Bianca Gold Band 29

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  • Erscheinungstag 25.09.2015
  • Bandnummer 0029
  • ISBN / Artikelnummer 9783733730505
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Judy Christenbury, Joan Kilby, Karen Templeton

BIANCA GOLD BAND 29

PROLOG

Suzanne McCoy trat auf die Veranda hinaus und atmete tief ein. Die Luft roch anders als in Dallas, wo sie bis vor sechs Tagen gewohnt hatte, dem Tag, an dem sich ihr Leben radikal verändert hatte. Ihre Cousine Mary Lee und deren Ehemann waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ein älterer Mann hatte am Steuer seines Trucks einen Herzanfall erlitten und war frontal mit ihrem Wagen zusammengestoßen.

Mary Lee und Rodger waren vor einem Jahr auf die Ranch nach Cactus gezogen, einem kleinen Ort im Westen von Texas. Suzanne hatte sie und die Kinder sehr vermisst. Josh war damals drei Jahre alt gewesen und Mandy ein Jahr. Sie hatte gerade die ersten unsicheren Schritte gemacht und angefangen zu sprechen. Die beiden Kinder hatten sich in dem einen Jahr unglaublich verändert.

Suzanne lehnte sich gegen das Geländer. Die Kinder hatten jetzt nur noch sie. Und deshalb hatte Suzanne ohne zu zögern ihr Leben in Dallas aufgegeben und war auf die Ranch gezogen. Was bedeutete schon ein Job bei einer Versicherungsgesellschaft verglichen mit der Aufgabe, Josh und Mandy über den Verlust der Eltern hinwegzuhelfen und sie aufzuziehen?

Suzanne liebte Kinder, hatte jedoch nicht vor, jemals zu heiraten, da sie bisher von jedem Mann, ihr eigener Vater eingeschlossen, betrogen worden war.

Im Haus war alles still, die Kinder schliefen tief und fest. Suzanne nutzte den Moment, um zur Unterkunft der Cowboys zu gehen. Bis heute hatte sie kaum Zeit gehabt, über ihre Situation nachzudenken, geschweige denn, sich um die Arbeit auf der Ranch zu kümmern. Die Kinder hatten sie zu sehr in Anspruch genommen.

Jetzt aber hatte sie einige Fragen. Und wer könnte sie besser beantworten als der Verwalter, den Rodger gerade noch eingestellt hatte?

Die frische Brise an diesem Abend schickte fröstelnde Schauer über ihren Rücken. Als Suzanne sich dem Holzhaus näherte, war es mit der friedlichen Stille vorbei. Sie hörte laute Stimmen. Ja, sogar Gelächter. Sie selbst hatte nicht mehr gelacht, seit die Nachricht von Mary Lees und Rodgers Tod sie erreicht hatte.

Suzanne blieb vor der Tür stehen, um das Gespräch nicht zu unterbrechen. Sie hörte, wie jemand energisch auf irgendetwas schlug, als wollte er die anderen zur Ordnung rufen.

Einer der Männer erhob die Stimme. „Wir werden alle reich werden! Der Anfang ist gemacht. Und wir werden noch mehr bekommen, weil die Lady keine Ahnung von einer Ranch hat. Sie ist viel zu sehr mit den Kindern beschäftigt.“

Suzanne erstarrte. Heiße Wut stieg in ihr auf und verhinderte jeden logischen Gedanken oder überlegtes Handeln. Sie riss die Tür auf, stürmte in den Raum, marschierte zu dem Mann am Kopfende des Tisches und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Dann drehte sie sich zu den anderen um. „Die Lady begreift schnell. Ihr habt genau fünfzehn Minuten Zeit, von hier zu verschwinden. Bis dahin ist der Sheriff da, und ich zeige euch alle an.“

Plötzlich herrschte ein wildes Durcheinander. Suzanne bekam ihren Zorn in den Griff und erkannte, dass sie sich besser davongeschlichen und erst den Sheriff angerufen hätte. Dafür war es jetzt zu spät.

Als sich der Staub gelegt hatte, saß nur noch ein alter Cowboy in der Ecke des Raumes. Er schnitzte an einem Stück Holz herum.

„Haben Sie keine Angst vor dem Sheriff?“, fragte Suzanne unfreundlich.

„Nein. Ich habe nichts gemacht. Ich arbeite hier, seit ich fünfzehn war. Ich habe Sie nicht bestohlen, Ma’am. Ich habe denen gesagt, dass ich mit diesem Schwindel nichts zu tun haben will.“

„Warum haben Sie mich nicht gewarnt?“

„Ich habe darüber nachgedacht. Bisher haben sie noch keinen großen Schaden angerichtet. Die Herde ist groß. Aber Sie haben jetzt ein anderes Problem.“

„Welches?“

„Wer soll die Arbeit machen?“

„Besser, ich mache sie, als dass ich zusehe, wie die beiden Kinder ausgeraubt werden.“

„Sicher, Ma’am. Aber ich glaube, Sie haben keine Ahnung von Viehhaltung … oder Farmarbeit überhaupt.“ Er drehte sich um und spuckte Tabak auf den Boden. Da er sowieso nicht besonders sauber war, sagte Suzanne nichts. Außerdem wurde ihr langsam bewusst, dass der Mann recht hatte. Sie hatte ein echtes Problem.

„Wie viele Cowboys brauche ich, um diese Farm zu bewirtschaften?“

„Nun, wenn es so erfahrene Männer sind wie die von Ryan, dann wäre es mit vier oder fünf zu schaffen.“

„Wer ist Ryan?“

„Ryan Walker. Der Nachbar westlich.“

„Wahrscheinlich habe ich ihn auf der Beerdigung kennengelernt.“

„Vielleicht. Er ist der beste Rancher weit und breit.“

„Meinen Sie, er hilft mir mit ein paar Männern aus?“

„Nein. Er hat selbst eine große Farm.“

Suzanne seufzte frustriert. „Und was soll ich jetzt machen?“

„Sprechen Sie als Erstes morgen früh mit dem Sheriff.“

1. KAPITEL

„Komm schon, Josh.“ Suzanne zog den Jungen an der Hand hinter sich her zum Büro des Sheriffs.

Die Tür flog auf, und ein stämmiger Mann stürmte heraus. Offensichtlich hatte er es eilig. Fast hätte er Suzanne über den Haufen gerannt.

„Entschuldigen Sie, Ma’am. Ich habe Sie nicht gesehen.“

Bevor sie etwas sagen konnte, tippte er schon an seinen Hut, und weg war er.

„Mann! Der hatte es aber eilig!“ Suzanne drückte Mandy, die sie auf der Hüfte trug, fester an sich. „Alles in Ordnung, Kleines?“

Das Kind nickte und verbarg das Gesicht in Suzannes rötlich-braunen Haaren.

„Was ist mit dir, Josh? Er hat dich nicht getreten, oder?“

„Nein, Susie.“

Seufzend betrat Suzanne das Büro. „Ich möchte mit Sheriff Cal Baxter sprechen. Ist er da?“

„Ja, das ist er. Das sind doch Mary Lees und Rodgers Kinder, oder? Die Armen. Wen darf ich melden?“

„Suzanne McCoy. Ich bin der Vormund von Josh und Mandy.“

„Freut mich. Ich bin Gladys. Nehmen Sie doch bitte Platz. Ich bin sofort zurück.“

Suzanne setzte sich. Sie ließ Joshs Hand los und klopfte auf den Stuhl neben sich. „Setz dich, Schatz. Du bist doch noch ganz müde.“

Der kleine Junge kletterte auf den Stuhl. Seit Suzanne nach Cactus gekommen war, hatte er noch nicht ein einziges Mal gelächelt. Sie machte sich Sorgen um Josh. Mandy hatte bisher jeden Morgen nach ihrer Mutter gerufen und geweint. Aber die Tränen trockneten schnell wieder. Manchmal nannte sie Suzanne aus Versehen sogar Mom, doch dann erinnerte Josh sie sofort daran, dass es nicht ihre Mom war, sondern Susie. So hatte Mary Lee sie immer genannt.

Gladys kehrte zurück, gefolgt von einem großen Cowboy.

„Guten Morgen, Miss McCoy. Kommen Sie doch bitte in mein Büro. Soll Gladys sich um die Kleinen kümmern?“

„Nein, sie bleiben besser bei mir.“

Nachdem sie vor dem Schreibtisch des Sheriffs Platz genommen hatten, erzählte Suzanne von der Ereignissen des gestrigen Abends.

„Ich hatte Angst vor der Reaktion der Männer, deshalb habe ich gesagt, Sie wären bereits auf dem Weg zur Ranch. Ich weiß, ich hätte Sie wirklich erst anrufen und mich dann an Ihre Anweisungen halten sollen.“ Suzanne senkte die Stimme. „Ich habe leider die Beherrschung verloren.“

Der Sheriff lächelte. „Kein Wunder. Übrigens war eben einer Ihrer Nachbarn hier und hat mir von seinem Verdacht erzählt, dass auf Ihrer Ranch irgendetwas nicht in Ordnung ist. Ich wollte gerade zu Ihnen kommen.“

„Oh, das war ja nett von ihm.“

„Ja.“

„Der alte Mann hat mir gesagt, dass er darüber nachgedacht hat, mit mir zu sprechen.“

„Ich vermute, Sie meinen den alten Al.“

„Ja, ich glaube, sein Name ist Al.“

„Seien Sie nachsichtig mit Al. Er ist schon über achtzig, und die Farm ist sein Zuhause. Bei ihm geht es nicht mehr so schnell.“

„Verstehe. Aber er hat gesagt, dass ich unbedingt ein paar Leute für die Farm brauche. Ich selbst habe keine Ahnung von der Rancharbeit.“

„Am besten sprechen Sie mit Ryan Walker. Er ist der Nachbar, der mir von seinem Verdacht berichtet hat. Der Mann kennt sich aus. Und dass er nebenan wohnt, macht die Sache einfacher. Sie könnten natürlich auch bei der Job-Agentur nachfragen, aber ich glaube, die Mühe können Sie sich sparen.“

„Und Sie schnappen sich diese Cowboys?“

„Ich werde nach ihnen Ausschau halten. Und mein Vertreter auch. Aber ich fürchte, sie haben den Staat schon verlassen. Ich werde mal mit Al darüber sprechen, was sie vorhatten.“

„Danke, Sheriff.“

Als die Kinder und sie wieder auf dem Bürgersteig standen, überlegte Suzanne ihren nächsten Schritt. Sie fand die Agentur für Vermittlung von Farmarbeitern, allerdings öffnete das Büro erst um neun Uhr. Da entdeckte sie den Lemon Drop Shop auf der anderen Seite des Marktplatzes. Ein kurzer Blick auf Josh, und die Entscheidung war gefallen.

„Josh, was hältst du von einer Limonade und einem Snack, während wir darauf warten, dass die Agentur öffnet?“

Der Junge wurde etwas munterer. Zwar zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern, folgte Suzanne dann aber brav. Im Laden stellte Suzanne fest, dass es gefüllte Blätterteigrollen und süße Brötchen gab. Sie wählte für alle aus und ging zum Bezahlen an die Kasse.

„Hallo. Sie sind doch der Vormund von Mary Lees und Rodgers Kindern, nicht wahr?“

Suzanne blickte überrascht auf. „Ja, bin ich. Entschuldigen Sie, aber ich weiß nicht …“

„Natürlich nicht. Ich bin Katherine Dawson. Alle nennen mich Katie. Suchen Sie sich doch schon einen Tisch aus. Ich bringe Ihnen gleich Ihre Bestellung.“

„Das ist sehr nett. Danke.“

„Darf ich mich ein paar Minuten zu Ihnen setzen?“, fragte Katie, als sie mit den Getränken und den Brötchen kam.

Suzanne nickte und stellte sich vor. „Ich bin von Dallas hierhergezogen, um mich um die Kinder zu kümmern.“

„Oh, schön. Dann bleiben Sie also. Wir hatten schon Angst, Sie würden die Kinder mit nach Dallas nehmen.“

Suzanne schüttelte den Kopf. „Vielleicht wäre es besser. Ich habe keine Ahnung vom Leben auf einer Ranch und …“ Sie machte eine kurze Pause und erzählte dann, was am vergangenen Abend passiert war.

„Oh nein! Wie fürchterlich!“

„Was ist denn passiert, Katie?“, fragte eine ältere Frau, die sich mit einer Freundin dem Tisch näherte.

„Oh, guten Morgen, Mabel. Morgen, Florence. Kennt ihr schon Suzanne McCoy?“ Sie sah Suzanne an. „Haben Sie etwas dagegen, wenn sich die beiden Damen zu uns setzen?“

„Nein, natürlich nicht.“ Suzanne stimmte zu, obwohl sie eigentlich keine Lust hatte, jedem ihre Geschichte zu erzählen.

Katie übernahm es, die Ladies zu informieren. Schließlich fragte sie Suzanne: „Was gedenken Sie zu tun?“

„Der Sheriff meint …“

„Er ist mein Sohn“, schob Mabel Baxter stolz ein.

„Ach ja? Also, er hat versprochen, nach den Cowboys zu suchen, bezweifelt aber, dass sie noch in der Gegend sind.“

„Und jetzt?“, fragte Florence.

„Ich brauche dringend Leute, die mir auf der Ranch helfen.“

„Sprechen Sie mit Ryan Walker.“ Mabel unterstrich ihre Worte mit einem energischen Kopfnicken.

„Das hat Ihr Sohn auch vorgeschlagen.“

„Er hat recht. Ryan ist ein begnadeter Rancher“, stimmte Florence zu. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf. Sie blickte erst Mabel, dann Suzanne an. „Sagen Sie, meine Liebe. Sind Sie … in festen Händen?“

Suzanne starrte die Frau verständnislos an. Der plötzliche Themenwechsel überraschte sie. Schließlich antwortete sie: „Nein. Aber was die Ranch betrifft …“

„Ja, ja. Wissen Sie, mir ist gerade ein Gedanke gekommen. Ryan braucht einen Babysitter.“ Suzanne sah Florence verwundert an.

„Tatsächlich?“

„Ja. Beth ist … wie alt ist Beth jetzt, Katie?“

„Sie ist gerade drei geworden. Ihrer Mutter hat das Leben auf der Ranch nicht gefallen. Sie hat sich mit einem Städter aus dem Staub gemacht. Damals war Beth sechs Monate alt. Seitdem kümmert Ryan sich allein um seine Tochter, was natürlich nicht immer ganz einfach ist. Ihm fehlt oft ein zuverlässiger Babysitter.“

„Und Sie glauben, wenn ich ihm anbiete, auf Beth aufzupassen, dann hilft er mir auf der Ranch?“ Suzanne war skeptisch.

„Es wäre besser, Sie würden ihn heiraten“, stellte Mabel ganz pragmatisch fest.

Suzanne starrte die Frau an, als wäre sie verrückt geworden.

Katie beeilte sich zu sagen: „Das war nicht ernst gemeint. Aber Sie sollten tatsächlich mit Ryan sprechen. Außerdem haben Sie eine gute Wasserversorgung auf Ihrem Stück Land. Ryan könnte sich vielleicht auf einen Deal einlassen. Anteil an den Wasserrechten für ein paar Cowboys.“

Suzanne nickte und ließ das Thema fallen. Sie drängte die Kinder, ihre Brötchen aufzuessen, damit sie endlich die Job-Vermittlung aufsuchen konnten. Als sie den Laden verließ, sah sie die beiden älteren Damen in die entgegengesetzte Richtung verschwinden.

Der Vermittler war keine Hilfe. Auch er riet Suzanne, sich an Ryan Walker zu wenden. Sie dankte ihm und fuhr mit den Kindern nach Hause.

Den Rest des Tages dachte Suzanne über den Ratschlag nach, den sie in der Stadt bekommen hatte, und beschloss darauf, Ryan nach Sonnenuntergang aufzusuchen. Al würde in der Zeit auf die Kinder aufpassen.

Suzanne warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Sie trug ein elegantes Kostüm in der Hoffnung, Ryan Walker mit ihrer Professionalität zu beeindrucken. Die langen rotbraunen Haare hatte sie im Nacken zu einem Knoten gesteckt. Sie wollte einen kühlen und ruhigen Eindruck vermitteln. Immerhin traf sie mit dem besten Rancher im Land zusammen.

Sie holte tief Luft und vergewisserte sich noch einmal, dass Al und die Kinder versorgt waren. „Ich bin bald zurück“, versprach sie und gab sich betont fröhlich.

„Wirklich?“ Josh machte ein finsteres Gesicht.

„Ich gehe nur zu unserem Nachbarn, Josh. Ich bin bald zurück.“ Das hatten die Eltern der Kinder auch gesagt. Und sie waren nicht zurückgekehrt. Mit Tränen in den Augen wandte Josh sich ab. Er traute Suzannes Versprechen nicht. Al lenkte den Jungen ab und gab Suzanne ein Zeichen zu gehen.

Suzanne fuhr in die Richtung, die Al ihr beschrieben hatte. Sie hielt Ausschau nach dem Farmhaus oder zumindest einer Einfahrt. Nach zwanzig Minuten fragte sie sich, ob sie in die falsche Richtung gefahren war. Endlich entdeckte sie ein Haus. Auf dem Briefkasten an der Straße las sie Walker. Sie hatte den berühmten Ryan Walker gefunden. Sie fuhr vor das Haus vor und stieg aus.

Suzanne strich glättend über ihr Kostüm, dann stieg sie die Treppe zur Veranda hinauf. Sie sah kein Licht, doch vielleicht lagen die Küche und das Wohnzimmer im hinteren Teil des Hauses und waren von der Straße aus nicht zu sehen. Sie klopfte. Keine Reaktion. Sie klopfte erneut, etwas lauter dieses Mal. Das dritte Mal hämmerte sie gegen die Tür.

Sie würde nicht wegfahren, ohne mit dem Mann gesprochen zu haben. Ungeduldig lief sie die Treppe hinunter und ging um das Haus herum. Auch hier war alles dunkel. Sie kehrte zur Veranda zurück, setzte sich auf die oberste Stufe und überlegte, was sie jetzt tun sollte.

In dem Moment sah sie die Scheinwerfer eines Wagens. Vielleicht war Walker in der Stadt gewesen und kehrte jetzt zurück. Sie hoffte es.

Suzanne schob eine Haarsträhne hinters Ohr und stand auf, als ein schwarzer Truck in die Einfahrt einbog. Ohne anzuhalten fuhr er an ihr vorbei. Suzanne lief um das Haus herum und atmete erleichtert auf, als der Truck dort parkte.

Ryan Walker war müde von dem anstrengenden Tag. Er hatte viele Stunden im Sattel verbracht und war dann in die Stadt gefahren, um seine dreijährige Tochter Beth von seiner Cousine Millie abzuholen. Er wollte keine Gesellschaft, vor allem nicht von einer eleganten Städterin.

Im ersten Moment hatte er gefürchtet, bei der Frau auf seiner Veranda handelte es sich um Tiffany, seine Exfrau. Und die wollte er nie wiedersehen.

Außerdem hatte er Wichtigeres zu erledigen, als einen Gast zu empfangen. Er musste unbedingt Mabel und Florence anrufen und ihnen klarmachen, dass er an einer Heirat absolut nicht interessiert war. Millie hatte ihm erzählt, dass die beiden Damen sie besucht und ihr gesagt hatten, sie täte ihm einen großen Gefallen, wenn sie sich nicht länger um Beth kümmerte. Dann würde er diese Lady heiraten, die gerade nach Cactus gezogen war. Blöde Weiber!

„Daddy? Was ist?“ Beth sah ihn fragend an.

„Ich bin zu müde für Besuch. Vor dem Haus wartet eine Lady.“

„Warum?“

Mehrere Antworten lagen ihm auf der Zunge, doch Beth war erst drei Jahre alt, und er wollte seine geliebte Tochter nicht erschrecken.

„Ich weiß nicht. Aber ich werde es herausfinden, während du dir die Hände wäschst.“

„Essen wir jetzt die Hamburger?“

„Natürlich.“ Auf dem Nachhauseweg hatte er an einem Fast-Food-Restaurant angehalten, da er zu müde war, um noch zu kochen.

„Geh schon ins Badezimmer. Ich bin gleich zurück.“

Lustlos ging er an die Haustür und schaltete das Licht auf der Veranda ein. „Hallo.“

„Oh! Mr Walker. Sie sind doch Mr Walker, nicht wahr?“

Verdammt! Das war die Frau, die er heute Morgen fast umgerannt hätte. Er erkannte sie sofort an ihren roten Haaren, auch wenn sie jetzt hochgesteckt waren.

„Ja. Was wollen Sie?“, fragte er unhöflich und barsch. Er hatte keine Zeit und kein Interesse an hübschen Städterinnen.

„Ich habe gehört, dass Sie in diesem County der erfahrenste Rancher sind.“ Ihre Stimme klang kühl, fast skeptisch, was ihn störte.

„Ja, mag sein.“

„Ich bin Ihre Nachbarin. Mein Name ist Suzanne McCoy. Ich kümmere mich um Mary Lees und Rodgers Kinder.“ Er nickte nur. „Ich habe ein Problem.“

„Welches?“

„Ich habe keine Farmarbeiter mehr außer Al.“

„Wo sind Ihre Leute?“

„Ich habe sie gefeuert, weil sie die Kinder bestohlen haben.“ Sie hob trotzig das Kinn, als erwartete sie, von ihm zu hören, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

„Gut. Ich war mir nicht sicher, dass Sie es wissen.“

Sie senkte den Blick. „Ich weiß es erst seit gestern. Ich habe zufällig gehört, wie sie damit geprahlt haben. Ich habe sie gefeuert, ohne den Sheriff anzurufen. Die Männer haben daraufhin Hals über Kopf die Ranch verlassen, und jetzt weiß niemand, wo sie sind.“

„Und?“

„Ich brauche ein paar Cowboys, Mr Walker. Und ich weiß überhaupt nicht, was diese Männer tun oder können müssen oder wie ich beurteilen soll, ob es gute, ehrliche Arbeiter sind. Jeder, mit dem ich gesprochen habe, hat mir geraten, mich an Sie zu wenden. Bitte, werden Sie mir helfen?“

„Haben Sie mit Florence und Mabel gesprochen?“

„Ja, das habe ich.“

„Okay, Miss McCoy, ich schicke Ihnen für eine Woche zwei meiner Männer. Länger kann ich sie nicht entbehren. Aber egal, welchen Floh Mabel und Florence Ihnen ins Ohr gesetzt haben, ich werde Sie nicht heiraten!“

2. KAPITEL

Suzanne wich einen Schritt zurück. War der Mann verrückt geworden? „Was?“

„Sie haben mich genau verstanden. Diese Frauen betätigen sich ständig als Kupplerinnen. Aber nicht mit mir. Ich bin nicht auf der Suche nach einer Frau.“

„Und ich nicht nach einem Mann!“ Suzannes Wangen glühten vor Wut.

„Sie scheinen überrascht? Haben diese Frauen Ihnen nicht nahegelegt, mich zu heiraten?“

Suzanne wollte gerade sagen, dass kein normaler Mensch so etwas vorschlagen konnte, als sie sich an Mabels Bemerkung erinnerte. „Stimmt, Mabel hat irgendetwas von Heirat gesagt. Aber ich habe das für einen Scherz gehalten.“

„Jetzt wissen Sie, dass es keiner war. Aber ich bin nicht interessiert. Okay? Doug und Hinney sind morgen früh bei Ihnen.“ Er wollte die Tür schließen, doch Suzanne stoppte ihn.

„Mabel und Florence haben ein Tauschgeschäft vorgeschlagen.“

„Tauschgeschäft? Ich glaube nicht, dass Sie etwas haben, woran ich interessiert bin.“

Seine Worte waren beleidigend, und Suzanne war kurz davor aufzugeben. Doch sie brauchte Hilfe. Also biss sie die Zähne zusammen und sagte nur ein Wort. „Babysitter.“

„Daddy?“ Beth klammerte sich an seine Beine und sah die fremde Frau neugierig an.

„Beth, geh zurück in die Küche. Fang schon mal an zu essen, okay?“

Suzanne merkte, dass seine Stimme sanfter klang, als er mit seiner Tochter sprach. Sie ging in die Hocke. „Hallo, Beth. Ich bin Suzanne. Wie geht’s?“

„Gut.“ Beth strahlte Suzanne an.

„Beth, geh sofort in die Küche!“, befahl Ryan alles andere als sanft. Überrascht blickte Beth zu ihm auf und rannte dann weg.

„Ich wollte ihr nichts tun“, protestierte Suzanne.

„Sie kennen sie nicht, und so soll es auch bleiben. Selbst fürs Babysitten übernehme ich nicht die Ranch. Das wollten Sie doch, oder?“

Suzanne richtete sich auf und straffte die Schultern. „Die Damen haben auch Wasserrechte erwähnt.“ Sie wartete auf seine Reaktion.

„Ja. Sie haben die Kontrolle über die Wasserressourcen, ich nicht. Gratuliere. Meine beiden Männer sind morgen früh bei Ihnen. Sorgen Sie dafür, dass Sie bis Ende der Woche Ihr Problem gelöst haben.“ Dann schlug er ihr die Tür vor der Nase zu.

Suzanne ärgerte sich über sein unhöfliches Benehmen. Aber sie wagte nicht, noch einmal gegen seine Tür zu hämmern. Er könnte seine Zusage zurücknehmen, ihr zumindest eine Woche lang zwei seiner Männer zur Verfügung zu stellen. Und das durfte sie nicht riskieren. Und bis zum Ende dieser Woche fand sie sicherlich einige Cowboys, die Arbeit suchten. Irgendwie würde sie es schaffen, Joshs und Mandys Erbe zu bewahren.

Suzanne war am nächsten Morgen vor Tagesanbruch auf den Beinen, um die beiden Cowboys zu begrüßen, die Ryan Walker ihr schicken wollte. Gestern Abend hatte sie Al noch informiert, dass sie vorübergehend Hilfe bekommen würden.

„Ich werde heute für alle etwas kochen. Und ich möchte, dass Sie den beiden Männern helfen, so gut es geht.“ Suzanne wusste, dass die Arbeit für den alten Mann schwer war, doch er stimmte bereitwillig zu.

Die Sonne ging gerade am Horizont auf, als sie einen Truck hörte. Sie sah aus dem Fenster. Das mussten Doug und Hinney sein. Was für ein seltsamer Name.

Sie eilte hinaus und hieß die Männer willkommen. „Haben Sie schon gefrühstückt? Ich kann schnell etwas richten.“

„Nicht nötig, Ma’am. Wir haben gefrühstückt.“

„Okay. Lunch gibt es um eins.“

Die beiden schienen verlegen, doch Suzanne lächelte sie strahlend an und zog sich dann schnell zurück. Sie würde diesem Mr Allwissend-Walker zeigen, dass sie die Männer genauso gut versorgen konnte wie er. Sie verbrachte den Vormittag damit, einen Kuchen zu backen, bereitete ein kräftiges Gulasch zu und telefonierte mit jedem, der ihr vielleicht helfen konnte, arbeitswillige Cowboys zu finden.

Leider hörte sie immer nur: „Ruf Ryan Walker an. Er weiß, ob gute Leute verfügbar sind.“

Nachdem sie diese Antwort das fünfte Mal bekommen hatte, gab sie auf. Um eins kamen die Männer zum Lunch. Die Kinder hatten bereits gegessen und hielten ihre Mittagsruhe.

„Wow, Miss McCoy, das riecht lecker“, sagte Doug.

Suzanne holte den Schmortopf aus dem Ofen und den Salat aus dem Kühlschrank. Dazu stellte sie eine Schüssel mit Mais, denn sie hatte von ihrer Cousine gelernt, dass für schwer arbeitende Cowboys ein herzhaftes Essen wichtig war. Frische Brötchen rundeten das Menü ab. Und als sie zum Nachtisch dann noch ein großes Stück Schokoladenkuchen servierte, seufzten die Männer zufrieden.

„Ich möchte mich für Ihre Arbeit erkenntlich zeigen.“

„Danke, Ma’am.“

Abends stellte sie wieder ein schmackhaftes Essen auf den Tisch.

„Aber, Ma’am, wir werden zum Abendessen bei Ryan erwartet“, protestierte Hinney.

„So hart wie Sie gearbeitet haben, haben Sie sich zwei Abendessen verdient. Außerdem habe ich noch viel Kuchen übrig.“

Die Männer ließen sich auf die Stühle fallen.

Suzanne triumphierte insgeheim. Ryan Walker würde erfahren, dass sie seine Männer gut behandelte.

Ryan machte sich den ganzen Tag Sorgen um seine beiden Männer auf der Howe Farm. Rodger Howe war kein schlechter Mann gewesen. Nur unerfahren. Er hatte Ryan einige Male um Rat gefragt, und Ryan war gern bereit gewesen, sein Wissen und seine Erfahrung weiterzugeben.

Aber nicht an eine Städterin. Er hoffte, dass sie seinen Männern wenigstens etwas Anständiges zu essen gab. Wahrscheinlich hatte sie nur Salat serviert. Etwas anderes konnten diese Frauen ja nicht zubereiten. Er hinterließ den Männern eine Nachricht, bei ihm vorbeizuschauen, sobald sie zurück waren.

Dann fuhr er in die Stadt, um Beth abzuholen. Er versprach seiner Cousine, bis Ende der Woche jemanden zu finden, der sich um Beth kümmerte. Ryan wollte nicht, dass sie sich ein Jobangebot entgehen ließ, das ihr mehr einbrachte als das, was er zahlte. Millie hatte jetzt auch schon angefangen, ihn zu drängen, über den Vorschlag von Mabel und Florence nachzudenken.

Auf dem Rückweg überlegte er, wie er so schnell einen neuen Babysitter finden sollte. Warum hielt er nicht nach einer Haushälterin Ausschau? Das hätte den Vorteil, dass sie abends auch noch ein leckeres Essen bekämen und nicht nur Fast Food wie heute Abend.

Nach dem Essen steckte Ryan Beth ins Bett und wartete auf der Veranda auf seine Männer.

„Hallo, Boss“, rief Doug fröhlich. Die beiden setzten sich zu Ryan. „Es ist alles gut gelaufen, mal abgesehen davon, dass es traurig ist, wie wenig diese Mistkerle gearbeitet haben, und dass sie dann auch noch die Kinder bestohlen haben.“

„Hinney, ist mit dir auch alles klar?“

„Ja, Boss. Sie ist eine gute Köchin. Und sie hat sich nicht über meinen Namen lustig gemacht.“

„Gut. Wenn ihr wollt, könnt ihr der Lady sagen, dass ihr zum Lunch hierherkommen müsst.“

Beide Männer sprangen auf, schrien entsetzt Nein und setzten sich unvermittelt wieder, beschämt über ihre Reaktion.

„Kocht sie so gut?“

Überraschenderweise antwortete der schüchterne Hinney. „Ja, und sie deckt den Tisch so schön. Und sie ist so hübsch.“

Ryan hatte keine Lust, sich noch weitere Loblieder auf Miss Suzanne McCoy anzuhören. Unwirsch befahl er: „Erzählt mir von der Arbeit.“

Als sie mit ihrem Bericht fertig waren, fragte Ryan, ob sie bereit wären, auch die nächsten Tage dort zu arbeiten. Er bekam die Antwort, die er inzwischen erwartet hatte. Klare Zustimmung. Nachdem sie den weiteren Arbeitsplan festgelegt hatten, schickte Ryan die Männer zurück zu ihrer Unterkunft.

Er selbst blieb mit gemischten Gefühlen auf der Veranda sitzen. Er hasste es, wenn Land und Tiere falsch versorgt wurden, wie er es bei den Männern seines Nachbarn beobachtet hatte. Und es freute ihn, dass seine Leute halfen. Doch er wollte auf Distanz bleiben zu einer Städterin … die kochen konnte. Verdammt, seine Männer aßen besser als er!

Er dachte an ihr Angebot, als Gegenleistung für seine Hilfe auf die Kinder aufzupassen und die Wasserrechte zu teilen. Wenn sie nicht so hübsch gewesen wäre, wäre er vielleicht darauf eingegangen, doch er hatte Angst, ihr nicht widerstehen zu können und wieder enttäuscht zu werden.

Nicht, dass seine Exfrau ihm das Herz gebrochen hätte. Als sie ihn verließ, hatte er sich innerlich längst von ihr gelöst. Das einzig Positive aus seiner Ehe mit Tiffany war Beth. Er war dankbar, dass sie die Kleine nicht mitgenommen hatte.

Er würde kein zweites Mal den Fehler begehen, sich mit einem Stadtmenschen einzulassen. Er dachte an Miss McCoy in ihrem schwarzen Kostüm, die Haare zu einem eleganten Knoten gesteckt. Die Frau gehörte nicht hierher und würde auch nicht bleiben.

Er musste nur darauf warten, dass sie in die Stadt zurückzog und die Farm zum Verkauf anbot. Dann würde er zuschlagen und die Farm mit ihren Wasserrechten erwerben. Ryan freute sich schon auf den Tag.

Suzanne genoss ihr neues Leben. Sie liebte es, sich mit den Kindern zu beschäftigen, mit ihnen zu spielen, zu malen und ihnen etwas vorzulesen. Sie kochte gern, vor allem natürlich für so dankbare und hungrige Esser wie die Cowboys. Das Haus war in Schuss, und die Finanzen der Kinder hatte sie im Griff. Nur eines hatte sie nicht erreicht.

Sie hatte keine neuen Arbeiter gefunden. Nicht einen einzigen.

Manchmal fragte sie sich, ob Ryan Walker vielleicht die Nachbarn angewiesen hatte, ihr nicht zu helfen.

Am Donnerstagabend begab sie sich noch einmal zu Ryan Walkers Ranch. Für diesen zweiten Besuch wählte sie ein rotes Kostüm. Rot war eine Powerfarbe, vor allem im Zusammenspiel mit ihren rotbraunen Haaren und den braunen Augen.

„Warum können Walkers Cowboys nicht bei mir bleiben? Ich wäre so froh, wenn Doug und Hinney weiter für mich arbeiten würden“, murmelte sie vor sich hin.

Suzanne hatte sogar schon darüber nachgedacht, den beiden Männern eine Prämie zu zahlen, wenn sie Ryan Walker verließen, doch das fand sie denn doch unfair. So verlockend der Gedanke auch war.

Sie bog in die Einfahrt ein und bemerkte, dass das Haus wieder im Dunkeln lag. Allerdings stand Walkers Truck hinter dem Haus. Also parkte Suzanne, stieg aus, klopfte an die Haustür und wartete.

Gerade als sie den Rückzug antreten wollte, wurde die Tür langsam aufgezogen.

„Beth!“

„Hallo“, sagte das kleine Mädchen lächelnd.

So niedlich das kleine Mädchen war, es war unverantwortlich, ein Kind in dem Alter an die Tür gehen zu lassen. „Weiß dein Daddy, dass du die Tür geöffnet hast?“

Beth schüttelte den Kopf.

„Ist er da?“

„Ja, hinten. Mit Doug und Hinney.“

Suzanne war überrascht. Ihr war gar nicht der Gedanke gekommen, dass die beiden Männer jeden Abend einen Bericht abstatten könnten. „Weißt du was? Du machst die Tür jetzt wieder zu, und ich gehe ums Haus herum zur hinteren Veranda. Okay?“

„Okay.“ Beth schlug die Tür zu. Suzanne hörte, wie die kleinen Füße durch den Flur tappten.

Lächelnd umrundete Suzanne das Haus, wobei sie bedauerte, hochhackige Schuhe angezogen zu haben. Sie hörte die Stimmen der Männer, blieb jedoch nicht stehen. Sie würde nicht noch einmal eine Unterhaltung belauschen. Das letzte Mal hatte das in einer Katastrophe geendet.

„Mr Walker?“

Ryan Walker stand sofort auf. „Miss McCoy.“

„Tut mir leid, wenn ich störe, aber ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen.“

„Woher wissen Sie, dass ich hier hinten bin?“

„Von Beth. Sie hat mir die Tür aufgemacht.“ Sie machte eine kurze Pause, konnte sich dann jedoch nicht verkneifen hinzuzufügen: „Ein Kind in dem Alter sollte nicht allein an die Tür gehen.“

Kaum hatte sie Beths Namen genannt, machte er sich schon auf den Weg ins Haus. „Ich bin sofort zurück.“

„Hallo, Jungs. Ich hoffe, es gibt keine Probleme, weil ihr für mich gearbeitet habt?“

„Nein, Miss Suzanne.“ Doug grinste. „Der Boss könnte uns jedoch feuern, wenn wir weiter zunehmen. Sie kochen so gut, dass wir langsam fett werden.“

„Unsinn, ihr habt nicht zugenommen“, versicherte Suzanne den Männern und lächelte sie warmherzig an.

„Diese Schmeicheleien werden meine Männer nicht dazu bringen, für Sie zu arbeiten, falls Sie darauf aus sind, Miss McCoy.“ Walker trat aus dem Schatten und starrte sie an.

„Ich weiß.“

„Vielleicht aber der Schokoladenkuchen“, sagte Hinney leise. Die beiden Cowboys lachten, und Suzanne musste unwillkürlich lächelte. Walker starrte sie weiter grimmig an.

Die Farmarbeiter spürten, dass sie überflüssig waren. „Wir gehen jetzt, Boss. Es ist ja alles besprochen, oder?“ Die beiden Männer verschwanden, ohne die Antwort abzuwarten.

„Die beiden haben doch nur einen Scherz gemacht“, sagte Suzanne ruhig. Sie wünschte, ein Schokoladenkuchen würde genügen, um gute Arbeiter zu bekommen. „Ich muss mit Ihnen reden, Mr Walker.“

„Nehmen Sie Platz, Miss McCoy.“

Suzanne setzte sich, doch sie fühlte sich unwohl. Ihm schien es nicht besser zu gehen. „Sie haben gesagt, ich soll sehen, dass ich mein Problem bis Ende der Woche gelöst habe.“

Sie hielt kurz inne, doch er reagierte nicht. „Ich habe nicht einen einzigen guten Mann gefunden, Mr Walker. Es ist wie verhext. Als hätte jemand dafür gesorgt, dass mir nicht geholfen wird. Ganz gleich, mit wem ich spreche, ich bekomme immer nur den Rat, mich an Sie zu wenden.“

Wieder sagte er nichts.

„Ich weiß, dass Sie kein Interesse daran haben, mir zu helfen. Aber denken Sie doch bitte an die beiden kleinen Kinder. Sie haben gerade ihre Eltern verloren. Sollen sie jetzt auch noch ihr Zuhause verlieren?“ Sie biss sich auf die Lippen, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.

„Es liegt nicht an mir, dass Sie immer wieder an mich verwiesen werden. Es sind diese verdammten Weiber!“

„Wovon reden Sie?“

„Mabel, Florence, Edith und Ruth. Seit Jahren betätigen sie sich in diesem County als Kupplerinnen.“

„Aber bestimmt ist es nicht ihr Ziel, uns zu ruinieren, oder? Das ist Josh und Mandy gegenüber nicht fair. Bitte, können Sie uns nicht helfen?“

„Lady, ich kenne niemanden, der einen Job sucht. Wenn ich jemanden wüsste, würde ich ihn selbst engagieren. Mir fehlen auch Leute.“

„Aber Sie haben mir Doug und Hinney geschickt …“

„Stimmt. Ich habe ja kein Herz aus Stein. Aber ich habe meine eigenen Probleme und kann mir nicht ständig Gedanken um Ihre Sorgen machen.“

„Wenn eins Ihrer Probleme Beth ist, dann übernehme ich gern den Job des Babysitters. Ich wohne nicht weit weg. Sie könnten eine Menge Zeit sparen.“

„Ja, da haben Sie recht. Aber ich brauche auch jemanden, der kocht und putzt. Ich werde eine Haushälterin engagieren.“

„Haben Sie schon eine gefunden?“

„Nein, mir geht es genauso wie Ihnen.“

„Oh.“ Suzanne wusste nicht, was sie sagen sollte. Schließlich fragte sie: „Morgen kommen Doug und Hinney also das letzte Mal zu mir?“

Er reagierte gereizt. „Jetzt schauen Sie mich nicht so mit Ihren großen schokoladenbraunen Augen an. Ich weiß keine Lösung.“

„Aber …“

„Fahren Sie nach Hause. Ich werde mir heute Abend die Sache durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht finde ich eine Lösung für uns beide.“

Suzanne verabschiedete sich und ging zu ihrem Wagen. Sie hatte keine andere Wahl. Das Leben könnte so einfach sein, wenn sie den Job als Haushälterin bekäme. Sie könnte Josh und Mandy tagsüber mit zu ihm nehmen und abends auf die Ranch zurückkehren. Vielleicht sollte sie ihm morgen diesen Vorschlag machen.

Suzanne entspannte etwas, als sie erkannte, dass dies die Lösung aller Probleme wäre. Sie würde kein Gehalt von ihm nehmen, im Gegenzug kümmerte er sich um ihre Ranch. Ein faires Angebot.

Ryan lief bis spät in die Nacht nachdenklich auf und ab. Das Dumme an Mabels und Florence’ Lösung war, dass sie die beste war. Wie er von seinen Männern gehört hatte, war diese McCoy eine fantastische Köchin. Sie kümmerte sich hervorragend um die Kinder und hielt auch das Haus sehr sauber. Genau das, was er brauchte.

Das Leben auf dem Land schien ihr zu gefallen. Sie hatte gesagt, dass sie wegen der Kinder bleiben und nicht in die Stadt zurückkehren wollte. Er könnte ihr also ohne Bedenken Beth anvertrauen. Er musste sie nur heiraten.

Für Beth würde er sogar das in Kauf nehmen. Er würde mit einem ordentlichen Haushalt, leckeren Mahlzeiten und einer glücklichen Beth belohnt. Und mit Sex. Es war lange her, seit er … Besser, er dachte gar nicht darüber nach.

Theoretisch war es also das Klügste, Miss McCoy zu heiraten, in der Praxis sah es allerdings ganz anders aus. Er sah sich selbst in seinen dreckigen Jeans und abgetragenen Stiefeln am Sonntagnachmittag vor dem Fernseher bei einem Fußballspiel, während sie in einem ihrer Kostüme, perfekt geschminkt und gekämmt, neben ihm saß und Buchrezensionen las und Kunstausstellungen ausfindig machte.

Verdammt! Er würde unglücklich werden. Und sie auch.

Dennoch, Suzanne McCoy zu heiraten schien die richtige Lösung. Um vier Uhr morgens dachte er immer noch über diese Möglichkeit nach. Er beschloss, noch zwei Stunden zu warten und ihr dann mitzuteilen, wie er entschieden hatte. Anschließend könnte er zwei, drei Stunden schlafen.

3. KAPITEL

Suzanne stand normalerweise um halb sieben Uhr morgens auf, doch heute wurde sie bereits um sechs Uhr durch lautes Hämmern an der Tür aus dem Schlaf geschreckt. Voller Panik, dass etwas passiert sein könnte, sprang sie aus dem Bett und schnappte sich ihren Bademantel.

Ohne sich um ihre äußere Erscheinung zu kümmern, riss sie die Tür auf und stand Ryan Walker gegenüber.

„Was ist passiert?“

„Nichts“, antwortete er. „Alles in Ordnung.“

„Sind Sie betrunken?“

„Nein, nur hundemüde. Ich habe nicht geschlafen.“

„Wenn nichts passiert ist, warum hämmern Sie dann um diese Uhrzeit gegen meine Tür?“

„Ich habe doch gesagt, dass ich kommen würde.“

„Aber doch nicht so früh! Jetzt kommen Sie erst einmal herein. Ich ziehe mich schnell an und koche uns einen Kaffee.“

Ryan setzte sich an den Küchentisch, und Suzanne stellte Wasser auf. Als sie sich umdrehte und sich kurz entschuldigen wollte, war er schon eingeschlafen.

Dieser Mann sollte ihr Retter sein, der Schlüssel zur Lösung ihres Problems? So langsam hatte sie eher das Gefühl, dass er verrückt war. Ohne ihn zu wecken, eilte sie in ihr Schlafzimmer. Fünf Minuten später kehrte sie in Jeans und T-Shirt wieder zurück und bereitete ein Frühstück vor, das jeden Mann begeistern würde. Schinken, Würstchen, Brötchen und Rühreier.

Als alles fertig war, weckte sie ihren frühen Gast.

„Mr Walker, das Frühstück.“

Er hob den Kopf und starrte sie verständnislos an.

„Trinken Sie erst einmal einen Kaffee.“ Sie schob die Tasse näher an ihn heran.

Er trank einen Schluck und warf dann einen Blick auf seinen Teller. So ein Frühstück hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Er sprach erst wieder, als er den ganzen Teller leer gegessen hatte.

„Das war lecker.“

„Danke. Ich hoffe, es hilft Ihnen, einen klaren Kopf zu bekommen. Warum sind Sie schon so früh zu mir gekommen? Und wer ist bei Beth?“

Er blinzelte ein paarmal. „Hinney kümmert sich um Beth. Sie mag ihn.“

„Gut. Und jetzt beantworten Sie meine Frage.“

„Ich gebe auf.“

„Wie bitte?“ Suzanne schenkte Kaffee nach. „Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“

„Ich habe gesagt, ich gebe auf. Sie haben gewonnen.“

„Sie sind also zu demselben Schluss gekommen wie ich? Gut. Ich schlage vor, ich erscheine jeden Morgen um sieben Uhr und bereite als Erstes das Frühstück zu. Wenn Sie abends nach Hause kommen, ist das Dinner für Sie und Beth fertig, und ich gehe mit Josh und Mandy nach Hause. Es müsste funktionieren. Samstags komme ich nicht, aber Sie können Beth zu mir bringen, wenn Sie wollen.“

Er starrte sie mit leerem Blick an. „Sie sehen irgendwie anders aus.“

„Was?“

„Sie haben kein Kostüm an.“

„Sie erwarten doch nicht, dass ich als Haushälterin im Kostüm und hohen Schuhen arbeite?“ Solch einer lächerlichen Bitte würde sie nicht nachkommen.

„Nein. Natürlich nicht.“

„Dann sind wir uns in diesem Punkt ja einig. Soll ich gleich heute anfangen, oder wollen Sie bis Montag warten? Mir ist beides recht. Es könnte allerdings etwas später werden, da ich noch nicht das Frühstück für die Kinder fertig habe.“

„Heute? Nein. Das wäre nicht legal.“

Suzanne kratzte sich am Kopf. Wovon redete er? „Brauchen Haushälterinnen hier eine Lizenz? Muss ich eine Prüfung machen? Ich versichere Ihnen, dass ich kochen und putzen kann. Und mit Kindern habe ich keine Probleme. Beth ist bei mir gut aufgehoben.“

„Wir brauchen eine Lizenz.“

„Okay. Ich kümmere mich darum. Dann warten wir also bis Montag. Ich schlage vor, Sie gehen jetzt nach Hause und schlafen ein paar Stunden.“ Sie lächelte ihn fröhlich an.

„Okay.“ Er richtete sich mühsam auf. „Leckeres Frühstück.“

„Danke.“

Sie folgte ihm zur Haustür. „Können Sie überhaupt fahren?“

„Ja, natürlich.“ Er stolperte zu seinem Truck, stieg ein und fuhr davon.

Es würde nicht einfach werden, für diesen merkwürdigen Mann zu arbeiten. Doch zumindest hatte sie einen Weg gefunden, das Erbe der Kinder zu retten. Und nur das zählte.

Eine Stunde später, die Kinder hatten gerade gefrühstückt, klingelte das Telefon.

„Hallo?“

„Suzanne, hier spricht Mabel Baxter. Gratuliere. Ich bin so glücklich für Sie beide.“

Suzanne fand die Reaktion der Frau etwas überschwänglich, aber sie selbst war auch froh, dass Ryan und sie sich geeinigt hatten. „Danke, Mabel. Ja, ich freue mich auch.“

„Sie müssen sich sofort um die Lizenz kümmern.“

„Ja, das hat Mr Walker auch gesagt.“

Es entstand eine merkliche Pause. „Sie nennen ihn Mr Walker?“

„Wahrscheinlich könnte ich auch Ryan sagen, aber ich will warten, bis er es mir anbietet.“

Mabel gab ein Geräusch von sich, als hätte sie sich verschluckt.

„Mabel, alles in Ordnung?“

„Ja, natürlich, meine Liebe. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie auf unsere Hilfe zählen können. Wir sind in diesen Dingen ziemlich erfahren.“

„Das ist sehr nett von Ihnen. Ab und zu ein Kuchen wäre sehr nett.“

Wieder entstand ein kurzes Schweigen. Schließlich sagte Mabel: „Wir reden später noch einmal darüber. Wenn Sie nicht mehr so durcheinander sind.“

Mabel verabschiedete sich und legte auf. Suzanne starrte den Hörer an. Was war das denn gerade gewesen? Warum hatte Mabel so merkwürdig geklungen?

War es hier so ungewöhnlich, den Arbeitgeber mit Nachnamen anzusprechen? In Dallas war es üblich. Sie beschloss, dabei zu bleiben, bis er ihr das Du anbot. Sie wollte nicht plump vertraulich wirken.

Es war schon nach drei Uhr nachmittags, als Ryan von Beth geweckt wurde.

„Daddy?“

„Was ist, Schätzchen?“ Er setzte sich langsam auf und fühlte sich viel älter als dreißig Jahre.

„Ich habe Hunger. Millie gibt mir immer Plätzchen.“

„Okay. Wir bereiten dir einen kleinen Snack zu.“ Er rollte sich aus dem Bett. Bevor er jedoch die Küche erreichte, klingelte das Telefon. „Ich gehe!“, schrie Beth.

Ryan erinnerte sich dunkel an den Anruf, den er bekommen hatte, als er gerade von dieser Städterin zurückgekehrt war. Verdammt! Er hatte eingewilligt, sie zu heiraten! Was war nur mit ihm los? Besser, er nahm den Anruf entgegen. „Ich bin schon dran, Beth.“

„Hallo?“

„Hier ist Mabel Baxter, Ryan. Du wolltest heute die Lizenz besorgen, damit die Hochzeit am Sonntag stattfinden kann. Erinnerst du dich?“

„Vage.“

„Es ist schon halb vier, und die Behörden schließen um fünf Uhr. Ich habe das Gefühl, die Braut weiß gar nicht, was hier vorgeht. Was hast du ihr gesagt?“

„Mabel, ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Vielleicht habe ich mich nicht so deutlich ausgedrückt.“

„Dann solltest du das schleunigst nachholen. Sonntagnachmittag ist die Hochzeit. Die ganze Stadt hilft bei den Vorbereitungen.“

„Mabel, verdammt! Ich habe dich doch gebeten, keine große Sache daraus zu machen.“ Er hatte sogar gehofft, ganz unbemerkt heiraten zu können.

„Du heiratest vielleicht zum zweiten Mal, aber für die junge Lady ist es das erste und einzige Mal. Wir wollen, dass es ein ganz besonderer Tag für sie wird.“

„Meinetwegen, aber jetzt muss ich los, wenn ich die Lizenz noch rechtzeitig bekommen will.“

„Ich weiß. Aber denk daran, dass sie dabei sein muss“, erinnerte Mabel, bevor er auflegte. Ryan wartete einen Moment, dann wählte er die Nummer von Suzanne McCoy. Als sie sich meldete, nannte er nicht einmal seinen Namen. „Ich hole Sie in zehn Minuten ab, damit wir gemeinsam die Lizenz beantragen können.“

„Aber Ryan – ich meine, Mr Walker –, ich habe mich erkundigt. Eine Haushälterin braucht keine Lizenz. Aber ich versichere Ihnen, ich bin qualifiziert.“

„Wir beantragen die Ehelizenz. Seien Sie also fertig!“ Und dann legte er auf.

Suzanne starrte noch auf den Hörer, als schon lange das Freizeichen erklang.

„Was ist los, Susie?“, fragte Josh.

„Ich weiß nicht. Ein Missverständnis, denke ich.“ Sie hoffte es zumindest. Den Mann heiraten? Er war verrückt. Außerdem war es gar nicht nötig. Ihre Lösung würde funktionieren.

Jemand klopfte an ihre Haustür. Das konnte noch nicht Mr Walker sein. Sie hatten doch gerade erst telefoniert!

Suzanne blickte auf ihre Uhr und stellte fest, dass mehr Zeit vergangen war, als sie angenommen hatte. Sie eilte an die Tür. Da stand Ryan mit ungeduldiger Miene. Auf dem Arm hielt er Beth.

Suzanne stieß die Fliegentür auf. „Kommen Sie herein.“

Ryan trat ein und ließ Beth herunter. „Sind Sie fertig?“

„Nein. Bin ich nicht. Ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden. Ich habe nicht zugestimmt, Sie zu heiraten. Ich habe lediglich eingewilligt, als Ihre Haushälterin zu arbeiten. Ich komme jeden Morgen und gehe wieder, sobald Sie zum Dinner da sind.“

„Nein, wir werden heiraten. Die halbe Stadt kommt am Sonntag zu unserer Hochzeit. Kann Al sich ein paar Stunden um die Kinder kümmern?“

Suzanne wich einen Schritt zurück. „Nein, er ist mit Doug und Hinney draußen. Ich kann also nicht weg.“

„Ich hole ihn. In der Zwischenzeit machen Sie sich fertig. Ach, und Beth hofft, dass Sie einen kleinen Snack für sie haben. Unser Kühlschrank ist leer.“

Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ das Haus. Fassungslos sah Suzanne ihm nach, dann blickte sie in die hoffnungsvollen Augen des Kindes. Sie waren genauso blau wie die des Vaters.

Ryan hatte ein etwas besseres Gefühl, was seine bevorstehende Hochzeit betraf. Nachdem er Suzanne bisher nur im eleganten Outfit gesehen hatte, wusste er jetzt auch, wie sie direkt nach dem Aufstehen aussah. Und in Jeans. Die Frau war verdammt sexy.

Hatte sie wirklich geglaubt, sie könnte jeden Tag als Haushälterin in sein Haus kommen? Den ganzen Tag über gingen Besucher bei ihm ein und aus. Unverheiratete, impulsive Männer. Und so hübsch und sexy wie sie war, würde sie sich vor Heiratsanträgen nicht retten können. Irgendwann würde sie einen annehmen, und er müsste von vorn anfangen. Wenn sie aber mit ihm verheiratet war, durfte sie nur mit ihm flirten.

Der Gedanke gefiel ihm.

Ryan fand die Männer und bat Al, in den Truck zu steigen, weil er ihn im Haus als Babysitter brauchte. Da die Zeit knapp war, hielt er sich nicht mit langen Erklärungen auf.

„Ich passe gern für eine kleine Weile auf die Kinder auf, Mr Walker. Ihre Männer arbeiten hart. Manchmal fällt es mir schwer, mit ihnen mitzuhalten.“

„Ich weiß, was Sie meinen, Al. Aber wir werden immer einen Job für Sie haben.“

Al nickte, als hätte er die Zusicherung erwartet. Als er auf der Ranch dann auch noch ein Eis von Suzanne bekam, war der alte Mann glücklich.

„Wir haben noch etwas zu besprechen.“ Suzanne führte Ryan aus der Küche hinaus in den Flur.

„Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen noch heute Nachmittag die Lizenz beantragen.“

„Ryan. Hören Sie mir einfach mal zu. Wir müssen nicht heiraten. Sie brauchen doch nur eine Haushälterin. Abends kommen Sie allein mit Beth zurecht, oder?“

„So funktioniert das nicht. Es wird Gerede geben. Und es wird Männer geben, die Sie heiraten wollen. Damit sind die Probleme vorprogrammiert. Beth wird enttäuscht sein, und ich fange von vorn an. Und was ist, wenn der Mann, den Sie heiraten, kein Rancher ist? Dann brauchen Sie wieder Hilfe.“

Suzanne starrte ihn an. „Aber …“

„Es ist die einzige Möglichkeit. Ich habe lange nach einer anderen Lösung gesucht, aber es gibt keine. Deshalb haben die Damen bei ihren Kuppelversuchen auch so viel Erfolg. Sie wissen, was gut und richtig ist.“

„Es kann doch nicht sein …“

„Jetzt kommen Sie einfach mit. Wir können vor Sonntag gern noch einmal darüber diskutieren, aber je mehr Sie versuchen, Gründe gegen die Hochzeit zu finden, desto klarer wird Ihnen werden, dass eine Zweckehe funktioniert.“

Auf dem Weg zu den Behörden beobachtete Ryan Suzanne die ganze Zeit aus den Augenwinkeln heraus, doch sie sagte nichts mehr.

Sie trug die notwendigen Angaben in den Antrag ein und sah zu, wie Ryan bezahlte.

„Gut, dass kein Bluttest mehr verlangt wird. Das würde viel Zeit in Anspruch nehmen.“

„Stimmt. Da es sich aber um eine Zweckehe handelt, ist ein Bluttest sowieso nicht nötig“, erwiderte sie.

„He, nicht so laut. Wenn sich das herumspricht, sind wir das ganze nächste Jahr Gesprächsthema Nummer eins.“

„Entschuldigen Sie. Daran habe ich nicht gedacht.“

„Außerdem wird es Zeit, dass wir uns duzen.“

Sie bekamen die Lizenz, und Suzanne ging davon aus, dass sie jetzt zur Ranch zurückfahren würden. Doch Ryan schlug vor, im The Last Roundup zu essen, einem großen Restaurant am Marktplatz. „Es gehört Cal Baxters Frau Jessica.“

Suzanne protestierte. „Ich habe das Abendessen für die Kinder noch nicht fertig. Sie bekommen bestimmt bald Hunger.“

„Ich rufe Al an. Er kann ihnen ein Brot mit Erdnussbutter oder Marmelade schmieren.“ Ryan schenkte ihr sein Lächeln. Das erste Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte. Oh je, dachte sie, wie soll ich es schaffen, diesem Lächeln zu widerstehen? Der Mann war verdammt attraktiv, wenn er lächelte.

„Ich finde wirklich, wir sollten nach Hause fahren.“

„Nein. Wir müssen unsere Verlobung feiern.“

„Ich hatte eigentlich nicht das Gefühl, dass es etwas ist, was du feiern möchtest.“

„Ich habe gelernt, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen.“

„Was für ein Kompliment.“ Suzanne blieb unvermittelt stehen.

„Bleib nicht mitten auf der Straße stehen, Honey. Du könntest überfahren werden.“ Als sie sich nicht vom Fleck rührte, hob er sie auf die Arme und ließ sie erst auf dem Bürgersteig wieder herunter.

„Ryan, ich bin für ein Essen in einem eleganten Restaurant nicht richtig angezogen. Ich habe den ganzen Tag geputzt.“

„Das Restaurant ist nicht besonders elegant“, sagte eine tiefe Stimme hinter ihnen. Suzanne wirbelte herum und erblickte Cal Baxter, den Sheriff. „Jess wird Sie nicht hinauswerfen, weil Sie Jeans tragen. Jeans sind hier üblich.“

„Aber ich habe den ganzen Tag geputzt“, wiederholte Suzanne.

„Dann haben Sie sich ein Essen auswärts verdient. Wenn ihr nichts dagegen habt, gesellen Jess und ich uns zu euch.“

Suzanne blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. „Schön. Ich rufe Al an, um ihm zu sagen, was er den Kindern zu essen machen soll.“

Suzanne erledigte das Telefonat und kehrte zu den Männern zurück. Trotz der vielen Gäste hatten sie einen Tisch bekommen, wie Suzanne überrascht feststellte.

„Das ist der Familientisch. Er wird immer für uns freigehalten. Wenn man mit der Chefin verheiratet ist, muss man schließlich auch ein paar Vorteile haben.“

„Richtig“, stimmte Ryan zu. „Die wirst du auch haben, wenn du erst mit mir verheiratet bist, Suzanne.“

Eine wunderschöne dunkelhaarige Frau gesellte sich zu ihnen. „Hallo, Suzanne. Ich bin Jessica, Cals Frau … und Mabels Schwiegertochter. Ich hoffe, du sprichst trotzdem mit mir. Ich darf doch du sagen, oder?“

„Gern! Und natürlich spreche ich mit dir. Ich mache Mabel und Florence keinen Vorwurf, aber … nun, die ganze Situation ist irgendwie so unwirklich. Wir werden wirklich schon Sonntag heiraten?“

„Ja, das werdet ihr.“ Jessica lächelte und sah noch hübscher aus. „Cal und ich waren die ersten, die die Ladies erfolgreich verkuppelt haben. Es hat sogar eine von ihnen geheiratet. Florence war verwitwet, und sie und unser Doc haben geheiratet.“

„Meine Güte. Das Leben hier muss ganz schön aufregend sein.“

„Eigentlich gar nicht“, erwiderte Jessica. „Die meisten Tage laufen herrlich routinemäßig ab.“

„Ich mag Routine. Vor allem für Kinder ist sie wichtig. Ich bin der Vormund von Josh und Mandy Howe.“

„Ich weiß, und ich freue mich, dass du dich jetzt auch um Beth kümmerst. Wir machen uns alle Sorgen um sie, weil Ryans Ausdrucksweise ziemlich derb sein kann.“

„Ich musste auch lernen, auf meine Ausdrucksweise zu achten, als die Kinder kamen“, erzählte Cal.

„Wie viele Kinder habt ihr?“

„Zwei Jungen“, erwiderte Cal mit einer Begeisterung, die Suzanne beeindruckte. „Sie sind klasse. Meine Eltern verwöhnen die Kinder natürlich total, aber sie helfen uns auch sehr bei der Betreuung. Mit meinem Job als Sheriff und Jessicas Restaurant haben wir viel um die Ohren.“

Suzanne blickte zu Jessica, doch statt genauso von ihren Kindern zu schwärmen, starrte sie stumm auf ihre Serviette. Stimmte irgendetwas nicht?

Ein weiteres Paar gesellte sich zu ihnen. Der Rechtsanwalt Mac Gibbons und seine Frau, die Ärztin Dr. Samantha Gibbons.

„Sie sind der Anwalt, der das Erbe der Kinder verwaltet!“, rief Suzanne aus.

„Stimmt.“

Samantha, eine hübsche Frau mit einem warmherzigen Lächeln, blickte Jessica an und nickte. Suzanne sah Jessicas glückliches Lächeln, das sie vorhin schon erwartet hatte. Was war los?

Samantha beugte sich zu Suzanne und flüsterte: „Wenn Sie vor der Hochzeit noch ein Verhütungsmittel brauchen, ich habe morgen früh Dienst.“

Bevor Suzanne etwas sagen konnte, stand Jessica auf und flüsterte Cal etwas ins Ohr. Er erhob sich ebenfalls, und beide verließen den Tisch.

Alle Blicke richteten sich auf Samantha.

„Was ist los?“, fragte Mac.

„Stimmt irgendetwas nicht?“, wollte Ryan wissen.

Suzanne fragte nichts. Sie ahnte, was gerade passiert war, und wartete ab.

„Ist für die Hochzeit alles vorbereitet?“, fragte Samantha. „Wissen Sie schon, was Sie anziehen werden?“

„Nein, ich bin nicht einmal sicher, dass sie stattfinden wird“, sagte Suzanne ohne nachzudenken.

Ryan protestierte empört. „He!“

„Du hast gesagt, wir können noch einmal darüber reden“, erinnerte sie ihn. „Ich halte die Hochzeit für überflüssig.“

„Ich weiß nicht“, sagte Mac gedehnt. „Dies ist eine ziemlich konservative Stadt. Ein Zusammenleben ohne Trauschein wird nicht gern gesehen.“

Suzanne wurde rot. „Nein! Ich meine, ich wollte tagsüber als Haushälterin bei ihm arbeiten und abends nach Hause fahren.“

„Das funktioniert nicht.“ Ryan wich von seiner Meinung nicht ab.

„Warum nicht?“

„Wegen der Kinder. Sie brauchen eine gewisse Beständigkeit, um sich sicher zu fühlen“, mischte Mac sich ein. „Und Sie brauchen eine dauerhafte Lösung für Ihr Problem mit der Ranch. Cal hat mir erzählt, dass Sie sämtliche Helfer gefeuert und bisher keine neuen gefunden haben.“

Zumindest besaß er so viel Anstand, nicht hinzuzufügen, dass sie nicht einmal einen guten von einem schlechten Cowboy unterscheiden konnte.

„Okay, vielleicht haben Sie recht. Aber was passiert, wenn Ryan im nächsten Jahr seiner Traumfrau begegnet?“

„Er kann sich von Ihnen scheiden lassen. In dem Fall sollten Sie mich als Anwalt engagieren. Dann hat er nichts zu lachen. Wir ziehen ihn bis aufs Hemd aus“, versprach Mac. Alle außer Ryan und Suzanne lachten.

Cal und Jessica kehrten an den Tisch zurück. „Worüber lacht ihr?“

„Wir sprechen gerade darüber, was Ryan zu erwarten hat, wenn er sich nächstes Jahr von Suzanne scheiden lassen will“, erklärte Mac fröhlich.

„Jetzt werdet doch mal wieder ernst“, warf Samantha ein. „Suzanne, wissen Sie schon, was Sie anziehen werden?“

„Ich habe ein sehr hübsches cremefarbenes Kostüm. Wäre das okay?“

„Ein Kostüm?“, wiederholte Ryan wenig begeistert.

„Ja, es sieht sehr hübsch aus.“

„Ich finde, das klingt gut“, sagte Samantha. „Ich besitze einen schicken hellen Hut mit einem kleinen Schleier. Den bringe ich Ihnen morgen nach Feierabend vorbei.“

„Vielen Dank, Samantha.“

„Wer wird deine Trauzeugin?“, fragte Jessica. „Darf ich das sein? Schließlich kenne ich dich schon fünf Minuten länger als Samantha.“

„Gern“, erwiderte Suzanne und fühlte sich schon viel besser.

„Welches ist deine Lieblingsfarbe?“, wollte Jessica wissen.

„Blau“, erwiderte Suzanne spontan. Blau wie Ryans Augen, aber deshalb hatte sie die Farbe nicht gewählt. Oder doch? „Könnten Mandy und Beth die Blumenkinder sein? Und Josh der Ringträger?“

„Perfekt!“ Samantha klatschte begeistert in die Hände. „Jetzt brauchen wir noch jemanden, der Sie … sagt mal, wollen wir uns nicht alle duzen?“

„Natürlich!“

„Dann wäre das geklärt. Also, wir brauchen noch jemanden, der dich zum Altar führt. Cal, könntest du das übernehmen?“ Samantha wurde plötzlich ernst. „Es sei denn, dein Vater …“

„Nein. Ich fände es wunderbar, wenn Cal den Part übernehmen würde.“ Suzanne blickte zu Ryan, der sich für die Diskussion nicht besonders zu interessieren schien. „Wer soll dein Trauzeuge sein, Ryan?“

„Eigentlich wollte ich Mac fragen, aber wenn er dein Scheidungsanwalt wird …“ Ryan zog eine Augenbraue hoch und sah Suzanne vielsagend an. Er hatte unglaublich blaue Augen.

„Ich finde bestimmt noch einen anderen Scheidungsanwalt.“

„Du kannst Alex nehmen. Sie ist meine Partnerin und eine verdammt gute Anwältin.“ Mac wandte sich an Ryan. „Du könntest diese Entscheidung bedauern, denn Alex ist manchmal noch härter als ich.“

„Nein. Ich lasse mich lieber von einem Mann vertreten. Außerdem wird es keine Scheidung geben.“

„Ich habe uns übrigens etwas bestellt, als ich mit Cal in der Küche war. Es gibt etwas zu feiern“, wechselte Jessica das Thema. „Wir bekommen ein Baby. Cal wollte zwar kein Kind mehr, aber ich möchte unbedingt noch ein Mädchen haben. Drückt uns also die Daumen.“

Alle freuten sich. Das Essen verlief wesentlich angenehmer, als Suzanne zunächst erwartet hatte, und sie glaubte, zwei gute Freundinnen gewonnen zu haben. Auf dem Rückweg sagte sie: „Alle sind hier so freundlich.“

„Du hast heute Abend ein paar von Cactus’ nettesten Bewohnern kennengelernt. Wir waren auf derselben Schule“, erzählte Ryan. „Ich war ein paar Klassen unter ihnen. Und dann habe ich Tiffany geheiratet.“

„Beths Mutter?“

„Ja. Zumindest auf dem Papier ist sie es. Sie hat sich aber für ihr Kind nie interessiert. Sie war sogar wütend, dass sie überhaupt schwanger geworden ist.“ Ryans Verbitterung war nicht zu überhören.

„Das tut mir leid“, murmelte Suzanne.

„Beth ist ein Schatz. Sie hängt sehr an mir. Aber sie braucht auch eine Mutter.“

Suzanne nickte. „Das Gleiche gilt für Josh und Mandy. Die beiden sind tolle Kinder, aber sie brauchen einen Daddy, der sie liebt.“

„Natürlich. Wir werden allen dreien Vater und Mutter sein. Du siehst, es wird alles gut.“

Suzanne blickte aus dem Fenster. Eigentlich hatte sie den Gedanken, ob sie Ryan wirklich heiraten wollte, noch nicht zu Ende gedacht, doch irgendwie hatte sich der ganze Abend nur um die Planung der Hochzeit gedreht. „Ja, wahrscheinlich.“

Der Rest der Fahrt verlief schweigsam.

Die Kinder waren sehr müde und etwas beunruhigt, weil Suzanne und Ryan nach Einbruch der Dunkelheit noch unterwegs gewesen waren. Nachdem Ryan und Beth sich verabschiedet hatten, steckte Suzanne Josh und Mandy in die Badewanne.

„Hattet ihr Spaß zusammen?“, fragte Suzanne die Kinder.

„Mandy gern mit Beth spielen“, plapperte die Kleine und lehnte sich an Suzannes Arm.

„Das ist schön. Ihr werdet bald sehr viel zusammen spielen.“

„Ja, spielen.“

Suzanne hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie den Kindern nichts von der Hochzeit sagte. Doch sie wollte warten – um sicher zu sein, dass sie wirklich stattfand.

4. KAPITEL

Das Telefon klingelte sehr früh am nächsten Morgen. Es war Jessica, die beschlossen hatte, einen Junggesellinnenabend für Suzanne zu organisieren. „Aber Jessica, die Hochzeit ist schon morgen.“

„Ich weiß. Deshalb ist der Junggesellinnenabschied heute Abend. Melanie und Alex helfen mir bei der Vorbereitung. Du wirst die beiden heute kennenlernen. Es wird sehr lustig werden.“

„Aber ich kenne doch niemanden!“

„Vielleicht nicht, aber alle kannten Mary Lee und Rodger. Wir mochten sie. Und wir sind froh, dass ihre Kinder ein gutes Zuhause haben. Sieh es einfach mal als eine Art Anerkennung für deine Cousine und ihren Mann. Ist es dann für dich einfacher?“

Suzanne war gerührt. „Danke, das ist lieb von euch.“

„Okay. Ryan holt dich um sieben ab. Bring Mandy und Beth mit. Es ist eine Frauenparty. Ryan nimmt Josh mit zu seinem Junggesellenabschied.“

„Ist Josh nicht zu klein dafür?“

„Mach dir keine Gedanken. Die Männer treffen sich in einem Lokal und spielen Darts. Ryan passt auf ihn auf.“

„Dann meinetwegen.“

Anschließend rief Suzanne Ryan an. „Hat Beth ein Kleidchen für die Hochzeit? Mandy braucht ein neues, und ich wollte mit den Kindern in die Stadt fahren. Soll ich für Beth auch eins kaufen?“

„Weißt du die Größe?“

„Natürlich nicht. Ich würde Beth mitnehmen.“

„In Ordnung. Soll Josh bei mir bleiben?“

„Nein. Er hat auch nichts anzuziehen. Meinst du, ich finde irgendwo einen Anzug für ihn?“

„Vielleicht. Aber eine schöne Hose und ein weißes Hemd sind schick genug.“

„Du ziehst aber doch einen Anzug an, oder?“

„Natürlich.“

„Schön. Kann ich Beth in einer halben Stunde abholen?“

„Ja.“

Als sie den Kindern erzählte, dass sie in die Stadt fahren würden, um neue Kleidung zu kaufen, klatschte Mandy in die Hände.

Josh dagegen blickte Suzanne finster an. „Warum?“, fragte er misstrauisch.

„Nun, ich muss euch etwas sagen. Mr Walker und ich … wir werden morgen heiraten.“

Die Kinder starrten sie an, bis Josh schließlich fragte: „Und was passiert mit uns?“

„Sweetheart, ich nehme euch überall mit hin, wohin ich gehe. Wir sind eine Familie. Nur wird sie jetzt etwas größer. Du und Mandy und Beth, ihr seid unsere Kinder.“

„Wohnen wir dann in seinem Haus?“

„Ja.“

„Und wer wohnt hier?“

Die Frage hatte sich Suzanne noch gar nicht gestellt. „Josh, das weiß ich noch nicht. Wir werden mit Mr Walker, ich meine Ryan, darüber sprechen, wenn wir Beth abholen.“

„Kommt Beth etwa mit uns mit?“

Oh, oh. „Magst du sie nicht?“

„Sie will immer alles bestimmen.“

„Weißt du, sie war bisher Einzelkind. Es wird eine Weile dauern, bis sie sich daran gewöhnt hat, Geschwister zu haben.“

Suzanne versuchte, die Kinder mit fröhlichen Dingen abzulenken, doch als sie zu Ryan kamen, erinnerte sie sich an Joshs Frage. „Ryan, wer soll in unserem Haus leben?“

„Darüber wollte ich auch mit dir sprechen. Ich habe einen sehr guten Mann, der den Posten des Verwalters verdient hätte. Ich dachte, er könnte eure Ranch managen und dort mit seiner Frau leben. Sie erwarten ein Baby und haben in ihrem jetzigen Haus nicht viel Platz. Was hältst du davon?“

„Scheint mir eine gute Idee zu sein. Hast du gehört, Josh? Eine junge Familie mit einem Baby wird dort einziehen.“

„Ein Junge?“

Ryan ging vor Josh in die Hocke. „Ja, es wird ein Junge. Noch ein kleiner Cowboy.“

„Mein Daddy wollte mir auch beibringen, ein Cowboy zu sein. Aber das kann er jetzt nicht mehr.“ Suzanne traten die Tränen in die Augen, als sie Joshs trauriges Gesicht sah.

Ryan rettete die Situation. „Nein, das kann er nicht mehr. Aber ich kann es. Was meinst du dazu?“

„Bringst du mir auch das Reiten bei?“

„Natürlich. Reiten ist das Erste, was ein richtiger Cowboy lernen muss.“

„Ich kann schon reiten“, prahlte Beth mit einem triumphierenden Blick auf Josh.

„Beth ist ein paar Mal mit mir geritten. Aber ich werde euch zusammen unterrichten.“

Obwohl Suzanne sich Gedanken um die Sicherheit der Kinder machte, war sie dankbar für Ryans Angebot. „Du hast die Situation gut gemeistert“, flüsterte sie ihm zu, bevor sie mit den Kindern losfuhr.

„Dafür nimmst du Beth jetzt mit zum Shoppen.“ Er öffnete seine Brieftasche. „Hier ist Geld.“

„Lass nur. Ich weiß noch nicht, wie viel ich brauche. Du kannst es mir ja später zurückgeben.“ Abgesehen davon, dass sie für ihre eigene Hochzeit bezahlen wollte. Auch wenn sie eigentlich gar nicht heiraten wollte.

Vier Stunden später hatten sie hübsche, hellblaue Kleidchen für die Hochzeit gefunden und etwas schlichtere für die Party am Abend. Als Suzanne Josh erzählte, dass Ryan ihn mit zur „Männerparty“ nehmen würde, strahlte der Junge. „Wirklich?“

„Ja. Vielleicht zeigt er dir sogar, wie man Darts spielt.“

Der Gedanke heiterte den Jungen weiter auf.

Nachdem alle Einkäufe getätigt waren und sie noch schnell etwas gegessen hatten, fuhren sie nach Hause, um sich für die Feier umzuziehen. Schließlich waren sie alle schick herausgeputzt. Die Mädchen in ihren neuen Kleidern und Josh in einer schönen Hose und einem blauen Hemd. Suzanne wollte gerade bei Ryan anrufen, da klopfte er schon.

Beth rannte an die Tür. Sie konnte es kaum abwarten, sich ihrem Vater zu zeigen. „Daddy! Daddy! Bin ich nicht hübsch?“

Ryan nahm Beth auf den Arm. „Du siehst wunderschön aus.“ Er bückte sich und hob Mandy mit dem anderen Arm hoch. „Und Mandy auch.“ Suzanne war gerührt. Dieser verdammte Kerl. Er wusste immer genau, was er zu den Kindern sagen musste. Er war ein guter Daddy.

„Josh, du siehst auch gut aus. Wie ein richtiger Mann. Okay, seid ihr bereit? Auch Mom?“

„Susie“, brauste Josh auf. Er bestand darauf, dass sie mit Namen genannt wurde und nicht Mommy oder Mom.

„Susie? Das gefällt mir. Meinst du, ich darf sie auch so nennen?“, fragte Ryan lächelnd.

Josh nickte.

Suzanne beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Wange. „Benimm dich heute Abend. Hast du in deinem Rucksack alles für die Nacht bei Ryan?“

„Ja.“

„Okay. Die Sachen für die Hochzeit hängen auf dem Bügel. Viel Spaß mit Ryan. Wir sehen uns morgen.“ Dann sah sie Ryan an und versuchte, ihm zu signalisieren, dass er behutsam mit dem Jungen umgehen sollte. Er hatte so viel durchgemacht.

„Mach dir keine Sorgen“, beruhigte Ryan sie. „Er wird sich wohlfühlen. Cal bringt seine beiden Söhne mit, Tuck hat auch einen Jungen. Spence’ Sohn ist noch ein Baby, aber er ist auch dabei. Ach ja, und auch der Sohn von Gabe und Katie.“

„Es sind noch andere Jungs dabei?“ Josh machte große Augen.

„Ja, es gibt hier eine Menge Jungs in deinem Alter. Sie können ja mal zum Spielen kommen.“ Ryan nahm seine Hand. „So, und jetzt lass uns gehen. Zu viele Mädchen hier.“

„Ja“, erwiderte Josh und versuchte, Ryans Körperhaltung zu imitieren.

An der Tür drehte Ryan sich noch einmal um. „Übrigens, Miss McCoy, du bist die Hübscheste von allen.“ Und dann war er draußen.

Am nächsten Tag stand Suzanne mittags um zwei Uhr im hinteren Bereich der Kirche. Es kam ihr wie ein Traum vor, dass sie gleich zum Altar schreiten und Ryan Walker heiraten würde.

Ein Zupfen an ihrem Rocksaum erinnerte Suzanne an die beiden kleinen Mädchen, die neben ihr standen.

„Da sind so viele Leute.“

„Mach dir keine Gedanken. Du und Mandy, ihr seht so süß aus. Ich bin stolz auf euch beide. Wo ist eigentlich Josh?“

„Er wollte zu Daddy“, sagte Beth.

Cal trat zu ihnen. „Seid ihr bereit?“

„Josh fehlt. Er ist bei Ryan.“

„Ich hole ihn. Und dann geht es los. Übrigens, du bist eine wunderschöne Braut.“

„Danke.“ Suzannes Kostüm hatte einen tiefen V-Ausschnitt und funkelnde Knöpfe. Der Rock war kurz, und sie trug helle Stümpfe und hohe Schuhe dazu. Und sie hatte den schicken Hut aufgesetzt, den Samantha ihr geliehen hatte. Um wirklich wie eine Braut auszusehen, hatte sie sogar den kleinen Schleier heruntergezogen.

Cal kehrte mit Josh zurück.

„Sweetheart, ist alles in Ordnung?“

„Ja. Ich musste Ryan nur etwas sagen.“

„Okay. Es geht los.“ Einem Moment später erklang der Hochzeitsmarsch.

„Also los, Mädels. Denkt daran, die Blumen zu streuen.“ Suzanne gab den Mädchen einen sanften Stoß.

„Josh und ich sind direkt hinter euch“, raunte Jessica den Mädchen zu.

Beth und Mandy marschierten Hand in Hand durch das Kirchenschiff.

„Wie wollen sie Blumen streuen, wenn sie sich an den Händen halten?“, flüsterte Jessica, bevor sie den Mädchen folgte.

Suzanne lächelte nur. Am Altar angekommen, ließ Mandy Beths Hand los, nahm eine Handvoll Blüten und warf sie auf den Boden. Dann sah sie ihren Korb an und kippte ihn aus. Beth sammelte die Blütenblätter wieder auf und legte sie zurück in Mandys Korb. Ryan beugte sich vor und sagte etwas. Daraufhin leerte auch Beth ihren Korb.

Ein leises Lachen ging durch die Reihen, während der Pfarrer die Kinder zu sich holte.

Suzanne umklammerte ihren wunderschönen Brautstrauß. Langsam schritt sie an Cals Seite zum Altar, den Blick auf den Mann gerichtet, der dort auf sie wartete. Wie versprochen trug er einen Anzug. Er war der attraktivste Mann in der ganzen Kirche.

Am Altar angekommen, legte Cal ihre Hand in Ryans und setzte sich dann in die erste Reihe. Suzanne lächelte Ryan an. Er führte ihre Hand an die Lippen. „Du bist wunderschön“, flüsterte er.

Der Mann weiß immer genau, was er sagen muss, dachte sie. Und diese blauen Augen …

Der Pfarrer hatte mit der Zeremonie begonnen. Es gab kein Zurück mehr. Sie würde Ryan Walkers Frau.

Ryan blickte sich in der festlich geschmückten Kirche um. Fast zweihundert Menschen waren gekommen, um der Trauung beizuwohnen.

Die Musik setzte ein, und Ryan sah Suzanne in ihrem cremefarbenen Kostüm. Wow! In dem Kostüm wirkte sie nicht geschäftsmäßig elegant oder förmlich. Sie sah absolut sexy aus!

„Du bist wunderschön“, flüsterte er, als er ihre Hand nahm und küsste. Tränen traten ihr in die Augen, was ihn überraschte und beunruhigte. Doch sie sprach das Ehegelübde, und in dem Moment begriff er, dass er wirklich heiratete. Dabei hatte er sich geschworen, es nie wieder zu tun.

Nachdem sie die Ringe getauscht hatten, ertönten die magischen Worte. „Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“ Ihr erster Kuss. Und als sich ihre Lippen berührten, wusste er, dass er diesen sanften Kuss nicht vergessen würde.

„Ladies and Gentlemen“, sagte der Pfarrer, „Mr und Mrs Ryan Walker laden Sie herzlich zu dem anschließenden Empfang ins The Last Roundup ein.“

Ryan führte Suzanne durch das Kirchenschiff. „Jetzt lernst du ganz Cactus kennen. Zumindest wird es dir so vorkommen. Bist du bereit?“

„Ja“, erwiderte sie leise.

Eine Stunde später – sie hatten gerade die letzten Gäste begrüßt – führte Ryan Suzanne auf die Tanzfläche. Er legte den Arm um sie, und sie lehnte sich einen Moment an ihn. Sie war erschöpft.

„Geht es dir gut?“, fragte er sanft.

„Ich bin etwas müde. Ich habe die letzte Nacht nicht viel Schlaf bekommen, und heute Morgen waren die Mädchen schon sehr früh wach.“

„Ich kann mir vorstellen, dass sie dich ganz schön auf Trab gehalten haben. Josh war sehr rücksichtsvoll. Er ist in mein Schlafzimmer gekommen, hat sich neben mein Bett gesetzt und gewartet, bis ich aufgewacht bin. Es ist ein komisches Gefühl, wach zu werden und festzustellen, dass man angestarrt wird.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Sie ging wieder etwas auf Abstand.

„Lehn dich also ruhig an mich. Ich tanze gern eng.“

Suzanne holte tief Luft. „Ist schon okay.“

„Suzanne, es wird alles gut. Wir werden ein gutes Familienleben haben.“

„Ich hoffe es.“

Er zog sie enger an sich und schwebte unter dem Applaus der Gäste mit ihr über die Tanzfläche.

Suzanne staunte immer noch darüber, wie schnell die Hochzeitsfeier organisiert worden war. Als Ryan ihr ein Glas Sekt holte, unterhielt sie sich mit Jessica und Melanie darüber. „Es ist wirklich unglaublich. Wie habt ihr das geschafft?“

„Reine Übungssache“, sagte Melanie. „Unsere Schwiegermütter sind Profis.“

„Ihr beide habt aber auch eine Menge getan. Die Party gestern Abend lief nicht von allein.“

„Wie Melanie schon sagte, wir sind Organisationstalente. Jeder hat etwas zum Junggesellinnenabschied beigesteuert, und in Katies Bäckerei sind die Hochzeitstorte und alles entstanden, was man sonst noch für den Empfang braucht. Ich habe die Räumlichkeiten, und die sind schnell für eine Feier gerichtet. Ich bin der Meinung, Cactus sollte zur Hochzeitshauptstadt in Texas ernannt werden.“

„Glaubt ihr nicht, dass alleinstehende Männer den Ort dann meiden würden?“

„Könnte sein. Aber normalerweise fällt unseren älteren Ladies immer etwas ein, was die Entscheidung für die Ehe leichter macht. Bei euch hat es doch auch geklappt, oder?“, fragte Melanie.

„Ja. Für die Kinder ist es bestimmt eine gute Entscheidung. Ich muss zugeben, dass Ryan ein Händchen für Kinder hat.“

„Stimmt“, pflichtete Jessica ihr bei. „Seine Frau, ich meine seine Exfrau, konnte nichts außer an sich selbst denken. Er tat uns so leid.“

„Sie muss sehr hübsch gewesen sein.“

„Du bist hübscher.“

Suzanne lächelte. „Das ist lieb von dir, Melanie. Aber ihr wisst ja, wir haben nur wegen der Kinder geheiratet. Ich erwarte nichts von Ryan.“

Melanie und Jessica tauschten einen Blick, den Suzanne nicht verstand.

„Gib eurer Ehe einfach eine Chance“, murmelte Jessica.

„Ja, natürlich.“ Was sollte Suzanne sonst sagen?

Schließlich neigte die Feier sich dem Ende zu, und Suzanne und Ryan sammelten die Kinder ein. Zu Hause angekommen, steckte Suzanne die Kinder sofort ins Bett, während Ryan die Koffer auslud. Auf dem Weg von den Kinderzimmern zur Küche kam Suzanne an Ryans Schlafzimmer vorbei. Sie sah ihren Koffer an der Tür und vermutete, dass Ryan nicht gewusst hatte, welches Zimmer sie benutzen würde.

Sie nahm den Koffer und brachte ihn ins Gästezimmer. Es war sehr klein und hatte nur eine schmale Couch, doch das würde genügen, bis sie sich ein Bett gekauft hatte. Sie stellte ihren Koffer ab und ging in die Küche, wo Ryan auf sie wartete.

„Müde?“, fragte er sanft.

„Ja. Ich bereite nur noch alles für das Frühstück morgen vor.“ In Gedanken stellte sie schon eine Liste auf, was sie tun musste.

„Honey, ich frühstücke morgen früh mit den Jungs. Schlaf du, bis die Kinder dich wecken.“ Er nahm ihre Hände. „Nimm ein heißes Bad und geh dann ins Bett.“

„Eine Dusche. Hast du eine Dusche?“

„Sicher. Nur im Bad der Kinder ist keine.“

„Dann benutze ich dein Bad. Ich beeile mich.“

„Lass dir Zeit. Ich gehe noch mal zu meinen Cowboys und bespreche mit ihnen, was morgen alles anliegt.“

„Okay“, stimmte sie zu, dankbar, das Haus für sich zu haben.

Autor

Judy Christenberry

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