Die Kunst der Verführung

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Sechs altmodische Regeln für eine glückliche Ehe. April kann es nicht fassen - sie will dem Autor Lucas Sullivan zeigen, wie moderne Frauen denken! Doch April erlebt eine Überraschung nach der anderen! Lucas ist kein zerstreuter Professor, sondern äußerst attraktiv - und wie man eine Frau von heute verführt, weiß er offensichtlich ganz genau ...


  • Erscheinungstag 08.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777111
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

SULLIVANS REGELN

1. In einer glücklichen Beziehung muss eine Frau ihrem Mann das Gefühl geben, ein richtiger Mann zu sein.

2. Männer akzeptieren eine Frau eher als mögliche Partnerin, wenn es nicht zu früh zu Intimitäten kommt.

3. Eine Frau muss ihre eigenen Wünsche in einer guten Beziehung zurückstellen.

4. Eine Frau muss eher um Anpassungsfähigkeit bemüht sein, als zu versuchen, sexy zu sein.

5. Eine Frau muss ihrem Mann zeigen, wie sehr sie ihn mag und schätzt. Sie muss ihn mit Zuneigung überschütten und ihren eigenen täglichen Frust unterdrücken.

6. Eine Frau muss fröhlich und unkompliziert sein und ihren Mann unterstützen und immer wieder loben.

PROLOG

Die letzten Gäste der Morgan-Blair-Hochzeit nahmen ihre Plätze in der blumengeschmückten St. James Church-by-the-Lake ein. Genau zwanzig Minuten vor Beginn der Zeremonie erklang auf der Orgel der Kirche das romantische und gefühlvolle „Laras Thema“ aus Dr. Schiwago.

Im Umkleideraum der Braut betrachtete April Morgan ihren Brautstrauß aus weißen Rosen und Gardenien mit wachsendem Unbehagen, während die Brautjungfer Rita Rosales einen winzigen Glücksbringer in Aprils Schuh schob.

„Der sollte für die Hochzeit reichen“, sagte Rita lachend und rückte die Träger ihres hellgrünen Kleides zurecht. „Die Flitterwochen sind dann deine Sache.“

April wurde blass.

„Nein, wirklich, Rita“, tadelte die Trauzeugin Lili Soulé. „Deine Scherze sind im Moment völlig unangebracht. Merkst du denn nicht, wie nervös April ist?“ Sie überprüfte die Blütenblätter im Körbchen, das ihre Tochter Paulette übernehmen sollte. Paulettes Zwillingsbruder Paul war der „Herr der Ringe“ und presste schon jetzt das Samtkissen mit den Eheringen an die Brust.

„Mir geht es ausgezeichnet“, versicherte April, obwohl sie mit jeder Minute nervöser wurde. „Rita, könntest du bitte nachsehen, ob eine der Brautjungfern Hilfe braucht?“

Rita warf einen Blick zu den anderen, die ihr Aussehen vor der Spiegelwand überprüften. „Alles in bester Ordnung. Die fünf sehen gut aus.“

„Fünf?“, fragte April. „Aber es sollten doch sechs sein. Wo ist Claire Dunn?“

„Claire ist nur für einen Moment hinausgegangen!“, rief Joyce Humphries zurück.

„Sie wird doch hoffentlich rechtzeitig wieder hier sein.“

„Claire ist Claire“, meinte Joyce bloß. „Bei der weiß man nie.“

Claire Dunn war tatsächlich ziemlich unberechenbar. April hoffte nur, dass das Verschwinden der Brautjungfer kein böses Omen war.

Am liebsten hätte sie ihr Unbehagen als normale Nervosität vor der Hochzeit abgetan. Die Wahrheit sah jedoch anders aus. In letzter Minute waren April Bedenken gekommen, ob sie Jim Blair wirklich heiraten sollte.

Offenbar war sie nicht die Einzige, der es so erging. Auch ihre Mutter wirkte besorgt, während sie ihr den Kranz aus Orangenblüten auf dem Kopf zurechtrückte.

Bevor April jedoch mit ihrer Mutter sprechen konnte, entstand Unruhe vor dem Umkleideraum. Jemand klopfte energisch, und gleich darauf kam ein sichtlich aufgeregter Platzanweiser herein, entschuldigte sich für die Störung und gab der Mutter der Braut einen Wink.

Eve Morgan klopfte April aufmunternd auf die Schulter, eilte an die Tür und kam gleich darauf mit einem Blatt Papier in der Hand zurück. „Ach du liebe Güte“, sagte sie verstört. „Setz dich lieber!“

Die fünf Brautjungfern erstarrten. Rita Rosales ließ ihren Strauß fallen und eilte zu April. Lili Soulé drückte der kleinen Paulette das Blumenkörbchen in die Hände und schloss sich Rita an.

Noch bevor April nach der Nachricht griff, fühlte sie, dass etwas gründlich schief gelaufen war.

„Was steht denn da?“, fragte Rita und versuchte, April über die Schulter zu blicken.

April las den kurzen Satz laut vor. „‚Claire und ich sind durchgebrannt. Jim.‘“

„Er schreibt nicht einmal, dass es ihm leid tut“, stellte ihre Mutter fest und warf einen Blick zu den fünf versteinerten Brautjungfern. „Aber vielleicht ist es so am besten.“

Anstatt auf der Bank zusammenzubrechen, nahm April den Brautschleier ab und seufzte erleichtert auf.

Das Unbehagen war schlagartig verschwunden.

1. KAPITEL

Sechs Monate später

„In einer glücklichen Beziehung muss eine Frau ihrem Mann das Gefühl geben, ein richtiger Mann zu sein.“

Partnersuche von Dr. phil. Lucas Sullivan.

Fassungslos betrachtete April Morgan das vor ihr liegende Manuskript. Als Redakteurin des in Chicago erscheinenden Magazins Today’s World, das bei jungen Berufstätigen sehr beliebt war, bekam sie viele seltsame Einsendungen. Diese hier schlug jedoch alle.

Der Artikel Partnersuche beruhte offenbar auf einer vom Autor durchgeführten soziologischen Studie, die ursprünglich in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen war. Angeblich sollte hier den Leserinnen klar gemacht werden, welches Verhalten Männer von einer Partnerin erwarteten. Mit wachsender Abneigung stellte sie fest, dass der Autor sechs Regeln aufgestellt hatte, nach denen sich die Frauen seiner Meinung nach richten mussten, um einen Mann anzulocken und auch zu halten.

Als eine kurz vor der Trauung sitzen gelassene Braut fand April den Artikel einfach lächerlich. Der Verfasser war entweder naiv oder dumm. Auch wenn er Akademiker sein mochte, wie kam er im einundzwanzigsten Jahrhundert bloß zu der Ansicht, dass Männer heutzutage noch ein so altmodisches Frauenbild hatten?

Unwillkürlich musste sie an Die Frauen von Stepford denken. Welcher normal denkende Mann wünschte sich eine Frau, die in ihrer Persönlichkeit so degeneriert war?

April glaubte an andere Erklärungen für die Anziehung zwischen zwei Menschen, vor allem an die Theorie, dass sich jemand instinktiv mit dem kräftigsten Vertreter des anderen Geschlechts einlassen wollte. Dabei ging es in erster Linie um den angeborenen Wunsch, möglichst gesunden Nachwuchs in die Welt zu setzen.

Das hatte sie auch gewollt, bevor es zu spät war, und so war sie beinahe vor dem Traualtar gelandet. Rückblickend erkannte sie, dass sie Jims Heiratsantrag nur angenommen hatte, weil ihre biologische Uhr laut tickte.

Nach Ansicht dieses Lucas Sullivan beruhte die Suche eines Mannes nach einer Partnerin nur auf dem Verhalten der Frau. Dabei musste er doch eigentlich wissen, dass die Partnerwahl nicht bloß ein Spiel war. Es ging um eine Entscheidung, die das gesamte Leben veränderte, und die man nur ein einziges Mal und sehr sorgfältig treffen sollte.

Das hatte April am eigenen Leib erfahren. Sie war mit zweiunddreißig Jahren an ihrem geplanten Hochzeitstag versetzt worden, und nun war sie Männern gegenüber verbittert. Sie hielt die meisten Männer genau wie ihren Ex-Verlobten für ichbezogen und chauvinistisch, und derzeit gab es für sie weit und breit keinen einzigen Mann, der auch nur einen zweiten Blick wert war.

Während sie einen unklaren Satz mit einem roten Fragezeichen versah, dachte sie, dass sie nicht freiwillig Single war. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätte sie ihre Flitterwochen auf Hawaii verbracht. Der verräterische James Elwood Blair hatte zwar diese Flitterwochen angetreten, allerdings nicht mit April.

Nachdem sie noch einige Bemerkungen an den Rand des Manuskripts geschrieben hatte, las sie weiter. Es wurde jedoch immer schlimmer, und sie konnte das Lachen kaum noch unterdrücken.

„April, freut mich, dass Sie gerade an Partnersuche arbeiten. April?“

Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass Thomas Eldridge mit ihr sprach. Er war der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift, und er war nicht allein.

„Tut mir leid“, sagte sie und deutete auf das Manuskript. „Ich war vollkommen in den Artikel vertieft. Ehrlich gesagt hatte ich Mühe, nicht laut zu lachen.“

„Zu lachen?“, fragte Tom pikiert zurück und deutete auf seinen Begleiter. „Nun, falls Sie ernst bleiben können, möchte ich Ihnen Lucas Sullivan vorstellen. Lucas und ich haben gemeinsam die Northwestern University besucht. Lucas, das ist April Morgan. April ist eine unserer besten Redakteurinnen“, fügte er viel sagend hinzu.

April wäre am liebsten im Boden versunken. Ausgerechnet der Verfasser des Artikels hatte ihre Bemerkung gehört!

Bevor sie sich entschuldigen konnte, fuhr Tom fort: „Sullivan ist ein anerkannter Soziologe, und ich habe ihn gebeten, diesen Artikel zu schreiben. Die ursprüngliche Studie wurde letztes Jahr von der Nationalen Gesellschaft für wissenschaftliche Schriften veröffentlicht.“

Obwohl April das Herz bis zum Hals schlug, gab sie sich ruhig und sehr interessiert.

Tom räusperte sich. „Lucas’ Ansichten haben mich sehr beeindruckt und stimmen übrigens mit meinen völlig überein.“ Er warf April einen scharfen Blick zu. „Wenn Sie den Artikel noch einmal gründlich lesen, können Sie sicher sehr gut mit Sullivan zusammenarbeiten.“

April nickte höflich. Sie verstand genau, was Tom gemeint hatte. Entweder arbeitete sie mit Sullivan zusammen, oder sie würde ihren Job verlieren. Sie war schon lange genug bei der Zeitschrift, um zu wissen, dass ihr allein stehender Chef seine Position als Herausgeber und Chefredakteur sehr ernst nahm. Er duldete niemanden, der sich seinen Entscheidungen widersetzte.

Die Verkaufszahlen der Zeitschrift waren in den letzten sechs Monaten stetig gesunken. Alle wussten, dass Tom nach einer Möglichkeit suchte, sie wieder zu steigern. Doch wollte er das wirklich mit Sullivans Artikel erreichen? Sicher, der Inhalt war höchst kontrovers, aber konnte ein so einseitiger und vor allem überholter Text Wunder bewirken?

Doch, das musste er. Ihre Stellung hing davon ab.

„Ich werde Sullivans Beitrag als Leitartikel in der Septemberausgabe bringen“, erklärte Tom. „Das wird zwar zeitlich knapp, aber was meinen Sie, April?“

Erst jetzt wagte sie, sich Lucas Sullivan genauer anzusehen. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein typischer zerstreuter Professor – zerzaustes hellbraunes Haar, etwas verknitterte Kleidung, die nach alten Büchern roch. Aber auf den zweiten Blick …

Unter der konservativen Schale verbarg sich ein äußerst attraktiver Mann. Anfang dreißig, hoch gewachsen und breitschultrig, ein schön geformter Mund und ein eckiges Kinn, das sie am liebsten gestreichelt hätte. Die warmen braunen Augen hatten einen sinnlichen Schlafzimmerblick.

April fielen die begehrlichen Blicke der Frauen außerhalb ihres verglasten Büros auf. Offenbar reagierte nicht nur sie auf diesen Mann, dem sie zugute halten musste, dass er sich seiner Wirkung vermutlich gar nicht bewusst war.

„April“, sagte Tom leicht gereizt. „Was halten Sie nun davon?“

„Ja, also …“ Was sollte sie antworten? Wie sollte sie ausdrücken, dass sie von dem Artikel und der Intelligenz des Verfassers nicht viel hielt, wenn eben dieser Verfasser vor ihr stand und sie erwartungsvoll ansah?

Möglicherweise war sie ja durch ihre schlechten Erfahrungen voreingenommen. Andererseits blieb ein Chauvinist ein Chauvinist, selbst wenn er ein anerkannter Akademiker war. Und gemessen an seinen eigenen Regeln war dieser Mann sogar der allerschlimmste Chauvinist.

„Stimmt irgendetwas nicht, April?“, fragte Eldridge stirnrunzelnd.

„Wie? Nein, nein“, antwortete April. Sie merkte erst jetzt, wie unhöflich sie sich verhielt, stand auf und streckte die Hand aus. „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Mr. Sullivan.“

Er drückte ihr lächelnd die Hand. „Nennen Sie mich bitte Lucas“, sagte er und warf einen Blick auf das Manuskript. „Ich sehe hier so viel Rot auf den Seiten, als hätten Sie auf mein Manuskript geblutet.“

April fand Sullivan verkrampft. Anscheinend fühlte er sich in ihrer Nähe unbehaglich, und das nicht nur, weil sie seine Redakteurin war. Es hing wohl auch damit zusammen, dass sie eine Frau war. Wie hatte er da überhaupt eine soziologische Studie über die Beziehung zwischen Männern und Frauen durchführen können?

Sie durfte keine Rücksicht darauf nehmen, dass Tom mit ihrer Beurteilung nicht einverstanden sein würde. Es war ihre Aufgabe, Sullivan die Wahrheit über seine falschen Ansichten zu sagen, bevor er sich selbst und die Zeitschrift öffentlich blamierte. Dabei musste sie jedoch sehr diplomatisch vorgehen.

Vor allem wollte sie Zeit gewinnen, um gründlich nachzudenken und sich selbst eine Strategie einfallen zu lassen. „Ich wollte gerade zum Essen gehen, Tom. Wenn Sie vielleicht in einer oder zwei Stunden wiederkommen würden, Mr. Sull… ich meine, Lucas, werde ich gern meinen Kommentar zu dem Artikel abgeben.“

Toms finstere Miene hellte sich endlich etwas auf. „Ich gehe mit Sullivan essen, April. Ach …“, fügte er hinzu, während er sich bereits abwandte, „Sie können uns begleiten, wenn Sie wollen.“

Wenn sie wollte? Nein, danke. April unterdrückte gerade noch eine spitze Bemerkung. Eine Einladung von Tom galt zwar als Auszeichnung, aber darauf konnte sie jetzt gut verzichten. Sie wollte nicht in ihrer Mittagspause mit einem Mann an einem Tisch sitzen, der mit Sullivan befreundet war und dessen überholte Ansichten über Frauen teilte.

„Nein, danke, Tom, ich habe schon etwas vor“, erwiderte April lächelnd, ging zur Tür und wartete, bis ihr Chef und Sullivan das Büro verlassen hatten.

Mehrere Frauen verfolgten Sullivan mit Blicken, als er mit Tom Eldridge zum Aufzug ging. Dieser Mann weckte viel Interesse beim anderen Geschlecht. Wieso hatte er bei seinen Studien übersehen, wie wichtig der Standpunkt einer Frau war?

Sobald die beiden Männer verschwunden waren, legte April den Artikel in einen Aktenordner, um beim Essen mit ihren guten Freundinnen Rita Rosales und Lili Soulé darüber zu sprechen. Die Bibliothekarin Rita und die Grafikerin Lili arbeiteten ebenfalls für die Zeitschrift.

April konnte es kaum erwarten, ihnen Sullivans Manuskript zu zeigen. Sicher würden sie ihre Ansicht teilen und ihr Problem verstehen.

Sie drückte den Fahrstuhlknopf. Natürlich war Sullivan selbst nicht ihr Problem. Ihre Aufgabe bestand lediglich darin, den guten Ruf von Today’s World zu wahren – und ihre Stelle zu behalten.

Das Gebäude, in dem die Redaktion untergebracht war, hieß Riverview und bot, wie der Name schon sagte, einen großartigen Ausblick auf den Chicago River. Wie üblich war die Cafeteria überfüllt. Es ging laut zu, Bestecke und Teller klapperten, und es duftete nach Brathähnchen und Knoblauch.

Heute entschied April sich für einen Hamburger. Der mochte nicht sonderlich gesund sein, aber der Preis stimmte, und sie litt noch unter der Ausgabe, die das Hochzeitskleid in ihre Ersparnisse gerissen hatte. Es hing nach wie vor im Schrank, und obwohl April es wohl kaum jemals brauchen würde, wollte sie es auch nicht verkaufen.

Rita hatte einen Ecktisch erobert und lächelte amüsiert, als April zu ihr stieß. „Ich sehe dir immer an, wenn dir etwas ganz Besonderes durch den Kopf geht. Hoffentlich dreht es sich um sündigen Sex.“

April legte Handtasche und Aktenordner auf den Tisch. „Denkst du eigentlich ständig nur an Sex, Rita?“

„Wieso nicht?“, antwortete Rita, und ihre grünen Augen funkelten. „Alle Leute denken an Sex, selbst wenn sie es nicht zugeben – meistens wenigstens.“

„Nein, nicht alle.“ April reichte ihrer Freundin den Ordner mit Sullivans Manuskript. „Und ganz sicher nicht der Verfasser dieses Artikels.“

Rita überflog die ersten Seiten und schüttelte ungläubig den Kopf. „Das hat wirklich ein Mann geschrieben? Wie alt ist er? Fünfundneunzig?“

„Ja, das hat ein Mann geschrieben“, bestätigte April lachend und suchte ihre Geldbörse. „Ich habe ihn vorhin kennen gelernt. Er heißt Lucas Sullivan und ist ein guter Freund von Tom, Typ zerstreuter Akademiker. Ich schätze ihn auf Anfang dreißig.“

„Das gibt es doch gar nicht!“ Rita schob den Salat beiseite, öffnete den Ordner und las laut vor. „,Männer akzeptieren eine Frau eher als mögliche Partnerin, wenn es nicht zu früh zu Intimitäten kommt.‘ Unglaublich. Und hier! ‚Eine Frau muss eher um Anpassungsfähigkeit bemüht sein, als zu versuchen, sexy zu sein.‘“ Rita blätterte weiter. „Was soll denn der Mist, dass eine Frau ihren Mann immer unterstützen und loben muss? Hält der Kerl denn gar nichts von erotischer Anziehung? Das soll doch wohl ein Witz sein.“

„Tom findet das nicht. Er hat nicht nur den Artikel bei Sullivan angefordert, sondern bringt ihn in der Septemberausgabe auch noch als Leitartikel heraus.“

„Was findet Tom nicht?“ Lili Soulé, eine zierliche Französin und die Dritte im Bunde, kam etwas atemlos an den Tisch. Sie war ständig in Eile, weil ihre beiden lebhaften Kinder sie immer auf Trab hielten. Sie war verwitwet, und es gab derzeit keinen Mann in ihrem Leben.

April glaubte, dass ihre Freundin für Tom Eldridge schwärmte, es jedoch nicht zu zeigen wagte. Erschwerend kam hinzu, dass Tom Eldridge sich beim letzten Firmenpicknick nicht um Lili gekümmert hatte, weil sie die Kinder bei sich gehabt hatte.

„Ich hole mir schnell einen Hamburger und erkläre es dir gleich“, sagte April. „Rita, gib Lili schon einen Teil zu lesen.“

Während April an die Theke ging, dachte sie an die körperlichen Reize ihrer Freundinnen, an Ritas Rundungen und Lilis zierliche Figur. Behauptete Sullivan wirklich allen Ernstes, eine Frau müsste nur einem Mann schmeicheln und ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken, um begehrenswert zu sein? Nun, dann hatte er noch keine Frauen wie Rita und Lili kennen gelernt. Offenbar war Sullivan ziemlich weltfremd, wenn er tatsächlich glaubte, Mann und Frau würden einander ohne körperliche Anziehung näher kommen.

„Na, was haltet ihr von Sullivans Regeln?“, fragte April, als sie an den Tisch zurückkam.

„,Eine Frau muss ihre eigenen Wünsche in einer guten Beziehung zurückstellen‘“, las Lili vor und schüttelte betrübt den Kopf. „Ich hätte die Zwillinge nie bekommen, wenn ich ihrem Vater nicht gezeigt hätte, was ich für ihn empfinde.“

Rita drückte ihr mitfühlend die Hand. „Du hast wenigstens Paul jr. und Paulette, die dich an deinen Paul erinnern“, meinte sie und nahm Lili ein Blatt aus der Hand. „Hört euch das an. ‚In einer glücklichen Beziehung muss eine Frau ihrem Mann das Gefühl geben, ein richtiger Mann zu sein.‘ Ohne Sex? Wenn der Typ nicht begreift, dass die Partnersuche mit sexueller Anziehung beginnt, hat er seine Hausaufgaben nicht gemacht. Meiner Meinung nach sollte Sex die Regel Nummer eins sein.“

April verschluckte sich vor Lachen fast an dem Hamburger. „Ich glaube, Rita, er meint nur, dass sexuelle Anziehung am Beginn einer Beziehung unwichtig sein sollte.“

„Das ist doch ausgeschlossen“, wehrte Rita ab. „Du musst ihm den Kopf waschen. Irgendjemand muss diesen Kerl vor sich selbst retten.“

„Grundsätzlich gebe ich dir recht“, sagte April und biss erneut in den Hamburger. „Sicher hat er auch seine positiven Eigenschaften, aber …“

„Das hier ist lustig“, warf Lili ein. „,Eine Frau muss ihrem Mann zeigen, wie sehr sie ihn mag und schätzt. Sie muss ihn mit Zuneigung überschütten und ihren eigenen täglichen Frust unterdrücken.‘“

„Das soll lustig sein?“ Rita griff nach der Manuskriptseite. „Hier, das ist noch verrückter: ‚Eine Frau muss fröhlich und unkompliziert sein und ihren Mann unterstützen und immer wieder loben.‘ Als wenn das nicht für beide Seiten gelten würde! April, du lässt doch wohl nicht zu, dass Eldridge diesen Mist druckt?“

„Ich werde auf jeden Fall einige Änderungen vorschlagen“, versicherte April und griff nach einer Fritte. „Das wird ihm zwar kaum gefallen, aber nach meiner Pleite vor dem Traualtar habe ich auch einige Regeln aufgestellt.“

„Ich würde den Mann gern kennen lernen und mich davon überzeugen, dass er wirklich aus Fleisch und Blut ist“, meinte Rita und nahm sich von Aprils Teller eine Gurkenscheibe.

„Oh ja, er ist aus Fleisch und Blut“, bestätigte April. „Das macht ja einen Teil des Problems aus.“

„Nur einen Teil?“, fragte Rita. „Was gibt es sonst noch für Probleme?“

„Nun, wenn man den Mist hier liest, würde man es kaum glauben.“ April überzeugte sich, dass niemand mithörte. „Lucas Sullivan sieht unglaublich sexy aus.“

„Jetzt wird es interessant“, stellte Rita begeistert fest. „Weiter! Los, beschreib ihn mal.“

„Hellbraunes Haar, Grübchen am Kinn und sagenhafte braune Augen.“

Lili legte ihr Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade aus der Hand. „Was noch?“, drängte sie.

April lächelte. „Reicht es euch nicht?“

Rita zog seufzend den Salat wieder zu sich heran. „Du interessierst dich für ihn, obwohl er so schlimme Ansichten über Beziehungen hat?“

„Nein, ich bin schließlich noch klar im Kopf.“ April war mit dem Essen fertig. „Ich könnte mich nie in einen Mann verlieben, der glaubt, dass die Sonne nur für die Männer scheint, und der sich auf Händen tragen lassen möchte. Mir fehlt nur noch eine Idee, wie ich ihn auf den richtigen Weg bringe.“

„Ja, wie denn, April?“, fragte Lili.

„Wenn Tom und Sullivan vom Essen kommen, schlage ich einige kleinere Änderungen vor. Das wird Tom sicher verstehen.“

„Du gehst ein ziemliches Risiko ein“, warnte Rita. „Wenn Tom den Artikel gekauft hat, bedeutet es, dass er wie Sullivan denkt.“

„Sicher“, erwiderte April, „aber wenn Sullivan mehr Zeit in der Wirklichkeit verbringen würde, hätte er …“

„Was ist denn deiner Meinung nach die Wirklichkeit?“, warf Lili ein und holte einen Apfel aus ihrer Tüte.

„Die Welt, in der wir arbeitenden Frauen leben“, erklärte April. „Man darf sich nicht auf Bücher und Fragebögen stützen. Ich denke da an einige Lektionen, die dieses Problem lösen würden. Und ihr könntet mir dabei helfen.“

„Ich nicht, April“, wehrte Lili ab. „Viel Erfolg mit deinem Mr. Sullivan.“

„Zum Glück ist er nicht mein Mr. Sullivan“, erwiderte April. „Meine Aufgabe besteht lediglich darin, dem Mann etwas Verstand einzutrichtern.“

Beim Essen hörte Lucas Sullivan nur mit einem Ohr zu, während Tom Eldridge seinen Artikel lobte. Er dachte an April Morgan. Sie fand seinen Artikel offenbar amüsant, was absolut nicht in seiner Absicht gelegen hatte, und er sollte sich keineswegs zu ihr hingezogen fühlen. Trotzdem war er immer noch von ihren klaren und lebhaften Augen und ihrer energischen Haltung fasziniert.

Wieso ging ihm April nicht mehr aus dem Kopf? Das sieht mir gar nicht ähnlich, dachte er, während er von der Speisekarte einen Nachtisch aussuchte. Er war gelegentlich mit Kolleginnen ausgegangen, aber die Gespräche hatten sich um ihre jeweiligen Projekte gedreht. Manchmal war es zu Sex gekommen, wegen seiner Arbeitsbelastung hatte er jedoch keine längeren Beziehungen gehabt. Er lebte nicht wie ein Mönch, aber er war wählerisch.

Wie würde er Miss Morgans Anziehungskraft auf einer Skala von eins bis zehn einschätzen? Eindeutig zehn. Vielleicht sogar zehn plus, entschied er und machte sich über sein Schokoladensoufflee her.

„Also, was denkst du?“, fragte Eldridge, der sich ein Stück Apfelkuchen mit Vanilleeis ausgesucht hatte.

Lucas trank hastig einen Schluck Wasser. „Worüber?“

„April. April Morgan. Wie denkst du über die Zusammenarbeit mit ihr?“

Autor

Mollie Molay
Nachdem sie einige Jahre in einem Logistikzentrum eines Lufttransportunternehmens gearbeitet hatte, entdeckte Mollie Molay, dass ihr das Schreiben von Liebesromanen, was sie nebenbei verfolgte, viel mehr Freude bereitete als ihre bisherige Tätigkeit. Also versuchte sie, ihr Hobby zu ihrem Beruf zu machen.
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