Drunter und drüber

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Drunter trägt die hübsche Nell sexy Dessous - darüber eine ordentliche Polizeiuniform. Eigentlich müsste das in Sheriff Mac die erotischen Fantasien wecken. Aber er sieht in ihr bloß eine tüchtige Kollegin. Nach einem Fest kommt es endlich zum leidenschaftlichen Kusswechsel. Doch danach gehen sie schlafen - getrennt!


  • Erscheinungstag 10.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755911
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sheriff MacKenzie Cochrane hatte gerade die rote Dame an den schwarzen König gelegt, als das Telefon klingelte. Er zuckte zusammen. Es war heute Morgen das erste Mal, dass er gestört wurde. Eigentlich war das ziemlich ungewöhnlich, wenn man bedachte, dass augenblicklich in Knightsboro einiges los war. Die kleine Stadt im Herzen Tennessees drohte regelrecht aus den Nähten zu platzen. Mit dem Erntedankfest stand das wichtigste Ereignis der Stadt vor der Tür. Um daran teilhaben zu können, kamen die Leute von weit her.

Umso ungewöhnlicher war es, dass das Telefon bisher geschwiegen hatte. Selbst unter normalen Umständen stand es selten länger als eine Viertelstunde still. Wenn es nicht um einen vermeintlichen Diebstahl ging, dann war es eine Katze, die im Baum saß und gerettet werden musste. Erst gestern hatte eine verzweifelte Mutter sich mit der Bitte an ihn gewandt, ihrem Sohn klar zu machen, dass er unbedingt Gemüse essen müsste. Sie hatte ihrem Jungen gedroht, dass ihn sonst der Sheriff ins Gefängnis sperren würde. Da es sich bei dem Gemüse um Rosenkohl gehandelt hatte, hatte Mac sich geweigert, dem Wunsch der verzweifelten Mutter Folge zu leisten. Er hasste Rosenkohl.

Natürlich hätte Mac auch unter anderen Umständen abgelehnt. Er konnte es absolut nicht ausstehen, wenn Polizisten als böse Buben dargestellt wurden. Demnächst würde man noch von ihm verlangen, dass er nette alte Damen bedrohte und ihre Pudel einsperrte.

„Sheriff Cochrane“, meldete er sich voller böser Vorahnungen. „Hi, Mom.“ Er hörte einen Moment lang schweigend zu. „Nein, nein, keine Sorge, ich bin nicht zu beschäftigt, um mit dir zu reden.“ Mac fühlte sich ertappt. Obwohl seine Mutter natürlich nicht sehen konnte, was er tat, beendete er hastig das Solitärspiel und rief die Berichte auf, die er schon längst hätte aktualisieren sollen. Dann lehnte er sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück und machte es sich bequem, indem er die Füße auf eine Ecke des Schreibtischs legte. Molly Cochrane redete noch einige Zeit um den heißen Brei herum, bevor sie endlich zur Sache kam.

„Äh … einen Augenblick, Mom, ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.“ Ein unterdrücktes Kichern ließ ihn aufblicken. Hilfssheriff Nell Phillips stand in der Tür. „Du weißt es von deiner Putzfrau …“

Nell kicherte erneut, und Mac grinste zurück. „… sie hat es von Hilda auf dem Markt gehört, ich verstehe …“ Er nickte, als Nell lautlos die Lippen bewegte. Deine Mutter? „Wie bitte? Was hat Ted Kilbourne mit ihren Kühen gemacht?“

Nell erregte Macs Aufmerksamkeit, wie sie sich so lässig gegen den Türrahmen lehnte. Wie groß sie war und was für endlos lange Beine sie hatte! Für einen Moment verlor er den Faden, riss sich dann aber zusammen. Er nahm die Füße vom Tisch und setzte sich gerade hin. „Kannst du das noch einmal wiederholen, Mom? Was sind sie? Okay … ich werde mich darum kümmern … Hildas Nichte? Was ist mit ihr? Wann? … Mom, ich wünschte, du würdest dich nicht … Ja, ich liebe dich auch. Bis bald.“ Mac legte den Hörer auf und erhob sich.

„Was ist mit Ted Kilbourne?“ Nell nahm wieder Haltung an. „Hat sein Sohn wieder das Chemielabor in die Luft gejagt?“

„Nein, diesmal geht’s um Ted selber, oder seinen Bruder, Jed.“ Mac kramte den Autoschlüssel aus der Hosentasche. „Anscheinend haben sie den Bach vergiftet, der zu Hildas Farm hinunterfließt.“

„Vergiftet? Womit denn?“

„Hilda hat erzählt, dass die Kühe auf ihrer Weide hin und her schwanken. Was schließt du daraus?“

Nell fiel es schwer, nicht laut aufzulachen. „Soll das heißen, dass Whiskey aus Teds Brennerei in den Bach läuft?“

„Sieht ganz danach aus.“

Nell pfiff leise durch die Zähne. „Weißt du, wie hochprozentig dieses Teufelszeug ist?“

„Ich kann es mir gut vorstellen“, entgegnete Mac kopfschüttelnd. „Ich fürchte, die Kühe sind inzwischen sturzbetrunken.“

„Bei den Kilbournes ist immer etwas los. Sie sind jedes Mal aufs Neue für eine Überraschung gut.“

„Kein Wunder, bei der großen Familie. Aber was würden wir tun, wenn es sie nicht gäbe?“, schmunzelte Mac. „Trotzdem muss ich Ted in die Schranken verweisen. Hin und wieder fordert er es geradezu heraus.“ Mac nahm seinen Hut vom Garderobenhaken.

„Darf ich mit dir fahren? Hier ist heute sowieso nichts los.“

Mac warf einen Blick ins Vorzimmer. Nell hatte recht. Trotz der vielen Touristen ereignete sich nichts. Eigentlich hatte Nell meistens recht, aber er gab es ihr gegenüber nicht gerne zu. Schließlich wollte er nicht, dass sie übermütig wurde. Sie kannten sich von Kindesbeinen an, und obwohl sie jetzt erwachsen waren, fühlte er sich immer noch wie ihr großer Bruder. Er glaubte, sie beschützen zu müssen. Wahrscheinlich ging er ihr damit manchmal ganz schön auf die Nerven.

„Meinetwegen“, entgegnete er schließlich. „Ich denke, Doug wird für einige Zeit allein klarkommen. Was meinst du, Doug?“ Der untersetzte Hilfssheriff konzentrierte sich gerade auf einen Dartpfeil, um ihn schwungvoll in Richtung Zielscheibe zu werfen. Er trainierte begeistert für das alljährliche Dartturnier, das noch vor dem Ernteball und dem Erntedankfest stattfinden sollte. Doug fluchte leise, als der Pfeil von der Scheibe abprallte und auf den Boden fiel.

„Sind Bobby Dee und Casey noch auf Patrouille?“, fragte Mac weiter.

„Ja“, erwiderte Doug, „aber sie müssten bald zurück sein. Ich komme hier schon zurecht, Sheriff.“

„Na gut. Dann kannst du zu den Kilbournes mitkommen, Nell. Wer weiß, wozu ich das Einfühlungsvermögen einer Frau gebrauchen kann.“

„Ach“, erwiderte Nell spitz. „Auf einmal bin ich eine Frau und kein Hilfssheriff?“

Mac wartete geduldig, bis sie den Schlagstock am Gürtel befestigt und den Hut aufgesetzt hatte. Denn erst jetzt schenkte sie ihm wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. „Du bist doch eine Frau, oder?“, fragte er provozierend.

Ach, es war herrlich, Nell zu ärgern. Bei ihr hatte es schon immer mehr Spaß gemacht als bei seiner eigenen Schwester. Nell war nicht so kühl und berechnend wie Caitlin. Auch wenn sie Polizistin war, konnte sie manchmal ziemlich aufbrausend sein. Doch sie wusste genau, wie weit sie gehen durfte. Und ihre Schlagfertigkeit war stadtbekannt.

„Schon möglich, Sheriff. Aber in erster Linie vertrete ich das Gesetz“, entgegnete sie eisig.

Doug starrte sie fasziniert an. „Ich habe das Gefühl, die nächste Eiszeit ist angebrochen“, sagte er fröstelnd.

Mac schmunzelte. „Los, Nell, lass uns fahren. Mit Ted Kilbourne könnte ich es jederzeit alleine aufnehmen. Aber ich weiß nicht, wie ich mich gegenüber seiner Frau und den Kindern verhalten soll.“

Draußen atmete Mac tief durch. Es war ein herrlicher sonniger Oktobernachmittag. Nur der herbe Duft der Ringelblumen, die in großen Holzkübeln neben der Polizeistation in allen Farben blühten, erinnerte daran, dass der Sommer seinem Ende entgegenging. Mac zog seine Sonnenbrille aus der Jackentasche und setzte sie auf.

„Jetzt siehst du aus wie Brad Pitt“, neckte Nell ihn. Sie wusste, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn ihn jemand mit einem Filmstar verglich. Doch sie wollte ihm seine unverschämte Bemerkung von vorhin unbedingt heimzahlen. Mac war der Ansicht, dass sein ansprechendes Äußeres nicht sein Verdienst war. Er nahm es einfach hin, legte aber keinen großen Wert darauf. Immerhin hatte es seine Exverlobte nicht daran gehindert, ihn zu verlassen.

„Habe ich einen wunden Punkt getroffen, Sheriff?“, fragte sie selbstzufrieden.

„Blödsinn“, entgegnete Mac, während er die Fahrertür öffnete. Einerseits brachte ihm sein Aussehen einige Vorteile. Die Frauen flogen geradezu auf ihn. Er brauchte sich nur eine auszusuchen. Andererseits konnte er noch so attraktiv sein, für eine dauerhafte Beziehung musste mehr dahinter stehen. Aber wollte er sich überhaupt binden? Nachdem der erste Versuch so kläglich gescheitert war, mochte er sich nicht noch einmal zum Gespött der Leute machen.

Nell ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten, während Mac seinen Sitz zurechtrückte. „Entschuldige.“ Er hielt plötzlich inne. „Ich habe dich nicht einmal gefragt, ob du fahren möchtest.“

„Oh Sheriff, du würdest mir tatsächlich zutrauen, so ein kompliziertes Gefährt zu bedienen? Ich fühle mich geehrt. Aber wie soll ich mir denn beim Fahren die Nase pudern? Möchtest du riskieren, dass wir mit dem nächsten Baum Bekanntschaft machen?“

Mac lachte. Nell schaffte es fast immer, ihn aufzuheitern. „Um zu sehen, wie du dir die Nase puderst, wäre das beinahe einen Versuch wert.“ Er warf einen Blick auf das hübsche Gesicht seines Hilfssheriffs. Ob sie überhaupt eine Puderdose besaß? Nell hatte sich schon immer mehr wie ein Junge benommen. Deshalb kam man auch so gut mit ihr aus. Auch wenn Mac stets versuchte, ein guter Vorgesetzter zu sein, der seine Leute durch Leistung überzeugte und nicht durch Druck, konnte es passieren, dass er manchmal ein wenig schroff reagierte. Doch bei Nell lief er niemals Gefahr, dass sie seine Worte auf die Goldwaage legte. Sie war ein prima Kumpel.

„Stimmt etwas nicht?“ Sein abschätzender Blick machte sie langsam nervös.

Mac hatte plötzlich das Gefühl, seine Freundin aus Kindertagen zum ersten Mal zu sehen. Ihr ebenmäßiges Gesicht war von Natur aus leicht getönt. Make-up wäre hier die reinste Verschwendung. Das dunkle, kurz geschnittene Haar gab ihr einen übermütigen Ausdruck, und die großen, braunen Augen mit den langen, goldenen Wimpern sprühten vor Lebensfreude. Nell war groß – beinahe einen Meter achtzig – und schlank. Eine Amazone, die kein Geheimnis daraus machte, dass sie so leicht niemanden an sich heranließ.

Als Nell sich nach hinten streckte, um den Sicherheitsgurt herauszuziehen, spannte sich das graue Uniformhemd über ihrem Busen. Ein ausgesprochen weiblicher Anblick. Es dauerte nur Sekunden, bis sie sich wieder in ihrer Ausgangsposition befand, doch Mac war sich der Intimität des Augenblicks voll bewusst.

Komm zu dir, Mac. Er fing an zu schwitzen. Die Frau neben dir ist Nell. Die gute, alte Nell.

Es war kaum zu glauben. Nells Anblick hatte ihn in einen Zustand höchster Erregung versetzt. Er startete den Wagen und gab Gas, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

„Mac …“

Er stellte sich vor, wie sie seinen Namen flüsterte, sich an ihn schmiegte und … Schluss! Was waren das für Gedanken? Er raste mit Höchstgeschwindigkeit durch die Stadt. In letzter Sekunde wich er Mr. McNultys Buick aus und trat hart auf die Bremse, um hinter der nächsten Kurve gleich wieder das Gaspedal durchzutreten.

„Mac, bist du denn völlig verrückt geworden?“ Nell sah ihn fassungslos von der Seite an. „Vielleicht hätte doch lieber ich fahren sollen.“

„Schon gut. Ich habe geträumt.“ Er rief sich zur Ordnung und fuhr in gesittetem Tempo weiter. Nell atmete erleichtert auf, und er war froh, dass sie sich mit dieser Erklärung zufrieden gab.

Er selbst brauchte noch einige Zeit, um sich zu sammeln. Was war nur mit ihm los? Nell war nicht nur seine alte Freundin, sie war außerdem sein Hilfssheriff – und sie waren beide im Dienst.

Als wäre es ihnen beiden in diesem Augenblick gleichzeitig eingefallen, blickten sie aus dem Fenster, mit dem routinemäßigen Kontrollblick, so, wie es sich für Polizisten gehört. Doch außer der herrlichen Landschaft und der friedlichen kleinen Stadt mit ihren alten Häusern gab es nichts Außergewöhnliches zu sehen. Knightsboro war wirklich ein hübscher Ort. Nicht umsonst kamen von Jahr zu Jahr mehr Touristen her. Und die Einheimischen kamen nur selten auf die Idee wegzuziehen. Wieso auch? Man konnte sich keinen geeigneteren Ort vorstellen, um eine Familie zu gründen. Allerdings gab es eine Sache, die einem das Leben in dieser Stadt zur Hölle machen konnte. Es wurde nicht gern gesehen, wenn Leute ab einem bestimmten Alter allein lebten.

Mac hoffte immer noch, dass sein Bruder Daryn, ein erfolgreicher New Yorker Anwalt, sich endlich zu einer Heirat entschließen konnte. Vielleicht wäre Mom dann erst einmal zufrieden. Aber Daryn machte keinerlei Anstalten zu heiraten, und so lag ihre Mutter ihm mit ihrem Heiratswahn in den Ohren. Schließlich war er erreichbarer. Sie war geradezu besessen davon. Sie fand immer neue Kandidatinnen für ihn. Ihre Kreativität auf diesem Gebiet kannte keine Grenzen. Dabei wollte er doch keine Frau. Niemals … oder vielleicht doch? Wenn seine erotischen Fantasien sich jetzt schon um Nell drehten, wurde die Sache allmählich ernst.

Als Nell die Beine übereinander schlug, um bequemer zu sitzen, verlor er beinahe die Kontrolle über den Wagen und überfuhr kurzfristig die Mittellinie. „Ich glaube, ich muss mit dem Kaffeetrinken aufhören. Zu viel Koffein macht einen kaputt.“

„Kann ich mir kaum vorstellen. Du bist wahrscheinlich nur übermüdet – nach deiner heißen Verabredung gestern Abend.“

„Welche heiße Verabredung?“

„Tu doch nicht so unschuldig. Die rothaarige Touristin, die du im ‚Charlie’s‘ getroffen hast.“

„Woher weißt du das denn schon wieder?“

„Kannst du dir das nicht denken?“, entgegnete sie lächelnd.

„Nein, ich habe keine Ahnung.“

„Na ja, was die Leute halt so reden.“

Mac schlug mit der Faust aufs Lenkrad. „Wieso können sie nicht einfach ihre Meinung für sich behalten? Immer muss über irgendetwas getratscht werden.“

„Tja, wenn es interessante Neuigkeiten sind …“ Hm, das war nicht besonders taktvoll gewesen. Leider konnte sie ihre Worte nicht zurücknehmen. Es war verständlich, dass Mac in seiner augenblicklichen Situation empfindlich reagierte. Immerhin war das Gerede, das es wegen Cindy gegeben hatte, noch nicht lange vorbei.

„Sag schon, wer hat es dir erzählt?“

„Niemand.“ Sie wollte ihn nicht noch mehr aufregen. „Ich habe euch selbst zusammen gesehen, und das hat mir gereicht. Ich fand dich ziemlich schnulzig, und sie schmachtete dich mit einem ziemlichen Dackelblick an.“

„Soll das heißen, ich muss an meiner Technik arbeiten?“

„Nicht unbedingt. Es soll ja Frauen geben, die auf so was stehen.“

„Sieht ganz so aus“, brummte Mac. Obwohl er ziemlich finster dreinblickte, konnte Nell sich kaum das Lachen verkneifen. Sie war froh, als er endlich die Abzweigung zu der Blockhütte der Kilbournes nahm.

Das letzte Stück mussten sie zu Fuß gehen, da der schmale Kiesweg, der zum Haus führte, nicht befahrbar war. „Wenn ich hierher komme, habe ich immer das Gefühl, die Zeit sei stehen geblieben.“

Nell nickte. „Mir geht es genauso.“ Sie gingen schweigend weiter. „Wusstest du, dass die Kilbournes anbauen?“ Sie deutete überrascht auf die Baustelle direkt neben der alten Hütte. „Anscheinend macht sich die Schwarzbrennerei bezahlt.“

„Zumindest die Kühe sind schon auf den Geschmack gekommen.“ Mac schmunzelte. „Hallo! Ist jemand zu Hause?“, kündigte er ihr Kommen an. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Wenn man sich diesen abgelegenen Häusern ohne jede Vorwarnung näherte, konnte es durchaus passieren, dass man sich plötzlich einer Schrotflinte gegenübersah.

Doch seine Befürchtung war umsonst. Als sie bei der Hütte ankamen, öffnete Ted Kilbourne junior die Tür. Im Handumdrehen nahmen sämtliche Kilbourne-Kinder wie die Orgelpfeifen Aufstellung, vom vierzehnjährigen Ted bis zur siebenjährigen Lilly, die den jüngsten Bruder auf dem Arm hatte.

„Hallo, Kinder. Wie geht’s?“ Nell blieb taktvoll vor den Stufen, die zum Eingang führten, stehen und lächelte die Kinder gewinnend an.

„Hi Sheriff, hi Hilfssheriff.“ Ted junior grinste die Besucher an. „Was ist los? Dieses Mal habe ich nichts in die Luft gesprengt.“

„Wir wollen auch nicht zu dir, sondern zu deinem Dad.“

„Der ist nicht da.“

„Dann warten wir eben.“ Mac setzte sich auf die Treppe.

Zuerst fühlten sich die Kinder ein wenig unbehaglich, doch schon bald gelang es Mac, ihnen die Scheu zu nehmen. Nell hatte nicht erwartet, dass er so gut mit Kindern umgehen konnte. Schließlich saß der Jüngste auf seinem Schoß, während die anderen sich angeregt mit ihm unterhielten und herumalberten.

Es wurde Nell plötzlich bewusst, dass sie diesen Mac noch gar nicht kannte. Das war nicht mehr der kleine Junge, mit dem sie dumme Streiche ausgeheckt hatte und der jetzt zufällig ihr Chef war. Mit einem Mal sah sie ihn aus einem anderen Blickwinkel. Nicht umsonst betrachteten ihn die Kilbourne-Mädchen mit leuchtenden Augen. Sie hatten sofort bemerkt, was ihr bisher nicht aufgefallen war. Mac war ein ausgesprochen gut aussehender Mann. Es war auch das erste Mal, dass sie den Duft seines Rasierwassers wahrnahm. Es roch angenehm herb und passte genau zu seiner markanten Männlichkeit.

Cindy muss verrückt gewesen sein.

Nell hatte nie besonders viel von seiner Exverlobten gehalten. In ihren Augen hatte sie Mac wie einen Schoßhund behandelt. Sie hatte sich immer gefragt, wieso er sich das hatte bieten lassen. Aber wahrscheinlich hatte er sich so daran gewöhnt, dass er es nicht einmal merkte. Immerhin war Cindy Gedding das begehrteste Mädchen der Stadt gewesen. Sie konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie ihre eigenen Brüder für die hübsche Blondine geschwärmt hatten. Sie hatte sie alle um den kleinen Finger gewickelt.

Nell wünschte, sie selbst beherrschte nur ein Zehntel dieser weiblichen Tricks. Dann hätte sie sicherlich auch einen Freund.

Als die Kilbourne-Kinder einige Zeit darauf im Haus verschwanden, um den Besuchern hausgemachte Limonade zu holen, war der Jüngste auf Macs Schoß eingeschlafen.

„Wie hast du das denn geschafft?“, flüsterte Nell, um den Kleinen nicht aufzuwecken.

„Mit etwas Glück vielleicht?“ Mac lächelte.

„Das glaube ich kaum. Du scheinst ein Händchen für Kinder zu haben.“

„Nicht nur für Kinder. Du vergisst die schöne Rothaarige mit dem Dackelblick.“

Nell verdrehte die Augen. „Du bist der absolute Champion im Umgang mit Frauen und Kindern. Bist du jetzt zufrieden?“

„Das erzähle ich dir ja schon seit Jahren, Slim. Am besten, du bleibst in meiner Nähe und lernst vom wahren Meister.“

„Hör bitte auf. Du klingst ja wie mein ältester Bruder. Er wird demnächst Vater und spielt sich auf, als hätte seine Frau nicht das Geringste mit der Sache zu tun.“

„Zumindest haben wir Männer Spaß daran.“

„Wer sagt dir denn, dass es Frauen keinen Spaß macht?“, gab Nell zurück. Amüsiert stellte sie fest, dass Mac errötete.

„Hey, Sheriff, wieso wirst du rot? Ist dir plötzlich heiß geworden?“

„Unsinn, Slim.“ Er senkte die Stimme. „Aber es fällt schwer, mir vorzustellen, dass du Freude am Sex hast.“

„Wieso das denn?“, empörte sich Nell.

„Weil ich dich kenne, seit du vier bist.“

Da die Kinder gerade mit der Limonade zurückkehrten, konnte Nell ihm keine passende Antwort geben.

Kurze Zeit darauf tauchten Ted senior und sein Bruder Jed am Waldrand auf. „Hallo Mac!“ Ted winkte schon von weitem. „Ich wette, Hilda hat dich geschickt, stimmt’s?“

2. KAPITEL

„Auf Umwegen sozusagen“, rief Mac zurück und ging den Brüdern entgegen.

Da Nell sich den Spaß nicht entgehen lassen wollte, folgte sie ihm.

„Es war ein Unfall, Mac.“

Jed nickte bestätigend. „Ja, ein Schlauch hatte ein Loch. Aber wir haben das Problem behoben.“

„So, habt ihr das?“ Mac baute sich in seiner vollen Größe von beinahe einem Meter neunzig vor den beiden eher schmächtigen Kilbourne-Brüdern auf. „Heißt das, ihr habt euren Destillierapparat unschädlich gemacht?“ Seine Stimme klang streng, aber Nell bemerkte, dass seine Mundwinkel verdächtig zuckten.

„Nicht direkt, Mac. Aber wir haben uns überlegt, dass wir unser Geschäft legal betreiben wollen.“

„Eigentlich schade“, meinte Jed nachdenklich. „Ich habe noch nie so glückliche Kühe gesehen. Ihr solltet schnell zu Hilda fahren und einen Krug Milch kaufen.“

Nell lachte, wurde aber schnell wieder ernst. „Was soll das heißen, ihr wollt euer Geschäft legalisieren?“

„Na ja, Jed und ich werden jetzt echte Unternehmer. Wir haben schon eine Lizenz beantragt.“

„Damit erleichtert ihr mir mein Sheriff-Dasein ungemein“, sagte Mac trocken. „Nur schade, dass euer Gebräu so extrem nach Farbverdünner schmeckt. Sonst wäre die Idee richtig gut.“

„Dafür ist eure hausgemachte Limonade umso besser“, meinte Nell. „Ich bin ehrlich beeindruckt. Sie schmeckt genauso wie die, die ich immer in Ada Mae Bakers Restaurant getrunken habe.“

Ted nickte stolz. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie den Kindern ihr Rezept verraten hat.“

„Du machst Witze, Ted. Ich habe seit meiner frühesten Kindheit versucht, ihr das Rezept zu entlocken.“

„Sie hat wahrscheinlich an deinen hausfraulichen Fähigkeiten gezweifelt, Slim.“

„Aber wer kann denn schon bei Limonade etwas falsch machen?“

„Dir würde das sicher gelingen.“ Mac lächelte sie provozierend an.

Ted reichte ihr tröstend einen Teller mit Keksen. „Es wird Zeit, dass du heiratest und dir ein paar Kinder anschaffst, Nell, meinst du nicht auch?“

„Du klingst wie meine Mutter“, schmollte Nell.

„Kann schon sein. Aber hat sie nicht recht? Ich weiß auch von ein paar anderen Leuten, die es schade finden, dass du noch immer nicht verheiratet bist. Deshalb dachte ich …“

„Wer? Wer hat das gesagt?“, fragte Nell außer sich. „Das ist ja großartig. Meine Mutter fordert sämtliche Einwohner von Knightsboro auf, nach einem Mann für mich Ausschau zu halten. Das hat mir gerade noch gefehlt.“

„Tja.“ Jed machte ein paar Schritte auf Nell zu, und erst jetzt fiel ihr sein unsicherer Gang auf. „Du bist zwar eigentlich nicht mein Typ, Nell. Aber vielleicht könnte ich ja aushelfen …“

Autor

Meg Lacey
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