Süße Küsse im Lichterglanz

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So stark und gleichzeitig so verletzlich … Zach Talbot ist auf den ersten Blick fasziniert von Hollywood-Schönheit Mallory. Aber das Herz des Witwers ist noch nicht wieder frei für eine große Liebe. Daran kann auch Mallorys verheißungsvoller Blick nichts ändern …


  • Erscheinungstag 11.10.2018
  • Bandnummer 8
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738259
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dann kennen Sie sich doch bestimmt auch gut mit Pferden aus, oder?“

Seufzend rappelte sich der Boston Terrier vor Zach Talbot am Behandlungstisch noch einmal auf, ehe er zusammenklappte und sofort einschlief. Der kleine Hund schien sich zu denken: Das kann dauern. Weck mich auf, wenn sie so weit ist.

Sie bezog sich auf die brünette Texanerin unbestimmten Alters, die mit ihrem Hund bereits dreimal innerhalb von zwei Wochen in Zachs Tierarztpraxis gekommen war, seitdem sie – und ihre Tochter, die sie schon mehr als einmal erwähnt hatte – in das alte Haus der Hufsteters weit außerhalb der Stadt gezogen war. Das Haus war vom Keller bis zum Dach renoviert worden, hatte sie ihm erzählt, und sich zu einem wunderschönen Haus gemausert. Es erinnere sie an ihr Zuhause.

Nicht, dass Zach etwas gegen Small Talk gehabt hätte. Zumindest lenkte ihn die beiläufige Konversation von seinen eigenen Problemen ab. Da er bei dem kleinen Boston Terrier allerdings noch nichts Ernstes hatte finden können – abgesehen davon, dass seine Gebrechen vermutlich von seinem hohen Alter herrührten –, hegte er den leisen Verdacht, dass Dorelle Keyes aus anderen Gründen so häufig bei ihm aufkreuzte. Diese Gründe, vermutete Zach stark, schienen mit ihrer Tochter zu tun zu haben. Und die Tochter hatte er bisher noch nicht kennengelernt.

Der Hund zog ein Augenlid kurz hoch, als wollte er sagen: Genau so ist es, Kumpel! Dann driftete er wieder in seinen Schlummer ab, und Zach schaute in Dorelles sehr grüne Augen.

„Schon, soweit es mit meiner Arbeit zu tun hat. Weshalb fragen Sie danach?“

„Nun ja, Mallory“ – die besagte Tochter – „überlegt, ob sie ihrem Jungen ein Pferd kaufen soll. Mallory ist …“, Dorelle schaute sich um und flüsterte das Wort fast, „… geschieden. Landons Daddy hat im Moment die Aufsichtspflicht.“ Sofort presste sie die rot geschminkten Lippen zusammen, als hätte sie sich gerade verplappert. „Als wir die Ställe da draußen gesehen haben, dachten wir, dass Landon vielleicht gern ein Pferd hätte. Möglicherweise kennen Sie ja jemanden aus der Gegend, der eines verkauft. Sie sehen mir sehr vertrauenswürdig aus.“

Es zuckte um Zachs Mundwinkel, als er seine Brille zurechtrückte, obwohl ihm auch seine Mutter Billie immer versichert hatte, dass er so einen gewissen Gesichtsausdruck habe. Dennoch …

„Pferde machen viel Arbeit, Ma’am …“

„Ich weiß es zu schätzen, dass Ihre Mutter Ihnen Manieren beigebracht hat, aber glauben Sie mir – keine Frau jenseits eines gewissen Alters wird gern als Ma’am bezeichnet.“

„Entschuldigen Sie, Ma… Mrs. Keyes.“

„Entschuldigung angenommen. Und zweitens: Ich weiß, wie viel Arbeit Pferde machen. Mallorys Vater war Rancher. Wir wissen also, was wir zu tun haben. Wir wissen nur nicht, an wen wir uns wenden können. Landon ist übrigens elf. Meiner Meinung nach müsste er schon längst ein eigenes Pferd haben. Aber im Leben läuft nun mal nicht immer alles nach Plan, nicht wahr?!“

Nicht zum ersten Mal hatte Zach das Gefühl, dass die Frau ihn ködern wollte – als ob man ihr eingeschärft hätte, nur ja nicht über persönliche Dinge zu reden. Aber wenn jemand fragen sollte – warum nicht? Dann wäre es doch nur höflich zu antworten, oder? Zu dumm nur, dass Zach kein bisschen neugierig war.

Wahrscheinlich hatte er dafür einfach zu viele eigene Probleme. Und viele Einheimische in Whispering Pines hielten sich gleichermaßen bedeckt, wenn sie Menschen von außerhalb begegneten. Die gute Luft und die schönen Wälder zogen viele Touristen an, die sich sogar zum Teil für einen längeren Zeitraum hier niederließen – vor allem während der Skisaison, die bald begann. Natürlich verhielt Zach sich allen Fremden gegenüber gleichermaßen freundlich und zuvorkommend, vor allem, weil sie oft mit ihren Hunden anreisten, und er war der einzige Tierarzt in der Stadt. Aber sich in das Leben der Urlaubsgäste einmischen? Bloß nicht!

Trotzdem nahm er den Köder an. „Hat Ihr Enkel denn gesagt, dass er gerne reiten würde?“

„Natürlich. Er hat auch schon ein paar Mal auf einem Pferd gesessen. Auf einer Farm bei Los Angeles, wo wir gewohnt haben.“

Wieder lieferte sie ein Stichwort für Zach. Jetzt müsste er eigentlich fragen, warum sie nach Whispering Pines gezogen waren, doch es war ihm vollkommen egal.

Heidi hätte natürlich sofort gefragt. Seine Frau hatte die Bedeutung des Wortes zurückhaltend nie verstanden. Jeder, den sie getroffen hatte, wurde im Handumdrehen zu einem besten Freund.

„Dr. Talbot? Ist alles in Ordnung?“

Zach zuckte regelrecht zusammen, als Dorelle ihn aus seinen Gedanken riss. „Ja, entschuldigen Sie …“ Er räusperte sich. „Mein Bruder Josh ist Vorarbeiter auf der Ranch Vista Encantada hier in der Nähe …“

„Ja, dort sind wir letztens auf einer unserer Entdeckungstouren vorbeigekommen. Ihre Sprechstundenhilfe hat mir auch schon erzählt, dass Ihr Bruder da arbeitet. Oder wenigstens einer Ihrer Brüder …“

Die Sprechstundenhilfe Shantelle war sehr jung und musste anscheinend noch viel lernen. „Auf der Ranch werden Springpferde gezüchtet, was für Ihre Zwecke ja nicht infrage käme. Aber manchmal nehmen sie auch andere Pferde in Pflege. Josh hat mir neulich von einem Tier erzählt, auf dem die Kinder anderer Rancher das Reiten gelernt hätten. Ich habe das Pferd noch nicht gesehen, aber warum besuchen Sie und Ihre Tochter Josh nicht einfach mal?“

Dorelle strahlte übers ganze Gesicht. „Das hört sich doch gut an …“

„Daddyyyy …“

„Liam, nein!“

Als die Tür zum Untersuchungszimmer aufgerissen wurde, rappelte sich der halb betäubte Hund mühsam auf. Vergeblich hatte Zachs älterer Sohn Jeremy versucht, den kleinen Bruder Liam zurückzuhalten. „Tut mir leid, Dad. Als Grandma uns aus dem Wagen gelassen hat, ist Liam sofort losgerannt. Er ist verdammt schnell!“

„Das warst du auch, als du so alt warst wie er.“ Zach hockte sich vor den Dreijährigen hin. „Ich bin gleich fertig, mein kleiner Racker. Du wartest draußen mit Jeremy, ja?“

Doch Liam warf sich mit so viel Schwung in Zachs Arme, dass es ihn fast umgerissen hätte. Er wusste nicht, warum der Kleine so anhänglich war – auf jeden Fall anhänglicher als sein großer Bruder –, aber Zach war jedes Mal überwältigt von der Heftigkeit seiner Umarmungen. Allerdings jagten sie ihm auch ein bisschen Angst ein.

„Meinetwegen müssen Sie die Kinder nicht hinausschicken.“ Dorelles Stimme klang zärtlicher, als er der Frau zugetraut hätte. Zach zweifelte zwar nicht daran, dass sie ihre Tochter und ihren Enkelsohn liebte, aber er hätte sie nicht unbedingt als gefühlvoll eingeschätzt.

Zach erhob sich. Seine Söhne kannten die Regeln, zumindest Jeremy. „Geh mit deinem Bruder nach draußen“, befahl er und ignorierte den bittenden Blick in Liams Augen, die ihn so sehr an die Augen dessen Mutter erinnerten. Es versetzte ihm jedes Mal einen Stich ins Herz. „Es dauert nicht mehr lange. Überlegt euch doch schon mal, was für eine Pizza ihr essen wollt, ja?“

Das Ablenkungsmanöver funktionierte. „Pizza!“, jauchzte Liam, als wäre das der beste Vorschlag, den er je gehört hatte.

„Ja! Und jetzt raus mit euch!“

Die Jungs verschwanden, und Zach wurde ganz unbehaglich zumute, als er den Blick sah, mit dem Dorelle ihn jetzt musterte. Oje …

„Die sehen Ihnen aber gar nicht ähnlich.“

„Stimmt.“ Zach schmunzelte. „Obwohl ich in Jeremys Alter genauso blond war.“

„Wie alt ist er denn?“

„Sieben. In ein paar Monaten wird er acht.“

„Und der Kleine?“

„Liam ist drei. Er sieht …“ Plötzlich hatte er einen Kloß in der Kehle. „Er ist seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Sie muss fantastisch sein.“

„Ja, das war sie.“

Dorelle stockte der Atem. „Entschuldigen Sie, Dr. Talbot. Das wusste ich nicht.“

Irgendwie bezweifelte er das. Und da es ein ziemlich langer Tag für ihn gewesen war und er ziemlich erschöpft war, erwiderte er nur knapp: „Wirklich?!“

Dorelle lachte verlegen. „Ich denke, das geschieht mir jetzt recht. Wahrscheinlich überrascht es Sie nicht, wenn ich Ihnen verrate, dass es mein Hobby ist, Dinge über andere Leute zu erfahren – vor allem, wenn ich irgendwo neu bin und noch niemanden kenne. Doch ich schwöre Ihnen, die Geschichte von Ihrer Frau höre ich zum ersten Mal.“ Sie zögerte kurz, ehe sie fragte: „Wie lange denn schon?“

„Zwei Jahre.“

Sie biss sich auf die Lippen. Schließlich holte sie tief Luft. „Die Menschen hier sind eher zurückhaltend, nicht wahr?“

„Stimmt.“ Ob Dorelle wohl vorhatte, die neue Klatschbase im Ort zu werden?

„In Springerville, wo wir vorher wohnten, hat es so gut wie keine Geheimnisse gegeben“, plapperte sie weiter. „Und wir haben …“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund. „Herrje, Sie glauben doch nicht etwa, dass ich Sie verkuppeln will?“

Um Zachs Mundwinkel zuckte es. „Doch, das frage ich mich gerade.“

„Um Himmels willen, nein! Sie sehen natürlich fantastisch aus, aber ich dachte, Sie seien verheiratet. Hier gibt es ja nicht viel Ablenkung. Deshalb muss man lernen, sich selbst zu beschäftigen. Das ist auch der Grund, warum wir uns überlegt haben, ein Pferd anzuschaffen. Und ich habe gedacht …“ Ihr Blick wurde düster. „Meine Tochter Mallory hat eine schwere Zeit hinter sich. Vor allem das letzte Jahr war schlimm. Sie würde es zwar niemals zugeben, aber wenn Sie mich fragen, hat sie das Haus hier mitten im Nirgendwo von New Mexico – entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten …“

„Kein Problem.“

„Sie hat es nur gekauft, weil sie sich verstecken will.“

„Vor wem?“ Ehe er es sich versah, war Zach die Frage herausgerutscht.

„Vor dem Leben! Vor ihrem Leben. Mir gefällt das ja gar nicht. Es macht mir sogar Angst, wenn Sie die Wahrheit wissen wollen – als ob sie sich aufgegeben hätte. Eigentlich sieht ihr das gar nicht ähnlich.“ Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie den Hund, der immer noch reglos auf dem Behandlungstisch lag. „Da habe ich mir gedacht, wenn sie sich nach einem Pferd für Landon umsieht … Vielleicht lenkt sie das von ihren Problemen ab.“ Jetzt schaute sie Zach in die Augen. „Mehr wollte ich gar nicht sagen. Ich wollte Sie nicht zu irgendetwas … überreden.“

„Das weiß ich zu schätzen.“

„Gut.“ Dorelle leinte den schlafenden Hund an, ehe sie ihn auf den Boden setzte. Jetzt blinzelte und gähnte das Tier und legte sich wieder hin. „Rufen Sie mich an, wenn Sie mit Ihrem Bruder gesprochen haben, ja?“

„Das mache ich.“

„Vielen Dank.“

Während Zach mit seinen Jungs zu seinem kleinen blau-weiß gestrichenen Haus schlenderte, das direkt neben der Praxis lag, gingen ihm Dorelles Bemerkungen über ihre Tochter Mallory nicht aus dem Kopf.

Dabei interessierte sie ihn doch überhaupt nicht …

„Hallo, Mom.“

Als sie das breite Grinsen ihres Sohnes auf dem Bildschirm sah, ging Mallory Keyes das Herz auf. Wenn ihr geliebter Junge glücklich war, dann konnte sie es auch sein. Alles andere war unwichtig, obwohl es ihr sehr wehtat, dass sie ihn nicht jeden Tag berühren oder beschnuppern konnte. Doch Landon hatte ein normales Leben verdient. Nun ja, so normal, wie es eben sein konnte bei dem Kind eines einflussreichen Hollywoodpaars – Gott, wie sie diese Beschreibung hasste! –, dessen Beziehung gescheitert war.

Wenigstens hatten sie Smartphones zum Skypen.

„Hallo, mein Baby.“ Mallory hatte schon Angst vor dem Moment, in dem ihr Sohn sagen würde: Mom, du nennst mich Baby?! Also wirklich! Immerhin war Landon schon elf. Doch heute schien dieser Moment noch nicht gekommen zu sein, glücklicherweise. „Wie geht’s denn so?“

„Gut.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das struppige braune Haare, das ein sehr hübsches Gesicht umrahmte. „Ich habe übrigens für unser Projekt im Naturkundeunterricht eine Eins bekommen. Ohne Daddys Hilfe. Da bist du doch bestimmt stolz auf mich?“

„Und wie. Um was ging es in dem Projekt denn?“

„Um Schimmel und wie der sich entwickelt. Ich musste ein paar Proben im Kühlschrank aufbewahren und aufpassen, dass Cristina sie nicht wegschmeißt.“

Der Junge sprach von der Haushälterin. Sie war sechzig und hatte ein goldenes Herz unter einer sehr rauen Schale.

„Na ja, irgendwo hat Cristina ja recht, oder? Sorgt sie denn dafür, dass du dein Zimmer in Ordnung hältst?“

„Darauf können Sie Gift nehmen!“, meldete sich eine dröhnende Stimme im Hintergrund. Landon verdrehte die Augen, die genauso grau waren wie die Augen seiner Mutter.

„Wann kann ich dein neues Haus sehen?“

„Darüber haben wir doch schon gesprochen. In den Herbstferien ist es so weit. Hast du die Fotos bekommen?“

„Ja, es sieht cool aus.“ Er runzelte die Stirn. „Geht’s dir gut?“

Mallory spürte einen Stich im Herzen. Vor fünf Jahren war Landon noch zu jung gewesen, um die Folgen des Unfalls zu verstehen, der ihr Leben so grundlegend verändert hatte. Doch in letzter Zeit schien er ihre Probleme mehr und mehr nachvollziehen zu können, obwohl sie kaum darüber redete. Je weniger sie darüber sprach, umso weniger setzte die Beeinträchtigung ihr nämlich zu – und außerdem hatte sie das Jammern schon immer gehasst. Vor allem, weil sie nicht wollte, dass Landon sie bemitleidete. Und außerdem sollte – was ihr noch wichtiger war – die Tatsache, dass seine Mutter im Rollstuhl saß, sein Leben nicht unnötig überschatten.

Manchmal allerdings, wenn die Schmerzen sie überfielen, dann konnte sie es vor dem Jungen nicht so verbergen, wie sie es gern getan hätte. Und angesichts seiner neuen Lebensumstände wäre es geradezu naiv von ihr anzunehmen, dass ihre Behinderung seinen Alltag nicht beeinflussen würde.

„Mir geht’s gut, Schatz.“

„Wirklich?“

„Ja, wirklich. Okay, der Umzug hat mich ein wenig Kraft gekostet, aber es war die Anstrengung wert. Hier draußen ist es fantastisch. Manchmal kann man meilenweit fahren, ohne einem anderen Auto zu begegnen.“

Er zog die Augenbrauen zusammen. „Das ist ja unheimlich.“

Mallory lachte. „Ein bisschen, ja. Aber du wärst überrascht, wie schnell man sich daran gewöhnen kann …“

„Oh, ich muss Schluss machen. Cristina ruft mich zum Abendessen. Sollen wir morgen wieder reden?“

„Unbedingt, mein Schatz.“

Die Anrufe dauerten niemals lange genug. Und jedes Mal, wenn sie zu Ende gingen, hatte Mallory das Gefühl, jemand habe ihr ein Loch in die Brust gebohrt. Und das führte sie immer unweigerlich zu der Frage, ob es richtig gewesen war, ihr Kind zurückzulassen.

Die einzige andere Möglichkeit wäre allerdings zu egoistisch gewesen, wenn nicht sogar grausam. Zugegeben, der Junge war hart im Nehmen, aber sie wusste, dass er hin und wieder eine Auszeit brauchte. Nicht von ihr, aber von der Aufmerksamkeit, die sie jedes Mal auf sich zog, wenn sie in ihrem Rollstuhl unterwegs war.

Das schrille Klingeln des Telefons ließ sie zusammenzucken. Missmutig starrte Mallory ein paar Sekunden lang auf den Apparat, ehe sie über den gefliesten Boden rollte und den Hörer in die Hand nahm. Warum ihre Mutter auf einen Festnetzanschluss bestanden hatte, war ihr immer noch schleierhaft. Schließlich besaßen sie beide Handys.

„Hallo?“, meldete sie sich gereizt.

„Oh, Entschuldigung“, hörte sie eine angenehme männliche Stimme am anderen Ende, eine sehr angenehme Stimme. Vermutlich gehörte sie einem Mann, der gar nicht zu der Stimme passte, denn so war es ja meistens. Träumen durfte sie ja wohl dennoch. „Ich wollte Dorelle Keyes sprechen.“

„Die ist nicht hier.“ Mallory klang nicht mehr ganz so gereizt. „Kann ich ihr etwas ausrichten?“

Eine Pause entstand. „Sind Sie Ihre Tochter?“

Mallory versteifte sich. Dass die Paparazzi sie bis hierher verfolgten, war höchst unwahrscheinlich. Und wie hätten sie ihre Nummer ausfindig machen können, die nicht im Telefonbuch stand? Heutzutage konnte man anscheinend nie wissen …

„Wenn Sie mir Ihren Namen und Ihre Nummer verraten“, erwiderte Mallory und schnitt ihrem Gesicht im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand eine Grimasse, „dann wird Mrs. Keyes Sie bestimmt zurückrufen.“

„Hier spricht Dr. Talbot. Dorelle Keyes hat mich gebeten, mich bei meinem Bruder nach einem Pferd für ihren Enkelsohn zu erkundigen.“

Erleichtert atmete Mallory auf. Doch dann erinnerte sie sich an die Bemerkung ihrer Mutter, derzufolge Dr. Talbot Michelangelos David vor Neid hätte erblassen lassen. Man konnte über ihre Mutter sagen, was man wollte – doch sie wusste wirklich, wann ein Mann attraktiv war.

So viel zum Thema von Stimmen, die zu den Gesichtern ihrer Sprecher passten.

„Ähm … Sind Sie noch dran?“

Mallory löste sich von ihrem Spiegelbild. „Tut mir leid. Eigentlich wollte sie zuerst mit mir darüber reden.“

„Dann sind Sie also Mallory?“

So verrückt der Gedanke ihr auch erschien – dieser Mann hatte offenbar keine Ahnung, um wen es sich bei ihr handelte. Entweder hatte er zwei und zwei nicht zusammengezählt oder ihre Mutter hatte – eigentlich zum ersten Mal in ihrem Leben – den Mund gehalten. Oder spielte der Arzt nur den Coolen?

„Ja, das bin ich. Allerdings haben wir noch nichts entschieden, was das Pferd angeht. Wir sind noch gar nicht richtig angekommen …“ Das war nur die halbe Wahrheit, denn das Haus war fertig renoviert, und sie mussten nur noch ein paar Umzugskartons auspacken. „Deshalb haben wir noch nicht so intensiv darüber nachgedacht.“

„Verständlich. Falls Sie interessiert sind – mein Bruder besitzt ein Palomino, das für Ihren Sohn passend sein könnte, vor allem, wenn er noch nicht viel geritten ist. Das Tier ist nicht mehr ganz jung, aber ausgesprochen gutmütig. Und keiner kennt sich so gut mit Pferden aus wie mein Bruder – er würde Ihnen keine Geschichte vom Pferd erzählen.“ Der Mann lachte leise über seinen Witz.

Und du bestimmt auch nicht, beschloss Mallory. Obwohl ihr nicht ganz klar war, wie sie nach dieser kurzen Unterhaltung zu diesem Schluss kam. Vielleicht, weil der Arzt sehr ernsthaft klang. Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, ihm vertrauen zu können – nachdem sie sich so oft getäuscht hatte, was Menschen anging.

„Das glaube ich gern. Aber …“, sie zögerte, „… ich bin mir noch nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee ist.“

„Ihre Mutter hat erzählt, dass Sie auf einer Ranch aufgewachsen sind. Ich nehme an, Sie kennen sich mit Pferden aus?“

„Ja.“ Sie musste lächeln. „Doch darum geht es nicht. Ich weiß noch nicht, wie lange wir hier bleiben werden. Und ein Pferd bedeutet eine große Verantwortung.“

„Es ist also nur ein Ferienhaus?“

„Sozusagen.“

Der Tierarzt schwieg einen Moment, ehe er fortfuhr. „Falls es Ihnen weiterhilft – auf der Ranch gibt es auch eine Art Pferdepension.“

Mallorys Lächeln wurde breiter. „Und Sie sind ein ausgezeichneter Verkäufer.“

Er lachte. „Nun ja, es ist nicht leicht, einen Entschluss zu fassen, wenn Sie noch nicht alle Möglichkeiten durchdacht haben. Wie wäre es, wenn Sie mit Ihrer Mutter zur Ranch kämen? Dort könnten Sie das Pferd selbst in Augenschein nehmen und sich dann entscheiden. Sie wissen, wo sich die Ranch befindet?“

„Ja, schon …“ Mallory zögerte. „Ich denke darüber nach. Einverstanden?“

„Natürlich. Doch wenn Sie es ernst meinen, dann würde ich nicht zu lange warten. Das Pferd wird bestimmt bald einen Interessenten finden, Miss Keyes.“

Nein, der Tierarzt hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wer sie war. So gerne sie ihren Job gemacht hatte – inzwischen wusste sie es zu schätzen, wenn sie nicht sofort erkannt wurde. „Wie heißt das Pferd eigentlich? Und was soll es kosten?“

„Waffles.“ Sie hörte ein glucksendes Lachen.

„Echt? Das ist ja ein süßer Name!“

„Und Josh möchte nur seine Unkosten gedeckt haben. Doch darüber können Sie mit ihm persönlich reden.“

„Wie wäre es mit morgen?“ Mallory war selbst überrascht über ihre plötzliche Entschlussfreudigkeit. „Ich weiß, es ist Sonntag, aber …“

„Warum nicht?“ Dr. Talbot schien selbst überrascht zu sein. „Ich bin morgen mit meinen Kindern auch auf der Ranch.“

„Wie schön. Jungs oder Mädchen?“

„Zwei Jungs. Sehr laut, sehr lebendig – nur, damit Sie vorgewarnt sind.“

„Und wann?“

„Wie wäre es mit halb zwei? Dann haben wir zu Mittag gegessen …“

Sonntag nach dem gemeinsamen Mittagessen – ein ganz gewöhnliches Familienleben, an das sie sich nur noch dunkel erinnern konnte. „Klingt gut.“ Es klingt fantastisch!

„Läuten Sie einfach am Tor. Irgendjemand wird Sie hereinlassen.“

„Wird gemacht.“ Nach dem Gespräch hielt sie den Hörer noch eine Weile an die Brust gedrückt, bis sie hörte, dass die Haustür geöffnet wurde. Wenn sie sich nicht irrte, war dieses kribbelnde Gefühl in ihrem Körper … Aufregung. Himmel, ihr ging es schlechter, als sie befürchtet hatte. Sie freute sich tatsächlich darauf, diesen Mann mit der sonoren Samtstimme kennenzulernen.

„Hallo, Schatz!“, rief ihre Mutter. „Wir sind wieder zu Hause.“

Mallory würde den Teufel tun und ihrer Mutter von ihren Gefühlen erzählen.

Stattdessen berichtete sie ihr von Dr. Talbots Anruf.

„Meine Güte, der ist aber auf Zack“, meinte Dorelle, während sie ihre Einkäufe auf den Küchentisch lud. „Ich hatte nicht damit gerechnet, so bald von ihm zu hören. Es ging wahrscheinlich um das Pferd?“

„Stimmt. Und danke, dass du mich vorher eingeweiht hast!“

Dorelle sah Mallory missbilligend an. „Der Gedanke kam mir ganz spontan, als der Arzt Edgar behandelte. Wie das manchmal eben so passiert. Ich wollte nicht hinter deinem Rücken handeln.“ Sie räumte ein paar Schachteln in den Schrank. Unvermittelt hielt sie inne. „Du hast hoffentlich nichts Dummes erzählt?“

Autor

Karen Templeton

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