Dich lieben - die ganze Nacht

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Vorbeugen ist besser als heilen! Einen Kurs zur Ehevorbereitung hält Bram für eine geniale Idee. Vor allem, weil die hinreißende Psychologin Gloria Carson als seine Ehefrau agiert. Ein aufregendes Rollenspiel, das immer intensiver wird. Von Tag zu Tag bis in die Nacht


  • Erscheinungstag 21.09.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733786632
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Gloria Carson lehnte sich in ihrem Sitz zurück, schloss die Augen und versuchte, sämtliche Geräusche im Flugzeug zu ignorieren.

Sie fühlte sich völlig ausgepumpt, denn das Psychologie-Seminar für Eheberater in Austin war äußerst anstrengend gewesen. Doch immerhin war ihre Rede gut angekommen, das hatten ihr der laute und lang anhaltende Beifall sowie die vielen positiven Kommentare zum Schluss bewiesen. Sie hatte ihr Bestes gegeben und mit interessiertem Lächeln jedem aufmerksam zugehört.

Alles in allem war es ein produktives Wochenende gewesen, so hoffte sie es jedenfalls. Sie hatte unzählige Visitenkarten verteilt, und es waren ihr ein halbes Dutzend Empfehlungen zugesagt worden. Jetzt musste sie nur noch abwarten, ob sich ihr Einsatz rentieren würde.

Eigentlich konnte sie sich nicht darüber beklagen, wie die Dinge in Austin gelaufen waren – abgesehen davon, dass sie vor Müdigkeit fast das Atmen vergaß.

Für ein entspannendes Schaumbad und einen langen, ungestörten und erholsamen Schlaf würde sie im Moment alles geben.

Vage bemerkte Gloria eine Unruhe neben sich. Sie ging davon aus, dass der Passagier des Mittelplatzes sich gleich setzen würde, und ließ die Augen geschlossen.

Nur zu, dachte sie. Je schneller alle ihre Plätze eingenommen hätten, umso eher könnte die Maschine starten, und sie wäre bereits in einer Stunde zu Hause in Houston, wo ihr einladendes Bett auf sie wartete.

„Wo ist dein Sicherheitsgurt?“, fragte jetzt eine sonore Männerstimme neben ihr. „Oh, hier ist er. So geht’s, Buddy. Jetzt bleibst du schön sitzen und bist ein braver Junge, okay? Ich bin ja bei dir.“

Auch das noch, dachte Gloria. Allem Anschein nach saß sie neben einem Vater mit seinem kleinen Sohn. Sie liebte Kinder, wirklich, doch sie hoffte inständig, dass dieses hier artig und still sein würde.

Kurz darauf setzte sich das Flugzeug in Bewegung, und das Summen der Motoren wirkte beruhigend und einschläfernd. Im Unterbewusstsein nahm Gloria den Start wahr, dann fühlte sie sich im wahrsten Sinne wie auf Wolken. Es ist die perfekte Gelegenheit für ein Nickerchen, dachte sie, und schon war sie eingeschlummert.

Bram Bishop beugte sich etwas vor, um die Frau auf dem Fensterplatz besser betrachten zu können.

Eine schlafende Schönheit. Wie das Dornröschen im Märchen, dachte er. Ja, sie war wirklich eine äußerst attraktive Frau.

Das weizenblonde, streng zurückgekämmte Haar brachte ihr ebenmäßiges Gesicht wunderbar zur Geltung. Er war sich nicht sicher, ob ihre Haare extrem kurz geschnitten oder nur straff zu einem Knoten hochgesteckt waren.

Die langen Wimpern warfen Schatten auf ihre pfirsichfarbenen Wangen, und die Lippen ihres Kussmundes waren sanft gewölbt.

Die rosafarbene Seidenbluse umschmeichelte einen wohlgeformten Busen, und unter der marineblauen Hose zeichneten sich sanft geschwungene Hüften und lange Beine ab.

Und – sie trug keinen Ehering!

„Könnten wir nicht die Plätze tauschen?“, fragte Bram seinen Reisegefährten, der zwischen ihm und dieser Schönheit saß, rechnete jedoch nicht wirklich mit einer Antwort. So griff er stirnrunzelnd nach der Zeitschrift in der Netztasche vor ihm und machte es sich bequem.

Das Pech scheint mich zu verfolgen, dachte er. Da saß er nun in unmittelbarer Nähe einer wunderschönen Frau – und sie schlief. Während der einen Stunde Flugzeit wäre sie die ideale Gesprächspartnerin, doch so würde sie wohl weder lächeln noch antworten.

Frustriert schüttelte Bram den Kopf, blätterte lustlos in der Zeitschrift und stopfte sie zurück ins Netz.

Allmählich war er davon überzeugt, dass er nie die Frau finden würde, mit der er sein Leben teilen und Kinder haben wollte. Eine Frau, mit dem er seinen Traum von ewiger Liebe erfüllen könnte. Er wusste gar nicht mehr genau, wie lange er schon auf der Suche nach der Frau seines Herzens war.

Dass Bram so fest entschlossen war, sich zu verehelichen, lag hauptsächlich an seinen Brüdern, die beide verheiratet waren. Tux mit Nancy, Blue mit Amy. Nur er, Bram Bishop, war immer noch allein, und er fühlte sich verdammt einsam in seiner Rolle als Heiratskandidat.

Was war nur los mit ihm? Er war ein sympathischer Kerl, sah nicht schlecht aus und hatte eine gut gehende Baufirma, die immer weiter expandierte. Er liebte Babys und kleine Hunde und hatte von Kind auf gelernt, anständig mit Messer und Gabel zu essen und wie wichtig es war, Frauen höflich und mit Respekt zu behandeln.

Als er noch häufig in der Szene mit anderen Singles unterwegs gewesen war, hatte er viele Frauen kennengelernt. Doch seitdem er sich entschlossen hatte zu heiraten, stellte er fest, dass keine von ihnen die Richtige war.

Bram seufzte.

Aber er durfte nicht aufgeben. Vor allen Dingen musste er wachsam sein, für den Fall, dass ihm doch noch eine mögliche Heiratskandidatin begegnen sollte. Beispielsweise wäre es schon hilfreich, wenn eine schöne Frau wie jene am Fenster lange genug wach bliebe, um ihm wenigstens Hallo zu sagen.

Bram sah den Gang entlang, wo die Stewardess den Servierwagen langsam vorwärtsschob und den Passagieren Getränke und Snacks anbot.

Die Gelegenheit schien ihm günstig. Dornröschen würde die Erfrischungen verpassen, wenn sie schlief.

Er würde sie vorsichtig wecken und fragen, ob sie durstig sei. Sollte sie kein Interesse zeigen – ob an Getränken oder einem Gespräch mit ihm –, könnte sie sich ja wieder zurücklehnen und weiterschlafen.

Ein guter Plan. Wie jedoch weckt ein Mann eine ihm unbekannte, schlafende Frau? Wie und wo berührt er ihren zauberhaften Körper, damit sie nicht sofort die Polizei alarmierte?

Bram öffnete seinen Gurt und beugte sich vor, um einen besseren Blick auf sie zu haben. Dann streckte er den Arm über seinen Begleiter hinweg und tippte mit einem Finger auf ihr Knie.

Zögernd hob Gloria die Lider und drehte den Kopf zur Seite, um im nächsten Moment Augen und Mund vor Schreck weit aufzureißen. Es schien, als würde sie gleich zu schreien anfangen.

Sie blickte auf den größten ausgestopften Pandabären, den sie je gesehen hatte.

Bram bemerkte ihre Reaktion, und ohne nachzudenken, legte er ihr seine Hand auf den Mund. Nun richtete sich ihr angstvoller Blick auf ihn.

„Bitte nicht schreien“, flüsterte er. „Bitte bleiben Sie ruhig. Ich wollte Sie doch nur fragen, ob Sie vielleicht etwas trinken möchten. Die Stewardess wird gleich hier sein. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Okay?“

Stewardess? Verwirrt versuchte Gloria ihre Gedanken zu ordnen. Ja, natürlich, der Flug nach Houston. Jetzt verstand sie.

Allerdings verstand sie nicht, weshalb dieser zwar gut aussehende, aber fremde Mann ihren Mund mit seiner großen Hand zuhielt. Es gefiel ihr nicht. Auch nicht die Tatsache, dass ein unglaublich großer Pandabär auf dem Sitz neben ihr angeschnallt war.

Glorias Blick verfinsterte sich, und Bram nahm schnell seine Hand von ihrem Mund und versuchte sein nettestes Lächeln.

„Hallo“, sagte er. „Ich bin Bram Bishop. Es tut mir sehr leid, dass ich Sie erschreckt habe. Ich hätte Sie wohl doch besser schlafen lassen sollen.“

Unsinn, dachte er. Dornröschen sah wach noch schöner aus. Sie besaß die ausdrucksvollsten grünen Augen, die er je gesehen hatte. Damit war das entzückende Bild perfekt.

„Und Sie sind …?“, fragte Bram freundlich und hob die Augenbrauen.

„… noch ganz benommen“, sagte Gloria. „Ich bin fast zu Tode erschrocken. Sie können doch nicht einfach fremde Frauen ans Knie fassen. Eines Tages werden Sie damit im Gefängnis landen.“

„Oh, es tut mir wirklich leid. Ich habe nur versucht, nett zu sein. Wissen Sie, ich wollte doch bloß, dass Sie nicht die Gelegenheit verpassen, einen Drink zu nehmen – sofern Sie möchten.“

„Hm“, antwortete Gloria und sah auf den Panda. „Und wer oder was ist das?“

Bram richtete sich etwas auf, gab dem Bären einen Klaps auf den Kopf und schmunzelte.

„Er ist riesig, der Bär, nicht wahr? Sehen Sie, ich war geschäftlich in Austin, und Tux, mein ein Jahr älterer Bruder, rief mich an. Übrigens habe ich auch noch einen Zwillingsbruder, Blue. Blue und Amy haben im letzten Monat geheiratet.

Jedenfalls ist Tux seit einem Jahr mit Nancy verheiratet, und als sie erfuhren, dass sie ein Baby bekämen, war er so aufgeregt, dass er nicht bis zu meiner Rückkehr warten konnte, um mir die großartige Neuigkeit zu erzählen.

Na ja, zufällig habe ich neulich einen Artikel gelesen, dass Neugeborene von Anfang an Schwarz und Weiß erkennen können, und als ich dann den Panda in einem Laden entdeckte, dachte ich, er wäre das ideale Geschenk für meine zukünftige Nichte oder Neffen.

Natürlich haben wir jetzt erst Mitte Mai, und das Baby soll Weihnachten kommen, aber …“ Bram zuckte mit den Schultern. „Finden Sie nicht auch, dass es ein fantastischer Pandabär ist?“

Gloria blinzelte ungläubig und hatte Mühe, Bram Bishops Worte einzuordnen.

„Haben Sie etwa ein Flugticket für den Panda gekauft?“, fragte sie schließlich.

„Ja.“ Bram nickte. „Ich hatte Angst, er könnte beschädigt werden, wenn ich ihn mit dem Gepäck zusammen aufgebe. Und da er ungefähr eins fünfzig groß ist, ging er auch nicht als Bordgepäck durch. Deshalb kaufte ich ihm ein eigenes Ticket. Schließlich ist er ein sehr wichtiger Bär für ein ganz besonderes Baby.“

„Das wird’s wohl sein.“ Gloria sah ihn besorgt an. „Eins ist jedenfalls klar. Dieses Baby wird einen – sagen wir mal – sehr interessanten Onkel bekommen.“

Während Bram noch darüber nachdachte, ob das jetzt eine Beleidigung sein sollte, kam die Stewardess. Er bestellte sich ein alkoholfreies Bier und Gloria einen Orangensaft.

„Möchte Ihr Freund vielleicht auch etwas?“, fragte die Stewardess mit todernster Miene und zeigte auf den Panda. „Einen Drink oder ein paar Erdnüsse?“

„Nein danke“, erwiderte Bram, „er wird luftkrank, wenn er während des Fluges etwas zu sich nimmt.“

„Okay“, sagte die Stewardess und schob den Wagen weiter.

„Der Wahnsinn scheint um sich zu greifen“, murmelte Gloria.

„Das scheint mir auch so.“ Bram lachte.

Du lieber Himmel, dachte Gloria. Bram Bishop hatte ein kräftiges, männliches Lachen, das bei ihr eine leichte Gänsehaut hervorrief. Außerdem sah er wirklich sehr gut aus. Er hatte markante Gesichtszüge, eine gebräunte Haut, und sein braunes Haar war mit sonnengebleichten Strähnen durchzogen. Zudem besaß er zweifellos die schönsten blauen Augen, die sie jemals gesehen hatte. Bram Bishop war in der Tat ein bemerkenswert attraktiver Mann.

Allerdings war er ein wenig verrückt. Kaufte ein Flugticket für einen Spielzeug-Panda. Ein Geschenk für ein Baby, das erst in mehr als einem halben Jahr geboren würde. Das war wirklich grotesk.

Aber offen gesagt, war es natürlich auch sehr lieb. Bram Bishop und seine Brüder mussten ein unglaublich gutes Verhältnis zuei­nander haben. Das gefiel Gloria. Eine Familie, die eng zusammenhielt, war heutzutage ziemlich selten.

„So!“

Brams Bemerkung riss Gloria aus ihren Gedanken.

„Ich habe mich bereits vorgestellt und sogar das Kerlchen hier neben mir. Jetzt sind Sie an der Reihe.“

„Gloria Carson“, sagte sie und lächelte ihn an.

Schau an, dachte Bram, was für ein entzückendes Lächeln Gloria Carson hat. Es brachte ihr Gesicht zum Leuchten und ließ ihre grünen Augen funkeln.

„Das ist ein hübscher Name“, erwiderte er. „Gloria. Das gefällt mir.“

„Danke.“

„Sagen Sie, Miss Gloria Carson … Es ist doch richtig, wenn ich Sie mit ‚Miss‘ anspreche, oder?“

„Ich bin nicht verheiratet“, antwortete sie.

Sie könnte Bram natürlich korrigieren, indem sie ihm mitteilte, dass sie bereits einen Doktortitel habe, aber sie war nicht in der Stimmung, jetzt eine lange Erklärung über ihre Arbeit abzugeben. Nicht nach diesem Wochenende. Sie hatte gerade eine Flugstunde lang Pause.

„Ich bin auch Single“, sagte Bram eifrig, „da haben wir ja schon etwas gemeinsam.“

Gloria runzelte die Stirn. Schon? Das war ein recht vorwitziges Wort. Mister Bram Bishop schien ein ziemlicher Draufgänger zu sein.

„Das war wohl nicht die richtige Formulierung, da war mein Mund mal wieder schneller als mein Verstand. Das Wort ‚schon‘ dürfen Sie nicht ernst nehmen.“ Bram ärgerte sich über sich selbst.

„Oh.“ Gloria war überrascht.

Bram grinste. „Das soll aber nicht bedeuten, dass ich Sie nicht besser kennenlernen möchte. Ich würde mich gern länger mit Ihnen unterhalten und erfahren, wer Sie sind. Ich meine das ganz ohne Hintergedanken.“

„Das klingt vielversprechend“, entgegnete Gloria und lächelte erneut.

„Wir sollten noch einmal von vorn anfangen“, meinte Bram. „Wohnen Sie in Houston?“

„Ja.“

Donnerwetter. „Das ist gut.“ Er nickte. „Nächste Frage: Wie lang ist Ihr Haar, wenn Sie es offen tragen?“

Gloria trank ihren Orangensaft aus und sah über den Rand des Bechers Bram missbilligend an. „Vergessen Sie ‚vielversprechend‘“, sagte sie schließlich. „Was kommt als Nächstes? Das Gerede, mein Haar auf Ihrem Kopfkissen sehen zu wollen? Lassen Sie sich mal was Neues einfallen, Mr Bishop.“ Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Sprechen Sie lieber mit Ihrem Pandabären.“

Kein Wunder, dass ich niemanden zum Heiraten finde, dachte Bram voller Selbstvorwürfe. Er war ein Idiot. Sein Problem war, dass ihm in Gegenwart von Frauen keine Gesprächsthemen einfielen und er immer das sagte, was er gerade dachte. Da er überlegt hatte, wie lang Gloria Carsons Haar wohl war, war er damit herausgeplatzt.

Bram sah seinen Bären an. „Ich hab’s vermasselt, Buddy.“

„Wohl war“, bemerkte Gloria mit geschlossenen Augen.

Die Stewardess erschien und bat um das Geschirr. „Wir werden in Kürze in Houston landen.“

Bram nahm Gloria den Becher aus der Hand und reichte ihn zusammen mit seinem der Stewardess. „Hier, bitte. Darf ich Sie mal etwas fragen?“

„Ja?“

„Wenn ein Mann, den Sie gerade kennengelernt haben, von Ihnen wissen wollte, wie lang Ihr Haar ist, wenn sie es offen tragen, wie würden Sie darauf reagieren?“

„Ich würde ihm eine Ohrfeige geben.“

„Danke für Ihre Auskunft“, sagte Bram mürrisch.

„Gern geschehen“, erwiderte die Stewardess ungerührt und ging weiter.

Gloria unterdrückte ein Lachen. Das ist überhaupt nicht witzig, ermahnte sie sich. Wahrscheinlich rührte ihre Belustigung nur daher, weil sie total übermüdet war. Bram Bishop hatte sich richtig bekümmert angehört, wie ein kleiner Junge, dem man einen Wunsch abgeschlagen hatte.

Er war schon ein eigenartiger Mann, dieser Bram Bishop. Sie hätte vermutet, dass jemand mit seinem Aussehen perfekt wäre, im Komplimentemachen, und dass ihm die Frauen nach einem Blick in diese strahlend blauen Augen zu Füßen liegen würden.

Doch er schien einfach alles falsch zu machen, sagte gleich beim Kennenlernen die unmöglichsten Sachen.

Stopp, dachte Gloria. Es schien zwar so, doch es konnte auch gut sein, dass Bram den Tollpatsch nur spielte, damit die Frauen ihm aus Mitleid alles nachsahen und er sich dadurch einen Sympathiebonus verschaffte.

Vergiss es, sagte sie sich dann. Sie hatte keine Zeit für solchen Unsinn. Sie freute sich schon jetzt auf den Moment, wo das Flugzeug endlich gelandet und Bram mit seinem dummen Pandabären ausgestiegen wäre. Gloria öffnete ein Auge und schaute auf das Spielzeug.

Eigentlich hätte er etwas gut aufgrund einer so liebenswerten Verrücktheit, sinnierte sie. Für ein ungeborenes Baby diesen Riesenbären zu kaufen und dazu noch ein eigenes Ticket, damit dem Ungetüm nichts passierte.

Gloria schloss wieder die Augen und rief sich zur Ordnung. Jetzt hatte sie wirklich genug ihrer kostbaren Zeit damit vertan, das Verhalten dieses rätselhaften Mister Bishop zu analysieren.

Wie viel Zeit ihr auch immer bis zur Landung bliebe, sie würde von nun an jede einzelne Minute davon völlig entspannt zubringen und an nichts denken. Das war die beste Methode, wieder etwas Kraft zu schöpfen.

Drei Minuten später öffnete sie die Augen erneut. Sie konnte diesen riesigen Panda neben sich einfach nicht ignorieren und den Mann, der ihn dort hingesetzt hatte, erst recht nicht. Sie war sich seiner Gegenwart nur allzu bewusst, obwohl dieses Riesenspielzeug zwischen ihnen saß.

Bram sah sie unentwegt an. Seine Blicke spürte sie auf ihrem Körper wie ein Streicheln, und das nahm ihr fast den Atem. So etwas war ihr noch nie vorgekommen. Doch sofort fand sie eine Erklärung für ihre Überreaktion auf seine offensichtliche sexuelle Ausstrahlung. Es lag nur an ihrer totalen Übermüdung.

Trotzdem war diese Situation völlig unmöglich.

Es gab nur eine Lösung – sie musste sich mit ihm unterhalten.

„Also, Bram, was machen Sie denn so in Houston?“, begann sie.

Beim Klang von Glorias Stimme richtete Bram sich wie ertappt ruckartig auf.

„Wann?“, fragte er.

Gloria stutzte. „Wann?“

„Ja. Möchten Sie wissen, was ich arbeite oder was ich privat in meiner Freizeit mache? Wofür interessieren Sie sich speziell?“

Das war wohl doch keine so gute Idee, fand Gloria. Small Talk mit Bram war offensichtlich nicht der richtige Weg, wieder klare Gedanken zu fassen. Er hatte einfach eine belanglose Frage aufgegriffen, um sie in eine sehr persönliche Diskussion umzuwandeln.

Dieser große, gut aussehende Bram Bishop, der bei Kerzenlicht seine starken Arme nach einer Frau ausstreckte … Sie hielt erschrocken inne. Warum nicht, Gloria, träum es zu Ende, sagte sie sich dann und stellte sich vor, wie er sie in die Arme nahm, sie mit seinen blauen Augen hypnotisierend ansah und sich zu ihr herunterbeugte, um sie zu küssen …

„Gloria?“

„Wer?“ Gloria blinzelte. „Was?“ Sie seufzte. „Nehmen Sie es mir bitte nicht übel. Ich glaube, ich bin zu müde, um mich zu unterhalten. Es tut mir leid, falls ich unhöflich sein sollte, Bram. Beim besten Willen, ich bin nicht in Form, und bis wir gelandet sind, werde ich jetzt nichts mehr sagen. War nett, Sie kennengelernt zu haben.“

„Ich bin der Besitzer von Bishop Constructions“, beeilte Bram sich zu erzählen. „Darf ich Ihnen vielleicht ein Haus bauen?“ Er lächelte. „Eine Terrasse eventuell? Oder einen Pavillon? Sie scheinen mir genau der Typ zu sein, der einen Pavillon zu schätzen weiß.“

„Meinen Sie? Ich weiß nicht … Ich habe noch nie in einem gesessen.“

„Warum nicht?“

„Nun, ich nehme an, dass ich entweder keine Zeit oder keine Gelegenheit dazu hatte.“

„Miss Gloria Carson, das sollten Sie so schnell wie möglich ändern.“ Bram bekräftigte seine Worte mit entschlossenem Kopfnicken. „Ohne Frage, Sie sind ein Pavillon-Typ. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das soll jetzt kein Verkaufsgespräch sein. Ich möchte Ihnen nur beschreiben, wie gut es zu Ihnen passen würde.

Schauen Sie“, fuhr Bram fort, „Sie müssten ein Sommerkleid tragen, so ein dünnes, flattriges, und einen großen, breitkrempigen Hut. Ja, das ist toll. Aber nicht den Hut vergessen. Und …“ Er grinste. „Sie müssten Ihr Haar offen tragen. Ja, das ist es. Das sind Sie!“

Das bin ich ganz bestimmt nicht, dachte Gloria. Das Bild, das Bram schilderte, war das einer Frau mit viel Freizeit, romantisch und weltfremd. Das war sie – Dr. Gloria Carson – sicherlich nicht.

„Gut“, sagte sie, „sollte ich jemals beschließen, einen Pavillon bauen zu lassen, rufe ich Sie an.“

„Apropos anrufen“, warf Bram ein, „ich überlege gerade, ob Sie so freundlich wären, mir Ihre Nummer zu geben. Dann könnte ich …“

„Meine Damen und Herren“, kam in diesem Moment die Durchsage der Stewardess, „wir werden in fünf Minuten in Houston landen. Bitte vergewissern Sie sich, dass Ihre Sicherheitsgurte …“

Verdammt, dachte Bram. Gloria hatte sich schon hinter den Panda zurückgezogen und überprüfte ihren Gurt. Vor ihren Füßen stand bereits ihr Aktenkoffer. Er hatte noch nicht einmal herausgefunden, was sie beruflich tat.

Warum war sie in Austin gewesen? Weswegen war sie so erschöpft? Wo wohnte sie in Houston? Wie war ihre Telefonnummer?

Wer war Gloria Carson?

Wenn seine Brüder erfuhren, wie dumm er sich dabei angestellt hatte, eine wirklich interessante Frau näher kennenzulernen, würden sie ihn damit aufziehen.

Aber noch schien nicht alles verloren. Sie waren ja noch nicht gelandet, und es würde eine ganze Weile dauern, bis sie die Maschine verlassen hätten. Ehe Gloria im Gedränge des Flughafengebäudes verschwunden wäre, wüsste er, wie er sie wiedertreffen könnte, da war er sich sicher.

Er hatte nicht die Absicht, sie aus den Augen zu verlieren. Im Gegenteil, er hatte fest vor, sie wiederzusehen.

2. KAPITEL

Bram ließ sich auf sein Sofa fallen und fluchte dermaßen laut, dass seine Mutter schockiert gewesen wäre.

Es war völlig unbegreiflich. Er kochte vor Wut, wenn er an die Verkettung unglücklicher Zufälle dachte, nachdem die Maschine gelandet war und die Passagiere sich von ihren Sitzen erhoben hatten.

Er hatte sich über den Panda gebeugt, um dessen Gurt zu öffnen und um Gloria Carson deutlich zu machen, wie gern er ihre Telefonnummer hätte, als ihn diese winzige alte Dame bat, ihre Tasche oben aus der Gepäckbox herunterzuholen.

Zwei weitere Damen hatten dasselbe Anliegen, ebenso ein kleiner Mann. Als er sich endlich wieder um sich selbst kümmern konnte, saß der Panda noch immer auf seinem Platz und grinste ihn idiotisch an – aber Gloria war verschwunden.

Seine letzte Hoffnung war die Gepäckhalle, doch auch dort war keine Gloria Carson. Offensichtlich hatte sie nur kurze Zeit in Austin verbracht, sodass sie, wie die meisten, nur mit Handgepäck gereist war.

„Verdammter Mist“, schimpfte Bram erneut, sprang auf und holte das Telefonbuch.

Zwanzig Minuten später schlug er den Wälzer wieder zu und starrte vor sich hin.

Nichts. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Sämtliche nur möglichen Schreibweisen des Namens Carson hatte er durchgesucht, hatte sogar die Auskunft angerufen. Doch die Telefonistin hatte nur einen Dr. G. Carson gefunden, da hatte Bram keinen Grund gesehen, nach der Nummer zu fragen.

Nein, Gloria war kein Doktor. Sie hatte ihm im Flugzeug die Frage nach Mrs oder Miss beantwortet, da hätte sie auch ihren Doktortitel erwähnt.

Bram begann, mit großen, energischen Schritten durch sein Wohnzimmer zu marschieren.

Er bewohnte ein Apartment in der fünfzehnten Etage eines Hochhauses, das mit wuchtigen, ausladenden Möbeln eingerichtet war. An den Wänden hingen Bilder mit Südstaaten-Motiven sowie eine große Landkarte seiner Heimat Texas.

Schon vor Jahren hatte er beschlossen, erst ein eigenes Haus zu bauen, wenn er heiraten und eine Familie gründen würde. Dann wollte er mit seiner Frau zusammen ein richtiges Heim errichten, nicht nur einen Aufenthaltsort mit dem Etikett „Zuhause“.

Inzwischen war er ein dreiunddreißig Jahre alter Mann, der immer noch auf seine Traumfrau wartete.

Und nun hatte er die Chance vertan, diese bezaubernde Miss Gloria Carson näher kennenzulernen, die vielleicht die Richtige für ihn gewesen wäre. Frustriert blieb Bram stehen und raufte sich die Haare.

Erst jetzt bemerkte er, dass er hungrig war, und ging in Richtung Küche. Als er an dem Lehnstuhl vorbeikam, in den er den Pandabären gesetzt hatte, blieb er stehen und funkelte das Riesen­tier an. „Hör auf zu grinsen, Kumpel, dafür gibt es absolut keinen Grund.“

Wahllos griff er sich alles Essbare aus dem Kühlschrank, und während er dann das Essen hinunterschlang, beschloss er, sich am nächsten Tag an seinen Bruder Tux zu wenden.

Wozu hatte man schließlich einen Privatdetektiv in der Familie? Nachdem Tux sich genügend über mich lustig gemacht hat, wird er sich hoffentlich bereit erklären, mir bei der Suche nach Gloria zu helfen, dachte er.

Jeden Stein würde er umdrehen, alle Hindernisse zur Seite räumen, nichts unversucht lassen – oder was man sonst noch so in Detektivkreisen sagte.

Er würde Gloria Carson finden.

Gloria sank mit einem wohligen Seufzer ins Bett und genoss das weiche Kissen unter ihrem Kopf.

Endlich schlafen, dachte sie. Sie hatte ausgepackt und eine Kleinigkeit gegessen, die Post sortiert, den Anrufbeantworter abgehört und dann ein ausgiebiges, entspannendes Schaumbad genommen.

Jetzt freute sie sich auf ein paar Stunden erholsamen Schlaf, bevor der Wecker wieder klingeln und damit eine neue, arbeitsintensive Woche einläuten würde.

Im Halbschlaf sah sie einen eins achtzig großen Pandabären vor sich tanzen, der strahlende, saphirblaue Augen hatte.

Am nächsten Morgen saß der Panda in einem Sessel in der Ecke von Tux Bishops Büro und trug eine Mütze der Houston Oilers auf dem Kopf. Jeder anständige Pandabär würde diese Mütze tragen, um damit seine Loyalität zum hiesigen Football-Team zu bekunden, hatte einer von Tux’ Angestellten gemeint.

Während Bram die Geschichte erzählte, wie er Gloria kennengelernt und wieder aus den Augen verloren hatte, durchmaß er mit großen Schritten das Büro seines Bruders.

„Es war wahrhaftig nicht meine Schuld.“ Bram ließ sich in einen Sessel fallen, der Tux’ Schreibtisch gegenüberstand.

„Natürlich nicht“, sagte Tux beschwichtigend und fragte nach einer Pause: „Wessen Schuld ist es denn?“

Autor

Joan Elliott Pickart
Joan Elliott Pickart ist eine berühmte amerikanische Schriftstellerin, die seit 1984 über 100 Liebesromane veröffentlicht hat. Sie schreibt auch unter dem Pseudonym Robin Elliott. Joan Elliott Pickart ist Mitbegründerin der Autorenvereinigung Prescott, einem Mitglied der Romance Writers of America (RWA).
Mehr erfahren