Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben

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Nach einer zerbrochenen Ehe hat Zoe in dem Städtchen Pinehurst eine reizvolle Aufgabe gefunden. Ihr Traum ist es, eine wunderschöne, aber heruntergekommene Villa in eine gemütliche Pension zu verwandeln. Dabei hilft ihr Mason Sullivan, der attraktive Architekt von nebenan, nicht nur mit praktischen Ratschlägen. Es ist seine wachsende Zuneigung, die Zoe aufblühen lässt. In Masons Armen kann sie endlich glauben, dass auch sie eine zweite Chance erhält - für ein neues Leben und eine neue Liebe. Allerdings hat Zoe ihm bis jetzt ihr größtes Geheimnis verschwiegen …


  • Erscheinungstag 11.01.2009
  • Bandnummer 1662
  • ISBN / Artikelnummer 9783862953417
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als das Vogelgezwitscher an ihr Ohr drang, schlug Zoe Kozlowski lächelnd die Augen auf. Es war früh am Morgen, und die ungewohnten Klänge machten ihr endgültig klar, dass sie sich nicht mehr in Manhattan befand.

Jahrelang hatte sie mitten in New York gelebt und sich irgendwann an eine Geräuschkulisse aus Reifenquietschen, Gehupe und heulenden Sirenen gewöhnt. Einen sechs Stockwerke unter ihrem offenen Fenster ratternden Presslufthammer hätte sie wohl ignoriert, aber bei dem sanften Zwitschern der Spatzen war sie sofort hellwach.

Als sie mit einer Tasse grünem Tee auf die hölzerne Veranda hinaustrat, hörte sie auch das sanfte Rauschen der Blätter und in der Ferne das Bellen eines Hundes.

Sie stieg über ein morsches Brett hinweg und kauerte sich auf die oberste Treppenstufe, um ihre Umgebung zu bewundern. Die morgendlichen Farben waren so klar und leuchtend, dass die Helligkeit fast in den Augen wehtat. Nur ein paar weiße Schäfchenwolken bevölkerten den strahlend blauen Himmel.

Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie sich die Baumkronen im Herbst golden, orange, braun und rot färbten. Aber jetzt, in den ersten Frühsommertagen, war alles grün und blühend und auf eine ganz andere Weise wunderschön.

Ihr war klar, dass sie in das Grundstück noch genauso viel Arbeit stecken musste wie in die alte Villa, in der sie gerade ihre erste Nacht verbracht hatte.

Aber der Blick in die Runde erfüllte Zoe mit einem tiefen Gefühl des Friedens und der herrlichen Gewissheit, dass das alles ihr gehörte.

Spontan beschloss sie, eine Hollywoodschaukel für die Veranda zu kaufen. Hier wollte sie jeden Morgen sitzen und ihre erste Tasse Tee genießen. Hier wollte sie Wurzeln schlagen und diesen wunderbaren Ort zu ihrem Zuhause machen.

Seltsam, fast zehn Jahre lang hatte sie in New York gelebt und niemals das Bedürfnis nach einem Leben auf dem Land verspürt. Sie hatte Manhattan geliebt – es war einfach die Traumstadt für eine junge Fotografin! Gleich nach ihrer Hochzeit war sie damals mit Scott in die aufregende Metropole gezogen.

Nie wäre sie auf die Idee gekommen, von dort wieder wegzugehen. Bis eine vermeintliche Routine-Untersuchung bei ihrer Frauenärztin alles verändert hatte.

In den zwei Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte ihr Leben etliche unerwartete Wendungen genommen. Die letzte hatte sie hierher, in die Kleinstadt Pinehurst, gebracht, wo sie ihre Freundin Claire besuchen wollte und …

Ufffff!

Mitten in ihren Gedanken wurde sie plötzlich von einem aus dem Nichts aufgetauchten, zottigen Untier angesprungen. Unter der Wucht des Ansturms landete sie auf dem Rücken, der Becher flog ihr aus der Hand, und sie rang nach Luft.

Als sie schreien wollte, fuhr ihr eine riesige, nasse Zunge übers Gesicht. Sie war sich nicht sicher, ob das haarige Ungeheuer sie aus harmloser Freundlichkeit ableckte oder erst den Geschmack testen wollte, bevor es zubiss. Sie spuckte und versuchte, das Tier von sich wegzuschieben.

In der Ferne ertönte ein schriller Pfiff, und der große Hund hob kurz den Kopf. Gleich darauf kam die nasse Zunge aber wieder auf ihr Gesicht zu.

„Rosie!“

Das zottelige Wesen zog sich nur so weit zurück, dass es mit seinem beachtlichen Gewicht auf ihren Schenkeln ruhte und sie weiter gefangen hielt.

Zoe musterte den Hund argwöhnisch, während sie sich auf den Ellbogen abstützte und sich auf die nächste Attacke gefasst machte. In diesem Moment tauchte hinter den Bäumen eine hochgewachsene, breitschultrige Gestalt auf und eilte mit langen Schritten auf Zoe zu.

„Würden Sie mich bitte von diesem Untier befreien?“, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als der Fremde vor ihr stand.

„Bitte entschuldigen Sie.“ Der Mann streckte den Arm aus und packte den Hund am Halsband. Als Zoe ihren Retter genauer betrachtete, verflog ihr Ärger fast von allein.

Sein kurzes Haar war dunkel, fast schwarz, und umrahmte ein wie von Michelangelo gemeißeltes Gesicht mit kantigen Wangenknochen und edel geschwungener Nase. Er trug ein verblichenes T-Shirt mit Jeans, die sich eng an seine muskulösen, langen Beine schmiegten, dazu ein Paar abgetragene Turnschuhe.

„Alles in Ordnung?“, fragte er, und seine Stimme klang so warm und samtig wie alter Whiskey. „Ja, danke, wenn Sie das Untier jetzt noch wegschaffen könnten“, gab Zoe zurück.

„Rosie, Platz!“, sagte der Fremde in scharfem Ton zu Zoes Angreifer und zog gleichzeitig entschieden am Halsband. Sofort ließ sich das Tier zu Boden und sah mit aus dem Maul hängender Zunge hingebungsvoll zu seinem Herrchen auf.

Vermutlich war es ein Weibchen. Und wahrscheinlich war der Mann solche Reaktionen von weiblicher Seite gewöhnt, egal ob Mensch oder Tier. Auch Zoe hätte ihn nur bewundernd angestarrt, wäre sie nicht in sechs Berufsjahren als Modefotografin gegen die Wirkung schöner Gesichter so gut wie immun geworden. Aber der Mann hatte trotzdem irgendetwas an sich, das sie sofort anzog.

Endlich stand sie aus ihrer peinlichen Lage auf.

„Was zum Teufel ist das?“, fragte sie und wies mit dem Finger auf das Ungeheuer. Dabei trat sie einen Schritt von Mann und Tier zurück.

„Das ist ein Hund“, antwortete der Mann mit der wunderbaren Whiskey-Stimme. „Manchmal bekundet er seine Zuneigung etwas zu stürmisch, aber eigentlich stürzt er sich sonst nicht auf Fremde.“

„Dass es ein Hund ist, dachte ich mir“, konterte sie. „Aber was für eine Rasse ist das? Ich habe noch nie einen so …“ hässlichen Hund gesehen, wollte sie sagen, doch um den Mann und seinen besten Freund nicht zu kränken, schloss sie mit: „… großen Hund gesehen.“

Der Unbekannte lächelte. „Er ist ein Mischling, viel Bobtail und etwas Schäferhund.“

Wieder sah Zoe den gut aussehenden Fremden an und merkte, dass er sie ebenfalls betrachtete. Im selben Moment wurde ihr bewusst, dass sie an diesem Morgen bisher weder Zähne geputzt noch ihr Haar gebürstet hatte. Und ihre sehr knapp abgeschnittenen, ausgefransten Jeans-Shorts ließen mehr frei, als sie verbargen.

Dann sah ihr der Fremde direkt ins Gesicht, und beinahe hätte sie darüber alles andere vergessen. Seine Augen waren so tiefblau wie der unendliche Himmel über ihnen.

„Haben Sie schon einmal überlegt, mit Ihrem Riesenvieh eine Hundeschule zu besuchen?“, fragte sie stirnrunzelnd. „Am besten, bevor er jemanden umbringt.“

„Rosie war Klassenbester. Er kann bei Fuß gehen, sitzen, liegen, sich rollen und sprechen.“ Der Mann zuckte die Achseln und lächelte wieder. „Er hat nur nicht gelernt, seine Begeisterung zu zügeln.“

Er? Er heißt Rosie?“, fragte Zoe verwirrt.

„Das ist die Abkürzung für Rosenkranz.“

„Rosenkranz“, wiederholte sie fassungslos.

„Von Rosenkranz und Güldenstern“, erklärte er ihr. „Aus Hamlet.“

Der attraktive Fremde las Shakespeare! Aber im selben Moment kam ihr noch ein ganz anderer Gedanke.

„Wo ist Güldenstern?“, fragte sie argwöhnisch.

„Bei meinem Bruder“, antwortete der Mann. „Jemand hatte die beiden ausgesetzt, mein Geschäftspartner hat sie gefunden. Er und seine Frau wollten sie behalten, aber sie haben schon eine Katze und erwarten ein Baby. Also habe ich den einen genommen und mein Bruder den anderen.“

Zoe bemerkte, dass er von der Frau seines Partners sprach, jedoch keine eigene Frau erwähnte. Natürlich konnte ihr das ganz egal sein. Sie war ganz sicher nicht auf der Suche nach einer Romanze. Nichts konnte sie weniger gebrauchen, schließlich begann die Wunde ihrer gescheiterten Ehe erst ganz allmählich zu heilen.

„Sie sollten dieses Untier an der Leine halten“, stellte sie fest.

Im selben Moment plumpste der riesige Vierbeiner platt auf den Bauch und winselte klagend.

„Was hat er?“, fragte Zoe und schaute verunsichert auf den Hund.

„Sie haben das L-Wort gesagt“, erklärte der Unbekannte.

Verständnislos sah sie ihn an.

„L-E-I-N-E“, buchstabierte er.

„Sie machen Witze!“

Er schüttelte den Kopf. „Rosie hasst die … Sie wissen schon.“

„Nun, er wird sich wohl daran gewöhnen müssen. Denn ich möchte nicht gern noch einmal in meinem eigenen Garten von Ihrem Haustier angefallen werden.“

„Ihr Garten?“ Er schien von ihrer Erklärung überrascht. „Sie haben dieses Haus gekauft?“

Sie nickte.

„Sind Sie reich und gelangweilt? Oder einfach nur verrückt?“, entfuhr es ihm, und er schüttelte lachend den Kopf.

Zoe straffte die Schultern.

„Sie sind nicht der Erste, der meinen Verstand anzweifelt“, gab sie zu. „Aber der Erste, der mir das auf meiner eigenen Veranda so direkt ins Gesicht sagt.“

„Tut mir leid“, sagte er. „Entschuldigen Sie. Ich war nur überrascht. Das Haus steht schon so lange leer, und ich hatte nichts von einem möglichen Käufer gehört.“

„Gestern habe ich die Papiere unterschrieben. Dies ist mein Haus, mein Grundstück, mein neues Heim“, erklärte sie. Es klang fast feierlich.

„Dann heißt das …“, er machte eine Pause und lächelte, und bei diesem Lächeln schlug ihr Herz plötzlich schneller, „… wir sind Nachbarn.“

Mason sah, wie ihre hellen Wangen sich röteten. Ihr langes, blondes Haar hing ihr wirr ums Gesicht, ihre Brauen – über unglaublich anziehenden, schokoladenbraunen Augen – waren ärgerlich zusammengezogen und das knappe T-Shirt schmutzbefleckt. Aber er bemerkte, dass sich das Shirt um Kurven schmiegte, die weich und rund genau an den richtigen Stellen saßen, und plötzlich spürte er eine leichte Erregung.

Er gab sich innerlich einen Ruck.

Ganz offensichtlich war er zu lange nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen, wenn der Anblick dieses feuerspeienden Drachens ihn anmachte. Aber auch wenn die neue Nachbarin nicht unbedingt sein Typ war, hatte sie etwas an sich, das ihn interessierte.

„Sagen Sie mir eines …“, begann er.

„Was?“, unterbrach sie ihn misstrauisch.

„Was treibt eine Großstädterin wie Sie dazu, so eine verlassene alte Villa auf dem Land zu kaufen?“

„Wieso glauben Sie, ich komme aus der Großstadt?“

Er ließ seinen Blick noch einmal langsam und bewundernd über ihren Körper wandern. „Als Erstes wegen Ihres Outfits und der schicken Designer-Armbanduhr. Aber vor allem ist es Ihr Tempo, Ihr Selbstvertrauen und Ihre Energie. Das alles passt genauso zu Ihnen wie diese süßen kleinen Shorts.“

Sie hob entschlossen ihr Kinn. „Eine ziemlich gewagte Analyse nach einer Unterhaltung von fünf Minuten.“

Er lächelte. „Ich beobachte gern Leute. Besonders Frauen.“

„Das bezweifle ich nicht“, erwiderte sie trocken.

Mason ließ sich von ihrem Kommentar und dem bissigen Ton nicht abschrecken. „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Warum haben Sie dieses Haus gekauft?“

„Weil es ein schönes Haus ist“, erklärte sie.

„Na ja, das war es vielleicht vor zehn Jahren, meine Liebe“, bemerkte er. „Bevor Mrs. Hadfield zu alt wurde und zu knapp bei Kasse war, um es weiter instand zu halten.“

Zoe musterte ihn scharf und richtete sich zu ihrer vollen Höhe auf – womit sie immer noch einen guten Kopf kleiner war als er.

„Ich bin nicht Ihre Liebe“, verbat sie sich.

Er hob in gespielter Unterwerfung die Hände. „Ich wollte Sie nicht beleidigen.“

„Ich heiße Zoe“, sagte sie endlich. „Zoe Kozlowski.“

Ein ungewöhnlicher, aber hübscher Name, und irgendwie passt er zu ihr, ging es ihm durch den Kopf. Er streckte ihr die Hand hin und stellte sich lächelnd vor: „Mason Sullivan.“

Sie ergriff seine ausgestreckte Hand und schüttelte sie kurz. Rosie bellte auf.

„Wenn Sie ihm jetzt noch beibringen könnten, anderer Leute Grundstücksgrenzen zu respektieren …“, bemerkte Zoe.

„Das kann eine Weile dauern“, warnte Mason. „Er hat sich in den letzten Monaten daran gewöhnt, durch das Wäldchen zwischen unseren Häusern zu streifen.“

„Sie könnten ihn anleinen.“

Rosie winselte, als würde er die Drohung verstehen.

„Er ist ein freier Geist“, sagte Mason lächelnd. „Wie ich.“

Zoe musterte ihr Gegenüber mit schief gelegtem Kopf. „Schmelzen die Frauen hier bei solchen Sprüchen dahin?“, fragte sie kühl.

Mason musste schlucken, aber er lächelte weiter. „Es hat sich noch keine beschwert“, bemerkte er.

„Ich habe sechs Jahre für Images in New York gearbeitet“, erklärte Zoe. Sie wusste, dass es kaum jemanden gab, der das Modemagazin nicht kannte. „Ich war von männlichen Models umgeben, die von ihrer Schönheit leben. Also braucht es schon mehr als ein Lächeln, damit ich dahinschmelze.“

Na gut, sie schien jetzt nicht gerade bereit, sich in seine Arme zu werfen. Aber er war noch keiner Frau begegnet, die gegen seinen Charme immun gewesen wäre. Man musste nur die richtigen Schwachstellen finden.

„Das klingt wie eine Herausforderung“, sagte er lachend.

„Nur eine Feststellung“, entgegnete Zoe und bückte sich, um endlich ihren Becher aufzuheben, den sie bei Rosies stürmischer Begrüßung fallen gelassen hatte. „Und entschuldigen Sie, aber ich glaube, ich muss jetzt an die Arbeit.“

Er trat von den Verandastufen zurück, dabei hielt er Rosie immer noch am Halsband und wandte den Blick nicht von seiner neuen Nachbarin. „Es war nett, Sie kennenzulernen, Zoe.“

„Es war auf jeden Fall interessant“, sagte sie, aber dabei lächelte sie versöhnlich, und Mason erkannte, dass sie ihm und seinem Hund nicht mehr böse war.

Auf dem Heimweg wurde ihm klar, dass er sich schon auf die nächste Begegnung mit Zoe Kozlowski freute.

Mit einem Lächeln im Gesicht trat Zoe wieder ins Haus. Sie sah dem Tag optimistisch entgegen, trotz – oder vielleicht sogar wegen – der Überraschungen dieses Morgens. Sie hatte die unerwartete Situation gut gemeistert. Es war ihr gelungen, ein lockeres Gespräch mit diesem Nachbarn zu führen, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen, wie er sie ansah und was er wohl von ihr dachte.

Und das war ein wunderbares Gefühl. Mason Sullivan war ein Fremder, der keine Ahnung von ihrer Vergangenheit hatte. Er war einfach nur ein Hundebesitzer, der sich für sein stürmisches Haustier entschuldigte.

Und er war ein Mann, der sie als Frau betrachtete: eine völlig normale Begegnung. Nachdem Zoe in den letzten anderthalb Jahren daran gezweifelt hatte, dass irgendetwas je wieder normal werden könnte.

In diesen achtzehn Monaten hatte sie alles verloren: ihren Mann, ihre Arbeit, ihr Zuhause und, am schlimmsten – ihr Selbstwertgefühl.

Nach all diesen Katastrophen hatte sie die meisten ihrer Habseligkeiten in einem gemieteten Lagerraum untergestellt, den Rest erst in einem dutzend Kartons, dann in ihrem Auto verstaut und New York verlassen, um an einem anderen Ort ein neues Leben anzufangen.

Sie wollte nur noch eines: Irgendwo sein, wo niemand sie kannte, wo niemand sie mitleidig ansah oder Worte des Mitgefühls murmelte. Irgendwo, wo sie so tun konnte, als wäre sie noch die Frau, die sie einmal gewesen war. Bevor die Krankheit und die Operation sie für immer verändert hatten.

Sie war nach Pinehurst zu ihrer allerbesten Freundin und Vertrauten Claire gefahren und hatte diese wunderschöne alte Villa entdeckt. Dieses Haus hatte sie so fasziniert, dass sie mitten auf der Landstraße angehalten hatte, um es genauer zu betrachten.

Sie hatte einen beeindruckenden alten Bau mit drei Stockwerken und einer Unmenge von Erkern und Türmchen gesehen, der allerdings baufällig und reparaturbedürftig war. Das Dach der umlaufenden hölzernen Veranda hatte Löcher, die Schornsteine bröckelten, und die Farbe blätterte ab. Einige Fenster waren sogar mit Brettern vernagelt.

Beinahe wären Zoe beim ersten Anblick die Tränen gekommen. Einst musste dieses Haus stark, stolz und schön gewesen sein. Jetzt war es kaum noch ein Schatten seiner selbst: beschädigt, heruntergekommen und verlassen.

Genau wie sie selbst.

Und als sie das Schild mit der Aufschrift „Zu verkaufen“ entdeckte, wusste sie, dass das kein Zufall war. Sie hatte ihren Wagen am Straßenrand geparkt, ihr Handy herausgeholt und die auf dem Schild angegebene Telefonnummer gewählt.

In den letzten anderthalb Jahren hatte sie nach einer Aufgabe und einem Ziel gesucht, und hier hatte sie beides endlich gefunden. Sie wollte dieses alte Haus wieder instand setzen und ein ‚Bed & Breakfast‘, eine kleine Frühstückspension, daraus machen.

Zoe warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast acht. Um halb neun würde der Architekt kommen – der Ehemann der Anwältin, mit deren Hilfe sie das Haus gekauft hatte.

Sie freute sich auf diese erste Besprechung, denn sie konnte es kaum erwarten, mit der Renovierung anzufangen. Aber während sie noch einmal von einem staubigen Zimmer ins andere wanderte, nagten wieder alle möglichen Fragen und Zweifel an ihr. Vielleicht war es wirklich eine verrückte Idee?

Ihre Freunde und Kollegen hatten nicht verstanden, warum sie ihre Arbeit bei Images aufgegeben hatte. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätte Zoe am besten einfach an dem Punkt wieder angeknüpft, an dem das Schicksal sie aus ihrem alten Leben herausgerissen hatte.

Keiner von ihnen hatte Krebs am eigenen Leib erlebt, und es irritierte Zoe, dass sie alle so gut wussten, was für sie das Beste war und wie sie weiterleben sollte.

Nur Claire hatte sie wirklich verstanden. Sie fand es richtig, dass sie in sich hineinhören und von jetzt an so leben wollte, wie sie es sich im Innersten wünschte. Claire wusste, dass man in manchen Situationen einen Neuanfang brauchte.

Vorsichtig schob Zoe ein kleines Spinngewebe beiseite. Sie hatte jetzt keine Zeit für Zweifel oder Reue, sie musste sich auf ihren Termin mit dem Architekten vorbereiten.

Die Wasserhähne quietschten und die Rohre ächzten, aber sie entlockte der Dusche im ersten Stock einen Wasserstrahl. Er war nur lauwarm und ein bisschen bräunlich, aber es reichte, um einen Waschlappen anzufeuchten und sich notdürftig zu waschen.

Entschlossen vertrieb Zoe die negativen Gedanken. Zwar hatte die Maklerin sie gewarnt, dass man in das Haus viel Arbeit hineinstecken müsste, aber sie hatte keine Angst davor, die Ärmel aufzukrempeln und zuzupacken.

Ja, sie freute sich direkt darauf. Die körperliche Arbeit würde ihr guttun. Sorgen machte ihr nur das, was sie nicht allein schaffen konnte. Sie konnte noch nicht einschätzen, wie hoch die Kosten für Elektriker, Installateure und andere Fachleute sein würden.

Aber jetzt musste der Architekt jede Minute kommen. Schnell zog sie sich ein Paar Jeans und ein weißes T-Shirt über.

Als Mason mit Rosie sein Haus betrat, klingelte das Telefon. Der Hund lief ungerührt zu seiner Wasserschüssel und begann geräuschvoll zu schlabbern. Mason nahm den Hörer ab: „Sullivan.“

„Oh, gut, du bist da!“

Sein Partner Nick Armstrong klang fix und fertig, was eigentlich untypisch für ihn war. Die beiden kannten sich seit dem College und führten ihr Architekturbüro jetzt seit bald fünfzehn Jahren zusammen.

„Was ist los?“, fragte Mason.

„Du musst heute morgen einen Termin für mich wahrnehmen“, bat Nick.

Dann konnte er seinen Partner kaum noch verstehen: „Halte durch, Schatz. Wir sind fast da.“

Nach kurzer Verwirrung erkannte Mason, dass die Bemerkung nicht ihm galt. Gleichzeitig hörte er, trotz der beruhigenden Worte, einen Hauch von Panik in Nicks Stimme.

„Was ist mit Jessica?“, fragte er besorgt.

„Sie hat Fruchtwasser verloren. Vor einer halben Stunde, aber die Wehen kommen schon stark und viel zu oft“, antwortete Nick, dann murmelte er zur Seite: „Atme, Schatz.“

Mason hörte Jessica scharf und kurz angebunden antworten. Sie klang ganz anders als die coole, ausgeglichene Anwältin, die er kannte. Das also wurde aus ansonsten ruhigen und vernünftigen Menschen, wenn sie ein Baby bekamen!

Ihn schauderte bei dem Gedanken. Ehe und Kinder? Schon die Vorstellung, sich an jemanden zu binden, löste bei ihm Fluchtreflexe aus. Vor langer Zeit hatte er miterlebt, wie die Liebe einen Menschen völlig aus der Bahn werfen konnte, und er wollte nicht das Geringste mit dieser Art von Gefährdung zu tun haben.

Sein bester Freund hatte sich jedoch für einen anderen Weg entschieden, und Mason war bereit, ihm zu helfen, wo immer er konnte. „Kümmere dich um deine Frau“, sagte er. „Ich übernehme das Geschäft.“

„Danke, ich mach es wieder gut“, antwortete Nick. „Ich muss Schluss machen, wir sind am Krankenhaus.“

„Warte!“, rief Mason, bevor sein Freund die Verbindung unterbrechen konnte.

„Was?“

„Wann und wo ist der Termin?“

Sein Freund teilte ihm schnell alle Daten mit, und Mason lächelte breit, als er auflegte.

Der Tag wird ja immer besser, dachte er.

2. KAPITEL

Als es an der Vordertür klopfte, ging Zoe hin und erkannte Mason Sullivan sofort.

Er hatte sich rasiert und umgezogen, trug Hemd und Krawatte und war ohne den Riesenhund gekommen. Aber die tiefblauen Augen und das umwerfende Lächeln ließen keinen Zweifel daran, dass ihr Nachbar schon wieder vor ihr stand.

„Was gibt’s?“, fragte sie zurückhaltend.

„Wir haben einen Termin“, antwortete Mason unerschüttert auf die wenig herzliche Begrüßung.

„Sie sind Jessicas Mann?“, fragte Zoe verwirrt.

„Nein“, erwiderte Mason. „Ich bin dessen Geschäftspartner. Nick lässt sich entschuldigen. Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus, offenbar bekommt Jessica heute ihr Baby.“

Zoe nickte.

„Ich weiß, Sie haben Nick erwartet“, fuhr Mason fort. „Aber natürlich muss er jetzt bei seiner Frau sein.“

„Natürlich“, stimmte sie sofort zu. Doch unwillkürlich musste sie daran denken, wie sie selbst im Krankenhaus gewesen war. Ohne ihren Mann an ihrer Seite. Es war alles andere als ein glücklicher Anlass gewesen. Und der Anfang vom Ende ihrer Ehe.

„Zoe?“, fragte Mason vorsichtig in ihre Gedanken hinein.

Schnell kehrte sie wieder in die Gegenwart zurück.

„Vielleicht möchten Sie lieber einen neuen Termin mit Nick ausmachen?“, schlug er sachlich vor.

„Nein“, antwortete sie. „Ich möchte gerne so bald wie möglich wissen, was an diesem Haus alles gemacht werden muss.“

„Wie viel Zeit haben Sie?“

Sie sah ihn misstrauisch an. „Was soll das heißen?“

„Ich schlage nur vor, dass Sie sich hier einmal gründlich umsehen“, sagte Mason. „Die Fundamente wirken solide. Aber das Dach muss erneuert werden, die Schornsteine und die Veranda sollten ersetzt werden. Und das ist nur das, was ich von außen sehen konnte. Wenn Sie hier wirklich Ihr Zuhause einrichten wollen, wäre es vielleicht einfacher und billiger, alles abzureißen und neu zu bauen.“

„Ich mache mir keine Illusionen über den Preis, aber ich möchte dieses Haus wieder herrichten“, erklärte sie fest.

Er zuckte die Achseln. „Ich wollte nur sicher sein, dass Sie alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.“

Während sie durch das Haus gingen, nahm Mason rasch und gründlich verschiedene Maße und machte sich Notizen. In jedem Raum wies er jedoch unweigerlich auf zahllose Mängel und Schwachstellen hin.

Irgendwann war Zoe so frustriert, dass sie schon überlegte, sich nach einem anderen Architekten umzusehen. Bis ihr plötzlich der heimliche Widerspruch zwischen Masons Worten und seinen Taten auffiel.

Er warnte sie, dass die Decke einen ernsthaften Wasserschaden hatte, aber dabei streichelte er zärtlich das handgearbeitete Holzgeländer. Und während er darauf hinwies, dass die Leitungen alle hoffnungslos veraltet waren, hing sein leuchtender Blick an den geschwungenen Füßen der alten Badewanne.

„Die Fensterrahmen verrotten allmählich“, erklärte er gerade. „Man müsste sie alle ersetzen.“

Da unterdrückte Zoe ein Lächeln und äußerte mit einem übertriebenen Seufzer: „Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht sollte ich einfach alles abreißen lassen.“

Er fuhr herum und sah sie misstrauisch an. Genau, wie sie es erwartet hatte.

Jetzt lachte sie und bemerkte: „Sie sind sicher ein toller Architekt, aber kein guter Schauspieler.“

„Wie meinen Sie das?“, fragte Mason.

„Sie ertragen die Vorstellung gar nicht, dass dieses wunderschöne Haus abgerissen werden könnte“, sagte sie ihm auf den Kopf zu.

„Vielleicht“, entgegnete er. „Aber Sie müssen schon einen Haufen Geld hingelegt haben, um dieses Haus zu kaufen. Und ich hoffe nur, jetzt haben Sie noch jede Menge übrig. Sie werden es nämlich brauchen, um es anständig wieder herzurichten.“

„Einfache Arbeiten will ich selbst machen. Schleifen, schmirgeln, streichen …“, erklärte sie.

„Dieses Haus braucht um einiges mehr als schleifen, schmirgeln und streichen“, warnte er.

„Ich weiß“, sagte Zoe fest. Für den Rest hatte sie hoffentlich genug Geld vorgesehen.

Er sah sie einen Moment lang aufmerksam an, dann bemerkte er: „Es gibt hier ein paar Spezialunternehmen, die ich dafür empfehlen kann.“

Sie öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, sagte dann aber nur: „Sie können mir die Namen und Telefonnummern ja geben, wenn wir uns den Dachboden angeschaut haben.“

Mason folgte Zoe die enge, schmale Stiege zum Dachboden hinauf. Er versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, aber er konnte den Blick nicht von der wohlgeformten Rückenansicht in den engen Jeans lösen. In einem wurde sein erster Eindruck bestätigt: Zoe Kozlowski war eine äußerst attraktive Frau.

Das blonde Haar, das ihr heute Morgen so wirr ums Gesicht hing, war jetzt zu einem Pferdeschwanz gebändigt, aus dem nur ein paar zarte Strähnen entwischt waren und locker ihr hübsches Gesicht einrahmten. Sie hatte einen Hauch Make-up aufgetragen, Mascara, um ihre Wimpern dunkler zu machen, dazu irgendetwas, das ihren weichen, vollen Lippen einen samtenen Glanz verlieh.

Sie war sogar sehr viel attraktiver, als er zuerst gedacht hatte. Zwar nicht sein üblicher Typ, aber er mochte Frauen zu sehr, um allein seinen Vorlieben nachzugehen.

Oben angekommen, bog sie ab und trat durch einen leeren Türrahmen ins Dunkel. Er hörte das Klicken eines Lichtschalters, dann sah er ihre schlanke Gestalt mitten im Raum stehen. Und er verspürte das vertraute leise Begehren, das jeder ungebundene Mann in Gesellschaft einer hübschen jungen Frau empfindet.

Die Betonung liegt auf ‚jung‘, dachte er, denn er schätzte ihr Alter auf irgendwo zwischen Anfang und Mitte zwanzig. Zu jung für seine Ende dreißig!

Dabei gab es etwas in ihrem Blick und ihrer Haltung, das sie reifer erscheinen ließ. Irgendetwas schwer zu Benennendes deutete an, dass sie im Leben bereits ein paar harte Prüfungen hinter sich gebracht hatte. Sie schien eine Frau zu sein, die mehr verborgene Last mit sich herumtrug als den Koffer, den er im Wohnzimmer hinter dem Sofa gesehen hatte.

Und das war nur ein weiterer Grund, sich auf nichts einzulassen. Er bewunderte die Stärke und Entschlossenheit dieser Frau, aber seine beiden eisernen Regeln im Leben lauteten: nichts Längerfristiges und keine Probleme.

Er mochte Frauen, die oft und gern lachten, die die gemeinsame Zeit genießen wollten und weiter nichts von ihm erwarteten. Er konnte sich keine feste Bindung mit einer dieser Frauen vorstellen. Und er hatte nicht die Absicht, sich jemals ernsthaft zu verlieben.

Autor

Brenda Harlen
Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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