Nur die Liebe heilt alle Wunden

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Mias Herz schlägt höher, als sie bei einer idyllischen Bergwanderung dem attraktiven Arzt Marshall Cates begegnet. Der begehrte Junggeselle fasziniert sie mit seiner charmanten, einfühlsamen Art wie noch kein Mann zuvor. Gern lässt sie sich von ihm zum romantischen Dinner einladen und genießt zum Abschied seine zärtlichen Küsse. Mit jedem neuen Tag kommt sie ihm immer näher. Doch was geschieht, wenn er hinter das sorgsam gehütete Geheimnis ihrer Vergangenheit kommt? Wird er sie verachten und verlassen - oder mit seiner Liebe ihre Wunden heilen?


  • Erscheinungstag 25.07.2009
  • Bandnummer 1690
  • ISBN / Artikelnummer 9783862952595
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das musste sein Glückstag sein.

Marshall Cates wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn und schaute noch einmal zu dem Felsen, der etwa sechs Meter unter ihm lag. Oder besser gesagt zu der Frau, die auf diesem Felsen saß.

Von seiner Position an der Bergwand konnte er nur einen Teil ihres Rückens, ihr langes nachtschwarzes Haar und ihre schmale Taille erkennen, aber dieser verführerische Ausschnitt reichte ihm. Die Frau dort unten war die Erbin.

Seit zwei Wochen redeten die männlichen Angestellten im Thunder Canyon Resort über fast nichts anderes mehr als diesen geheimnisvollen Gast. Marshall hatte sie bisher nur aus der Ferne gesehen und sich gefragt, warum eine schöne, junge und offenbar sehr reiche Frau allein in Thunder Canyon Urlaub machte.

Sicher, die verschlafene Kleinstadt in Montana war in den letzten Jahren ziemlich aufgeblüht. Das Thunder Canyon Resort, in dem er als Hotelarzt arbeitete, wurde als luxuriöse Ferienanlage in atemberaubender Landschaft immer bekannter und zog mittlerweile gut situierte Urlauber aus dem ganzen Land an.

Trotzdem hätte Marshall vermutet, dass Frauen wie die Erbin ihren Urlaub eher an der französischen Riviera als mitten in der Prärie verbrachten. Und dass sie allein hier war, ließ ihre Wahl umso seltsamer wirken.

Er war an diesem Morgen seines freien Tages früh aufgestanden, um bei herrlichem Wetter zu einer Bergtour aufzubrechen. Als leidenschaftlicher Bergsteiger genoss er es, die besten Kletterfelsen Montanas direkt vor der Haustür zu haben. Allerdings hätte er nie erwartet, ausgerechnet hier auf die geheimnisvolle Erbin zu treffen.

Schnell seilte er sich die letzten Meter ab, bis er wieder auf ebenem Boden stand. Er sammelte seine Kletterausrüstung ein und ließ alles zusammen neben seinem Rucksack in einem ordentlichen Stapel liegen. Dann ging er zu der Frau hinüber, die von ihrem Platz aus einen hervorragenden Blick über das Tal haben musste. Allerdings sah sie nicht so aus, als würde sie den Ausblick genießen – sie wirkte tief in Gedanken versunken und schien auch Marshall gar nicht zu bemerken. Damit sie nicht vor Schreck vom Felsen fiel, wenn er sich so unvermittelt näherte, hielt er ein paar Meter Abstand und rief mit gedämpfter Stimme: „Hallo!“

Als sie seine Stimme hörte, wandte sie sich ihm ruckartig zu und legte die Handflächen neben sich auf den Stein, als wolle sie aufspringen. Mit großen Augen schaute sie ihn überrascht an. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, hier in der Wildnis Gesellschaft zu bekommen.

Sie trug Kakishorts, ein enges, hellrosafarbenes T-Shirt und braune Wanderstiefel. Das offene Haar fiel ihr seidig auf die Schultern.

Wie eine bezaubernde Prinzessin auf ihrem Thron, dachte Marshall, und prickelnde Erregung durchströmte seinen Körper.

„Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe“, sagte er, bevor sie sich ganz von ihrer Überraschung erholt hatte. „Ich habe Sie dort sitzen sehen und dachte, ich sage mal Hallo.“

Nur sehr langsam entspannte sie sich etwas und beobachtete ihn misstrauisch, als er sich ihr weiter näherte. Marshall fragte sich, ob er wirklich so furchterregend aussah. Andererseits kannte sie ihn ja nicht und tat natürlich gut daran, draußen in der Wildnis nicht jedem Fremden sofort zu vertrauen.

Schließlich erwiderte sie seine Begrüßung mit einem leichten, beinahe majestätischen Nicken. „Hallo.“

Sie sprach leise, und aus dem einen Wort konnte er nicht erkennen, aus welcher Ecke des Landes sie stammte.

Mit dem vertrauenerweckenden Lächeln auf den Lippen, mit dem er sonst ängstliche Patientinnen beruhigte, fuhr er fort: „Sie genießen wohl das warme Wetter?“

Warm war dabei untertrieben, denn dieser August war sehr heiß. Für die Gegend war das durchaus nicht ungewöhnlich, wie er wusste. Allerdings wollte er ihr nicht gleich auf die Nase binden, dass er hier aufgewachsen war. Möglicherweise hätte sie es dann für unter ihrer Würde empfunden, sich mit ihm zu unterhalten – und er wollte doch noch so viel mehr von ihr wissen.

„Ja, sehr“, erwiderte sie höflich.

Marshall trat noch zwei Schritte näher und hielt ihrem prüfenden Blick stand. Sie betrachtete ihn, als würde sie abwägen, ob er es wert war, mit ihm zu sprechen. Der Gedanke ärgerte ihn ein wenig: Für gewöhnlich begegneten ihm Frauen eher aufgeschlossen und musterten ihn nicht wie ein aufdringliches Insekt.

„Die Aussicht ist wundervoll“, fuhr sie unvermittelt fort. „Der Himmel scheint endlos. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich hier bleibe, bis die Sonne untergeht. Aber im Dunkeln zum Hotel zurückzuwandern wäre vermutlich keine so gute Idee.“

Na, wenigstens ist sie nicht nur schön, sondern auch noch klug, dachte er, während er möglichst unauffällig ihre langen, schlanken Beine bewunderte. Sie waren leicht gebräunt. Wie warm und glatt müsste sich ihre Haut anfühlen, wenn er mit der Hand darüberstrich … Doch davon war er weit entfernt.

„Nein, das ist wirklich nicht empfehlenswert“, bestätigte er. „Hier gibt es Schwarzbären und Berglöwen. Sie wagen sich erst in der Dunkelheit heraus, aber dann sind die Berge ihr Revier, und man sollte ihnen nicht in die Quere kommen.“

„Ja, ich habe die Warnschilder an den Wanderwegen und die Broschüren im Resort gelesen.“ Sie hob eine Hand und schüttelte ihr Armband, an dem viele kleine Glöckchen hingen. „Und ich trage vorsichtshalber ein Bärenarmband. Man sagte mir, dass das Klingeln die Bären vertreiben würde.“

„Ja, das sagt man.“ Er erzählte ihr lieber nicht, wie er als Teenager selbst mal einem Schwarzbären begegnet war. Die wütende Bärin hatte sich erst in die Flucht schlagen lassen, als sein Bruder ein paar Warnschüsse in die Luft abgefeuert hatte. Wenn er sich noch länger mit der geheimnisvollen Schönen unterhalten wollte, sollte er sie lieber nicht erschrecken.

Vollkommen unerwartet kletterte sie plötzlich zu ihm herab und kam näher, bis sie nur zwei Schritte von ihm entfernt stand. Jetzt konnte er ihr Gesicht deutlich sehen – und ihm gefiel, was er sah: hohe Wangenknochen, ein zartes Kinn mit Grübchen und volle Lippen. Unter langen, dunklen Wimpern erkannte er ihre Augenfarbe, eine interessante Mischung aus dunklem Grün und Braun.

Als sie ihm ein kleines Lächeln schenkte, fiel es Marshall schwer, den Blick von ihr abzuwenden.

„Sie waren klettern?“, fragte sie und deutete zu seiner Ausrüstung in einiger Entfernung am Fuß des Felsens.

„Ja, ich bin seit heute Morgen hier“, entgegnete er. „Ich habe es zwar nicht bis ganz nach oben geschafft, aber weit genug für ein ordentliches Training.“

Von Kopf bis Fuß blickte sie ihn eindringlich an. Sicherlich bemerkte sie sein verschwitztes Gesicht und den dunklen Schweißfleck auf seinem schwarzen T-Shirt. Normalerweise kümmerte es ihn wenig, wenn Frauen ihn anschauten. Aber so prüfend, wie die Erbin ihn betrachtete, wäre er beinahe rot geworden. So etwas war ihm schon seit der Highschool nicht mehr passiert.

„Ich bin bis hier gewandert, aber als ich an den fast senkrechten Felsen kam, wusste ich, dass es nicht weitergeht“, erklärte sie in einem etwas wehmütigen Ton. „Machen Sie das oft?“

„Was? Eine schöne Frau in den Bergen ansprechen?“

Das leichte Beben ihrer Nasenflügel zeigte ihm, dass sein Flirtversuch nicht gut ankam, und er seufzte leise. Er hätte es wissen sollen: Sicher gehörte sie zur kühlen, distanzierten Sorte – wie viele der reichen verwöhnten Frauen, die im Resort Urlaub machten. Freundlichkeit und Unkompliziertheit fand man in diesen Kreisen eher selten.

„Nein, ich meinte das Klettern“, erwiderte sie und klang fast ein wenig gereizt.

„Oh ja, ziemlich oft“, gab er zurück. „Aber ich bin auch häufig mit dem Mountainbike oder mit dem Kajak unterwegs. Sobald der letzte Schnee von den Skipisten getaut ist.“

Das schien sie wieder mehr zu interessieren. Marshall schöpfte neuen Mut. Vielleicht kam er ja doch noch an sie heran.

„Anscheinend halten Sie sich gerne draußen auf“, sagte sie.

„Ja. Am liebsten fahre ich Ski. Das könnte ich jeden Tag machen“, erklärte er. „Aber natürlich muss ich hin und wieder arbeiten“, fügte er mit einem breiten Lachen hinzu.

Als hätte man einen Schalter umgelegt, richtete sich die Frau kerzengerade auf und presste die Lippen fest aufeinander. Sie wandte die Augen von ihm ab und beobachtete eine Elster, die krächzend auf einem Baum in der Nähe saß. Schließlich sagte sie kühl: „Es sei denn, Sie fänden eine reiche Frau, die Ihnen Ihre Hobbys finanziert.“

Verblüfft starrte Marshall ihr Profil an. Na gut, die Frau sah aus wie eine Märchenprinzessin. Trotzdem würde er sich deshalb noch lange nicht von ihr beleidigen lassen. Besaß die Dame denn keinen Funken Humor?

„Wie bitte?“, fragte er.

Sie drehte sich ihm wieder zu und schaute ihn verächtlich an. „Ach, tun Sie nur nicht so. Das ist schließlich Ihre Masche, oder? Sie machen sich an alleinstehende Frauen heran, lassen Ihren Charme spielen und sehen zu, dass dabei möglichst viel für Sie herausspringt. So geht das Spielchen doch, wenn ich mich nicht irre?“

Unterstellte sie ihm etwa, er sei hinter ihrem Geld her? Der ungerechte Vorwurf machte ihn wütend. Am liebsten hätte er diese verwöhnte reiche Göre übers Knie gelegt und ihr den Hintern versohlt, bis sie sich entschuldigte. Andererseits wollte er sie nicht zu der Annahme verleiten, dass sich die Männer seit der Zeit der Höhlenmenschen nicht weiterentwickelt hätten.

„Tut mir leid, Ms. … Smith, richtig? Mia Smith?“

Mit einem Mal wirkte sie so überrascht und misstrauisch wie vorher. „Woher kennen Sie meinen Namen?“

„Ich bin Marshall Cates, der Hotelarzt im Thunder Canyon Resort. Ich habe Ihren Namen von einigen anderen Angestellten gehört. Und falls es Sie interessiert: Es gibt durchaus Menschen, die im Leben sehr gut ohne ein riesiges Vermögen auskommen – und dazu zähle ich ebenfalls. Ich kann mir von meinem Gehalt alles leisten, was ich mir wünsche. Ich brauche ganz sicher keine Frau, die mich aushält.“

Mia spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Sie hatte den Mann, der vor ihr stand, für einen Resortgast gehalten und voreilige Schlüsse gezogen. Ein Mann, der so gut aussah und sich mit flotten Sprüchen an eine Frau wie sie heranmachte, führte meist nichts Gutes im Schilde. Wie peinlich, dass er sich nun ausgerechnet als der Hotelarzt entpuppte! Was musste er jetzt von ihr denken?

„Oh, das tut mir leid, Dr. Cates. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Sie senkte den Blick und stöhnte innerlich auf. Warum konnte sie überhaupt nichts richtig machen? Was hatte das ganze Geld nur mit ihr angestellt? War sie wirklich so schnell zu einem misstrauischen Snob geworden?

Schließlich holte sie tief Luft und hob langsam den Kopf. Erneut verspürte sie einen kleinen Schock. Dieser Mann vor ihr sah nicht nur gut aus in seinen Shorts und dem verschwitzten T-Shirt. Er wirkte so männlich, dass es ihr fast den Atem nahm. Sein gewelltes dunkelbraunes Haar war vom Klettern zerzaust, einige Strähnen darin von der Sonne gebleicht. Seine dunkelbraunen Augen schauten im Moment ziemlich durchdringend unter den dichten, zusammengezogenen Brauen hervor. Das markante Kinn hatte er trotzig angehoben, was ihr noch mehr über seine Persönlichkeit verriet als seine Worte.

Er schien auf eine Erklärung für ihre beleidigende Bemerkung zu warten, und die verdiente er auch. Aber wie sollte sie ihm all das erklären, ohne ihm zu viele Dinge über sich und ihre Situation zu verraten, die sie wirklich niemandem anvertrauen wollte?

„Ich dachte … Ich war mir sicher, dass Sie ein Urlauber sind, und ich hatte Angst, dass … Nun ja, sehen Sie, ich hatte öfter schon das Problem, dass Männer … sich aus finanziellen Gründen an mich herangemacht haben.“ Sie seufzte. „Es tut mir so leid, dass ich Sie falsch eingeschätzt habe. Bitte verzeihen Sie mir.“

Weiterhin beobachtete er sie prüfend. Offenbar überlegte er, ob sie es ernst meinte und er ihre Entschuldigung annehmen sollte. Das war sein gutes Recht. Abgesehen davon konnte es ihr eigentlich egal sein, was er von ihr dachte. Schließlich war sie nicht nach Thunder Canyon gekommen, um einen Mann zu finden. Im Gegenteil: Sie hatte gehofft, dass die Gegend so abgelegen war, dass ihr niemand hierher folgen würde. Alles, was sie wollte, war ein bisschen Ruhe. Und bestimmt keine Komplikationen in Form eines Mannes.

„Ich bin neugierig, Ms. Smith. Was genau an mir hat Sie zu der Vermutung verleitet, ich wäre ein Gigolo?“

Wieder wurde sie rot und schlug die Augen nieder. „Da war nichts … Sie sehen nicht aus wie ein Gigolo, Dr. Cates. Ich nehme an, es war dieser Flirtversuch mit der schönen Frau in den Bergen. Da haben bei mir gleich die Alarmglocken geklingelt.“

Als sie aufblickte, hatte der Arzt die Arme vor der Brust verschränkt.

Er betrachtete sie amüsiert. „Ich bin sicher, dass eine Frau wie Sie ständig angeflirtet wird. Allerdings hoffe ich, dass Sie nicht alle, die es versuchen, so beleidigen wie mich.“

Offenbar hatte er nicht vor, sie so leicht davonkommen zu lassen. Na, auch egal. Wahrscheinlich würde sie den Mann sowieso nie wiedersehen.

Sie unterdrückte ein Seufzen und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich habe mich entschuldigt. Mehr kann ich nicht tun.“

Verwegen lächelte er sie an. Und obwohl sie versuchte, sich davon nicht beeindrucken zu lassen, fühlte sie sich seltsamerweise von ihm angezogen.

„Oh doch. Sie können den Abstieg mit mir zusammen machen“, erklärte er entschieden.

Seine Einladung überraschte sie. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sich wünschte, ihre Bekanntschaft zu vertiefen. Und obwohl sie normalerweise abgelehnt hätte, fühlte sie sich doch geschmeichelt.

„Natürlich nur, wenn Sie sich schon auf den Rückweg machen wollen“, fügte er hinzu. „Ich möchte Sie nicht drängen, diesen Ausblick zu verlassen. Immerhin war es eine anstrengende Wanderung hierher.“

Dass er ihre Leistung würdigte, nahm sie noch mehr für ihn ein. Unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln.

„Ja, das war ziemlich ungewohnt für mich“, gab sie zu. Sie bückte sich nach ihrem Rucksack, den sie am Fuße des Felsens abgelegt hatte, und setzte ihn auf den Rücken. „Aber ich bin bereit für den Rückweg. Die Sonne geht ja schon bald unter.“

„Sehr schön“, entgegnete er lächelnd. „Dann hole ich meine Sachen, und wir machen uns auf den Weg.“

Mia folgte ihm zur Felswand und wartete, bis er die Kletterausrüstung in seinem sehr großen Rucksack verstaut hatte.

Nachdem er ihn gekonnt geschultert hatte, deutete er auf den Pfad nach unten. „Wollen wir?“

Sie nickte, und beide setzten sich in Bewegung. Der Pfad war so schmal, dass sich ihre Schultern fast berührten. Mia stieg der Duft seines Aftershaves, vermischt mit einem Hauch frischen Schweißes, in die Nase. Die plötzliche Nähe zu ihm brachte sie vollkommen durcheinander – zusammen mit seinem sehr männlichen, ja sogar erotischen Geruch. Zum ersten Mal seit Langem reagierte ihr Körper eindeutig auf einen Mann.

„Hier draußen zu sein ist bestimmt ein guter Ausgleich zu Ihrer Arbeit“, bemerkte sie.

„Oh ja, ich würde durchdrehen, wenn ich mich nicht regelmäßig körperlich verausgaben könnte“, antwortete er. „Aber ich bin gerne Arzt.“

Mia betrachtete ihn verstohlen. So durchtrainiert, wie er war, trieb er bestimmt ständig Sport. Soweit sie es nach einem Blick auf seine gebräunten Arme und Beine beurteilen konnte, war er jedenfalls ziemlich muskulös und athletisch. „Sind Sie eigentlich Allgemeinmediziner?“, wollte sie wissen.

Er lächelte amüsiert, und sie überlegte, was er an ihrer Frage so lustig fand. Tatsächlich hoffte sie, dass er nicht einer dieser arroganten Fachärzte war, die sich für Halbgötter in Weiß hielten.

„Nein, ein Allgemeinmediziner wird im Resort nicht oft genug gebraucht. Ich bin Facharzt für Sportmedizin. Verstauchte Knöchel, Knochenbrüche, Zerrungen und Prellungen, solche Dinge. Viele unserer Urlauber sind hier, um Ski zu fahren oder um zu klettern.“

Oh ja, sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er den verstauchten Knöchel eines blonden Skihäschens untersuchte. Bestimmt war der Großteil seiner Patienten weiblich. Aber lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen, als ihre Vermutung laut auszusprechen. Einmal war sie bereits gewaltig ins Fettnäpfchen getreten, und das reichte ihr für einen Tag.

„Und was ist mit Erkältungen und Infekten? Können Sie die auch behandeln?“

Er lächelte breit. „Klar. Warum? Fühlen Sie sich nicht wohl?“

„Danke, mir geht es bestens. Ich habe nur an die Gäste gedacht, die sich erkälten oder Bauchschmerzen haben.“

Als er leise auflachte, musste Mia sich im Stillen eingestehen, dass ihr sein warmes, tiefes Lachen gefiel. Es zeigte, dass er mit sich und seinem Leben zufrieden war. Und das machte sie neidisch. Sehr neidisch sogar.

„Keine Sorge“, beruhigte er sie. „Ich kann alles, was ein Allgemeinmediziner auch kann – und noch ein bisschen mehr.“

Die winzige Spur Arroganz in seiner Stimme ließ ihn eher selbstbewusst als eingebildet klingen. Auch das gefiel ihr an ihm. Sie wünschte sich, sie wäre sich ihrer Entscheidungen und Fähigkeiten selbst so sicher. Vielleicht würde sie dann endlich ihr Leben wieder in den Griff bekommen, anstatt sich hier in Thunder Canyon verstecken zu müssen.

„Sie bieten dem Resort also eine ganze Menge für sein Geld“, bemerkte sie.

Wieder lachte er. „Das hoffe ich doch.“

Hinter einer Biegung wurde der Pfad plötzlich ziemlich steil und rutschig, sodass sie sich auf den Weg konzentrieren mussten. Obwohl sie sorgfältig einen Fuß vor den anderen setzte, rutschte Mia jedoch auf dem lockeren Schotter aus.

Wild ruderte sie mit den Armen und griff vergeblich nach einem Busch, um sich daran festzuhalten. Dann spürte sie, wie Dr. Cates den Arm um ihre Taille schlang und sie sicher hielt.

„Schon gut“, sagte er beruhigend. „Ich hab Sie.“

Noch ganz außer Atem strich sie sich das Haar hinters Ohr und schaute ihn dankbar an. „Danke. Ich wäre beinahe kopfüber da runtergestürzt.“

Ihre Blicke trafen sich. Auf einmal kam es ihr vor, als würde sich alles um sie herum in Zeitlupe bewegen. Die Welt schien fast stillzustehen. Nur ihr Herz schlug unvermittelt schneller, und sie wurde rot.

„Das wäre ein langer Sturz geworden“, erwiderte er rau. „Ich bin froh, dass wir das verhindern konnten.“

Sie spürte seinen Blick auf ihrem Gesicht wie eine sanfte Liebkosung. Der Gedanke machte sie so nervös, dass sie hastig den Kopf abwandte.

Der Pfad war gesäumt von hohen Fichten und Zitterpappeln, die die Sonne verdeckten. Das grüne Blätterdach wölbte sich wie eine Höhlendecke, schloss sie ein und tauchte alles in dämmriges Licht. Auf solch eine intime Zweisamkeit mit einem Mann, den sie attraktiv fand, war sie einfach nicht vorbereitet.

„Wir sollten besser weitergehen“, schlug sie eilig vor. „Es wird immer dunkler.“

„Lassen Sie mich vorgehen, dann kann ich Ihnen bei dieser schwierigen Stelle helfen.“

Zu ihrer Erleichterung ließ er ihre Taille los und ging vorsichtig ein paar Schritte weiter. Als er festen Halt unter den Füßen hatte, streckte er ihr die Hand hin.

„Halten Sie sich an mir fest. Ich will nicht, dass Sie doch noch stürzen.“

Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie sich hingesetzt und wäre die ausgewaschene Stelle auf dem Po runtergerutscht. Aber das war ihr vor einem geübten Kletterer wie ihm doch zu peinlich. Außerdem war er ja wirklich um ihre Sicherheit besorgt und suchte nicht nur nach einer Entschuldigung, um sie zu berühren.

Sie beugte sich vor und nahm seine Hand. Mit festem Griff half er ihr, und sie bewältigte die letzten Meter des steilen Stücks.

„Danke“, sagte sie. „Ich muss zugeben, dass ich mich auf diese Stelle nicht gefreut habe. Auf dem Weg nach oben musste ich schon fast auf allen vieren krabbeln.“

Er nickte ernst. „Ja, das sollten wir unten melden. Das Resort hat extra Leute dafür angestellt, die solche Stellen ausbessern. Wir wollen ja nicht, dass unsere Gäste sich verletzen.“

Auf einmal fiel Mia auf, dass er noch immer ihre Hand hielt – und dass sie es zuließ. Schnell löste sie ihre Finger aus seinem warmen Griff und ging an ihm vorbei. Zum Glück versuchte er nicht, sie aufzuhalten, sondern folgte ihr einfach.

Im Stillen mahnte sie sich, nicht ständig an den Mann hinter sich zu denken, sondern sich auf den Pfad und die Vogelstimmen zu konzentrieren. Nach kurzer Zeit ertönte seine Stimme erneut.

„Stammen Sie aus Montana?“

Sofort wurde sie unruhig. Was sollte sie machen, wenn er noch mehr persönliche Fragen stellte, die sie nicht beantworten wollte? Wenn sie ihm auswich, würde er sie wieder für versnobt und arrogant halten.

„Nein, ich komme aus Colorado“, erwiderte sie vorsichtig.

„Ach, dann kennen Sie sich mit Bergen ja aus“, gab er zurück.

Das stimmte nicht so ganz: Sie war im flachen Süden des Bundesstaates aufgewachsen, in dem hauptsächlich Landwirtschaft betrieben wurde. Aber davon musste dieser Mann gar nichts erfahren. Am Ende erwähnte er es noch gegenüber den anderen Resortangestellten. Falls ihre Mutter Janelle nach ihr suchte, könnte sie das vielleicht auf ihre Spur bringen. Und Janelle war der letzte Mensch, den Mia im Augenblick sehen wollte.

„Na ja, man könnte sagen, dass ich sie aus der Ferne betrachte. Ich wohne nämlich in Denver.“

Er lachte leise. „Da gibt es nun Hunderte von wunderschönen Ferienorten direkt vor Ihrer Haustür, und Sie kommen nach Thunder Canyon. Erstaunlich.“

So gesehen war es vermutlich wirklich merkwürdig. Sogar lächerlich. Trotzdem würde sie ihm ganz bestimmt nicht erklären, warum es sie ausgerechnet nach Montana getrieben hatte.

Offensichtlich war Dr. Cates ein wohlhabender, angesehener Mann. Vielleicht hatte er Familie. Sicherlich wäre er entsetzt über die echte Mia – Mia Hanover. Nicht Mia Smith. Dieser Name war genauso falsch wie die Rolle, die sie hier spielte.

Sie unterdrückte ein Seufzen und sagte: „Ich bin noch nie hier gewesen. Ich wollte mal mehr von Montana sehen als nur schöne Bilder.“

Das klang einigermaßen vernünftig, und Marshall hatte es schon lange aufgeben, Frauen und ihre Beweggründe vollkommen verstehen zu wollen. Trotzdem kam ihm irgendetwas an Mia Smith seltsam vor. Allerdings merkte er bereits an ihren knappen Antworten, dass es nicht ratsam war, sie mit Fragen zu löchern. Zumindest nicht, wenn er weiterhin Zeit mit ihr verbringen wollte.

„Ich bin jedenfalls froh, dass Sie hergekommen sind“, sagte er. „Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier. Wie lange wollen Sie denn bleiben?“

Sie schwieg so lange, dass er beinahe glaubte, sie würde seine Frage einfach ignorieren. Doch dann blieb sie unvermittelt stehen und schaute sich über die Schulter nach ihm um.

„Das weiß ich noch nicht genau. Ich entscheide das ganz spontan.“

Spontan? Die meisten Menschen planten ihren Urlaub mit einem festen An- und Abreisetag. Sie erholten sich für eine gewisse Zeit irgendwo, fuhren am vorgesehenen Tag nach Hause und nahmen Arbeit, Schule und ihre anderen Alltagsverpflichtungen wieder auf.

Aber Mia Smith war offenbar anders als die meisten Menschen. Anscheinend gehörte sie zu den Reichen, die keine Verpflichtungen besaßen. Wahrscheinlich war sie eine von diesen Jetsetterinnen. Um Ferienzeiten brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Für sie war jeder Tag Urlaub.

Da kannst du nicht mithalten, Marshall – und das solltest du nie vergessen, mahnte er sich im Stillen.

Die kleine innere Stimme klang vernünftig, aber gleichzeitig ärgerte sie ihn. Schließlich zählte er nicht zu den Typen, die jeder Gefahr aus dem Weg gingen. Er mochte Abenteuer und Vergnügen – und bei Mia Smith konnte er sich vorstellen, beides zu finden.

Die nächsten fünf Minuten wanderten sie schweigend weiter hinab. Am Fuß des Berges wurde die Landschaft flacher, und der Pfad teilte sich. Der eine Weg schlängelte sich am Fluss entlang zum Resort zurück, der andere führte direkt und schnurgerade zum Hotel.

Marshall blieb an der Gabelung stehen und rückte seinen Rucksack zurecht.

„Möchten Sie am Fluss entlanglaufen?“

Nervös sah sie ihn an und blickte dann in die Ferne. Marshall konnte förmlich spüren, wie sie sich innerlich von ihm entfernte.

„Tut mir leid, aber ich muss ein paar Dinge erledigen. Ich denke, ich gehe am besten gleich zu meiner Unterkunft zurück. Entschuldigen Sie mich.“ Sie schüttelte ihm kurz die Hand. „Danke, dass Sie mir beim Abstieg geholfen haben. Auf Wiedersehen.“

Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie sich umgedreht und die Abkürzung zum Hotel eingeschlagen.

Überrascht und amüsiert schaute er ihr nach. Na, so was … Er war es nicht gewohnt, dass Frauen ihn stehen ließen. Im Gegenteil: Meistens musste er sich eine höfliche Ausrede einfallen lassen, um sie wieder loszuwerden.

Mia Smith hatte ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Eigentlich reizte ihn diese Ironie zum Lachen. Trotzdem sah er ihr noch lange nach. Und insgeheim fragte er sich, ob er eine zweite Gelegenheit bekommen würde, um Zeit mit der Erbin zu verbringen.

Autor

Stella Bagwell
Eigentlich ist Stella Bagwell gelernte Friseurin, tragischerweise entwickelte sie aber eine Haarspray-Allergie. Schlecht für sie, gut für ihre Leserinnen. Denn so verfolgte Stella ihr kreatives Talent in eine andere Richtung weiter und begann mit viel Enthusiasmus, Romane zu schreiben. Was ganz bescheiden auf einer alten Schreibmaschine begann, entwickelte sich auch...
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