähnt, geht sie achselzuckend darüber hinweg.“
Kenni ergriff das Wort. „Das ist ja schon mal ein Anfang. Ich glaube, du hast recht. Wir haben also ein leeres Nest. Was sonst noch?“
Clay vermied es, ihnen in die Augen zu schauen. „Sie möchte, dass ich mehr Zeit mit ihr verbringe.“
„Was ist daran so schwer?“, wollte Liza wissen.
Er seufzte. „Maizie weiß nichts davon, und ihr dürft ihr auch nichts erzählen. Habe ich euer Wort?“
Kenni schnitt eine Grimasse, doch dann nickte sie. Liza tat es ihr nach.
„Unsere Firma steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Es geht um den Bau des neuen Autobahnzubringers. Der Idiot vom Straßenbauamt, mit dem wir zusammenarbeiten müssen, will dauernd neue Änderungen haben. Ich habe fast das Gefühl, er will uns bewusst Knüppel zwischen die Beine werfen. Die Baufirma hat uns bereits rechtliche Konsequenzen angedroht, weil sie kurz vor der Pleite steht. Ich fürchte, wir sehen auch keinen Cent – obwohl wir uns schon seit sechs Monaten ausschließlich mit diesem Projekt beschäftigen.“
Er massierte sich die Schläfen. „Da ich den ganzen Tag praktisch mit Schadensbegrenzung beschäftigt bin, kann ich abends nur noch erschöpft ins Bett fallen.“
Liza holte tief Luft. „Es ist doch klar, was du tun musst.“ Sie schaute Kenni an. „Was meinst du?“
„Das sehe ich genauso.“
Liza ergriff Clays Hand. „Sag Maizie, was los ist. Sie muss es unbedingt wissen.“
„Ich habe schon zu lange gewartet. Sie wird sauer sein, weil ich sie nicht von Anfang an eingeweiht habe.“
„Junge, Junge!“ Kenni holte tief Luft. „Du steckst so tief im Schlamassel, und du wirst noch tiefer sinken, wenn du nicht etwas dagegen tust.“
„Das weiß ich selbst. Was können wir also tun?“
„Wir?“, echote Liza.
„Bitte, bitte, bitte. Ich brauche eure Hilfe.“ Clay klang ganz verzweifelt.
„Kenni und ich werden in aller Ruhe darüber reden. Wir sagen dir später Bescheid.“
„Es ist zwar nicht die Antwort, auf die ich gehofft habe, aber fürs Erste muss ich mich damit zufriedengeben.“
Auf dem Weg zum Wagen fragte Liza: „Was schlägst du vor, Kenni?“
Kenni betätigte die Fernbedienung, öffnete die Tür jedoch nicht. „Ich fürchte, das wird nicht so einfach sein. Aber da sie sich nach wie vor lieben, müssen wir irgendetwas tun, um ihnen aus dem Schlamassel zu helfen.“
„Ich gebe es nur ungern zu, aber du hast recht.“ Liza spielte mit ihren Autoschlüsseln. „Eigentlich möchte ich sie beide am liebsten ohrfeigen.“
„Da mache ich gern mit.“ Kenni setzte sich ans Steuer, winkte Liza zum Abschied zu und fuhr los.
Liza sah ihrer Cousine hinterher. In ihrem Leben war alles so perfekt. Sie bekam fast ein schlechtes Gewissen, als sie daran dachte, wie unglücklich Maizie war. Wenn es irgendetwas gab, um ihr
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