Du bist mein Traummann

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Als Kallista nach dem Tod von Big Boone, der sie groß gezogen hat, in ihre Heimatstadt Jasmine zurückkehrt, erlebt sie eine Überraschung. Roman Blaylock, der sich in den letzten Jahren fürsorglich um Big Boone gekümmert hat, lebt auf dessen Ranch. Obwohl Kallista noch nie zuvor auf einen Mann sexuell so stark reagierte wie auf Roman, erwacht Misstrauen in ihr. Hat er für den alten Mann gesorgt, um sich so Anteile an der Ranch zu sichern? Zu gern würde Kallista glauben, dass Roman sich tatsächlich heiß in sie verliebt hat ...


  • Erscheinungstag 06.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759506
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Hier bist du sicher, mein Kleines, hier bei mir auf dem Land der Llewelyns.“ Boone hielt die Hand des kleinen Mädchens fest. Wie zart und zerbrechlich sie sich anfühlte. Das Herz schwoll ihm in der Brust. Er liebte die Kleine.

Sie war seine Enkelin.

Boone schluckte schwer. Der Gram über seine Söhne erstickte ihn fast. Er liebte das Land, das Erbe seiner Eltern. Doch er war dreißig Jahre lang fort gewesen, hatte ein enormes Vermögen gemacht – und zwei Söhne gezeugt, die zu Taugenichtsen herangewachsen waren. Faule, verantwortungslose Bigamisten, alle beide. Boone konnte es nicht ertragen, dass sie auch nur in die Nähe seines Hauses kamen.

Er musste sein Land, das Erbe seiner Väter, vor seinen Söhnen beschützen. Das llewelynsche Erbe war für seine Enkel bestimmt …

Wenn die Zeit reif sein würde, dann würden sie alle erfahren, wer sie waren und dass sie stolz darauf sein konnten.

„Denk immer daran, kleine Kallie, du musst hierher zurückkommen.“

1. KAPITEL

„Wenn es etwas gibt, was ich absolut nicht brauchen kann, dann ist es dieses scharfzüngige, hochnäsige Biest. Aber ich habe Boone versprochen, dass ich sie hierher bringe, genau wie all die anderen auf der Liste. Danach kann sie von mir aus auf ihrem Hexenbesen fliegen, wohin sie will“, murmelte Roman Blaylock brummig und fuhr sich mit der Hand über die Wange, auf die Kallista May ihn damals geschlagen hatte.

Es war eine laue Aprilnacht, und Roman saß auf der Terrasse von Boone Llewelyns Haus.

Bei der Erinnerung an damals hatte er wieder den Klang von zersplitterndem Steingut im Ohr. Er war vor Kallistas Schlag zurückgewichen und gegen ein Regal voll halb fertiger Keramikstücke geprallt. Am liebsten hätte er diese wütende Furie gepackt – und geküsst.

Doch Kallista hatte ihn böse angestarrt. „Nur weiter so. Sie schlagen Ihre Frau. Warum nicht auch mich?“ Abschätzig hatte sie ihn mit ihren grünen Augen vom Scheitel bis zur Sohle gemustert. „Sie zerstören hier alles. Sie machen Ihrer Frau Angst. Sie riechen nach Alkohol. Sie haben sich nicht unter Kontrolle … und Sie sind rücksichtslos. Ich erlaube nicht, dass Sie Ihre Frau fertigmachen, nicht hier in meinem Laden. Hinaus!“

„Ich schlage meine Frau nicht!“, hatte er empört erwidert.

Kallista hatte unbeirrt entgegnet: „Debbie hat gesagt, Sie seien brutal zu ihr gewesen und dass Sie beide ein Problem hätten. Ich dachte …“

„Ich? Brutal?“ Die Unterstellung war ein harter Schlag für seinen männlichen Stolz.

„Sie sind offensichtlich gewalttätig. Und Sie sind betrunken.“

Die Verachtung in ihrem Ton hatte ihn unglaublich wütend gemacht – und gleichzeitig den verrückten Wunsch in ihm vertieft, ihre roten, feuchten Lippen zu berühren. Diese Frau strahlte so viel Leidenschaft aus. Er wollte diese Leidenschaft spüren. Er wollte die Hand ausstrecken und …

Boone hatte ihm kurz zuvor zwei Whiskeys spendiert und ihm dabei vorsichtig beigebracht, dass Debbie eine Affäre mit Thomas Johnston hatte. Er, Roman, hatte davon gewusst, aber nicht, dass andere ebenfalls davon wussten.

„Ich habe niemals meine Frau geschlagen“, hatte er Kallista gegenüber erneut klargestellt.

„Sie kann es nicht ertragen, wenn Sie ihr nahe kommen, und sie hat offensichtlich Angst vor Ihnen.“

Debbie und er hatten der Welt etwas vorgemacht und die Wahrheit über ihre Ehe verborgen gehalten. An jenem Tag hatte Debbie das Geld von ihrem gemeinsamen Konto abgehoben. Wie sollte er da die Hypothek für das Haus, das er für sie gebaut hatte, bezahlen?

„Sie hat allen Grund, wegzurennen“, hatte er noch gesagt. Und dann hatte er Kallista an sich gerissen und geküsst – wild und leidenschaftlich.

Als er sie wieder freigegeben hatte, hatte sie ihm prompt eine zweite Ohrfeige verpasst.

Das war vor vier Jahren gewesen.

Die Nachtluft war mild und samtig, und es war ganz still hier oben. Weiter unten im Tal sah man die Lichter von Jasmine, Wyoming. Roman wusste, er würde sein Leben geben für sein Land. Ein Jahrhundert zuvor hatte einer von Boones Vorfahren, der zweite Sohn eines englischen Lords, Freundschaft mit Micah Blaylock geschlossen, dem Sohn einer Indianerin und eines Spaniers. Seit jener Zeit waren die Blaylocks und die Llewelyns stets miteinander befreundet gewesen.

Boone hatte sein Land alles bedeutet. Und er hatte sich mit Ängsten und Selbstvorwürfen gequält. Er hatte unbedingt seine Fehler wieder gutmachen wollen …

Als Boone vor zwei Jahren schwer krank geworden war, war Roman auf das llewelynsche Anwesen gezogen, um von dort aus beide Ranches zu verwalten. Er hatte sich durch den Wust an Papieren gearbeitet, die sich während Boones Krankheit angesammelt hatten – und hatte schockiert festgestellt, dass die vielen Kinder, die so oft bei Boone gewesen waren, seine Enkel waren. Als Boones Nachlassverwalter hatte Roman sich dann verpflichtet, all diese Kinder herbeizuholen und ihrem Erbe zuzuführen. Sie hatten zu seinen Lebzeiten unter Boones Schutz gestanden. Boone hatte stets gedroht, die monatlichen Zahlungen an die verantwortungslosen Eltern einzustellen, falls einem der Kinder etwas zustoßen sollte. Doch wann immer er längeren Kontakt zu seinen Enkeln gehabt hatte und eine zu große Nähe zwischen ihnen entstanden war, hatten die Eltern sie ihm wieder entrissen.

Boone war sehr beschämt darüber gewesen, dass er als Vater versagt hatte, doch er hatte auf keinen Fall gewollt, dass das bekannt wurde, jedenfalls nicht in Jasmine. Mit seinen monatlichen Zahlungen hatte er sich seine Söhne vom Leib gehalten und sein dunkles Geheimnis bewahrt. Roman hatte sich geschworen, es ebenso zu bewahren.

Auch Roman hatte ein Geheimnis, das er niemals preisgeben wollte: Seine Ehe hatte nur nur auf dem Papier bestanden. Dabei entstammte er einer Familie, in der die Liebe und ein erfülltes Eheleben den größten Stellenwert besaßen. Doch in seiner Hochzeitsnacht hatte Roman feststellen müssen, dass seine zierliche Braut es nicht ertrug, wenn er sie anfasste.

Erneut berührte er seine Wange, wo Kallista ihn vor vier Jahren geschlagen hatte. In seinem Innern brannte der Schmerz noch immer. Ihre Anschuldigungen hatten seinen Stolz empfindlich verletzt.

Hinter einem kleinen Hügel erhob sich Romans eigenes Ranchhaus, düster und leer. Es wirkte fast unheimlich im Mondlicht. Er hatte es vor Jahren gebaut, in der Hoffnung, für sich, seine Braut und seine Tochter ein Heim zu schaffen und eine große Familie. Nun war das Haus nur noch wie ein Denkmal für seine zerstörten Träume. Seine Ehe mit Debbie war schon vor der Hochzeitsnacht eine Lüge gewesen. Debbies Kind war nicht von ihm. Sie war das Idol seiner Teenagerzeit gewesen, und als sie schwanger geworden war, war er ihr zu Hilfe gekommen und hatte ihr angeboten, sie zu heiraten.

Roman zwang sich, an etwas anderes zu denken. Er hatte genug damit zu tun, Boones Nachlass zu verwalten und seine und Boones Ranch zu bewirtschaften.

Kurz bevor Boone starb, hatte er ihm geschworen, Kallista zu finden und hierher zurückzubringen, zum Land ihrer Vorfahren. Er fand zwar, sie war ein verwöhntes Luder, aufbrausend und starrköpfig, und er hatte überhaupt keine Lust, ihr zu begegnen. Doch er würde es tun, für Boone.

Ein ganzes Jahr hatte er gebraucht, um sie zu finden. Morgen würde sie kommen.

Roman streifte Hemd und Stiefel ab und versuchte, sich mit den Tai-Chi-Übungen zu entspannen, die Boone ihm beigebracht hatte.

Kallista schloss die Ladentür auf. Sie trat in den dunklen Raum und schloss die Tür hinter sich. Unwillkürlich berührte sie ihre halbmondförmigen Silberohrringe. Boone hatte sie ihr geschenkt.

„Vergiss nie, wer du bist. Vergiss nicht, dass hier bei mir deine Heimat ist. Komm zurück zu mir, Kallie, mein Kleines. Hier bist du in Sicherheit“, hatte er zu ihr gesagt.

Sie war ständig beruflich unterwegs. Als es mit Boone zu Ende ging, war sie gerade als Troubleshooter für die Firma Boudreaux Inc. in Nassau gewesen und hatte es nicht mehr geschafft, ihn noch einmal lebend zu sehen. Kallista sprach mehrere Sprachen fließend und wechselte die Jobs wie andere Leute die Kleider. Sie war überall und nirgends zu Hause. Ihr einziges wirkliches Zuhause war bei Big Boone Llewelyn gewesen.

Boone Llewelyn verdankte sie alles. Und jetzt hatte dieser Roman Blaylock Boones geliebte Ranch an sich gerissen. Noch bevor Boone überhaupt tot war, war er schon in sein Haus eingezogen.

Kallista hatte diese kleine Keramikwerkstatt eröffnet, um Boone einen Gefallen zu tun. Der Laden hatte ihm das Gefühl gegeben, als sei ein Teil von ihr immer in seiner Nähe, auch wenn sie selbst gar nicht mehr oft in Jasmine war.

Debbie hatte den Laden geführt, bis vor vier Jahren, als Roman Blaylock bei einer Prügelei mit einem anderen Mann, der Debbie verteidigt hatte, den halben Laden kaputt geschlagen hatte.

Kallista war damals zufällig wieder einmal in Jasmine gewesen. Sie war gerade rechtzeitig aus dem Hinterzimmer gekommen, um zu sehen, wie der andere Mann Roman einen Schlag in die Magengrube verpasste. Roman hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt und den Mann mit Leichtigkeit zurückgedrängt. Ringsum hatten die Regale gewackelt wie bei einem Erdbeben.

Der Mann hatte sich schützend vor Debbie gestellt, fast zärtlich, als wäre sie seine Geliebte. Roman hatte bewegungslos dagestanden, als könnte nichts auf der Welt ihm etwas anhaben, während mehrere Keramikstücke aus dem Regal auf seinen Kopf fielen und von seinen Schultern abprallten. Er hatte getan, als würde er nichts von dem Blut merken, das über seine Stirn lief.

Er hatte die beiden angestarrt und nur ein einziges Wort gesagt. „Geht.“

Es hatte wie ein Peitschenhieb geklungen, und Kallista war ein Schauer über den Rücken gelaufen. Doch dann hatte ihr Zorn die Oberhand gewonnen.

Roman hatte den Kopf ruckartig zur Seite gedreht nach ihrem Schlag, nicht so sehr wegen der Stärke des Schlages, als viel mehr aus verletztem Stolz. Nie würde sie den glühenden Zorn in seinem Blick vergessen … Ach was, er war bloß ein roher, unzivilisierter Kerl, dem man seine indianischen Vorfahren anmerkte.

„Sie werden sich das boonesche Land nicht unter den Nagel reißen, Mr. Blaylock. Nicht solange, ich atme“, sagte Kallista laut. Sie verscheuchte die Gedanken an Roman Blaylock, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und ließ endlich ihren Tränen freien Lauf.

Bonne lebte nicht mehr. Der Mann, der der einzige Halt in ihrem Leben gewesen war, war tot.

Sie hatte nie gewusst, wer ihr Vater war. Ihre Mutter hatte sie einfach bei Boone Llewelyn abgestellt, und sie hatte gelernt, sich bei ihm geborgen zu fühlen. Er war immer für sie da gewesen, immer bereit, sie in seine großen, starken Arme zu nehmen, während ihre Mutter sich beständig neue Liebhaber und neue Ehemänner genommen hatte, und sie immer wieder der Geborgenheit auf der Llewelyn-Ranch entriss. Damals hatte sie das alles nicht verstanden, bis auf eines: Sicherheit gab es nur bei Boone. Selbst als sie schon erwachsen war, war sie immer wieder hierher zurückgekommen.

Sie hätte öfter kommen sollen, hätte sich mehr um den einzigen Mann, den sie je geliebt hatte, kümmern sollen. Der einzige Mensch, der ihr gezeigt hatte, dass auch ein Mann ein Herz haben und lieben konnte. Sie hätte früher kommen sollen. Jetzt hielt dieser Roman Blaylock Boones Hinterlassenschaft in seinen großen, gierigen Händen.

Langsam ging Kallista durch den spärlich beleuchteten Raum mit den Regalen voller Keramik. Hannah Blaylock führte jetzt den Laden. Die Leute aus Jasmine liebten es, hier Keramikware zu bemalen und zu glasieren, um sie dann zu verschenken.

Kallista wusste, es würde nicht leicht werden. Als Erstes würde sie überprüfen, wie es um Boones geliebte Tauben stand, um seine Schafe und Ziegen und die anderen Tiere. Normalerweise war sie immer sehr kühl und rational, aber jetzt konnte sie nur daran denken, wie wütend sie auf Roman Blaylock war und wie sehr es ihr zuwider war, dass ausgerechnet er Boones Nachlassverwalter war. Doch sie würde beweisen, dass er nur aus Geldgier handelte, und dann …

Sie blickte hoch zu Boones Ranchhaus, das weit über allen Häusern von Jasmine stand. Einige der Fenster waren erleuchtet. Kallista blickte hinüber zu Roman Blaylocks Ranchhaus, das an einem nahen Abhang stand. Alle Fenster waren dunkel. Roman lebte also immer noch in Boones Haus. Von Hannah Blaylock, Dan Blaylocks Frau, hatte sie erfahren, dass Roman bei Boone eingezogen war, als dieser nicht mehr für sich selbst hatte sorgen können. Offenbar war er noch nicht wieder ausgezogen, obwohl Boone bereits vor einem Jahr gestorben war.

„Schmarotzer!“, schimpfte Kallista.

Wutentbrannt nahm sie ihre Tasche und stürmte hinaus.

Der schnittige kleine Sportwagen kam neben Romans Pick-up zum Stehen. Die Tür öffnete sich, und Kallista Bellamy sprang heraus.

Roman blieb im Schatten stehen und beobachtete, wie Kallista mit langen, selbstsicheren Schritten zum Haus ging. Ihr hüftlanges, schwarzes Haar wehte wie eine Fahne hinter ihr her. Prüfend blickte sie hinüber zu den Schweineställen, zum Taubenhaus und zu den Kuhställen. Vor dem Haus blieb sie stehen, stemmte die Hände in die Hüften und blickte an der Fassade hoch.

Ihre Bewegungen waren ebenso anmutig wie energisch. Sie sah genauso aus wie damals, an dem Tag, an dem sie ihn geohrfeigt hatte, jeder Zoll Empörung und Leidenschaft.

Plötzlich spürte Roman ein völlig ungewohntes Gefühl der Unruhe in sich aufsteigen. Er ignorierte es und konzentrierte sich auf Kallistas zartes, herzförmiges Gesicht. Ihr langes Haar, das sie auf klassische Art mit zwei großen Silberkämmen zurückgesteckt hatte, hing nun wie ein Vorhang aus schwarzer Seide über ihren wohlgeformten, geschmeidigen Rücken.

Auf dem gerahmten Foto, das neben Boones antikem Himmelbett hing, hatte ihr Gesicht einen warmen, zärtlichen Ausdruck, und ihre grünen Augen strahlten.

Jetzt strahlte sie weder Wärme noch Zärtlichkeit aus. Unter ihrer glänzenden schwarzen Jacke trug sie einen eng anliegenden schwarzen Pullover und schwarze Jeans. Roman spannte unwillkürlich sämtliche Muskeln an, als sein Blick über Kallistas geschwungene Hüften und die endlosen Beine glitt. Zu allem Überfluss trug sie auch noch schwarze Springerstiefel. Sie wirkte wie eine Kriegerin.

Einen Moment lang zögerte sie, bevor sie mit katzenhafter Leichtigkeit die Treppen hinaufsprang, auf die Klingel drückte und gegen die Tür pochte.

Roman war überrascht, wie trocken sein Mund geworden war. Und wieso verspürte er plötzlich den fast unwiderstehlichen Drang, seine Hände auf ihre Hüften zu legen?

„Die Tür ist nicht verschlossen“, brummte er und trat aus dem Schatten hinaus ins Mondlicht.

Kallista machte einen Schritt zurück und musterte ihn kühl mit ihren mandelförmigen Augen. Ihr Blick ruhte erst auf seinem nackten Oberkörper und wanderte dann langsam zu seinem Gesicht. Er war eins siebenundachtzig und einen Kopf größer als sie. Offenbar ärgerte es sie, dass sie zu ihm aufschauen musste. Ihr energisches Kinn und der trotzige Zug um ihren Mund erinnerten ihn an Boone.

„Ich will, dass Sie von hier verschwinden, Mr. Blaylock. Jetzt. Sie haben in Boones Haus nichts mehr zu suchen.“

Roman ließ sich Zeit mit der Antwort. Was für einen interessantes Parfüm sie hat, dachte er. Sehr feminin. Und sie schien so weltgewandt, so selbstbewusst und unnahbar. Aber aus den Papieren, die er bei Boone gesehen hatte, wusste er, wie verletzlich sie war. Er wusste von den traurigen Stationen ihres Lebens.

„Er wollte mich hier haben“, entgegnete er knapp.

„Sie haben die Schwäche eines sterbenden Mannes ausgenutzt, sind einfach hier eingezogen und haben alles an sich gerissen. Wahrscheinlich pressen Sie seine Ranch jetzt aus.“

Sie hatte einen Herzschlag zu lang auf seinen nackten Oberkörper gesehen, und ihm war dabei glühend heiß geworden. Und sie hatte es bemerkt. Das hatte er ihr angesehen. Er war jetzt über dreißig und machte sich wenig Hoffnung, dass es in seinem Leben noch einmal so etwas wie leidenschaftliche, romantische Liebe geben könnte. Um so mehr überraschte ihn seine heftige körperliche Reaktion auf Kallista.

„Wie ich sehe, hat sich an Ihrer Einstellung mir gegenüber nichts geändert. Warum haben Sie sich nie gemeldet?“, fragte er und bemerkte, dass ihre Finger zitterten, als sie sie auf das Terrassengeländer legte. „Ich habe ein ganzes Jahr lang versucht, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.“

„Ich wollte keinen Kontakt zu Ihnen. Ich verstehe nicht, was Boone in Ihnen gesehen hat.“

„Boone wollte mich hier bei sich haben. Er wollte, dass ich mich um alles kümmere.“

„So kann man es auch nennen.“ Kallista verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will alles sehen. Jetzt. Ich will sehen, was Sie verscherbelt haben, was Sie zerstört haben, und ich will mir die Bücher anschauen. Ich will wissen, wie viel genau Sie auf Ihre eigenen Konten abgeführt haben.“

„Mir hat noch niemand vorgeworfen, ein Betrüger zu sein“, erwiderte er scharf.

„Sie befürchten wohl, ich könnte entdecken, dass etwas fehlt.“

Roman holte tief Luft. „Es ist zehn Uhr nachts. Warum kommen Sie nicht morgen wieder, wenn Sie ausgeschlafen und sich ein bisschen beruhigt haben?“ Kallista wusste ganz genau, wie sie seinen Stolz verletzen konnte. Nun, ihm war ja schon immer klar gewesen, dass sie nicht gerade in die Kategorie „liebenswürdig“ fiel.

Sie bedachte ihn mit einem misstrauischen Blick. „Damit Sie Zeit haben, Ihre Machenschaften zu vertuschen? Auf keinen Fall!“

Roman presste die Kiefer zusammen, um nichts zu sagen, was er später bereuen müsste. „Na schön. Nur zur Erinnerung, ich bin der gesetzliche Nachlassverwalter dieses Anwesens. Wieso glauben Sie, Sie hätten das Recht, alles zu untersuchen?“

Sie glühte förmlich vor Zorn. Kallista sah aus, als hätte sie ihn am liebsten gepackt und von Boones Haus weggezerrt. Dann, für einen winzigen Augenblick, zitterte ihre Unterlippe. Hoffentlich fängt sie nicht zu weinen an, dachte Roman. Er wusste, eine Träne von ihr genügte, und er wäre Wachs in ihren Händen.

„Er war mein Freund. Ich habe Boone geliebt,“, sagte sie schließlich.

Roman war erschüttert. Denn Kallista schien genauso um Boone zu trauern wie er. „Er hat Ihnen etwas hinterlassen.“ Roman streckte die Hand aus und stieß die Tür auf.

Kallista wich sofort vor ihm zurück.

Er nickte ihr zu. „Nach Ihnen.“

Sie hob eine Braue. „Sie zuerst.“

Roman zwang sich zu einem Lächeln. Kallista misstraute ihm. Trotz ihres zur Schau getragenen Zorns wirkte sie auf ihn in diesem Moment wie ein verängstigtes Kätzchen, das man in eine Ecke gedrängt hat. Er hätte sie am liebsten in die Arme genommen, so wie Boone es immer getan hatte. Stattdessen legte er ihr nur eine Hand auf den Nacken und schob sie sacht vorwärts.

Sie sprang zurück, als hätte sie sich verbrannt und machte ihm Platz.

Als Roman nun vor ihr ins Haus trat und sein breiter, sonnengebräunter Rücken die Tür ausfüllte, wurde Kallista fast von dem Wunsch überwältigt, ihre Fingerspitzen langsam daran herabgleiten zu lassen. Als er sich umwandte, zuckten seine Mundwinkel spöttisch. Sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten und nicht der Versuchung nachzugeben, auf seine muskulöse, leicht behaarte Brust zu starren. Er hatte einen faszinierenden Körper. Sicher machte er Frauen reihenweise schwach mit seiner männlichen Ausstrahlung, seiner tiefen Stimme, seinem dichten schwarzen Haar.

Ja, rein physisch war er sicher interessant. Groß, stark und geschmeidig wie ein Berglöwe, der sich seiner Beute sicher war. Doch sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Männer, die so aussahen wie er, genau wussten, wie sie Kapital daraus schlagen konnten. Und sie war nicht interessiert. Ihr Interesse galt nur einer Sache: Boones Ranch und sein Vermögen durften nicht in die falschen Hände geraten.

Roman machte eine weit ausholende Handbewegung. Kallista sollte alles in Ruhe betrachten. Das Haus war genauso, wie sie es in Erinnerung hatte, vollgestopft mit Möbeln und Fotos. Auch das alte Klavier von Boones Mutter stand noch da. Eine Wand war bedeckt mit gerahmten Kinderzeichnungen. Eine davon stammte von ihr und zeigte ein großes Strichmännchen und ein kleines Strichmännchen, die sich an der Hand hielten. „Boone und ich“ stand in krakeliger Schrift darunter.

Kallista spürte einen dicken Kloß in der Kehle. Ihre Augen wurden feucht. Doch sie weinte niemals, und sie konnte sich diesen Luxus auch jetzt nicht erlauben. Sie musste das Haus besichtigen, kontrollieren, ob nicht etwas fehlte …

Sie verließ das Wohnzimmer und betrat den nächsten Raum. Er war etwas kleiner. Ein Sessel stand darin, ein Fernseher, ein kleiner Tisch mit Büchern und Zeitschriften. Unmittelbar an diesen Raum schloss sich Boones Arbeitszimmer an. Dort hatte er sie auf seinem Schoß gehalten, wenn sie von ihrer Mutter wieder einmal verlassen worden war und ängstlich geweint hatte. Er hatte sie an sich gedrückt und ihr gesagt, dass nichts auf der Welt so wichtig sei wie die Liebe und dass er sie lieb habe und dass sie bei ihm immer in Sicherheit sei. Dass seine Ranch ihr Zuhause sei.

Boone … Ungeduldig wischte sie sich über die Augen. Roman sollte nichts von ihrer Schwäche bemerken.

„Was ist mit den Schweinen, den Tauben, Schafen und Ziegen?“, fragte sie.

„Alle noch da und in bester Verfassung. Sie können sich morgen selbst überzeugen. Die Viehherde ist bei meinem Bruder, Dan und seiner Frau, Hannah. Big Al, Dans Bulle, wollte absolut keine Ruhe geben, bis die ganze Herde vereint war. Aber alle Tiere sind markiert. Die Herde kann jederzeit wieder getrennt werden.“

„Wir beide wissen sehr gut, wie das geht mit dem Markieren von Vieh, nicht wahr? Ein paar für Llewelyn, und ein paar mehr für Blaylock … Was ist mit der Briefmarkensammlung und mit den Orchideen? Die haben sicher nicht überlebt, oder?“

„Was das Markieren der Tiere betrifft, da werden Sie ganz bestimmt keine Unregelmäßigkeiten finden. Dusty und Titus haben das gemacht, und ich fände es sehr unfair, wenn Sie deren Ehrlichkeit infrage stellten.“

Kallista bemerkte den warnenden Unterton in Romans Stimme. Er hatte sich bisher kein einziges Mal wirklich verteidigt, doch er ließ nicht zu, dass sie die beiden alten Cowboys verdächtigte.

Auf dem Tisch lag eine Fachzeitschrift über Orchideenzüchtung. Roman schob sie in Kallistas Richtung. „Ich lerne dazu.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie Sie sich um Boones Orchideen kümmert. Was ist mit seinen Sammlungen? Den Briefmarken, den Münzen und …“ Kallista fiel ein, dass Roman gerade etwas erwähnt hatte, das wichtiger war als alle materiellen Werte. „Und Dusty und Titus? Boones langjährige Cowboys? Sie können sie nicht einfach entlassen. Die beiden sind alt, sie haben kein Zuhause. Und sie können keine harte Arbeit mehr machen.“

„Bin ich vielleicht ein Sklaventreiber? Sie haben ja wirklich eine hohe Meinung von mir. Die beiden haben ihr Zuhause hier, wo sie es immer hatten, seit fünfzig Jahren. Boone hat verfügt, dass sie hier begraben werden sollen, wenn die Zeit gekommen ist. Aber keine Sorge, sie sind noch sehr rüstig und haben genug zu tun mit den Schweinen, den Tauben, den Schafen und den Ziegen, ohne wirklich hart arbeiten zu müssen.“

Roman sah Kallista prüfend an, bevor er erklärte: „Sie können hier wohnen, wenn Sie möchten. Boone wollte es so.“

„Mit Ihnen zusammen? Nein, danke.“ Kallista trat an den Computer und schaltete ihn ein. Der Kursor blinkte, als würde er ihr zuwinken. „Sehr smart.“ Sie spähte hinüber zu Roman, der sich an die Tür gelehnt hatte und sie immer noch musterte. „Ich schätze, hier drin sind alle Informationen, nicht wahr?“

Kallista schritt den ganzen Raum ab und blieb schließlich vor Boones antikem Schreibtisch stehen. Nachdenklich strich sie mit der Hand über die glatte, massive Eichenholzplatte. Der Schreibtischaufsatz hatte einen Rollladen. Sie zog am Griff. Doch der war verriegelt.

„Das war ja klar“, sagte sie mit einem Blick auf Roman. „Ich werde Sie nicht um den Schlüssel bitten. Ich werde Sie niemals um etwas bitten.“

Autor

Cait London

Cait London lebt in Missouri aber wuchs im ländlichen Teil des Staates Washington auf. In vielen ihrer Bücher ist der Einfluss, den das Landleben hatte, immer wieder zu spüren. Der Geruch des Salbeis, das Bild von reifen Weizenfeldern im Spätsommer und die Apfelernte im Spätherbst haben ihre Gedanken und Schreibweise...

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