Ein Märchen wird wahr

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die sinnlichen Bewegungen der zarten Schönheit beim Schleiertanz entflammen Prinz Jamals Blut! Er begehrt sie und noch heute Abend soll sie seine Geliebte werden. Aber als der letzte Schleier ihre betörenden Reize enthüllt, erlebt er eine Überraschung...


  • Erscheinungstag 26.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779597
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nach vier Jahren auf dem College und zwei Jahren in einem Schweizer Mädchenpensionat war es Heather McKinley endlich gestattet worden, an den einen Ort auf Erden zurückzukehren, an dem sie sich zu Hause fühlte. El Bahar, das wundervolle Land des Zaubers, in dem Vergangenheit und Gegenwart in vollkommener Harmonie miteinander verschmolzen. Sie wollte über den Marktplatz bummeln und Granatäpfel und Datteln und all die anderen exotischen Köstlichkeiten kaufen, die dort erhältlich waren. Sie wollte den heißen Sand und das kühle Meer unter den Füßen spüren. Sie wollte die Düfte der wundervollen Gärten einatmen, die den Palast umgaben.

Lachend stürmte sie durch das Wohnzimmer und riss die Terrassentür auf. Ihre Dreizimmersuite im Gästeflügel des Palastes führte hinaus auf einen breiten Balkon. Augenblicklich raubte die Hitze des Nachmittags ihr den Atem. Es war Juni, die heißeste Zeit des Jahres. Es würde ein paar Wochen dauern, bis sie sich an die Temperatur gewöhnt hatte, doch das konnte ihre gute Laune nicht dämpfen. Sie war zurück. Sie war endlich zurück!

„Ich hatte gehofft, dass du vernünftig werden würdest, aber wie ich sehe, war es ein vergeblicher Wunsch.“

Beim Klang der vertrauten Stimme drehte sie sich um und lächelte strahlend, als Givon Khan, der König von El Bahar, auf den Balkon trat.

Er breitete die Arme aus. „Komm. Lass mich dich willkommen heißen.“

Sie warf sich an seine Brust und sog tief die vertrauten Düfte ihrer Kindheit ein: Sandelholz, Orangen und etwas Undefinierbares, das nur El Bahar eigen war. „Ich bin zurück“, verkündete sie glücklich. „Ich habe mein Examen, und ich habe sogar die zwei Jahre in diesem albernen Mädchenpensionat hinter mich gebracht, wie versprochen. Darf ich jetzt hier arbeiten?“

Er zog sie in die Suite und schloss die Tür. „Ich weigere mich, irgend etwas Wichtiges draußen in dieser Hitze zu besprechen. Wir haben nicht ohne Grund eine Klimaanlage.“

„Ich weiß, aber ich liebe die Hitze.“

König Givon war ein großer Mann mit dem verwitterten Gesicht eines Menschen, der einen Großteil seines Lebens in der Sonne verbracht hatte. Seine weisen braunen Augen schienen ihr bis in die Seele zu blicken – ebenso wie die ihres Großvaters es getan hatten. Sie hatte ihr Leben lang versucht, beide Männer zufrieden zu stellen. Nun, da ihr Großvater gestorben war, gab es nur noch Givon, und sie hätte Berge für ihn versetzt.

Er war ein Herrscher, der sowohl für seine Weisheit als auch für seine Geduld bekannt war. Sie hatte gehört, dass er auch grausam sein konnte, ihn jedoch nie von dieser Seite erlebt.

„Warum sprichst du von Arbeit?“, fragte er und legte die rechte Hand an ihre Wange. „Du bist doch gerade erst angekommen.“

„Ja, aber ich will arbeiten. Das ist mein Traum, seit ich ein kleines Kind war. Du hast es versprochen“, rief sie ihm in Erinnerung.

„Allerdings.“ Er zog die Augenbrauen zusammen. „Was habe ich mir bloß dabei gedacht?“

Heather seufzte, aber sie wusste es besser, als dem König zu schmeicheln. Außerdem waren weibliche Tricks nicht ihre Spezialität. Flirten lag ihr überhaupt nicht. Abgesehen von dem König und ihrem Großvater bedeuteten Männer für sie kaum mehr als ein Ärgernis.

„Du bist eine wundervolle junge Frau“, sagte der König. „Zu wundervoll, um dein Leben lang in dunklen Räumen eingesperrt zu sein.“

Flüchtig schloss sie die Augen. „Bitte fang nicht wieder mit dieser Predigt über Heirat an. Ich will nicht heiraten. Du hast mir versprochen, dass ich eine Stellung im Palast erhalte und die antiken Texte übersetzen darf, wenn ich in der Schule hart arbeite und dieses scheußliche Mädchenpensionat besuche. Du kannst dein Wort jetzt nicht brechen.“

König Givon schien noch größer zu werden. Er starrte sie so finster an, dass sie ihre Worte bereute. Buschige Augenbrauen zogen sich zusammen. Sie befürchtete, dass er sie anschreien würde. Doch obwohl die Aussicht nicht erfreulich war, schreckte sie nicht zurück. Ihr Großvater hatte sie zu einer echten McKinley erzogen, und das bedeutete, sich zu behaupten.

„Kleines Biest“, murmelte der König mit einem Seufzen. „Also gut. Du darfst an deinen kostbaren Texten arbeiten.“

„Es wird dir nicht leidtun“, versicherte sie hastig. „Es gibt so viel zu übersetzen. Wir müssen die Informationen schnell retten. Die Zeit und die Elemente haben das Papier bereits geschwächt. Ich will alles fotografieren und in einem Computer speichern. Wenn wir …“

Er hielt eine Hand hoch, um sie zum Schweigen zu bringen. „Erspar mir die technischen Details. Es ist ein ehrgeiziges Projekt, und ich bin sicher, dass du es hervorragend bewältigen wirst. Jetzt möchte ich erst einmal etwas anderes mit dir besprechen.“

Er ging zu dem Sofa und nahm Platz. Als er auf das Polster neben sich klopfte, tat sie wie geheißen und setzte sich neben ihn. Er nahm ihre Hand in seine. „Wie alt bist du jetzt?“

„Fünfundzwanzig.“

„So alt.“ Er nickte bedächtig. „Du hast nie geheiratet.“

Heather lachte und schüttelte dann den Kopf. „Natürlich nicht. Ich bin viel zu unabhängig, um als jemandes Ehefrau glücklich zu sein. Ich habe keine Lust, zu kochen und zu putzen. Vor allem weigere ich mich, meine Entscheidungen von jemand anderem treffen zu lassen, nur weil er ein Mann ist. Das ist lächerlich.“

Sie räusperte sich und entzog ihm sanft die Hand. Gewiss konnte er ihre Ansichten über sein Geschlecht nicht gutheißen. Er mochte sein Land erfolgreich in das neue Millennium geführt haben, aber er verkörperte in vielerlei Hinsicht die Essenz von El Bahar, und das bedeutete, dass seine Welt noch immer in der Vergangenheit verankert war.

„Ich wollte nicht respektlos sein“, versicherte sie hastig. „Du bist nicht wie andere Männer, und du würdest nicht …“

Erneut hob er eine Hand. „Ich verstehe. Du wurdest im Westen erzogen, was bedeutet, dass du über viele Dinge andere Ansichten hegst. Dein Großvater gestattete dir, meistens deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Deine Ansichten über die Ehe sind nicht unerwartet.“ Er musterte sie flüchtig und blickte dann zur Terrassentür hinaus.

Heather folgte seinem Blick. Das tiefblaue arabische Meer erstreckte sich bis zum Horizont. Es war für sie der wundervollste Anblick. So perfekt, so himmlisch …

„Was ist mit Kindern?“, fragte der König.

Sie blinzelte. „Kinder?“

„Wie willst du ohne einen Ehemann welche bekommen?“

Es gibt Dutzende von Möglichkeiten, dachte Heather, aber sie wusste, dass er nicht das meinte. Würde sie sich als ledige Mutter wohl fühlen? Nachdenklich strich sie sich über die Unterlippe. Sie war sich nicht sicher, ob sie die erforderliche Charakterstärke besaß. Aber sie wünschte sich Kinder. „Ich weiß es nicht“, gestand sie ein. „Ich habe eigentlich noch nicht darüber nachgedacht. Warum fragst du?“

„Ich habe ein Problem. Nur du kannst mir dabei helfen.“

Er hielt inne, um sie wissen zu lassen, dass es ein heikles Thema war. Es rief ihr außerdem in Erinnerung, wie viel sie dem König verdankte. Er hatte sich stets als wundervoller Freund für sie und ihren Großvater erwiesen. Als Kind hatte sie jeden Sommer in El Bahar verbracht. Als ihr Großvater vor sechs Jahren gestorben war, hatte König Givon sich um sie gekümmert, sie getröstet, sie auf das College vorbereitet. Er hatte ein Königreich zu regieren, und dennoch war er mit ihr nach New York gefahren und hatte sie persönlich in ihrem Schlafsaal untergebracht. Nun war er der Einzige, der sich an ihren Geburtstag erinnerte und ihr das Gefühl vermittelte, in El Bahar stets willkommen zu sein.

„Ich werde alles tun“, versicherte sie ihm, und es war ihr ernst.

Er lächelte. „Sehr gut. Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. Weißt du, ich möchte, dass du meinen Sohn Jamal heiratest.“

„Was ist los mit dir?“, fragte Jamal Khan, während er sich in seinem ledernen Bürosessel zurücklehnte.

Sein älterer Bruder Malik streckte sich auf dem Sofa am anderen Ende des Zimmers aus, legte die Füße auf die Armlehne und starrte finster an die Decke. „Willst du das wirklich wissen?“

Jamal blickte zur Uhr. Er wartete darauf, dass die Aktienkurse auf dem Monitor erschienen. Der Markt war seit einigen Tagen ein wenig unbeständig.

Als der mittlere Sohn des Königs war er für das private Vermögen der Familie Khan verantwortlich. In den vergangenen fünf Jahren hatte er das Nettoeinkommen verdreifacht. Teilweise lag es an der wachsenden Weltwirtschaft, aber auch an seinem persönlichen Geschick bei Investitionen. „Ich habe zu arbeiten“, rief er seinem Bruder in Erinnerung.

Malik warf ihm einen finsteren Blick zu. Er war der älteste Sohn und der Kronprinz von El Bahar. Wenn jemand mehr zu arbeiten hatte als Jamal, dann war er es. Er richtete den Blick wieder zur Decke. „Sie ist zurück.“

„Wer ist zurück?“

„Heather, die Schreckliche. Großmutter hat es mir erzählt. Das bedeutet, dass sie uns zum Dinner Gesellschaft leisten wird. Großer Gott, was ist, wenn ich wieder neben ihr sitzen muss? Sie hat diese komische Art, einen Mann anzublicken. Als wäre er in etwa so reizvoll wie ein Wurm mit Eiterbeulen.“

Jamal lachte. „Ein Wurm mit Eiterbeulen? Hat sie das gesagt?“

„Das muss sie nicht. Man sieht es ihr an. Ihr Blick wird ganz durchdringend, und ihre Nase kraust sich.“ Er schüttelte sich.

Erstaunt musterte Jamal ihn. „Du hast Angst vor einer Frau?“

Malik setzte sich auf. „Ich habe keine Angst. Ich mag sie nicht. Das ist ein Unterschied.“

Jamal konnte es nicht fassen, dass eine Frau seinen gebieterischen Bruder aus der Fassung brachte. Er erinnerte sich kaum an Heather McKinley. Eigentlich wusste er nur, dass ihr Großvater und der König befreundet gewesen waren. „Sie ist nichts weiter als ein Kind. Vater schenkt ihr nur seine Aufmerksamkeit, weil er keine Töchter hat.“

„Da irrst du dich. Du warst während ihrer letzten Besuche verreist. Sie ist kein Kind mehr. Sie ist Anfang zwanzig. Großmutter setzt sie immer neben mich. Als ob ich mich plötzlich in sie verlieben könnte und sie heiraten wollte.“ Malik erstarrte. „Glaubst du, dass es darum geht? Versuchen sie, eine Ehe zu arrangieren?“

„Ich hoffe nicht. Vor allem nicht, wenn sie so schrecklich ist, wie du sagst.“

„Sie ist schlimmer. Eine prüde Jungfrau, die über alles zu viel weiß. Sie hat die Geschichte von El Bahar studiert und redet endlos darüber. Ihr Lebensziel ist es, Texte zu übersetzen. Kannst du das fassen?“

„Ist sie hässlich?“

Malik zögerte. „Ich weiß nicht recht.“

„Du musst es wissen. Du hast sie doch gesehen.“

„So einfach ist das nicht. Sie trägt diese Kleider.“

„Die meisten Frauen tragen Kleider. Es ist tragisch, aber wahr.“

„So meine ich das nicht“, entgegnete Malik verärgert. „Ihre Kleider sind anders. Ich würde sagen, dass sie sich wie eine Nonne kleidet, aber ich möchte den Geschmack der heiligen Schwestern nicht beleidigen. Sie ist pingelig und trägt hochgeschlossene Kragen und eine Brille. Sie hat ihre Haare immer zu einem Knoten geschlungen.“ Er warf die Hände hoch. „Heather McKinley ist eine Schreckschraube, neben der ich nie wieder sitzen will.“

Jamal lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schmunzelte. „Ich muss mir diese Frau unbedingt ansehen, die dem Kronprinzen Angst einjagt.“

Malik stand auf und griff in seine Hosentasche. „Du, mein Bruder, bist äußerst erfolgreich bei den Damen, aber selbst du würdest es nicht schaffen, sie zu verführen. Ich wette fünfzig Dollar, dass du es nicht schaffst, ihr beim Dinner ein Lächeln zu entlocken.“

Jamal erhob sich ebenfalls. „Ich habe eine bessere Idee. Wir wetten um deinen neuen Ferrari für eine Woche.“

„Nicht einmal im Traum!“

„Dein neuer Ferrari für eine Woche, wenn ich sie heute Abend küsse.“

Malik zog die Augenbrauen zusammen. „Wenn du es nicht schaffst, muss dein neuer Hengst sechs von meinen Stuten decken. Jeden Tag eine.“ Er grinste.

Jamal überlegte. Diese geheimnisvolle Heather McKinley musste in der Tat Furcht einflößend sein, wenn sein Bruder bereit war, seinen neuen Wagen dafür aufs Spiel zu setzen. Doch er war nicht beunruhigt. Bisher war ihm noch keine Frau begegnet, die seinem beträchtlichen Charme hatte widerstehen können. „Abgemacht“, sagte er und streckte die Hand aus.

„Auf den Mund“, verlangte Malik und legte die Hand in die seines Bruders.

Grinsend drückte Jamal zu. „Überlasse es einem Profi.“

„Heiraten?“ Heather war überzeugt, sich verhört zu haben. „Ich soll heiraten?“

„Überrascht dich das so sehr?“, hakte Givon nach. „Du bist weit über zwanzig, und du bist sicherlich vernünftig.“

Alt und vernünftig. Zwei gute Gründe, um zu heiraten, dachte sie sarkastisch. „Ich bin allerdings überrascht. Ich habe nie gedacht …“

„Dann solltest du jetzt daran denken. Du und Jamal habt viel gemeinsam. Er ist zwar ein paar Jahre älter, aber das ist gut für einen Ehemann. Ihr beide liebt El Bahar. Er ist wie du sehr an Geschichte interessiert. Ihr reitet beide gern.“

„Ich habe nicht mehr auf einem Pferd gesessen, seit ich zwölf war“, murmelte sie, so als wäre es ein ausschlaggebendes Argument.

„Dann wirst du es wieder lernen. Es ist nicht so schwierig.“

Heather stand auf und trat an die Wand, die ein Bildnis vom Garten Eden zierte. Die winzigen Mosaiksteinchen zeigten Eva, die von der Schlange in Versuchung geführt wurde. Die roten Steinchen des Apfels schienen von innen zu leuchten. Sollte auch sie auf die Probe gestellt werden? War Givon die Schlange, oder war er die Antwort auf ihre Gebete?

„Jamal braucht dich“, fuhr Givon in eindringlichem Ton fort. „Sein Leben ist leer. Es ist fast sechs Jahre her, seit seine Frau starb, und in all der Zeit war er allein.“

„Er hat mit jeder attraktiven Frau zwischen hier und dem Nordpol verkehrt“, wandte Heather ein. „Er ist ein Frauenheld.“

Jamal bevorzugte vollbusige, schöne und möglichst blonde Frauen. Je glamouröser, berühmter und sinnlicher, umso besser. Die Klatschspalten sagten ihm nach, ein spektakulärer Liebhaber zu sein. Nicht, dass derartige Dinge sie interessierten und sie sich mit solchen Zeitschriften beschäftigte, aber beim Friseur gab es kaum etwas anderes zu lesen.

„Wie gesagt, ist sein Leben leer. Er lässt sich zwar mit diesen attraktiven Hohlköpfen ein, aber heiratet er sie? Bringt er sie nach El Bahar?“ Mit einem Kopfschütteln beantwortete er seine eigenen Fragen. „Sie bedeuten ihm nichts. Er benutzt sie und wirft sie fort.“

„Eine beeindruckende Charakterreferenz für einen zukünftigen Ehemann“, murrte sie.

„Er braucht eine Ehefrau“, fuhr der König fort, so als hätte er ihren Einwurf nicht gehört. „Jemanden, für den er da sein kann. Den er lieben kann, und der seine Liebe erwidert.“

„Das ist alles sehr interessant, aber es hat nichts mit mir zu tun.“ Heather drehte sich zu ihm um. „Ich will weder Jamal noch sonst jemanden heiraten. Ich bin wieder in El Bahar. Ich habe meine Arbeit. Das ist alles, was ich brauche.“

„Du brauchst mehr. Du musst heiraten, damit du Babys bekommen kannst. Und du kannst nicht behaupten, dass du ihn nicht magst. Ich glaube, dass du ihn bevorzugst.“

„Deine Söhne sind alle sehr nett“, entgegnete sie diplomatisch. „Ich bevorzuge keinen.“

In Wirklichkeit waren ihr alle drei Prinzen zu herrisch und viel zu kühn. Khalil, der jüngste, schien sich mit einer sehr netten Frau niedergelassen zu haben. Aber Malik und Jamal waren immer noch wild und machten sie nervös. Sie wollte nicht heiraten, aber falls sie es tat – um dieser imaginären Kinder willen –, dann sollte es ein sanfter Mann sein, der intellektuell und gütig statt leidenschaftlich war.

„Aber du hältst Jamal für gut aussehend.“

Sie holte tief Luft. „Er ist nicht unattraktiv. Keiner deiner Söhne ist es.“ Alle drei waren hochgewachsen und wirkten mit ihren dunklen Haaren und glühenden Augen wie eine Kombination aus James Bond und Rudolph Valentino. Und sie mochte gelegentlich von Jamal geträumt haben, als sie jünger – wesentlich jünger – gewesen war, aber darüber war sie hinausgewachsen.

Givon stand auf und trat zu ihr. Er legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. „Gut. Dann wirst du beim Dinner neben ihm sitzen und erwägen, was ich gesagt habe. Er muss heiraten. Du musst heiraten. Es ist perfekt.“

„Es ist keineswegs perfekt.“

„Fatima will es auch. Du kennst meine Mutter. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, ist es unmöglich, es ihr auszureden.“

Heather stöhnte. „Nicht auch noch Fatima! Ich kann nicht euch beiden widerstehen.“

Der König lächelte. „Da hast du recht. Also gib dir gar nicht erst die Mühe, es zu versuchen.“ Er küsste ihre Wange und ging.

Sie sank zu Boden, den Rücken an das Wandbild gelehnt. Fatima war wie eine zweite Mutter für sie. Mit ihren Kleidern von Chanel und ihrer Anmut wirkte sie durch und durch königlich. Sie war elegant, intelligent, warmherzig und vermutlich die vollkommenste Königin, die El Bahar je geehrt hatte. Doch hinter dem graziösen Wesen und dezenten Make-up verbargen sich ein stählernes Rückgrat und eine Entschlossenheit, die jeder Armee widerstehen konnte.

„Ich treffe mich nicht mal mit Männern“, murrte Heather vor sich hin.

Sie hatte es zweimal probiert und beide Male ein Desaster erlebt. Da sie eine reine Mädchenschule besucht hatte, war ihr erstes Rendezvous erst im College zustande gekommen. Sie war zu einer Party eingeladen worden. Niemand hatte sie gewarnt, dass das köstliche Gebräu mit Kokosnussgeschmack mehr Rum enthielt, als gut für die Gesundheit war.

Seltsamerweise war ihr Date davon ausgegangen, dass sie nach dem Genuss von drei Drinks in einer knappen Stunde leichter ins Bett zu kriegen wäre. Ehe sie es sich versah, hatte er sie flach gelegt und ihr den Rock bis zur Taille hochgeschoben. Zum Glück für sie, wenn auch nicht für ihn, war ihr übel geworden. Das hatte seine Lust gedämpft und ihr zur Flucht verholfen. Die zweite Erfahrung war noch schlimmer gewesen.

Nein, sie war nicht an einer Beziehung interessiert, und schon gar nicht an einer Ehe. Und sie beabsichtigte, beides deutlich klarzustellen, sobald sie Jamal Khan begegnete.

2. KAPITEL

„Um es von vornherein klarzustellen“, verkündete Heather, als sie an diesem Abend das Esszimmer betrat. „Ich bin nicht daran interessiert zu heiraten.“

Der Mann, der an dem großen Tisch saß, besaß nicht einmal den Anstand, schockiert auf ihre Ankündigung zu reagieren. Stattdessen lächelte er höflich, stand auf und nickte. „Danke für die rasche Aufklärung“, sagte er in leisem, sanftem Ton.

Sie spürte ihre Wangen erglühen. Sie redete sich ein, dass es an der Anstrengung des Spaziergangs lag. Schließlich war ihre Suite recht weit vom Esszimmer entfernt. Außerdem war sie schnell gegangen, da sie Jamal allein erwischen wollte, was ihr gelungen war. Sie ignorierte die Hitze und räusperte sich. „Ja, nun, ich kann es erklären.“

Er trat zu ihr und blieb dicht vor ihr stehen. Sie hasste es, dass sie zu ihm aufblicken musste. Noch mehr hasste sie, dass er so reizvoll aussah.

Er maß mindestens einen Meter neunzig. Er trug sein kohlrabenschwarzes Haar streng zurückgekämmt in einem konservativen Stil, der ausgezeichnet zu seinen markanten Zügen passte. Sein Anzug war maßgeschneidert, seine Krawatte allein kostete vermutlich so viel wie die Essenmarken für einen Monat im College, und seine Schuhe waren aus feinstem Leder und von Hand gearbeitet.

Ein Schauer rann über ihren Rücken, den sie ebenfalls ignorierte.

„Es ist lange her, Heather.“ Er reichte ihr die Hand. „Welch ein Vergnügen, dich wieder zu sehen.“

Flüchtig schüttelte sie ihm die Hand. Dann verschränkte sie die Finger hinter dem Rücken. „Ja, es ist eine Weile her.“ Sie blickte über die Schulter den Korridor entlang. „Sie werden jeden Moment eintreffen. Wir müssen reden.“

„Sie?“, hakte er gedehnt nach, so als hielte er sie für ein wenig verrückt.

„Dein Vater und deine Großmutter. König Givon hat mich heute Nachmittag aufgesucht und verlauten lassen, dass wir heiraten sollen. Du und ich. Ich weiß nicht, warum. Wir kennen uns kaum. Wir passen überhaupt nicht zusammen. Wir müssen ihn aufhalten.“

„Der König hat verlauten lassen? Wie denn? Durch Knurren oder eher Hüsteln?“

Finster starrte Heather ihn an. „Du nimmst mich nicht ernst.“

Jamal besaß die Frechheit zu lächeln. „Allerdings nicht. Wenn du nicht an einer arrangierten Ehe interessiert bist, dann sag es ihm einfach.“

„Das habe ich getan. Er hat nicht auf mich gehört.“

„Dann gib mir einen Korb.“

„Bist du gar nicht aufgebracht? Kümmert es dich gar nicht? Er arrangiert dein Leben. Und meines. Ich will das nicht.“

Er berührte ihre Wange. Es war eine ungezwungene, beinahe väterliche Geste. Dennoch setzte ihr Herz einen Schlag lang aus.

„Ich bin Prinz Jamal Khan von El Bahar. Es ist meine Pflicht, zu heiraten und Erben zu produzieren. Ich habe keine Frau kennen gelernt, mit der ich zusammen sein möchte. Wenn die Zeit also kommt, werde ich eine arrangierte Ehe akzeptieren. So geschieht es seit Hunderten von Jahren.“

„Ich kenne die Sitten“, stieß Heather zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich habe die Kultur studiert. Darum geht es mir nicht. Mir geht es darum, dass ich nicht ein Teil der Geschichte werden will. Verstehst du denn nicht? Dein Vater glaubt, dass wir gut zusammenpassen. Du musst ihn aufhalten, bevor er zu weit geht.“

Dunkelbraune Augen musterten sie nachdenklich. „Warum hältst du ihn nicht auf? Sag ihm einfach, dass du dich mir verweigerst.“

„Es wäre besser, wenn du mich gar nicht erst fragen würdest. Ich verdanke dem König sehr viel. Er war immer sehr gut zu mir. Ich würde mich furchtbar fühlen, wenn ich ihn enttäuschen müsste.“ Sie blickte zu ihm auf. „Aber ich will dich wirklich nicht heiraten.“

„Wie schmeichelhaft“, murmelte Jamal. Er war darauf vorbereitet gewesen, Heather, die Schreckliche zu treffen. Stattdessen sah er in ihr eher ein Schulmädchen als eine Schreckschraube.

„So habe ich es nicht gemeint“, versicherte sie ihm. „Du brauchst nicht gleich den Mann hervorzukehren und dich beleidigt fühlen.“

„Was meinst du damit?“

Finster blickte sie ihn an und schob ihre Brille hoch. „Du weißt schon. Männer hassen es, wenn Frauen ehrlich sind. Sie wollen ständig ihr Ego gefüttert wissen. Aber das ist echt Zeitverschwendung.“

„Aha. Hast du persönliche Erfahrung mit dieser Egofütterung?“

„Eigentlich nicht, aber ich habe es oft genug gesehen.“

„Wissen aus zweiter Hand?“

Ihre Nase kräuselte sich, wie Malik es so abwertend beschrieben hatte. „Ich muss mir nicht den Arm abschneiden, um zu wissen, dass mir die Erfahrung nicht gefallen würde.“

Er dachte darüber nach. „Willst du damit sagen, dass du dich nicht mit einem Mann einlassen musst, um zu wissen, dass er sein Ego gefüttert haben will?“

„Genau.“ Ihre Stimme klang nachsichtig, so als hätte ein besonders dummer Schüler eine kluge Antwort gegeben.

Eingehend musterte Jamal sie. Wie Malik behauptet hatte, kleidete sie sich äußerst prüde. An diesem Abend trug sie trotz der Hitze ein graues Kleid mit hochgeschlossenem Kragen und langen Ärmeln, dessen Saum ihr fast bis an die Knöchel reichte. Nicht die geringste Spur von Make-up bedeckte ihre blasse Haut. Wenn ihre nussbraunen Augen groß wirkten, dann lag es an deren Form, nicht an Schminke. Ihr braunes Haar war zu einem festen Knoten geschlungen. Die kleinen Brillengläser trugen nur noch zu dem Klischee einer altjüngferlichen Lehrerin bei. Sie wirkte wie eine Frau, die nicht viel von Männern hielt. Was schade war. Denn in den richtigen Kleidern und mit einer schmeichelnderen Frisur hätte sie hübsch sein können. Soweit er es durch den dicken Stoff ihres Kleides feststellen konnte, schien ihre Figur recht reizvoll zu sein.

„Jedenfalls würde es niemals klappen“, versicherte sie ihm. „Die Sache mit der Ehe. Wir kennen uns nicht. Ich bezweifle, dass wir uns mögen würden. Ich reite nicht mal.“

Er blinzelte. „Reiten? Das verstehe ich nicht.“ Was hatte Reiten mit einer arrangierten Ehe zu tun?

„Ich weiß nicht, wie ich den Satz klarer formulieren soll.“ Ihre Miene verriet deutlich ihr mangelndes Vertrauen in seine Intelligenz. Er war nicht mehr der kluge Schüler wie zuvor.

„Ich verstehe den Satz, nur nicht deinen Standpunkt.“

Sie holte tief Luft. „Ich habe seit Jahren kein Pferd mehr geritten. Prinzessinnen reiten. Ist das nicht gesetzlich verankert oder so?“

Unwillkürlich zuckte es um Jamals Mundwinkel. Seltsam, dachte er, aber auf verrückte Art auch reizvoll. „Ich werde mein Bestes tun, dir keinen Antrag zu machen“, versprach er.

„Danke. Ich bin überzeugt, dass du ein wundervoller Ehemann wärst, aber ich könnte nicht weniger interessiert sein. Das richtet sich nicht gegen dich persönlich. Ich will niemanden heiraten. Ich bin sehr unabhängig.“

Welche Überraschung, dachte er belustigt. Er zog einen Stuhl für sie hervor, ließ sie Platz nehmen und setzte sich neben sie.

„Warum sitzt du hier?“, fragte sie alarmiert. „Komm mir nicht so nahe. Das bringt sie nur auf Ideen.“

„Nach deiner Aussage haben sie bereits Ideen.“

„Sie brauchen nicht noch darin bestärkt zu werden. Du solltest so weit wie möglich entfernt von mir sitzen. Ignorier mich einfach. Sei sogar unhöflich. Es stört mich nicht.“

Jamal konnte sich nicht erinnern, dass eine Frau jemals so deutlich ihren Mangel an Interesse kundgetan hatte. Seltsamerweise fand er ihre Offenheit reizvoll. Das Leben hatte ihn gelehrt, zynisch zu sein, was Frauen betraf. Alle, die er bislang kennen gelernt hatte, waren an seinem Geld, seinem Titel, seinem Ruhm interessiert. Eine Jungfrau, die ihn auf Distanz halten wollte, war eine erfrischende Abwechslung.

„Setz dich dorthin“, verlangte sie und deutete zum anderen Ende des Tisches.

Der Esstisch aus Teakholz bot Platz für zwanzig Leute, doch an diesem Abend war er nur für sechs gedeckt. Zu ihrem Pech befand sich das am weitesten entfernte Gedeck immer noch so nahe, dass man sich mühelos unterhalten konnte.

Unwillkürlich fragte Jamal sich, wer diese Heather McKinley war. Er erinnerte sich an ein dünnes kleines Mädchen. Aber diese Erinnerung lag sehr lange zurück. Angeblich war sie auch kürzlich zu Besuch gekommen. War er so sehr mit seinem eigenen Leben beschäftigt gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte? Welche Umstände hatten sie in diese einzigartige Kombination aus Unschuld und Frechheit verwandelt?

„Du siehst mich an“, sagte sie vorwurfsvoll. „Tu das nicht. Ignorier mich.“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

Mehr erfahren