Der Sexratgeber

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Kapitel eins: Küsse. Kapitel zwei: Petting…Der Journalist Luke begleitet Cheryl zur Hochzeit ihres Exverlobten. Bedingung; Sie mit ihm einen neuen Erotikratgeber ausprobieren, der bei genauem Befolgen den besten Sex der Welt verspricht. Nur ein frivoles Spiel? Oder der Beginn einer großen Liebe?


  • Erscheinungstag 25.10.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753726
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cheryl Wilson hätte dem Postboten, der für ihr Apartmentgebäude auf dem Capitol Hill von Seattle zuständig war, am liebsten einen Kuss gegeben. Der Mann musste an einer Leseschwäche leiden, denn er hatte wieder einmal ihre Post verwechselt.

Zwischen den Briefen für C. Wilson, Apartment 325, steckte ein dicker Umschlag, der an L. Lawson, Apartment 235, adressiert war, der ihr wieder mal einen guten Vorwand bot, bei dem attraktiven Mr. Lawson zu klingeln. Aufgeregt wie ein frisch verliebtes Schulmädchen drückte sie das Päckchen an sich.

Okay, sie war kein Schulmädchen, sondern eine Lehrerin, die sich verknallt hatte. Es überlief sie heiß und kalt, wenn sie ihren Nachbarn aus dem Apartment unter ihr nur sah. Sein charmantes Lächeln, sein hoch gewachsener Körper und das Funkeln in seinen grünen Augen ließen einen fabelhaften Liebhaber erahnen …

Schon seit Monaten wurde ihre Post vertauscht. Inzwischen wusste sie, dass er keinen Mitbewohner hatte, und da sie auch noch nie eine Frau bei ihm gesehen hatte, war anzunehmen, dass er noch Single war. So wie sie selbst auch.

Das Schicksal oder vielmehr ihr Postbote hatte sie wiederholt zusammengeführt, und es hatte auch vom ersten Augenblick an zwischen ihnen geknistert. Oder zumindest dachte Cheryl, dass es so war. Die letzten Male, als Luke ihr mit strubbeligem Haar und unrasiert die Tür geöffnet hatte, war sein Blick so intim gewesen, als hätten sie sich gerade erst geliebt. Unglaublich, was die halb geschlossenen Augen dieses Mannes mit dem Blutdruck einer Frau anstellen konnten!

Aber wenn es gegenseitig war, warum hatte er dann bei ihren Postaustauschaktionen noch nie versucht, sie besser kennen zu lernen?

Vielleicht sollte sie die Sache selbst in die Hand nehmen und ihn wissen lassen, dass er ihr gefiel und dass auch sie allein war. Sehr allein sogar. Der einfachste Weg, ihm diese Botschaft zu vermitteln, wäre, ihn zu einem Kinobesuch oder zum Essen einzuladen. Nichts allzu Intimes, ein simples Treffen nur, das ihnen die Möglichkeit geben würde, sich besser kennen zu lernen.

Sie würde ihm die Post hinunterbringen und dann beiläufig bemerken: „He, ich wollte gerade einen Happen essen gehen. Warum kommen Sie nicht mit, wenn Sie gerade nichts zu tun haben?“

Wenn er ablehnte, würde sie wissen, wo sie stand, und konnte die pubertären Fantasien, die sie neuerdings plagten, ein für alle Mal vergessen.

Cheryl stellte ihre Einkäufe auf den Tisch und hob Lukes Päckchen auf. Ja, sie würde es einfach mal probieren und ihn fragen, ob er mit ihr ausgehen wollte.

Heute Abend noch.

Ein kurzer Blick in den Spiegel brachte ihr in Erinnerung, dass es kein Spaziergang war, einer Bande von High-School-Schülern Englischunterricht zu geben. Ohne vorher zu duschen, konnte sie nirgendwohin gehen. Und während sie sich einseifte, beschloss sie, sich auch noch rasch die Beine zu rasieren.

Dann putzte sie sich die Zähne, brachte ihr Haar in Ordnung und erneuerte ihr Make-up, bevor sie ins Schlafzimmer ging. Dort griff sie nach einer Jeans, die sie jedoch rasch wieder zurücklegte. Sie konnte die ewigen Jeans nicht mehr sehen.

Ihr Blick fiel auf einen frechen kurzen Rock. Dazu noch ein eng anliegendes Top in ihrer Lieblingsfarbe Dunkellila, lange Ohrhänger und fertig. Bevor sie jedoch ihre hochhackigen Sandaletten aus dem Schrank nehmen konnte, hielt sie wieder inne. Sie wollte schließlich nicht den Eindruck machen, als hätte sie sich speziell für Luke herausgeputzt …

Also doch lieber die Birkenstock-Sandalen. Ja, die vermittelten genau das Richtige. Sie nahm Lukes Päckchen und wollte schon gehen, als sie einen Fleck auf ihrem Rock entdeckte.

Zurück ins Bad. Aber wo war die Seife? Sie brauchte ein neues Stück, und das war irgendwo im Schrank unter dem Waschbecken. Auf den Knien liegend, kramte sie darin herum und fand die Seife schließlich auch. Sie nahm noch einen frischen Waschlappen mit heraus und richtete sich wieder auf.

Oh nein!

Der verflixte Wasserhahn war schon wieder undicht. Das austretende Wasser hatte sich am Beckenrand gesammelt und Lukes Päckchen an einer Ecke ganz durchnässt. Cheryl hob es auf und zupfte an dem feuchten Ende. Das braune Papier war durchweicht, aber sein Inhalt konnte in solch kurzer Zeit unmöglich nass geworden sein. Es fühlte sich an, als wäre es ein Buch.

Das Beste war, es so schnell wie möglich Luke zu geben. Um den Fleck auf ihrem Rock würde sie sich später kümmern. Cheryl nahm ihre Schlüssel, ihre Tasche und das Päckchen und stürmte die Treppe zu Lukes Apartment hinunter.

Sekunden später stand sie vor seiner Tür und keuchte, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Rasch atmete sie ein paar Mal durch und klopfte an.

Nichts rührte sich.

Da er sonst immer zu Hause war, war sie gar nicht auf die Idee gekommen, er könnte nicht da sein. Aus ihren kurzen Gesprächen wusste sie, dass er als freiberuflicher Journalist arbeitete. Aber als sie noch einmal anklopfte, öffnete er dann doch die Tür.

Und wie immer schlug Luke Lawsons erotische Ausstrahlung sie voll und ganz in ihren Bann. Er war der aufregendste Mann, den Cheryl je gesehen hatte, und sein Sexappeal beeindruckte sie immer wieder aufs Neue. Wann immer sie Luke sah, begann ihr Herz verrückt zu spielen, und ihr Mund wurde ganz trocken.

Auch jetzt durchflutete sie ein wohliges Prickeln, und ihr Körper schien vor Lebendigkeit zu vibrieren, als sie Luke ansah. Und das lag nicht nur an dem Glitzern seiner grünen Augen, das auf Intimitäten hinzudeuten schien, zu denen es noch nie gekommen war. Es war auch nicht die Kerbe in seinem Kinn oder das zerzauste dunkelbraune Haar, das Cheryl an im Bett verbrachte Samstagvormittage denken ließ, oder seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust. Nein, es war mehr die Art, wie sich alle Elemente seiner Erscheinung zu einem geradezu perfekten Bild zusammenfügten.

Er lächelte, als er sie und das Päckchen sah, das sie ihm reichte. „Sag bloß, er hat’s schon wieder getan?“

Cheryl verkniff sich ein Grinsen, als sie ihm den Umschlag gab. Luke klang nicht, als wäre er verärgert über die Verwechslung. Tatsächlich schien er sogar ebenso erfreut zu sein wie sie. „Ja. Schon wieder.“

Lukes Blick glitt langsam über ihren Körper, worauf ihr Puls so wild zu pochen begann, dass sie ihn in ihren eigenen Ohren hörte. „Du siehst toll aus“, sagte er. „Hast du etwas vor?“

Das war genau das richtige Stichwort. Mit bemüht gleichgültiger Miene blickte sie an sich herab. „Ach nein, nichts Besonderes. Eigentlich fragte ich mich sogar …“

Weiter kam sie nicht. Ein leises Rascheln, gefolgt von einem dumpfen Aufprall, ließ sie innehalten. Das Buch war aus dem nassen Kuvert gefallen und lag nun auf dem Boden.

Es war ein Taschenbuch mit einem scheußlichen Einband in Rot und Schwarz mit einem so riesengroßen Titel, dass sie ihn von der anderen Straßenseite hätte lesen können.

Sex für absolute Blindgänger: Wie man’s richtig macht.

Cheryl konnte nicht aufhören, das Buch und seine aufdringliche Botschaft anzustarren. Zu ihrem eigenen Ärger errötete sie sogar. Das war doch gar nicht möglich. Wenn Luke sich ein Buch wie dieses schicken ließ … konnte das doch nur bedeuten … Nein, unmöglich!

Sie starrte das Buch an, als könnte sein Titel sich vom bloßen Hinsehen in Ratgeber für Heimwerker oder Finanzplanung für Anfänger verwandeln. Aber sie konnte hinsehen, soviel sie wollte, es änderte sich nichts.

Was für eine Enttäuschung! Sie wusste nicht, was ihr peinlicher war: dass Luke einen Ratgeber für Sex benötigte oder dass sie hinter sein trauriges Geheimnis gekommen war. Sie wusste nur, dass ihr Gesicht mindestens so rot war wie der Einband dieses Buchs.

Schließlich riskierte sie einen Blick auf Luke und stellte fest, dass er über das lädierte Kuvert strich und sogar noch heftiger errötet war als sie.

„Tut mir leid“, sagte sie rasch. „Das war meine Schuld. Das Kuvert ist nass geworden. Ich hatte es nur kurz aufs Waschbecken gelegt, aber mein Wasserhahn ist undicht …“

„Ich …“ Luke räusperte sich. „Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber das Buch ist für einen Freund.“

„Es stand deine Adresse drauf“, erinnerte sie ihn.

Luke seufzte. „Das ist richtig.“

Die Situation wurde von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. Die Enttäuschung lag Cheryl wie ein bleiernes Gewicht im Magen. Und dabei hatte sie nicht mal vorgehabt, mit ihm ins Bett zu gehen, denn schließlich kannte sie den Mann ja kaum. Angesichts der knisternden Spannung zwischen ihnen hatte sie die Möglichkeit jedoch natürlich auch nicht ausgeschlossen.

Aber jetzt hatte sie das Gefühl, dass ihre Fantasie mit ihr durchgegangen war und ihn zu einem Traummann gemacht hatte, der er überhaupt nicht war. Nicht, dass das ein Problem für sie gewesen wäre. Er war trotz allem noch ein netter Mann.

Es war eben nur so, dass es ihr den ganzen Spaß verdarb zu wissen, dass er einen Sexratgeber benötigte. Es war, als öffnete man einen wunderhübsch verpackten Karton Pralinen und fände darin nur billige Schokolade. Als ginge man ins Theater, um Kenneth Branagh den Hamlet spielen zu sehen, und müsste dann feststellen, dass ein drittklassiger Schauspielschüler seinen Part übernommen hatte. Als nähme man ein Buch zur Hand und …

Ach, vergiss es, sagte sie sich. So weltbewegend war ihre Entdeckung schließlich auch nicht. Nur eben sehr enttäuschend. Und mit jeder peinlichen Sekunde, die verstrich, wurde ihr Drang, zu flüchten, stärker.

„Na ja.“ Cheryl zwang sich zu einem Lächeln. „Ich muss jetzt gehen. Ich habe noch etwas vor.“ Lukes Blick erinnerte sie daran, dass sie gerade noch behauptet hatte, nichts Besonderes vorzuhaben. Und sogar drauf und dran gewesen war, ihn zu irgendetwas einzuladen. Verdammt. Ihr benebelter Verstand fand keinen eleganten Ausweg aus dieser unangenehmen Situation. „Na ja, ich denke, ich gehe jetzt besser.“

Er räusperte sich wieder. „Klar. Danke für das Päckchen.“

„Gern geschehen!“, rief sie über ihre Schulter und stürmte auch schon davon.

Luke sah seiner hübschen und offenkundig sehr verwirrten Nachbarin hinterher, als sie zur Treppe lief, und fragte sich, wie der Abend wohl geendet hätte, wenn das Kuvert nicht ausgerechnet in diesem Moment zerrissen wäre.

Er schüttelte den Kopf über die Launen des Schicksals und des amerikanischen Postdienstes, als er die Tür zuzog und sich bückte, um das Buch aufzuheben. Der Einband war unseriöser, als er ihn sich vorgestellt hatte, aber er sprang auf jeden Fall ins Auge.

Er strich über den Titel Sex für absolute Blindgänger: Wie man’s richtig macht von Lance Flagstaff, hob den dicken Wälzer auf und schlug sich vor den Kopf. „Das war ein denkbar miserables Timing, Lance!“ Denn sein Instinkt verriet ihm, dass er heute Abend drauf und dran gewesen war, ein Date zu haben, bis Lance Flagstaff uneingeladen erschienen war.

Verdammt. Da er seinen neuesten Artikel für ein Männermagazin bereits abgeschickt hatte und er ausnahmsweise mal keine dringenden Abgabetermine hatte, hätte er heute Abend wirklich gern einen draufgemacht. Und er konnte sich keine bessere Gesellschaft vorstellen als Cheryl Wilson aus Apartment 325 … die Belohnung, die er sich selbst versprochen hatte, wenn er seine Abgabetermine hinter sich gebracht hatte.

Luke stöhnte vor Enttäuschung, weil er wusste, dass sich die Gelegenheit zu einem Abend mit Cheryl so schnell nicht wieder bieten würde. Dafür hatte Lance gesorgt.

Natürlich hätte er auch allein ausgehen können, aber plötzlich hatte er absolut keine Lust mehr, seine Wohnung zu verlassen. Und so holte er sich ein Bier aus der Küche und machte es sich auf der Couch bequem, um in seinem neuen Buch zu schmökern.

Sein Magen zog sich zusammen bei dem Gedanken an das Gesicht, das Cheryl gemacht hatte, als sie den Titel seines Buches sah. Nun hatte er einen Eindruck bei ihr hinterlassen, den sie nie wieder vergessen würde. Leider war es nicht der, den er sich eigentlich erhofft hatte. Jedenfalls wollte er ganz gewiss nicht wie ein Mann dastehen, der ein Buch zu Rate ziehen musste, um eine Frau ins Bett zu kriegen.

Warum hatte er ihr nicht einfach die Wahrheit gesagt? Wäre das so schwer gewesen?

Er konnte doch eigentlich sogar stolz sein auf sein erstes Buch. Es war zwar nicht der Roman, den er immer hatte schreiben wollen, aber immerhin ein richtiges Buch. Er hätte Cheryl sagen können, dass er Lance Flagstaff war, und dann hätten sie zusammen darüber lachen können, wie viel Spaß er beim Erfinden dieses albernen Pseudonyms gehabt hatte.

Im Grunde widerstrebte es ihm jedoch, jemandem von seinem kleinen Geheimnis zu erzählen. Denn obwohl er den Ratgeber geschrieben hatte, war er nicht wirklich davon überzeugt, dass ein Mann durch das Lesen eines Buchs ein besserer Liebhaber werden konnte.

Guter Sex war seiner Ansicht nach keine Frage des Lesens, sondern der Übung und der Praxis. Luke hatte bei jeder Frau, mit der er zusammen gewesen war, etwas dazugelernt. Und er hatte die Feststellung gemacht, dass körperliche Liebe immer einzigartig war, wie auch die Kombination aus Körpern, Vorlieben und Erfahrungen immer wieder neu war. Wie könnte man das alles auf ein paar hundert Seiten erklären?

Wie sollte er dem Leser verständlich machen, dass es nichts Sinnlicheres oder Aufregenderes gab, als eine Frau zu bitten, ihm zu zeigen, wie sie berührt werden wollte, und ihr dann das größtmögliche Vergnügen zu bereiten. Und wenn eine Frau sich genauso offen nach seinen Vorlieben erkundigte, war er nur zu gern bereit, ihr zu verraten, was ihn glücklich machte.

Er hatte Seminare besucht und an Programmen teilgenommen, von denen einige nicht sehr seriös gewesen waren und andere ungeheuer wissenschaftlich, hatte bei seiner Recherche zahllose Bücher gelesen und genügend sexuell aktive Männer und Frauen interviewt, um ein kleines Land mit ihnen zu bevölkern. Und durch all das hatte Lance sich einen Ruf als Experte für Sex erworben.

Aber konnte ein Buch einen wirklich lehren, ein guter Liebhaber zu sein?

Die Frage hatte ihn schon während der Recherche und auch während des Schreibens geplagt und beunruhigte ihn immer noch. Schade, dass es keine Möglichkeit gab, herauszufinden, ob das in seinem Buch beschriebene Programm tatsächlich funktionierte.

Er wollte es schon wieder beiseite legen, als er sich plötzlich an Cheryls Gesichtsausdruck erinnerte, als sie den Titel seines Buchs gelesen und erkannt hatte, worum es darin ging.

Moment mal, dachte er. Vielleicht gab es ja doch einen Weg, das Buch zu testen. In seiner kolossalen Arroganz hatte er nie die Möglichkeit bedacht, dass eine Frau tatsächlich glauben könnte, er brauchte einen sexuellen Ratgeber, geschweige denn, dass sie sogar bereit sein könnte, ihm beizubringen, wie man guten Sex hatte.

Doch heute Abend hatte sein angeschlagenes Ego miterleben müssen, dass das durchaus möglich war. Cheryl Wilson hatte die Flucht ergriffen, weil sie dachte, er, Luke Lawson, habe sich ein Lehrbuch über Sex bestellt.

Doch kaum hatte er diese Kränkung überwunden, kam ihm ein ausgesprochen reizvoller Gedanke.

Wann immer seine Nachbarin und er sich sahen, knisterte es zwischen ihnen. Er hatte öfter an sie gedacht, als er es angesichts seines letzten knappen Abgabetermins hätte tun sollen. Aber wann immer er sie sah, war er fasziniert von ihrem Lächeln, ihren schulterlangen braunen Locken, ihrer umwerfenden Figur und der Lebenslust, die er in ihr zu spüren glaubte.

Tatsächlich hatte er sich Cheryl während der letzten Kapitel seines Buchs in allen möglichen erotischen Stellungen vorgestellt. Irgendwie war das Ganze so intim gewesen, und er hatte sich ihr so nahe gefühlt, dass es ihm geradezu unvermeidlich schien, dass er und Cheryl irgendwann tatsächlich miteinander schlafen würden.

Und heute war sie wie eine lebendig gewordene Fantasie an seiner Tür erschienen. Die Hitze, die sie allein mit ihrem Blickkontakt erzeugten, hatte ihn sich fühlen lassen, als würde er in Flammen aufgehen, wenn sie ihn nur auch berührte. Nach monatelanger mönchähnlicher Zurückgezogenheit, in der er sein Buch geschrieben hatte, hatte er eigentlich seine attraktive Nachbarin verführen wollen. Und so, wie sie seinen heißen Blick erwiderte, war er schon fast überzeugt gewesen, dass er sie gar nicht mal sehr lange zu umwerben brauchte.

Und dann war dieses verflixte Buch aus dem Kuvert gefallen.

Oh ja. Nach Cheryls Reaktion zu urteilen glaubte sie, er brauchte diese Anleitung. Wodurch sich ihm einige interessante Möglichkeiten eröffneten. Vielleicht wäre Cheryl ja sogar bereit, sich mit ihm zusammenzutun, um seinen inneren Casanova zu entdecken?

Er liebte alle Arten der Herausforderung, aber eine in einem frechen kurzen Rock, der lange wohlgeformte Beine betonte, war von der Art, die ihn am meisten reizte.

Wie konnte er Cheryl also dazu bringen, seine Sextipps mit ihm zu testen?

Sein Liebesleben war ein bisschen fad geworden im letzten Jahr, und meistens ging er abends lieber allein nach Hause, als eine Frau mit nach Hause zu nehmen.

Und wenn er einmal eine Frau ansprach, sagte sie immer Ja. Wo lag also der Reiz darin? Luke begann allmählich einzusehen, dass ihn die Jagd fast ebenso sehr reizte wie dann die eigentliche Beute. Oder sogar noch viel mehr.

Eine Frau ins Bett zu kriegen, die ihn für einen totalen Versager in dieser Hinsicht hielt, wäre dagegen eine Herausforderung, der er sich noch nie gestellt hatte.

Luke begann zu lachen. Wenn er Cheryl dazu bringen könnte, das Handbuch mit ihm durchzugehen, würde er aus eigener Erfahrung sagen können, ob seine Anleitungen tatsächlich funktionierten.

Doch sie dazu zu bringen, seinem in der Tat ein wenig ungewöhnlichen Vorhaben zuzustimmen, würde sicherlich nicht einfach sein. Vielleicht sogar unmöglich, denn schließlich war es eine der spleenigsten Ideen, die er je gehabt hatte. Aber auch eine der reizvollsten.

Im Grunde brauchte er jetzt nur noch einen Plan.

2. KAPITEL

„Mir war noch nie etwas so peinlich“, erzählte Cheryl ihrer Freundin Therese Martin in ihrem Lieblings-Chinarestaurant. Die Lampe warf ihren hellen Schein auf Therese, die so heftig lachte, dass sie fast an ihrem grünen Tee erstickte.

Sex für absolute Blindgänger. Da hast du dir aber wirklich eine Niete ausgesucht!“, bemerkte Therese, noch immer lachend.

„Ich weiß. Und dabei schien er ganz normal zu sein. Ich meine, er ist ein wirklich gut aussehender Mann und außerdem noch supersexy. Wozu braucht ein Mann wie er einen Sexratgeber?“

„Das ist leicht zu beantworten. Je besser ein Typ aussieht, desto weniger muss er sich bemühen, etwas über Frauen zu erfahren.“

Cheryl dachte an Luke und seine starke männliche Ausstrahlung. „Wie meinst du das?“

„Bist du noch nie mit einem attraktiven Mann nach Hause gegangen, und das Einzige, was er tat, war, über sich zu reden?“

Cheryl nickte. Allerdings.

„Dann steigst du mit einem solchen Mann ins Bett, und wieder dreht sich alles nur um ihn. Ich sagte mal zu einem: ‚Ich habe eine Klitoris, weißt du‘, und da fragte er mich, ob das was Ansteckendes wäre.“

Cheryl verschluckte sich beinahe an ihrem Bier. „Das hast du dir ausgedacht!“

Ihre Freundin zog ihre Brauen hoch. „Schön wär’s. Ich sag dir, die attraktiven Männer sind die schlimmsten. Während die, die nicht so tolle Gene mitbekommen haben, sich schon erheblich mehr anstrengen müssen bei einer Frau. Weil schließlich keine wegen seines guten Aussehens mit ihm ins Bett hüpfen würde, nicht wahr?“

„Keine schöne Vorstellung, dass Frauen so oberflächlich sind, aber rein theoretisch muss ich dir wohl recht geben.“

„Was macht der Mann also? Wenn er Sex haben will, muss er seine mangelnde Attraktivität durch andere Dinge wettmachen. Vielleicht interessiert er sich also etwas mehr für sie, statt nur über sich zu reden. Vielleicht lernt er sogar, ein Gespräch zu führen, in dem es um was anderes geht als Sport, seinen Job, sein tolles Auto und was auch immer sonst sein neuester Egotrip ist. Dieser Mann wird eine Frau glücklich machen wollen, wenn er sie ins Bett bekommt. Er wird sie fragen, was sie mag, und herausfinden, was ihr gefällt. Das ganze Repertoire. Denn Frauen reden gern“, schloss Therese augenzwinkernd.

Was sie sagte, wollte Cheryl aber nicht ganz einleuchten. „Na hör mal“, sagte sie. „Ich habe dich schon mit vielen gut aussehenden Männern gesehen.“

„Ja. Weil ich wie jede andere Frau eine Schwäche für attraktive Männer habe.“ Sie seufzte. „Aber dann gehe ich mit einem ins Bett und verbringe die nächste Stunde damit, in Gedanken meinen Lehrplan durchzugehen.“

Cheryl lachte, noch immer überzeugt, dass ihre Freundin scherzte. „Und was war mit dem Skiläufer, wie hieß er noch? Todd? Der sah doch ganz schön sexy aus.“

„Oh ja, das tat er. Im Bett habe ich mir dann ein Thema für die nächste Klassenarbeit ausgedacht.“

„Autsch. Bist du nicht ein bisschen streng?“

Therese zuckte mit den Schultern. „Es mag ja Männer geben, die nicht nur prima aussehen, sondern auch noch gute Liebhaber sind. Was ich sagen will, ist nur, dass einige Männer einen echten Vorteil haben, wenn das Licht ausgeht. Denk mal drüber nach. Was hättest du lieber? Einen Typ, bei dem dir beim bloßen Hinsehen schon das Wasser im Mund zusammenläuft? Oder einen, der deinen Körper zum Erklingen bringen kann wie ein gut gestimmtes Instrument? Einen erotischen Virtuosen quasi.“

„Am liebsten wäre mir natürlich beides.“

„Ich weiß. Das ist der Mann, den wir alle suchen. Aber den gibt es nicht. Er ist ein Traum. Das perfekte Beispiel ist dein Nachbar.“

„Dass er sich dieses Buch gekauft hat, beweist doch immerhin, dass er sich Mühe gibt. Das ist doch schon mal gut, oder nicht?“

„Großartig. Mich würde nur mal interessieren, wie weit er damit kommt. Vermutlich wird er alles über Männer lesen und die Seiten über Frauen überspringen.“

„Wer hat dich eigentlich zu einer solchen Zynikerin gemacht?“

Es war eine rein rhetorische Frage, weshalb Cheryl erstaunt war, als Therese einen leidgeprüften Seufzer ausstieß und nach kurzem Schweigen antwortete. „Jemand namens Brad.“

„Von dem hast du mir noch nie etwas erzählt.“ Komisch, dachte Cheryl. Sie hatte geglaubt, sie wüssten alles voneinander.

„He, mir schläft der Allerwerteste gleich ein. Lass uns zahlen, dann erzähle ich es dir auf dem Weg zum Kino. Ich brauche etwas Bewegung nach dem Essen.“

Draußen, in der lauen Frühlingsluft, war Therese ungewöhnlich still. Cheryl wartete jedoch geduldig, da sie wusste, dass sie die Geschichte erfahren würde, sobald ihre Freundin bereit war, sie ihr zu erzählen.

„Auf meiner letzten Schule begann ich mit dem Sportlehrer auszugehen. Er sah überhaupt nicht gut aus und war höchstens so groß wie ich, wenn ich keine Schuhe anhatte, und sogar kleiner, wenn ich Stöckelschuhe trug. Aber er hatte so etwas an sich.“

Therese zuckte mit den Schultern. „Ich kann es nicht erklären. Er hörte mir zu, als fände er ungeheuer interessant, was ich zu sagen hatte. Er widmete mir seine volle Aufmerksamkeit und blickte mir nicht dauernd über die Schulter, um zu sehen, ob vielleicht jemand hereinkam, der noch interessanter war als ich. Und er redete auch nicht ständig nur von sich. Und witzig war er auch, was ich bei Männern immer sehr geschätzt habe.“

„Also fandest du dein Glück bei einem kleinen, witzigen Typ, der dir gern zuhörte.“

„Sagte ich schon, dass er eine Glatze hatte?“

„Nein, bisher noch nicht.“

„Ja, die hatte er. Aber wir wurden Freunde, und eins führte zum anderen. Und als ich schließlich mit ihm im Bett landete, machte ich nach einer Stunde Licht, um sicherzugehen, dass es noch derselbe Mann in meinem Bett war. Ich meine, er war einfach sensationell im Bett.“

„Gut, dann werde ich mich in Zukunft nach kleinen, witzigen, glatzköpfigen Männern umsehen. Was nicht allzu schwierig sein dürfte.“

„Das war kein Scherz, Cheryl. Dieser Brad hatte Sachen drauf, die …“ Therese brach ab und warf ihr langes schwarzes Haar zurück. „Puh! Ich sage dir nur eins: Dieser Mann hatte eine geradezu olympiareife Zunge!“

„Was ist aus ihm geworden?“

Thereses Lächeln verblasste. „Er ließ mich für eine ehemalige Miss Minnesota sitzen. Eine dieser nordisch aussehenden Blondinen, die man am liebsten umbringen würde.“

„Aber du bist doch selbst sehr attraktiv.“

„Danke, aber sie war attraktiver. Dieser Mistkerl. Erst ließ er mich einen Blick auf den Mann unter der Oberfläche tun, und dann ließ er mich für so eine hohlköpfige Tussi sitzen.“

„Also werde ich mich wohl doch nicht nach einem kleinen, kahlköpfigen, witzigen Typ mit olympiareifer Zunge umsehen.“

„Ach, geh aus, mit wem du willst. Kauf dir nur vorher einen Vibrator, damit du immer jemanden hast, auf den du dich verlassen kannst.“

Cheryl hatte eigentlich gleich zu Bett gehen wollen, als sie nach Hause kam. Aber es lagen wieder zwei Briefe für ihren Nachbarn zwischen ihrer Post, und plötzlich fand sie die Lesestörung ihres Postboten gar nicht mehr lustig.

Leider hatte ihr Gebäude speziell gesicherte Briefkästen, so dass sie die Briefe nicht einfach in den richtigen Kasten werfen konnte. Sie hätte sie auf dem Tisch in der Eingangshalle liegen lassen können, doch das erschien ihr irgendwie nicht richtig. Luke hatte schließlich nichts verbrochen, sondern sie nur beide in Verlegenheit gebracht.

Autor

Nancy Warren
Nancy Warren hat mehr als 20 erotische und witzige Liebesromane mit großem Erfolg veröffentlicht. Ihren großen Durchbruch hatte sie im Jahr 2000, als sie den Harlequin Blaze-Wettbewerb für bisher unveröffentlichte Autoren gewann. Daraufhin erhielt sie sogleich den Auftrag, drei Romane zu verfassen. Es folgten weitere Preise bei etlichen Wettbewerben. Zudem...
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