Angelica ... mein Engel

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

In einem kleinen Cottage in Wales hofft die schöne Angelica, die Ruhe zu finden, die sie nach einem schmerzlichen Erlebnis so dringend braucht. Doch als sie mit letzter Kraft das romantische Haus erreicht, bricht sie zusammen: Lebensmittelvergiftung! Wie in einem Traum erlebt sie, dass sie von starken Armen hochgehoben, getragen und später von einem Mann liebevoll umsorgt wird. Wer ist das? Ihr Nachbar Daniel Forbes, der wie Angelica ganz bestimmte Gründe hatte, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Sich um diese betörende Frau zu kümmern, gibt Daniel einen Lebensinhalt, den er nach einem schweren Unfall verloren glaubte. Und als er Angelica zum ersten Mal küsst, ist ihm, als liebe er einen Engel ...


  • Erscheinungstag 08.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756765
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jetzt war es nicht mehr weit. Angelica war gerade durch das letzte Dorf auf Toms Liste gefahren, und seiner Beschreibung zufolge konnte der Weg, der zum Cottage führte, nur noch wenige Meilen entfernt sein.

Sie war froh, dass sie die lange Fahrt von London hierher nun fast hinter sich hatte, denn sie war völlig verspannt, und ihr brannten die Augen vor Müdigkeit. Müdigkeit … Angelica lächelte zynisch. Wenn ihr jemand vor achtzehn oder sogar vor zwölf Monaten gesagt hätte, dass körperliche, geistige und vor allem seelische Erschöpfung einmal ihr ganzes Leben ausmachen würden, hätte sie laut gelacht. Zu der Zeit hatte sie allerdings auch noch nicht gewusst, was sie jetzt wusste – dass diese betäubende, zerstörerische Form der Erschöpfung, die Sehnsucht danach, einfach die Augen zu schließen, sich zusammenzurollen und zu schlafen, die gefährlichste Form der Depression war.

In den letzten achtzehn Monaten hatte sie viel gelernt, vielleicht sogar zu viel, jedenfalls vieles, das sie lieber nicht gewusst hätte. Sie hätte an das Sprichwort „Alter schützt vor Torheit nicht“ denken müssen, auch wenn sie mit achtundzwanzig eigentlich noch nicht alt war. In diesem Moment fühlte sie sich jedoch wie eine Achtundfünfzigjährige und nicht wie eine Frau, die angeblich in der Blüte ihres Lebens stand.

In der Blüte ihres Lebens. Wieder verzog Angelica den Mund. Dass sie immer noch Jungfrau war, behielt sie lieber für sich. Es war ihr wunder Punkt, denn viele Leute bewunderten und beneideten sie.

Sie hatte die krankende Firma ihres Vaters damals übernommen, weil sie keine andere Wahl hatte. Sie hatte gerade ihre Ausbildung bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beendet, als ihr Vater plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben war und ihre Mutter praktisch mittellos hinterlassen hatte.

Ihr Vater hatte eine kleine Kosmetikserie produziert, die ausschließlich per Post an einen kleinen Kundenkreis verschickt wurde. Eine Unterhaltung mit einer Freundin hatte sie auf die Idee gebracht, die gesamte Firma umzustrukturieren und Naturkosmetik zu vertreiben.

Für Marktforschung hatte sie keine Zeit gehabt. Sie hatte lediglich die Entscheidung getroffen und ihre Vorstellungen in die Tat umgesetzt.

Der durchschlagende Erfolg der Firma überraschte sogar sie. Aufgrund der starken Expansion hatte sie sogar in neue Fabrikgebäude investieren und zusätzliche Mitarbeiter einstellen müssen.

Und obwohl sie wie jeder Unternehmer unter enormem Druck stand, genoss sie die Herausforderung und brauchte sie auch. Wenn andere kapituliert hatten, hatte sie sie ausgelacht, wenn andere skeptisch gewesen waren, hatte sie an ihren Überzeugungen festgehalten.

Ihrer Mutter ging es inzwischen sehr gut. Sie lebte in einer eleganten Wohnung in Brighton. Sie, Angelica, besaß ein kleines, aber sehr wertvolles Haus in einer Seitenstraße in London, das wie die benachbarten Gebäude ein ehemaliges Kutscherhaus war. Den hübschen gepflasterten Innenhof, den man nur zu Fuß betreten konnte, nutzte sie zusammen mit den anderen Anwohnern.

An den warmen Sommerwochenenden frühstückten sie oft zusammen draußen. Bei einer dieser geselligen Zusammenkünfte war sie Giles zum ersten Mal begegnet. Er hatte vorübergehend in einem der Häuser gewohnt. Angeblich gehörte es seinen Freunden, die für sechs Monate in die USA gegangen waren.

Später hatte sie herausgefunden, dass es nicht stimmte. Es gehörte den Eltern seiner Exfreundin, und er hatte sich einfach geweigert, wieder auszuziehen. Giles hatte ein Talent dafür, die Tatsachen zu verdrehen, und naiv wie sie war, fiel sie auf seinen Charme herein.

Dass ihre Freunde sich genauso von ihm täuschen ließen, tröstete sie wenig. Sie nahmen sich ihrer an, nachdem sie die Wahrheit erfahren hatte, und bestürmten sie dermaßen, dass sie danach völlig durcheinander war und es nicht schaffte, ihren Kummer zu überwinden.

Und trotzdem hatte sie großes Glück gehabt. Wenn ihre Mutter sich nicht den Arm gebrochen hätte, bevor Giles und sie in den Urlaub in die Provence aufbrechen wollten, und sie an jenem Abend nicht noch einmal nach London zurückgekehrt wäre, um einige wichtige Unterlagen zu holen … Wenn Giles nicht so anmaßend gewesen wäre, nicht nur den Abend, sondern auch die Nacht mit einer anderen Frau zu verbringen, und sie diese Frau nicht in den frühen Morgenstunden aus seinem Haus hätte gehen sehen, hätte sie die Wahrheit vielleicht nie erfahren – oder erst, wenn es zu spät gewesen wäre.

Das Schlimmste war für sie gewesen, dass sie so vertrauensselig und naiv gewesen war zu glauben, er würde sie lieben, und sich nie gefragt hatte, warum ein so charmanter und gut aussehender Mann von siebenundzwanzig wie er sich für eine Frau wie sie interessierte – eine Frau, die nie Zeit gehabt hatte, das Leben zu genießen, die sich voll und ganz ihrer Karriere verschrieben hatte und für die ihre Verpflichtungen an erster Stelle standen.

Sie war dumm gewesen. Und es tröstete sie auch nicht, dass sie nicht die Erste war, die auf Giles hereingefallen war. Er hatte viele getäuscht und sich darauf verlassen, dass seine Opfer sich schämten und es daher für sich behielten.

Und genauso wenig half ihr die Erkenntnis, dass sie es bereitwillig ihm überlassen hatte, über den Verlauf ihrer Beziehung zu bestimmen. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt und fest daran geglaubt, dass er ihre Gefühle erwiderte und den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wollte. Im Urlaub in der Provence wollte sie das erste Mal mit ihm schlafen und Zukunftspläne mit ihm machen. Danach sollte die Hochzeit stattfinden.

Sie war so blind, dass sie seine Fehler einfach nicht wahrhaben wollte.

Tom wies sie sanft darauf hin, dass sie sich nicht die Schuld daran geben sollte. Jeder würde einmal so eine Phase durchleben, in der er besonders empfänglich für solche Dinge wäre. Sie hätte noch einmal Glück gehabt, weil das Schicksal sie vor Schlimmerem bewahrt hatte.

Als ihr Anwalt fühlte er sich verpflichtet, sie darauf hinzuweisen, dass es möglicherweise katastrophale Folgen für sie gehabt hätte, wenn sie Giles tatsächlich geheiratet hätte. Sie hätte einen großen Teil dessen, was sie sich erarbeitet hatte, verlieren können, wenn nicht sogar alles.

Die Erkenntnis, dass Giles sie für reich gehalten und sich daher mit ihr eingelassen hatte, war besonders bitter. Er hatte nicht sie, sondern die Firma gewollt. Er war nicht hinter ihr, sondern hinter ihrem Geld her gewesen.

Mit dieser beschämenden Erkenntnis und der, dass sie unglaublich naiv gewesen war, würde sie leben müssen. Einem Teenager konnte man es nachsehen, wenn dieser sich in einen Betrüger verliebte, aber eine Frau in ihrem Alter hätte es besser wissen müssen, hätte wissen müssen, dass … Was? Dass ein Mann sich unmöglich Hals über Kopf in eine Frau wie sie verlieben konnte, die lediglich ganz passabel aussah?

Selbst jetzt konnte sie nicht begreifen, wie es so weit hatte kommen können. Angelica schauderte, als sie daran dachte, was sie alles aufs Spiel gesetzt hatte – nicht nur ihre Zukunft, sondern auch die ihrer Mutter und die ihrer Angestellten. Und wofür? Für das bedeutungslose Lächeln und die noch bedeutungsloseren Schmeicheleien eines Mannes, der sie von Anfang an nur benutzt hatte.

War sie so unsicher, so verletzlich, so hungrig nach Liebe, dass sie Giles nicht durchschaut hatte? War sie so leichtgläubig, dass sie ihm tatsächlich geglaubt hatte, als er ihr seine Liebe beteuerte und sagte, er wolle sie heiraten? Warum hatte sie kein Misstrauen geschöpft und sein Verhalten nicht infrage gestellt?

Weil ihr nie in den Sinn gekommen war, dass ein Mann sie nur aus finanziellen Gründen interessant finden könnte.

Das tat am meisten weh, wie Angelica sich eingestehen musste. Dass sie dumm genug gewesen war, an seine Liebe zu glauben, während Giles sich über ihre Naivität amüsierte. All die Lügen darüber, dass das erste Mal perfekt sein sollte und er mit ihr irgendwohin fahren wollte, wo er sie ganz für sich haben konnte. Und die ganze Zeit hatte er schon mit einer anderen geschlafen.

In New York engagierten Frauen Privatdetektive, um ihre Freunde überprüfen zu lassen. Bisher hatte sie diese Frauen für zynisch und kaltblütig gehalten. Nun war sie sich dessen nicht mehr so sicher.

Sich mit der Erkenntnis auseinanderzusetzen, dass sie sich so zum Narren gemacht hatte, war sehr schwer für sie gewesen. Schonungslos hatte sie sich mit ihren Schwächen konfrontiert und sich vor Augen geführt, dass ihre Sehnsucht nach Liebe sie beinah ihre Selbstachtung gekostet hätte.

Vor ihrer Begegnung mit Giles war sie mit ihrem Leben rundum zufrieden gewesen.

Ehe, Kinder – das waren geheime Träume gewesen, die sie im Stillen gehegt hatte. Sie hatte die Beziehungen ihrer Freunde miterlebt und festgestellt, wie schwer es war, in dieser hektischen Zeit Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, und sich vorgenommen, vielleicht irgendwann einmal eine Vernunftehe mit einem netten Mann einzugehen, der ihren Wunsch nach Kindern und Beständigkeit teilte. Die wilden Affären einiger ihrer Freundinnen hatte sie eher amüsiert als neidisch mitverfolgt, denn ihrer Meinung nach kosteten derart intensive Beziehungen viel zu viel Kraft und Zeit.

Und dann war sie Giles begegnet, und er hatte ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Daran war sie natürlich nicht unschuldig gewesen.

Jedenfalls bezahlte sie nun dafür.

„Seelische und körperliche Erschöpfung“, lautete die Diagnose des Arztes für ihre Beschwerden. Sie hatte das Gefühl, dass sie ein ganz anderer Mensch war und nur noch funktionierte.

Ihre Freunde hatten entsetzt reagiert, und das Wort Burn-out-Syndrom war mehrfach gefallen. Niemand war so taktlos gewesen zu sagen, dass sie an gebrochenem Herzen litt, zumal Giles und sie sich bereits vor zwölf Monaten getrennt hatten. Moderne Frauen ließen sich nicht das Herz brechen, sie waren viel zu vernünftig und viel zu erfahren. Sie wogen die Vor- und Nachteile gegeneinander ab, bevor sie eine Beziehung eingingen, und verschwendeten keine Zeit mit Partnerschaften, die ihnen nichts brachten. Wäre sie bloß auch diesem Beispiel gefolgt! Aber hatte sie es nicht getan? Und sie hatte nicht nur mit ihrem Kummer und ihrem verletzten Stolz klarkommen müssen, sondern auch mit der Erkenntnis, dass sie nicht die Frau war, für die sie sich immer gehalten hatte. Sie war nicht klug und lebenserfahren, sondern genauso verletzlich wie ihre Geschlechtsgenossinnen, wenn es um tiefe Gefühle und Bedürfnisse ging.

Und deswegen gönnte sie sich auf den Rat ihres Arztes hin auch diese Atempause. Tom, der nicht nur ihr Anwalt, sondern auch einer ihrer besten Freunde war, hatte ihr sein Cottage in Pembrokeshire zur Verfügung gestellt. Er hatte es erst kürzlich von einem Onkel geerbt.

„Es liegt sehr einsam. Das nächste Dorf ist fünf Meilen entfernt, aber die Landschaft ist wunderschön. Ich wollte es eigentlich verkaufen, aber als ich es gesehen habe … Na ja, ich habe beschlossen, es zu behalten, und du kannst so lange darin wohnen, wie du willst, Angelica.“

Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sie keine Invalidin sei und es nicht brauche, dass sie nichts und niemanden brauche. Doch es wäre gelogen gewesen. Sie sehnte sich danach, sich irgendwo zu verkriechen, wo sie ihre Wunden lecken und sich wieder erholen konnte.

Paul Lyons, ihr Stellvertreter, würde während ihrer Abwesenheit die Geschäfte führen. Bei ihm brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, denn er war sehr kompetent.

Sie liebte Giles nicht mehr. Wie hätte sie auch noch etwas für ihn empfinden können? Der Mann, den sie zu lieben geglaubt hatte, hatte nie existiert. Trotzdem klopfte ihr Herz immer schneller, wenn sie einen blonden Mann mit blauen Augen sah. Trotzdem schreckte sie nachts immer noch weinend aus dem Schlaf. Trotzdem hatte sie nach wie vor das Gefühl, dass jeder ihr ansah, wie naiv sie gewesen war.

Tom hatte recht. Sechs Wochen allein und weit weg von London war wahrscheinlich genau das, was sie brauchte, um die Dinge wieder nüchtern zu betrachten und ihre frühere Energie und Entschlusskraft zurückzugewinnen.

Tom und sie hatten am Vortag zusammen zu Mittag gegessen. Danach hatte er sie nach Hause begleitet – um die Fahrtroute noch einmal mit ihr durchzugehen, wie er behauptet hatte. Allerdings war ihr klar gewesen, dass er sich Sorgen um sie machte. Darüber hatte sie sich gefreut. Tom und sie waren schon sehr lange befreundet. Ihre Mutter war ganz begeistert von ihm und deutete oft an, dass sie ein gutes Paar abgeben würden. Aber ihre Freundschaft war rein platonisch. Tom hatte sich vor Kurzem erst verliebt, und sie, Angelica, fand seine neue Freundin sehr sympathisch.

Sie hatte die Fahrt in Ludlow unterbrochen, um sich die Stadt anzusehen und etwas zu essen. Vielleicht hätte sie sich nicht so viel Zeit lassen dürfen, denn es war bereits dunkel und die Landstraße unbeleuchtet. Angelica fuhr langsam, um die Abzweigung nicht zu verpassen, und war froh darüber, dass sich kein anderes Fahrzeug hinter ihr befand.

Allmählich wurde sie nervös, und das nicht nur, weil es spät und sie müde war. Seit einigen Meilen war ihr richtig übel, und sie hatte Magenschmerzen. Offenbar war das Essen in Ludlow nicht in Ordnung gewesen.

Seit ihrer Trennung von Giles hatte sie fast sechs Kilo abgenommen. Ihre Freunde hatten sie in letzter Zeit darauf hingewiesen, dass sie nicht zu wenig essen sollte, und für ihre einssiebzig wog sie definitiv zu wenig. Die meisten Sachen waren ihr inzwischen zu weit, sie hatte Ringe unter den Augen, und ihr ehemals seidiges schwarzes Haar wirkte richtig stumpf.

Sie hatte sich fest vorgenommen, in diesen sechs Wochen wieder fit zu werden, indem sie viel spazieren ging und sich vernünftig ernährte, kurzum einfach, aber gesund lebte.

Tom hatte sie gewarnt, dass das Cottage spartanisch ausgestattet war. Dieser Sommer war jedoch warm, und sie war sehr erleichtert gewesen bei der Aussicht, irgendwo allein zu leben, wo niemand von ihr erwartete, dass sie die weltgewandte, selbstgenügsame Karrierefrau spielte.

Das ist das Problem, wenn man eine Frau ist, überlegte Angelica benommen. Wir sind von Natur aus nicht selbstgenügsam, sondern sehnen uns danach, alles zu teilen und andere zu bemuttern.

Zu spät sah sie die Abzweigung und musste daher umdrehen. Es schien ihr, als hätte sie Watte im Kopf, und ihr Magen …

Während sie den von hohen, mit Hecken bewachsenen Wällen gesäumten Weg entlangfuhr, betete sie, dass sie es noch bis zum Cottage schaffte, bevor ihr Magen rebellierte …

Kalter Schweiß brach ihr aus, doch als sie um die nächste Biegung fuhr und das niedrige, aus Steinen erbaute Cottage im Scheinwerferlicht auftauchte, atmete sie erleichtert auf. Es war viel größer, als sie erwartet hatte. Spielte ihre Fantasie ihr einen Streich, oder hatte es tatsächlich zwei Haustüren? Und was machte die Hecke in der Mitte des Vordergartens?

Als Angelica den Wagen stoppte, stellte sie fest, dass es sich um eine Art Doppelhaus handelte. Das hatte Tom ihr gar nicht gesagt. Flüchtig dachte sie daran, als sie plötzlich heftige Magenkrämpfe bekam.

Sie riss die Tür auf und schaffte es gerade noch, aus dem Wagen zu springen, bevor sie sich übergeben musste.

Zitternd und von Krämpfen geschüttelt, stand sie da und hoffte, dass sie es bis ins Cottage schaffte, bevor eine neue Welle der Übelkeit sie übermannte. Allerdings war weit und breit niemand zu sehen. In keiner der beiden Haushälften brannte Licht, und das einzige Geräusch, das zu hören war, waren ihre Zähne, die aufeinander schlugen. Sie war allein – ganz allein …

Langsam richtete Angelica sich auf. Sie fühlte sich zwar ganz schwach, aber übel war ihr nicht mehr.

Schnell holte sie ihre Handtasche aus dem Wagen und nahm den großen, altmodischen Schlüssel für das Cottage heraus. Ohne den Wagen abzuschließen, öffnete sie die Holzpforte und eilte den Weg zur Haustür entlang.

Ihre Hand zitterte, als Angelica den Schlüssel ins Schloss steckte. In dem Moment fühlte sie sich wieder ganz schwach, ihr Magen krampfte sich zusammen, und kalter Schweiß brach ihr aus. Die Schmerzen übermannten sie, und sie ließ den Schlüssel fallen und hielt sich den Bauch.

Mit einem Aufschrei sank sie vor dem Cottage zusammen. Dabei nahm sie benommen wahr, dass irgendwo in der Ferne ein Motorengeräusch verstummte. Sie war allerdings viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um weiter darauf zu achten.

Erneut musste sie sich übergeben. Sie kauerte auf dem Boden, die Tränen liefen ihr übers Gesicht, und sie kämpfte gegen die erneut aufsteigende Übelkeit, als sie eine Männerstimme hinter sich gereizt fragen hörte: „Was, zum Teufel, ist hier los?“

Schließlich wandte sie den Kopf, zu erschöpft, um seine Ankunft oder seinen Zorn infrage zu stellen. In dem Moment schien dem Mann klar zu werden, wie schlecht es ihr ging, denn er kniete sich neben sie und sagte, diesmal wesentlich freundlicher: „Schon gut. Nein, bewegen Sie sich nicht. Was ist los? Haben Sie eine Lebensmittelvergiftung?“

Die Magenkrämpfe wurden heftiger. Angelica nickte nur, dann hatte sie keine Kraft mehr, dagegen anzukämpfen. Sie nahm nur noch wahr, wie jemand sie hochhob und mit ihr redete, und dann wurde es dunkel um sie her.

2. KAPITEL

Widerstrebend öffnete Angelica die Augen und zuckte zusammen, als grelles Licht sie blendete. Also schloss sie sie wieder. Sie war so erschöpft, dass sie es nicht einmal schaffte, den Kopf zum Licht zu drehen …

Sie fühlte sich seltsam benommen … völlig ausgelaugt. Und sie erinnerte sich nur bruchstückhaft. Am deutlichsten war die Erinnerung an einen unerträglichen Schmerz.

Ihr war so übel gewesen wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie hatte sich die Seele aus dem Leib gespuckt und solche Magenkrämpfe gehabt, dass sie geglaubt hatte, sterben zu müssen. Und sie hatte es sich sogar gewünscht …

Sie erinnerte sich daran, dass sie es gesagt hatte, und sie erinnerte sich an eine Stimme, die ihr nicht vertraut gewesen war und die sie davor gewarnt hatte, die sie getröstet hatte, während Hände, die ihr genauso wenig vertraut waren, über ihren Bauch strichen, um ihre Schmerzen zu lindern.

Wem hatten diese Hände und diese Stimme gehört? Einem Arzt? Angelica krauste die Stirn, während sie zu ergründen versuchte, warum ihr diese Vorstellung überhaupt nicht gefiel. Wenn es kein Arzt gewesen war, wer dann?

Höchstwahrscheinlich ein Fremder. Und seltsamerweise hatte es ihr keine Angst gemacht, sondern sie irgendwie getröstet. Hätte sie ihn gekannt, hätte sie sich womöglich verpflichtet gefühlt, so zu tun, als würde sie seine Hilfe nicht brauchen, und sich niemals von ihm berühren lassen, wo er sie berührt hatte. Stattdessen hatte sie sich dankbar seiner Fürsorge überlassen, und er hatte beruhigend auf sie eingeredet und ihr versichert, er wüsste, was sie durchmachte.

Je mehr sie sich bemühte, einen klaren Gedanken zu fassen, desto schwerer fiel es ihr. Sie wusste nicht einmal, wo sie war …

Doch, sie wusste es. Sie war in Wales … in Pembrokeshire. Sie war hierher gekommen, um auszuspannen. Angelica verzog den Mund. Es war typisch für sie, diese Auszeit mit einer Lebensmittelvergiftung zu beginnen, die so stark war, dass sie sich kaum noch an die letzten Tage erinnern konnte.

Sie wusste noch, dass sie beim Cottage eingetroffen war. Also musste sie dort sein, oder? Das Schlafzimmer, in dem sie sich befand, hatte schräge Wände, und durch das Fenster sah man in der Ferne die Hügel. Das schmiedeeiserne Bett war altmodisch und so hoch, dass sie mit den Füßen nicht auf den Boden kam.

Angelica krauste die Stirn. Woher wusste sie das? Dunkel entsann sie sich, dass ihr wieder übel gewesen war und sie aufstehen wollte, um ins Bad zu stürzen. Jemand hatte sie daran gehindert und wieder ins Bett gebracht …

Es war seltsam, dass sie erst jetzt peinlich berührt war, denn in dem Moment war sie es nicht gewesen. Fast als wäre dieser Mann, wer immer er sein mochte, so distanziert und nüchtern gewesen und so Herr der Lage, dass sie vor Erschöpfung einfach nachgegeben und alles ihm überlassen hatte.

Entsetzt machte sie sich klar, dass sie diesem Fremden so nahe gekommen war, wie es bei Giles nie der Fall gewesen war. Natürlich hatte sie nicht mit ihm geschlafen, doch es war eine Intimität gewesen, die sie noch verletzlicher gemacht hatte. Und trotzdem hatte sie sich in dem Augenblick nicht verletzlich gefühlt … Sie war ihm nur dankbar gewesen. Und sie erinnerte sich daran, dass sie irgendwann versucht hatte, ihm zu danken, aber er hatte nichts davon hören wollen. Wo mochte er jetzt sein? War er weggefahren? Hatte er sie allein gelassen?

Aus irgendeinem Grund geriet Angelica bei der Vorstellung in Panik. Ohne nachzudenken, schlug sie die Steppdecke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und stellte dabei fest, dass sie tatsächlich nicht mit den Füßen auf den Boden kam – und dass sie nicht ihr langes, braves Nachthemd, sondern offenbar ein Männerhemd trug.

Und es waren gerade so viel Knöpfe zugeknöpft, dass es nicht unanständig wirkte. Als hätte derjenige, der es ihr angezogen hatte, gewusst, dass sie sich beim Aufwachen an die intime Atmosphäre erinnern würde, und als wollte er ihr zu verstehen gegeben, dass er ihr Bedürfnis nach Privatsphäre verstand und respektierte. Als wollte er ihr versichern, dass er keine Hintergedanken gehegt hatte, als er sie nackt sah. Als hätte er gewusst, wie schockiert sie wäre, wenn sie sich daran erinnerte, wie er ihr geholfen, sie getragen und gebadet hatte.

Plötzlich wurde ihr heiß, und das Blut schoss ihr ins Gesicht. Sie wollte sich nicht daran erinnern. Er hatte ihr geholfen, und sie war ihm dafür dankbar. Doch nun, da sie wieder sie selbst war …

Angelica stellte die Füße auf den Boden und stand auf, oder besser gesagt, sie versuchte es. Ungläubig stellte sie fest, dass die Beine ihr den Dienst versagten.

Sie sank zu Boden und schaffte es gerade noch, sich am Bett festzuhalten.

Dann flog die Tür auf, und ein Mann kam herein. Er humpelte leicht und betrachtete sie mit finsterer Miene. Sein Haar war feucht und zerzaust, als hätte er es gerade frottiert, und er war unrasiert. Die Jeans, die er trug, schienen ein wenig weit zu sein, als hätte er vor Kurzem abgenommen.

Als er sich bückte, um ihr hochzuhelfen, stieg ihr der Duft seines Duschgels in die Nase. Offenbar kam der Mann gerade aus dem Bad.

„Ich schaffe das allein“, sagte sie verlegen, als er sie kurzerhand hochhob und dann aufs Bett legte.

Der Blick, den er ihr zuwarf, sprach Bände und ließ sie erröten. Sie stand ohnehin schon tief in seiner Schuld.

Es war unfair, dass ihr so etwas passierte, nachdem sie gerade beschlossen hatte, von nun an unabhängig zu bleiben und keine Bindungen mehr einzugehen.

Allerdings waren nicht alle Männer wie Giles. Da war zum Beispiel Tom, der ihr seit Jahren ein so guter Freund war. Oder Paul, ihr Stellvertreter, dem sie bedingungslos vertraute und der seine Zuneigung, genau wie Tom, oft unter Beweis gestellt hatte.

Das war jedoch der Unterschied zwischen ihrer Beziehung zu ihnen und der katastrophalen Partnerschaft mit Giles. Sie waren Freunde – keine potenziellen Liebhaber.

Vielleicht gehörte sie zu den Frauen, die besser daran taten, wenn sie nur platonische Freundschaften mit Männern aufbauten. Die bei Männern eher Beschützerinstinkte als leidenschaftliche Liebe weckten.

Plötzlich wurde Angelica bewusst, dass der Mann sie losgelassen hatte und sich jetzt stirnrunzelnd über sie beugte.

Er hat schöne Arme, überlegte sie, kräftig, aber nicht zu muskulös. Seine Haut war tief gebräunt, als würde er im Freien arbeiten.

Autor

Penny Jordan

Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...

Mehr erfahren