Die oder keine

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Süß, zierlich, zerbrechlich: Heather weckt sofort den Beschützerinstinkt des attraktiven Arztes Dr. Jason Steel. Er weiß genau, dass er diese Frau haben muss! Und nicht nur als Geliebte, sondern als seine Ehefrau. Doch noch glaubt Heather, den zügellosen Dean zu lieben. Wird sie Jason trotzdem heiraten?


  • Erscheinungstag 09.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756949
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Was für ein herrlicher Tag dachte Jason, als er nach draußen ging. Endlich war es Frühling geworden. Der Himmel war blau, die Vögel zwitscherten, und die Stadt, die zwischen nunmehr grünen Hügeln eingebettet lag, hatte noch nie besser ausgesehen.

An einem solchen Tag muss man einfach zufrieden sein, entschied Jason, als er den Weg entlangging und den Bürgersteig betrat.

Und dennoch …

Man kann im Leben nicht alles haben, mein Sohn, hörte er seine Mutter sagen.

Wie recht sie doch gehabt hatte!

Er wurde traurig, als er an sie dachte und daran, wie unglücklich ihre Ehe gewesen war. Mit achtzehn hatte sie seinen Vater geheiratet, einen Trunkenbold und Spieler. Bereits mit dreißig war sie Mutter von sieben Söhnen gewesen, und ein Jahr später hatte sein Vater sie verlassen. Mit fünfzig war sie bereits eine alte Frau gewesen, und vor fünf Jahren war sie an einem Schlaganfall gestorben.

Sie war erst fünfundfünfzig gewesen.

Er, Jason, war der jüngste und hatte bereits als Teenager den Ehrgeiz gehabt, einmal reich zu werden. Studiert hatte er nicht wegen seiner Liebe zur Medizin, sondern wegen seiner Liebe zum Geld. Seine Mutter hatte immer den Einwand erhoben, es wäre kein Grund, um Arzt zu werden.

Wie gern hätte er ihr noch gesagt, dass er doch ein guter Arzt geworden und mit seinem Leben zufrieden war, auch wenn er nicht reich geworden war.

Richtig glücklich war er allerdings nicht. Doch das erwartete er auch gar nicht mehr.

„Morgen, Dr. Steel. Schön heute, nicht?“

„Und ob, Florrie.“ Florrie war eine seiner Patientinnen. Sie war um die Siebzig und kam jede Woche in seine Praxis, um über eines ihrer zahlreichen Gebrechen zu sprechen.

„Muriel hat anscheinend viel zu tun.“ Florrie deutete zur Bäckerei auf der anderen Straßenseite. Davor stand ein Bus, und die Insassen verließen gerade mit Tüten beladen das Geschäft.

Tindleys Bäckerei war im ganzen Umkreis bekannt, seit sie vor einigen Jahren den ersten Preis für die beste mit Hackfleisch gefüllte Pastete in Australien gewonnen hatte. Seitdem machten viele Reisende, die auf dem Weg von Sydney nach Canberra waren, einen Abstecher nach Tindley, um Pasteten zu kaufen.

Der Besucherstrom hatte auch dazu geführt, dass nun in den ehemals leer stehenden Geschäften entlang der schmalen, gewundenen Hauptstraße Kunsthandwerk angeboten wurde. Die Gegend um Tindley war bei Künstlern wegen ihrer Schönheit schon immer beliebt gewesen, doch vorher hatten diese ihre Werke an Geschäftsleute in den Touristenorten an der Küste verkaufen müssen.

Als Folge der wachsenden Popularität der Stadt hatten sich dort noch mehr Geschäftsleute niedergelassen, sodass es nun außerdem ein Teegeschäft, mehrere Imbisse, einige gute Restaurants und sogar eine Pension gab, in die vorwiegend Leute aus Sydney kamen, um am Wochenende auszuspannen.

Noch vor fünf Jahren praktisch eine Geisterstadt, war Tindley jetzt eine wohlhabende kleine Gemeinde mit einer florierenden Wirtschaft. Vor fünf Monaten hatte Jason sich in die Praxis des alten Doc Brandewilde eingekauft und es nicht einen Moment bereut.

Da er vorher zwölf Stunden am Tag in einer gut gehenden Praxis in Sydney gearbeitet hatte, in der die reinste Massenabfertigung geherrscht hatte, war es ihm zuerst schwergefallen, sich an das gemäßigte Tempo zu gewöhnen und sich mehr Zeit für seine Patienten zu nehmen.

Mittlerweile konnte er sich kaum noch vorstellen, einem Patienten weniger als fünfzehn Minuten zu widmen. Außerdem waren es keine namenlosen Gesichter mehr, sondern Menschen, die er kannte und mochte – Menschen wie Florrie zum Beispiel. Mit ihnen zu plaudern machte einen großen Teil der Tätigkeit eines Hausarztes auf dem Lande aus.

Der Bus fuhr los und rollte langsam davon.

„Hoffentlich hat Muriel nicht mein Mittagessen verkauft“, meinte Jason.

Florrie lachte. „Das würde sie niemals tun, Doktor. Sie sind doch ihr Lieblingskunde. Gerade neulich hat sie zu mir gesagt, wenn sie dreißig Jahre jünger wäre, bräuchten Sie Marthas Kuppelversuche nicht mehr über sich ergehen zu lassen, weil sie Sie sich längst geschnappt hätte.“

Nun musste er auch lachen. Martha war nicht die Einzige, die ihn zu verkuppeln suchte. Seine Ankunft in der Stadt hatte bei der weiblichen Bevölkerung zu allerhand Spekulationen geführt. Offenbar kam es nicht oft vor, dass ein attraktiver Junggeselle unter vierzig, der keine Freundin hatte, hierher zog. Und da er erst dreißig war und besser aussah als der Durchschnitt, betrachteten sie ihn als besonders geeignetes Opfer.

Allerdings hatten die Ladys bisher keinen Erfolg gehabt, obwohl sie ihn zu diversen Dinnerpartys eingeladen hatten, auf denen immer ganz zufällig irgendeine alleinstehende junge Frau neben ihm gesessen hatte. Vermutlich waren seine Gastgeberinnen ziemlich enttäuscht von ihm, insbesondere Martha Brandewilde.

Dennoch beruhigte es ihn, dass man ihn bisher nicht einmal andeutungsweise als eingefleischten Junggesellen bezeichnet hatte, obwohl er sich für keine der jungen Ladys, die man ihm auf einem Tablett präsentiert hatte, begeistert hatte. Die altmodischen Ansichten und Wertvorstellungen waren eine der Eigenschaften, die er an den Einwohnern von Tindley so mochte.

Florrie betrachtete ihn stirnrunzelnd. „Wie alt sind Sie eigentlich, Dr. Steel?“

„Dreißig. Warum?“

„Ein Mann sollte nicht zu spät heiraten“, riet sie ihm, „sonst ist er in seinen Gewohnheiten zu festgefahren. Aber lassen Sie sich zu nichts drängen. Schließlich ist die Ehe eine ernste Angelegenheit. Doch ein intelligenter, netter Bursche wie Sie weiß das sicher. Vielleicht sind Sie gerade deswegen so wählerisch. Ach du meine Güte, ich muss weiter. Die Midday Show hat bestimmt schon angefangen.“

Florrie eilte davon, und Jason hing seinen Gedanken nach.

Er stimmte ihr uneingeschränkt zu. Sein Leben wäre perfekt, wenn er eine Frau finden würde, mit der er es gemeinsam verbringen konnte. Als er nach Tindley gekommen war, hatte er gerade eine Enttäuschung mit einer gewissen Ärztin hinter sich gehabt, doch das bedeutete nicht, dass er von den Frauen nichts mehr wissen wollte. Er wollte heiraten, aber nicht irgendeine Frau.

Jason schüttelte den Kopf, als er daran dachte, dass er Alice beinah geheiratet hätte. Es hätte in einer Katastrophe geendet!

Sicher, sie war eine sehr aufregende Frau – schön, clever und verdammt sexy. Er war bis über beide Ohren in sie verliebt gewesen, bis er eines Tages plötzlich ihren wahren Charakter erkannt hatte – den eines kalten, gefühllosen Menschen, der dastand und den Tod eines Kindes einfach abtat, ohne die Verantwortung für seine Nachlässigkeit zu übernehmen, und erklärte, so sei nun einmal das Leben.

In dem Moment hatte er beschlossen, sie zu verlassen und damit auch seinem Lebensstil den Rücken zu kehren, der sich durch Egoismus und Raffgier auszeichnete. Und es hatte ihn eine Menge gekostet. Statt vor Gericht um seine Hälfte zu streiten, hatte er Alice die Wohnung in Palm Beach und den Mercedes überlassen. Nachdem er sich in Doc Brandewildes Praxis eingekauft hatte, waren ihm nur noch seine Kleidung, seine Videosammlung und ein weißer Viertürer geblieben – genau die Art von Wagen, den ein Landarzt normalerweise fuhr.

Alice hatte ihn für verrückt erklärt und ihm sechs Monate Bedenkzeit gegeben, doch er hatte sowohl von diesem Leben in Luxus als auch von dem wilden Sex, den Frauen wie sie mochten, genug gehabt. Er wünschte sich ein gesundes, beschauliches Leben. Eine Familie. Eine Frau, die er mochte und respektieren konnte.

Auf Liebe hingegen konnte er durchaus verzichten.

Auf Sex konnte er natürlich nicht verzichten, denn schließlich war er ein ganz normaler Mann. Und allmählich verlor sein enthaltsames Leben für ihn an Reiz. Er brauchte eine Frau, und zwar bald!

Leider waren seine Chancen, die einzig interessante Frau in Tindley zu bekommen, gleich null.

Jason blickte zu dem kleinen Süßwarenladen an der Ecke, das sich etwas weiter die Straße entlang befand. Er war immer noch geschlossen, was verständlich war, denn Ivy Churchill war erst letzte Woche beerdigt worden.

Ob Heather in Tindley bleibt und den Laden weiterführt?, überlegte Jason. Doch selbst wenn sie es tat, was hätte es ihm genützt? Sie hatte ihr Herz an einen widerlichen Typen aus dem Ort verloren, der sie enttäuscht und die Stadt vor einiger Zeit verlassen hatte. Den Worten ihrer Tante zufolge war Heather immer noch in ihn verliebt und wartete anscheinend darauf, dass er zu ihr zurückkehrte.

Bei seinem zweiten Hausbesuch hatte die alte Dame es ihm, Jason, erzählt. Offenbar hatte sie die bewundernden Blicke bemerkt, mit denen er Heather beim ersten Mal betrachtet hatte.

Heather, die im Schlafzimmer ihrer Tante am Fenster gesessen und eine Gobelinstickerei angefertigt hatte, schien es allerdings überhaupt nicht bemerkt zu haben.

Er hingegen musste sie immer wieder ansehen, denn sie gab ein so schönes Bild ab, wie sie dasaß, den langen, schlanken Hals zur Seite geneigt und mit gesenktem Blick, sodass ihre langen, gebogenen Wimpern sich von den blassen Wangen abhoben. Sie trug ein knöchellanges weißes Kleid mit einem spitzenbesetzten Oberteil und einem ausgestellten Rock, und im Licht der untergehenden Sonne glänzte ihr blondes Haar wie gesponnenes Gold. Die goldene Kette, die sie getragen hatte, war bei jeder Bewegung hin und her geschwungen.

Jason erinnerte sich noch genau daran, was er dabei empfunden hatte. Er hatte sich danach gesehnt, ihren Nacken zu streicheln und dann ihren Kopf nach hinten zu biegen, um die Lippen auf ihre zu pressen, bis die Stimme seiner Patientin ihn jäh aus seinen erotischen Tagträumen gerissen hatte.

Die Vorstellung hatte ihn damals erregt und erregte ihn auch jetzt.

Mit finsterer Miene überquerte Jason die Straße, riss sich jedoch zusammen, sobald er die Bäckerei betrat.

Ein geringfügiger Nachteil, den das Leben in Tindley mit sich brachte, war, dass sich alles sofort herumsprach, und er, Jason, wollte keinesfalls das Gerücht aufkommen lassen, dass er Probleme hatte. Leider durfte er sich auch nicht nach Heathers Plänen erkundigen, denn es hätte sofort zu den wildesten Spekulationen geführt.

„Morgen, Dr. Steel“, begrüßte Muriel ihn fröhlich, als sie ihn sah. „Das Übliche?“

„Ja, danke, Muriel“, erwiderte er lächelnd.

Während er einen Orangensaft aus dem Kühlschrank in der Ecke nahm, legte sie ihm die gewünschten beiden Brötchen und die mit Fleisch und Pilzen gefüllte Pastete in Papier eingewickelt auf den Tresen. Er wollte gerade bezahlen und dann gehen, als seine Neugier die Oberhand gewann.

„Mir ist aufgefallen, dass der Süßwarenladen immer noch geschlossen ist“, erklärte er so beiläufig wie möglich.

Muriel seufzte. „Ja. Heather meinte, sie sei noch nicht dazu in der Lage, diese Woche zu öffnen. Sie tut mir so leid. Ihre Tante war alles, was sie noch hatte, und nun ist sie von uns gegangen. Krebs ist wirklich eine schreckliche Krankheit!“

„Stimmt“, bestätigte Jason, während er ihr eine Fünfdollarnote reichte.

Sie öffnete die Kasse, um das Wechselgeld herauszunehmen. „Wenn es bei mir so weit ist, möchte ich nicht leiden, sondern im Schlaf an einem Herzinfarkt sterben. Ehrlich gesagt hat es mich überrascht, dass Ivy noch so lange gelebt hat. Als Doc Brandewilde sie letztes Jahr zur Chemotherapie in dieses Krankenhaus in Sydney eingewiesen hat, habe ich ihr nur noch ein paar Tage gegeben. In gewisser Weise ist es für Heather wohl eine Erleichterung, weil sie sie nicht mehr leiden sehen muss. Aber sie wird schrecklich einsam sein.“

„Das glaube ich auch. Es ist komisch, dass ein hübsches Mädchen wie Heather keinen Freund hat“, sagte er mit Unschuldsmiene.

Muriel warf ihm einen scharfen Blick zu. „Sicher hat Ivy Ihnen von Heather und Dean Ratchitt erzählt.“

„Ich kann mich nicht entsinnen, dass sie jemanden mit diesem Namen erwähnt hat“, erwiderte er wahrheitsgemäß. Der einzige Ratchitt, den er kannte, war Jim Ratchitt, ein griesgrämiger alter Kerl, der auf einer heruntergekommenen Farm außerhalb der Stadt lebte. „Ist er mit Jim Ratchitt verwandt?“

„Er ist sein Sohn. Eigentlich kann ich es Ihnen ja sagen“, erklärte sie, während sie Jason das Wechselgeld reichte. „Vor allem wenn Sie ein Auge in die Richtung werfen.“

„Wovon reden Sie, Muriel?“

„Von Heather und Dean natürlich.“

„Waren die beiden ein Paar?“

Das weiß ich nicht. Dean mochte freizügige Mädchen, und Heather ist alles andere als das, denn Ivy hat sie nach ihren Wertvorstellungen erzogen. Heather träumt von einer Hochzeit in Weiß und glaubt an den heiligen Stand der Ehe. Aber wer weiß? Dean war ein echter Frauentyp, und sie war mit ihm verlobt, wenn auch nur kurz.“

„Verlobt?“ Davon hatte Ivy nichts gesagt.

„Ja. Sie haben ihre Verlobung bekannt gegeben, bevor Ivy ins Krankenhaus gekommen ist. Das hat hier für einiges Aufsehen gesorgt, denn Dean hatte noch im Monat davor einem anderen Mädchen aus der Stadt den Hof gemacht. Jedenfalls trug Heather einen Ring von ihm, als sie mit Ivy nach Sydney gegangen ist. Als sie einige Monate später zurückgekommen sind, hatte sich hier schon rumgesprochen, dass Dean die jüngste der Martin-Töchter in Schwierigkeiten gebracht hatte.“

„War das die, mit der er vorher zusammen war?“

„Oh nein, das war Lizzie Talbot. Jedenfalls hat er nicht bestritten, dass er mit der Martin geschlafen hatte, aber die Vaterschaft wollte er nicht anerkennen. Er hat sie als Schlampe beschimpft und behauptet, sie hätte auch mit anderen Männern Sex gehabt. Heather und er hatten eine heftige Auseinandersetzung, direkt vor Ivys Laden. Ich habe einiges davon mitbekommen, ja, alle in der Stadt haben es gehört!“

Muriel stützte die Ellbogen auf den Tresen und fuhr genüsslich fort: „Dean besaß doch tatsächlich die Frechheit, sie zu fragen, ob sie ihn heiraten würde. Als Heather sich geweigert hat, hat er die Beherrschung verloren und gesagt, alles wäre ihre Schuld, und wenn sie ihn nicht heiraten würde, wäre es aus zwischen ihnen. Sie hat zurückgeschrien, dass es sowieso aus wäre. Dann hat sie ihm den Ring entgegengeschleudert und gesagt, sie würde den ersten anständigen Mann heiraten, der um ihre Hand anhält.“

Wirklich?“ Jason gelang es nicht, seine Freude zu überspielen.

„Freuen Sie sich nicht zu früh, Doc“, bemerkte sie trocken. „Sie war nur in ihrem Stolz verletzt. Es ist ein Jahr her, und seitdem ist sie nicht ein einziges Mal mit einem Mann ausgegangen, obwohl sie oft eingeladen wurde. Kein Mann wird ihr einen Heiratsantrag machen, wenn sie niemanden an sich ranlässt, stimmt’s? Sie wartet doch nur darauf, dass Dean wieder bei ihr auftaucht. Falls er es tut …“ Sie zuckte resigniert die Schultern, als würde von vornherein feststehen, dass Heather ihrem verloren geglaubten Liebhaber sofort um den Hals fallen würde.

Und Dean war ihr Liebhaber gewesen, das bezweifelte Jason nicht. Liebende Frauen ließen sich nur selten von altmodischen Moralvorstellungen leiten.

Dennoch wurde er wütend bei der Vorstellung, dass Heather auf einen so gewissenlosen Sexprotz hereingefallen war. Sie war ein so zartes, sanftmütiges Geschöpf, so nett und liebevoll. Sie hatte etwas Besseres verdient.

Und zwar mich, entschied er. Bescheidenheit hatte noch nie zu seinen Tugenden gezählt.

„Was ist aus dem Mädchen geworden, das Ratchitt in Schwierigkeiten gebracht hat?“, fragte er.

„Oh, die ist nach Sydney gezogen. Angeblich hat sie das Baby wegmachen lassen.“

„Glauben Sie, dass es von ihm war?“

„Wer weiß? Sie hat einen lockeren Lebenswandel geführt. Wenn das Kind von Dean war, dann war es sein erster Ausrutscher. Komisch, denn im Lauf der Jahre hat er hier mit fast jeder Frau unter vierzig geknutscht, ob ledig oder verheiratet.“

Jason zog die Augenbrauen hoch. „Das ist ein Rekord. Was ist denn an Dean dran, wenn ich fragen darf?“

Muriel lachte. „Ich kann leider nicht aus Erfahrung sprechen, Doc, denn ich gehe auf die Sechzig zu. Aber unser Dean ist ein hübscher Bursche, jawohl!“

„Wie alt ist er?“

„Oh, ich glaube, ein paar Jahre jünger als Sie, aber ein paar Jahre älter als Heather.“

„Und wie alt ist Heather?“

Sie richtete sich auf und sah ihn vorwurfsvoll an. „Was haben Sie eigentlich bei Ihren Hausbesuchen bei Ivy gemacht, Doc? Wenn es Ihnen mit dem Mädchen ernst ist, hätten Sie das längst wissen müssen. Sie ist zweiundzwanzig.“

Jason runzelte die Stirn. Er hatte Heather älter geschätzt, denn sie wirkte sehr reif. Verdammt, mit zweiundzwanzig war sie ja fast noch ein Kind! Ein Mädchen, das sein ganzes Leben in einer Kleinstadt verbracht hatte. Ein unerfahrenes, unschuldiges junges Mädchen.

Vielleicht ist sie doch nicht so unschuldig und unerfahren, überlegte er, als ihm einfiel, dass sie mit Dean Ratchitt verlobt gewesen war. Männer wie Ratchitt gaben sich nicht lange mit Mädchen ab, die ihnen nicht gaben, was sie wollten.

„Glauben Sie, dass Ratchitt zurückkommt?“

„Wer weiß? Wenn er hört, dass Ivy gestorben ist und Heather den Laden geerbt hat, ist es gut möglich.“

Dass Heather das Geschäft geerbt hatte, wäre seiner Meinung nach auch für den abgefeimtesten Schurken kein Grund gewesen, nach Hause zurückzukehren. Vermutlich hatten sie und ihre Tante von den Einkünften leben können, aber nur, weil sie keine Miete dafür zahlen mussten. Das Haus war noch kleiner und in einem schlechteren Zustand als die anderen, in denen man die vorderen Zimmer in Gewerberaum umgewandelt hatte, und kaum etwas wert.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass es für Ratchitt ein Anreiz war, zu Heather zurückzukehren. Aber möglich war alles.

„Glauben Sie, Heather würde sich wieder mit ihm einlassen, wenn er zurückkommen würde?“, fragte er.

Muriel schnitt ein Gesicht. „Liebe macht oft blind.“

Jason musste ihr zustimmen. Nur gut, dass er nicht in Heather verliebt war. Er wollte die Entscheidungen, die sie betrafen, mit dem Kopf treffen und nicht mit dem Herzen.

„Bis morgen, Muriel“, sagte er und nahm sein Essen vom Tresen. Er hatte schon viel zu lange in der Bäckerei verweilt. Muriel würde alles genüsslich weitererzählen, was sie von ihm erfahren hatte.

Allerdings spielte es keine Rolle, denn er hatte sich entschieden und würde noch an diesem Abend, nach der Sprechstunde, die Initiative ergreifen. Er hatte nicht die Absicht, zu warten, bis dieser Dean auftauchte. Und er wollte auch keine Zeit verschwenden, indem er Heather um ein Rendezvous bat. Er würde gleich zur Sache kommen – indem er ihr einen Heiratsantrag machte.

2. KAPITEL

Allmählich wurde er nervös, und das war höchst ungewöhnlich.

Aber es ist kein Wunder, entschied Jason, als er die seitliche Pforte öffnete, die zur Rückseite von Heathers Haus führte. Schließlich machte man nicht jeden Tag einer Frau einen Heiratsantrag – schon gar nicht einer Frau, die man nicht liebte und mit der man nicht einmal ausgegangen war, geschweige denn geschlafen hatte. Die meisten Leute hätten ihn für verrückt erklärt. Alice ganz bestimmt.

Der Gedanke motivierte Jason jedoch, denn alles, was sie für verrückt hielt, war vermutlich sehr vernünftig.

Entschlossen, seine Meinung nicht zu ändern, machte er die Pforte zu und ging den Weg entlang. Erleichtert stellte er fest, dass in einem der Fenster auf der Rückseite des Hauses Licht brannte und irgendwo Musik zu hören war. Heather war also zu Hause.

Drei ausgetretene Stufen führten zur Hintertür. Jason betrat die erste Stufe und blieb dann stehen, um seine Krawatte und sein Jackett zurechtzurücken.

Nicht, dass es unbedingt nötig gewesen wäre. Schließlich trug er einen seiner teuersten und schicksten italienischen Anzüge – anthrazitfarben und aus einem knitterfreien Woll-Seiden-Gemisch –, in dem er sich immer großartig fühlte. Die graue Seidenkrawatte mit den blauen und gelben Diagonalstreifen passte perfekt dazu. Es war ein modernes, aber unaufdringliches Outfit. Er hatte sogar etwas von seinem Lieblings-Eau-de-Toilette aufgesprüht, das er nur zu besonderen Gelegenheiten benutzte.

Da er wusste, dass er keine leichte Aufgabe hatte, überließ er nichts dem Zufall und setzte alle ihm zur Verfügung stehenden Waffen ein, um in Heathers Augen attraktiv zu erscheinen. Er wollte all das repräsentieren, was Dean Ratchitt mit Sicherheit nicht war. Und er wollte Heather all das bieten, was Dean Ratchitt ihr nicht geben konnte. Eine stabile Ehe mit einem Mann, der ihr niemals untreu sein würde und auf den sie stolz sein konnte.

Nachdem Jason einmal tief durchgeatmet hatte, ging er die restlichen beiden Stufen hoch und klopfte an die Tür. Ich hätte vorher etwas essen sollen, dachte er, als sein Magen in einem erneuten Anflug von Nervosität zu knurren begann. Doch er musste erst Heathers Antwort hören.

Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass Heather ihn ebenfalls für verrückt erklären könnte, und Jason wurde unsicher. Auch das war höchst ungewöhnlich.

Sie wird dir einen Korb geben, Mann, meldete sich die Stimme der Vernunft. Sie ist romantisch veranlagt, und sie liebt dich nicht.

Nun drehte sich der Knauf, und die Tür ging auf, sodass Jason das Licht ins Gesicht fiel. Er konnte nur Heathers Silhouette erkennen.

„Jason?“, fragte Heather verwirrt.

Er hatte Wochen gebraucht, um sie dazu zu bringen, ihn beim Vornamen zu nennen. Doch selbst danach hatte sie ihn gelegentlich noch mit „Dr. Steel“ angesprochen. Zum Glück hatte sie es eben nicht getan.

„Hallo, Heather“, erwiderte er und war erstaunt, wie kühl seine Stimme klang. „Darf ich kurz reinkommen?“

„Reinkommen?“, wiederholte Heather.

Seit dem Tod ihrer Tante hatte er sie nicht mehr besucht. Er war zwar zur Beerdigung gegangen, hatte danach aber wegen eines Notfalls gleich in die Praxis zurückkehren müssen. Wahrscheinlich dachte sie, ihre Freundschaft – falls man überhaupt davon sprechen konnte –, hätte mit dem Tod ihrer Tante geendet.

„Ich möchte Sie etwas fragen“, fügte er hinzu.

„Oh … Kommen Sie doch bitte rein.“ Heather wich einen Schritt zurück und stand nun im Licht.

Jason folgte ihr stirnrunzelnd. Sie wirkte gefasster als am Tag der Beerdigung, war allerdings immer noch sehr blass und viel zu dünn. Ihre Wangen waren richtig hohl, sodass ihre grünen Augen noch größer erschienen, und ihr Haar war stumpf. Das Kleid, das sie trug, schien viel zu weit.

Als er sich in der blitzsauberen, aber leeren Küche umsah, ging ihm durch den Kopf, dass sie seit dem Tod ihrer Tante möglicherweise nicht richtig gegessen hatte. Vielleicht hatte sie nicht genug Geld, denn Beerdigungen waren ziemlich kostspielig.

Jason wünschte, er hätte eher daran gedacht.

Er hätte ihr seine Hilfe anbieten sollen. Was für ein Arzt war er eigentlich? Was für ein Freund? Was für ein Mann?

Er glaubte, hier einfach auftauchen und dieser trauernden jungen Frau einen Heiratsantrag machen zu können, nur weil es ihm in den Kram passte. Darüber, was sie wollte, hatte er sich keine Gedanken gemacht.

Du meine Güte, ich habe mich überhaupt nicht verändert, dachte er angewidert. Er war noch genauso egoistisch und raffgierig wie eh und je. Wann würde er endlich dazulernen? Würde er sich überhaupt ändern? Das hoffte er, verdammt!

Diese Erkenntnis brachte ihn allerdings nicht dazu, von seinem Vorhaben abzuweichen. Seiner Meinung nach war er trotzdem eine gute Partie für eine junge Frau, deren Lebensumstände nicht gerade die besten waren.

„Ich mache uns einen Kaffee, ja?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte Heather sich ab, um den Wasserkocher zu füllen und einzuschalten.

Da sie ihm bei seinen Hausbesuchen immer Kaffee gekocht hatte, wusste sie, dass er ihn stets aus einem Becher trank, mit Milch und einem Stück Zucker.

Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, setzte er sich an den alten Resopaltisch und beobachtete Heather, wie sie in der Küche hantierte. Dabei fiel ihm erneut auf, wie zierlich sie war und wie anmutig sie sich bewegte.

Wieder einmal verspürte er den Drang, sie zu berühren, ihren schönen Hals zu streicheln und dasselbe Verlangen in ihr zu wecken, das er plötzlich verspürte und das fast so stark war wie das, was er bei Alice empfunden hatte.

Mit ihren dunklen Haaren und klassischen Zügen war Alice eine echte Schönheit gewesen und hatte Glamour ausgestrahlt. Die knappen Kostüme, die sie immer bei der Arbeit getragen hatte, hatten ihre langen, im Fitnessstudio gestählten Beine besonders vorteilhaft zur Geltung gebracht. Und in roten Spitzendessous hatte sie einen geradezu atemberaubenden Anblick abgegeben.

Dass Heather Rot oder Schwarz trug oder die Figur für verführerische Dessous hatte, wie Alice sie getragen hatte, konnte Jason sich nicht vorstellen.

Allerdings fand er ihre zierliche Figur genauso sinnlich wie die fließenden Kleider, die sie bevorzugte. Im Bett trug sie wahrscheinlich spitzenbesetzte lange Nachthemden, aber das würde ihn nicht stören. Schließlich hatten Frauen, die sich von Kopf bis Fuß verhüllten, etwas Geheimnisvolles und waren daher besonders verführerisch.

Er hatte keine Ahnung, wie Heather nackt aussehen mochte. Ihre Brüste waren recht ansehnlich, aber vielleicht trug sie ja einen Push-up-BH? Nicht, dass er kleine Brüste nicht mochte – im Gegenteil.

Im Gegensatz zu Alice, die mit hohen Absätzen genauso groß gewesen war wie er mit seinen eins neunzig, war sie auch ziemlich klein. Wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass es ihm lieber war, wenn eine Frau zu ihm aufblickte. Er mochte alles an Heather. Und obwohl ihm klar war, dass er immer noch egoistisch war, schwor er, sie niemals bewusst zu verletzen.

„Tut mir leid, ich kann Ihnen keinen Kuchen oder Kekse anbieten“, entschuldigte sie sich, als sie die beiden Becher auf den Tisch stellte und sich ihm gegenübersetzte. „Ich war nicht in der Stimmung zum Einkaufen. Oder zum Kochen, geschweige denn zum Essen.“

„Aber Sie müssen etwas essen“, riet Jason. „Sie wollen doch nicht krank werden, oder?“

Sie lächelte schwach, als wäre das momentan ihre geringste Sorge. Er runzelte die Stirn, als er daran dachte, dass sie eine Dummheit begehen könnte. Nach dem Tod ihrer Tante musste sie sehr deprimiert sein.

Trotzdem wusste er nicht, was er sagen sollte. Daher saßen sie eine Weile schweigend da und tranken Kaffee, bis Heather schließlich ihren Becher auf den Tisch stellte und ihn ansah.

„Was wollten Sie mich fragen?“, erkundigte sie sich ausdruckslos. „Geht es um Tante Ivy?“

Jason fiel auf, dass sie ihn gar nicht richtig anschaute. Ihr mangelndes Interesse an seinem Erscheinungsbild verunsicherte ihn noch mehr.

„Nein“, erwiderte er. „Es geht nicht um Ihre Tante. Es geht um Sie, Heather.“

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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