Ein orientalischer Märchentraum

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Megan liebt Qasim von ganzen Herzen. Der exotische Fremde hat ihr Leben von einem auf den anderen Tag komplett auf den Kopf gestellt und ihr ein romantisches Märchen aus tausendundeiner Nacht geschenkt. Dies endet jäh, als Qasim ihr endlich den ersehnten Heiratsantrag macht. Denn er bittet Megan nicht aus Liebe um ihre Hand! Plötzlich besteht der Mann ihrer Träume auf einer Vernunftehe…


  • Erscheinungstag 26.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779559
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Er war ein Scheich, der König von Suliyam, einem kleinen Land mit riesigen Ölvorkommen an der Spitze der bezerianischen Halbinsel.

Zu allem Überfluss war er auch noch groß, dunkelhaarig, grauäugig und absolut hinreißend.

Sofern man den Typ mochte.

Was die meisten Frauen taten, wollte man den Illustrierten und Talkshows glauben.

Aber Megan O’Connell war nicht wie die meisten Frauen. Außerdem war die Tatsache, dass jemand groß, gut aussehend und unverschämt reich war, noch lange keine Entschuldigung für egozentrisches, anmaßendes Verhalten.

Megan trank einen Schluck von ihrem Kaffee. Also gut. Vielleicht war das ja überflüssig. Na und? Männer wie er waren ebenfalls überflüssig. Wozu brauchte die Welt knickrige Diktatoren, die sich für ein Gottesgeschenk an die Frauenwelt hielten?

Sie hatte mit dem Mann noch nie ein Wort gewechselt, aber sie wusste auch so, wie er war. Ihr Chef – ebenfalls ein Egozentriker, wenn auch längst nicht so attraktiv – hatte ihr heute Morgen die frohe Botschaft des Scheichs überbracht. Von da an war alles sonnenklar gewesen.

Sie war eine Frau. Das machte sie in den Augen des Scheichs zu einem Menschen zweiter Klasse. Er war nicht nur ein Mann, sondern auch noch ein König.

Ein König. Megan verzog verächtlich die Lippen. Ein verdammter Chauvi war er, sonst gar nichts. Fragte sich bloß, warum sie die Einzige war, der das auffiel. Sie beobachtete jetzt schon seit fast einer Stunde, wie er das Grüppchen am anderen Ende des Raums mit seinem Charme einwickelte.

Sie ahnten gar nicht, was solche Mistkerle wie er ihren Mitmenschen antaten.

Zugegeben, schlecht machte er seine Sache nicht. Natürlich war es nicht ganz einfach, einen Haufen aufgeblasener Finanzberater bei der Stange zu halten, aber schließlich war er ja auch ein geschickter Politiker. Laut Times zumindest.

Für die Klatschpresse hingegen war er nur eins: ein unverbesserlicher Playboy und Herzensbrecher.

Was der Wahrheit wahrscheinlich näherkam.

Aber ganz sicher wusste sie nur, dass er Qasim al Daud al Rashid hieß und seit dem Tod seines Vaters König von Suliyam und Alleinherrscher über sein Volk war.

König und Alleinherrscher! Was für ein Witz heutzutage … obwohl das, was hier in Los Angeles in den Geschäftsräumen der Finanzberatung Tremont, Burnside und Macomb verhandelt wurde, zugegebenermaßen alles andere als ein Witz war.

„Oh, Hoheit!“ Eine Frau stieß einen Seufzer aus, den man bis ans andere Ende des Raums hörte.

Hoheit, genau. Für alle Speichellecker war das die angemessene Art, den König anzureden. Megan trank ihren Kaffee aus. Für sie bestimmt nicht. Eher würde sie sich die Zunge abbeißen. Falls sie das Pech haben sollte, mit dem Mann reden zu müssen – wozu es allerdings nach den Ereignissen heute Morgen nicht kommen würde. Seine Unumschränktheit wäre wahrscheinlich passender. Oder wie sonst sollte man im einundzwanzigsten Jahrhundert einen Diktator anreden, der wie im Mittelalter herrschte? Einen Dreckskerl, der sich nicht scheute, sie in ihrer Karriere um fünf Jahre zurückzuwerfen?

Dabei hatte sie sich die Finger wund geschrieben an dem blöden Angebot. Tag und Nacht, sogar an den Wochenenden hatte sie über dem Ding gebrütet. Und sich ausgemalt, was für einen Karriereschub es für sie bedeuten würde, so ein prestigeträchtiges Projekt zu leiten.

Doch heute Morgen war dann mit einem Schlag alles aus gewesen, als Jerry ihr eröffnet hatte, dass nicht sie, sondern Frank Fisher dem Projekt vorstehen würde.

Megan streckte die Hand nach der Kaffeekanne aus, aber dann entschied sie sich für einen Mimosa. Sie hatte heute schon genug Kaffee intus. Auf dem Tisch standen Champagner – ein Krug Vintage – und frisch gepresster Orangensaft, weil der Scheich eine Vorliebe für Mimosa hatte – vielleicht wegen seiner kalifornischen Mutter. Allerdings würde er nie erfahren, dass er nur deshalb in den Genuss dieses kalifornischen Cocktails kam, weil Megan sich über seine Vorlieben informiert und alle Zutaten bestellt hatte.

Strychnin wäre besser gewesen.

Verdammt, sie musste sofort aufhören, solche Sachen zu denken. Sie musste überhaupt aufhören, zu denken. Sonst sagte oder tat sie womöglich noch irgendetwas, womit sie sich um ihren Job brachte.

Als ob das nicht längst passiert wäre.

Unsinn. Natürlich würde sie ihren Job nicht verlieren, dafür würde sie schon sorgen. Weil sie bereits viel zu viel Zeit und Arbeit in Tremont, Burnside und Macomb investiert hatte, um das zuzulassen. Ebenso wenig würde sie es zulassen, dass dieser anachronistische Alleinherrscher ihre Karriere ruinierte. Es würde andere prestigeträchtige Projekte geben, an denen sie sich beweisen konnte.

Wenn bloß ihr bescheuerter Chef ihr die schlechte Nachricht nicht so lange vorenthalten hätte.

Sie war heute Morgen extra früher gekommen und hatte noch einmal mit der Cateringfirma telefoniert, um sicherzustellen, dass mit der Bewirtung auch ja alles klappte. Um zehn nach acht war alles bereit gewesen.

Um Viertel nach acht war Simpson bei ihr eingelaufen und hatte ihr, das feiste Gesicht zu einem Lächeln verzogen, einen Becher mit Kaffee hingehalten.

„Für Sie“, sagte er.

Sie war überrascht. Normalerweise war Simpson nie so früh im Büro. Und Kaffee pflegte er ihr schon gar nicht mitzubringen. Außerdem lächelte er fast nie. Und wann hätte er sich je zu ihr gesetzt, um ein bisschen zu plaudern, so wie jetzt?

„Na, wie war Ihr Wochenende?“, erkundigte er sich.

Sie war in Nantucket bei der Hochzeit ihres Bruders gewesen, von daher fiel es ihr nicht schwer, zu lächeln und zu sagen: „Traumhaft.“ Er versicherte ihr, ebenfalls lächelnd, wie sehr ihn das freue, machte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen und erwähnte dann wie nebenbei, dass er vorhabe, Frank Fisher das Suliyam-Projekt zu übertragen.

Megan blinzelte ungläubig. Wie bitte? Hatte sie am Wochenende zu viel Champagner erwischt, letzte Nacht zu wenig geschlafen und heute Morgen zu viel Kaffee getrunken?

Das konnte Simpson unmöglich gesagt haben. Sie lachte leise auf.

„Jetzt dachte ich doch glatt, Sie meinen das ernst …“

„Ich meine es ernst“, gab Simpson zurück, und sie sah ihm an, dass er die Wahrheit sagte.

„Aber das kann nicht sein“, erwiderte sie wie betäubt, während sie zu begreifen versuchte, was gerade passierte.

„Es ist aber so, Megan.“ Simpson strich mit der Hand über die Nadelstreifen, die sich über seinem Bauch spannten. „Der Scheich wünscht es so.“

„Was heißt hier, der Scheich wünscht es so? Ich habe die ganze Arbeit gemacht“, erklärte Megan entrüstet. „Und es war abgemacht, dass ich das Projekt leite, wenn wir den Auftrag bekommen.“

„Das habe ich nie gesagt. Ich habe Sie nur gebeten, das Angebot auszuarbeiten.“

Megan musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. „Aber das ist doch so üblich, dass derjenige, der den Auftrag holt, das Projekt anschließend leitet.“

„Sie gehören nicht zum Teilhaberkreis, Megan.“

„Aber das ist doch nur eine Formalität, Jerry, das wissen Sie ganz genau.“

„Seine Hoheit will jemanden mit Entscheidungskompetenz.“

„Das ist doch eine faule Ausrede …“

„Megan.“ Simpson stand auf und lächelte wenig überzeugend. „Tut mir wirklich leid, aber …“

„Wenn Sie sich für mich einsetzen und dem Scheich sagen, dass ich bestens qualifiziert bin …“

„Sie sind eine Frau.“

Das hatte ihr glatt die Schuhe ausgezogen. „Wie bitte?“

Simpson seufzte schwer. „Das geht nicht gegen Sie, Megan, wirklich. Es ist einfach nur, weil …“

„Weil was?“ Sie versuchte immer noch höflich zu bleiben. Was wahrlich nicht leicht war. „Jetzt kommen Sie schon, Jerry. Was hat dieser Job damit zu tun, dass ich eine Frau bin?“

„Tja, also … bei Licht betrachtet ist es wahrscheinlich sogar besser so.“ Ihr Chef wand sich wie ein Aal. „Ich brauche Sie nämlich für einen neuen Kunden. Für Rod Barry, diesen bekannten Hollywoodregisseur, Sie haben bestimmt schon von ihm gehört.“

„Ich will aber den Scheich von Suliyam.“ Megan stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Da mache ich nicht mit. Sie haben mir diesen Kunden versprochen.“

„Barry ist ein harter Brocken, für die Arbeit mit ihm braucht man Fingerspitzengefühl. Sie sind die Einzige, der ich diesen Job zutraue. Und wenn Sie weiterhin so gute Arbeit leisten wie bisher, freuen wir uns schon jetzt darauf, Sie nächstes Jahr in unseren Teilhaberkreis aufnehmen zu dürfen.“ Simpson streckte ihr die Hand hin. „Herzlichen Glückwunsch, Megan.“

Megan musste sich größte Mühe geben, um nicht aus der Rolle zu fallen. Sie hatte genug Lebens- und Berufserfahrung, um den Schachzug ihres Chefs zu durchschauen. Er versuchte sie zu bestechen. Aber warum? Natürlich hatte er jedes Recht, ihr das Projekt abzunehmen, immerhin war er ihr Vorgesetzter. Doch warum versuchte er sie dafür zu entschädigen?

„Moment mal, da war doch noch was“, sagte Megan ruhig. „Sie sagten, das Problem ist, dass ich eine Frau bin.“

„So habe ich das nie gesagt. Ich wollte damit nur …“

„Warum ist das ein Problem?“

Simpson presste die Lippen so fest zusammen, dass sie kaum mehr als ein Strich waren. „Suliyam ist ein Königreich.“

„Dessen bin ich mir bewusst. Immerhin habe ich die Gesellschaftsstruktur Suliyams in meine Analyse mit einbezogen.“

„Es gibt keine Verfassung und auch keine gewählten Volksvertreter …“

„Verdammt, Jerry, das weiß ich alles selbst.“

„Schön, dann wissen Sie ja bestimmt auch, dass die Menschen dort in einer Welt leben, die uns ziemlich … äh, fremd erscheint.“

„Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie endlich zum Punkt kämen.“

„Wenn Sie dieses neue Projekt, von dem ich Ihnen eben erzählt habe, nicht übernehmen möchten, kann ich Ihnen höchstens anbieten, gemeinsam mit Frank Fisher an dem Suliyam-Projekt zu arbeiten. Aber Frank wird das Projekt auf jeden Fall leiten.“

„Ich denke ja gar nicht daran, die zweite Geige zu spielen!“

„Für mich ist die Debatte beendet, Megan. Sie haben mit dem Projekt nichts mehr zu schaffen. Der Scheich will es so.“

„Der Scheich ist ein Vollidiot“, erwiderte Megan ungerührt.

Simpson war bleich geworden. Er schaute so ängstlich zur Tür, als ob er jeden Moment erwartete, den Scheich mit einem Schwert in der Hand auf der Schwelle auftauchen zu sehen.

„Sehen Sie?“, zischte er wütend. „Abgesehen von allem anderen ist genau das ein Grund, warum Sie für dieses Projekt ungeeignet sind.“

Verdammter Mist, dachte Megan. Wie hatte sie bloß so dämlich sein können?

„Sie wissen genau, dass ich ihm das nicht ins Gesicht sagen würde.“

„Die Gelegenheit dazu werde ich Ihnen auch nicht geben.“ Simpson reckte entschlossen das Kinn. „Oder ist Ihnen bei Ihren Recherchen nicht aufgefallen, dass die Frauen dort bei Weitem nicht dieselben Privilegien haben wie bei uns?“

„Die Frauen bei uns haben keine Privilegien, sondern Rechte“, stellte Megan klar. „Und was den Scheich betrifft … er weiß sehr genau wie westliche Demokratien funktionieren. Bei den Vereinten Nationen arbeitet er schließlich auch mit Frauen zusammen. Sie können nicht im Ernst annehmen …“

„Unser Mitarbeiter muss ihn in sein Land begleiten. Und nicht nur mit ihm, sondern auch mit seinem Stab zusammenarbeiten. Glauben Sie auch nur eine Sekunde, dass sich diese Männer mit einer Frau an einen Tisch setzen und womöglich sogar Vorschläge von ihr annehmen?“

„Ich finde, es wird höchste Zeit, dass diese Leute im einundzwanzigsten Jahrhundert ankommen.“

„Das hat nicht Tremont, Burnside und Macomb zu entscheiden.“

„Und ich finde auch“, fuhr Megan mit gefährlich sanfter Stimme fort, „dass Sie ebenfalls in diesem Jahrhundert ankommen sollten. Haben Sie noch nichts von unseren Antidiskriminierungsgesetzen gehört?“

„Die gelten nur für die Vereinigten Staaten. Es gibt Länder, in denen sich sogar unsere weiblichen Armeeangehörigen den örtlichen Gegebenheiten unterwerfen müssen.“

„Lassen Sie die Armee da raus, die hat nichts damit zu tun.“

„Aber ja, jede Menge sogar.“

„Ich bezweifle, dass Ihre Argumentation vor Gericht Bestand hätte.“

Simpson schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch und beugte sich zu ihr vor. „Schön, wenn Sie uns verklagen möchten, nur zu, Miss O’Connell. Aber ich kann Ihnen schon jetzt prophezeien, dass unsere Anwälte Ihre Klage in der Luft zerreißen werden. Alle Mitarbeiter unserer Firma, die im Ausland arbeiten, müssen sich den Gesetzen des jeweiligen Landes beugen. So ist das nun mal.“

Stimmte das? Megan war sich nicht sicher. Andererseits durfte man wohl getrost annehmen, dass Simpson diesen Punkt abgeklärt hatte.

„Sie sollten sich Ihren Schritt also lieber noch mal überlegen, denn was hätten Sie mit einem Prozess gewonnen? Oder wer, glauben Sie, stellt Sie ein, wenn ruchbar wird, dass Sie die Angewohnheit haben, gegen Ihre Arbeitgeber zu prozessieren?“

Niemand, dachte Megan, aber das behielt sie für sich. „Das ist Erpressung!“

„Es ist leider die Realität.“

Ihr sank der Mut. Er hatte recht. Natürlich konnte sie jederzeit einen Prozess anstrengen, wenn sie sich diskriminiert fühlte, aber dann musste sie auch die Konsequenzen tragen.

Simpson lächelte verschlagen. „Ach, übrigens, dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Ich wollte Ihnen nur für Ihre gute Arbeit danken und Ihnen sagen, dass Sie leider noch nicht ganz über die erforderliche Qualifikation verfügen, um die Projektleitung zu übernehmen. Aber ich bin mir sicher, dass Sie davon profitieren, wenn Sie hier für Fisher die Zuarbeit erledigen.“ Ihr Chef stand auf, wippte auf den Zehenspitzen. „Daran ist nichts auszusetzen, Miss O’Connell. Absolut nichts.“

Megan starrte ihn an. Er war ein verdammter Mistkerl, aber leider, leider saß er am längeren Hebel.

Und sie saß in der Falle.

Am vernünftigsten wäre jetzt wohl, ihre Wut hinunterzuschlucken und ein Lächeln aufzusetzen. Dann sollte sie sich bei Simpson dafür bedanken, dass er ihr die Teilhaberschaft angeboten hatte, und betonen, wie sehr sie sich auf den neuen wichtigen Kunden aus der Filmbranche freue.

Aber sie brachte es nicht über die Lippen. Sie hatte sich immer an die Spielregeln gehalten, und jetzt setzten Jerry Simpson und dieser Scheich plötzlich alle Regeln außer Kraft. Simpson lächelte sie siegesgewiss an.

„Sie irren sich“, erklärte sie ruhig. „Ich meine, was mich anbelangt, Jerry. Ich denke nämlich gar nicht daran, mich von Ihnen und Ihrem Scheich einfach beiseiteschieben zu lassen.“

Simpson wurde blass. „Machen Sie sich nicht lächerlich, Megan. Ich sage Ihnen doch, dass Sie vor Gericht nicht gewinnen können.“

„Mag sein, aber die öffentliche Aufmerksamkeit, die so ein Prozess hervorruft, wird Sie auch nicht glücklich machen. Und für den Scheich wird es womöglich noch unangenehmer. Suliyam ist zwar reich an Bodenschätzen, aber von einem Land, das die Menschenrechte nicht einhält, fühlen sich die meisten Investoren heutzutage abgeschreckt. Das wissen Sie so gut wie ich, Jerry.“

Jetzt lächelte Simpson nicht mehr. Gut so, dachte Megan und machte sich bereit, den tödlichen Stoß auszuführen.

„Sie haben mir dieses Projekt weggenommen“, sagte sie, „und ich sorge dafür, dass die ganze Welt erfährt, warum.“ Nach diesen Worten ging sie mit hocherhobenem Kopf an ihrem Chef vorbei, doch bevor sie das Zimmer verließ, drehte sie sich noch ein letztes Mal um und sagte: „Erzählen Sie das diesem hohen Herrn, Mr. Simpson.“

Es wäre der perfekte Abgang gewesen – wenn sie nicht in der Aufregung vergessen hätte, dass es ja ihr eigenes Büro war, das sie da verließ. Aber jetzt konnte sie unmöglich wieder umkehren.

Und ihre Drohung konnte sie auch nicht zurücknehmen, obwohl diese gegenstandslos war. Das war ihr bewusst, und sie zweifelte keine Sekunde daran, dass Simpson es ebenfalls wusste.

Megan hatte sich mit Haut und Haaren ihrer Karriere verschrieben. Sie war nicht wie ihre Mutter, die ihr Leben freudig in die Hände ihres Mannes gelegt und am Ende dabei das Nachsehen gehabt hatte. Ebenso wenig wie ihre Schwester Fallon, für die ihre Schönheit die Fahrkarte in die Freiheit gewesen war. Und auch nicht wie ihre Schwester Bree, die sich einfach nur treiben ließ.

Nein, Megan war einen anderen Weg gegangen. Sie hatte jahrelang gebüffelt, bis sie endlich ihre Diplome in der Tasche gehabt hatte. Qualifikationen, die es ihr ermöglichten, die glitzernde Welt des Glücksspiels, in der sie aufgewachsen war, ein für alle Mal hinter sich zu lassen.

War sie wirklich bereit, das alles aufs Spiel zu setzen – nur aus Prinzip?

Nein, das bin ich nicht, dachte sie, während sie die Damentoilette betrat.

Sie würde nicht vor Gericht ziehen und sich auch nirgends beschweren oder sonst etwas, sondern – wenn ihre Wut erst verraucht war – ihren Stolz runterschlucken und Jerry sagen, dass sie es sich überlegt habe und … und …

Gott, sich zu entschuldigen würde sie umbringen, aber sie würde es trotzdem tun. Weil sie keine andere Wahl hatte. Niemand hatte je behauptet, dass das Leben leicht war.

Deshalb hatte Megan in der Damentoilette ausgeharrt, bis die Gefahr, Jerry über den Weg zu laufen, gebannt gewesen war. Dann war sie in ihr Büro zurückgekehrt, hatte sich Kaffee gemacht und ihre streng gehüteten Godiva-Vorräte herausgekramt. Die nächste Stunde hatte sie damit zugebracht, eine Tasse Kaffee nach der anderen zu trinken und Pralinen zu futtern, wobei sie darüber nachgesonnen hatte, wie man die Welt von der Plage Mann befreien könnte.

Um kurz vor zehn steckte die Teamsekretärin den Kopf zur Tür herein.

„Er ist da“, flüsterte sie.

Megan brauchte nicht zu fragen, wer. Heute Vormittag wurde nur ein Besucher erwartet. Hinzu kam, dass Sally so dreinschaute wie Teenager bei der Ankunft eines vergötterten Rockstars.

„Schön für Sie.“

„Mr. Simpson sagt … er sagt … es wäre ihm lieb, wenn Sie in Ihrem Zimmer blieben.“

„Mir wäre es lieb, wenn Mr. Simpson von einem Intercity überrollt würde“, gab Megan zuckersüß zurück. „Aber leider bekommt man nicht immer, was man sich wünscht.“

„Megan“, bat Sally inständig. „Sie haben eine Riesenwut im Bauch. Und dann noch der ganze Kaffee und … ach, du meine Güte, das gibt’s doch nicht! Sie haben ja fast die ganzen Pralinen aufgegessen. Sie wissen, was passiert, wenn Sie zu viel Kaffee trinken.“

Megan wusste es. Sie wurde unruhig. Sie regte sich zu schnell auf. Sie redete zu viel. Bloß gut, dass ihr das alles klar war, sonst würde sie glatt noch in den Konferenzraum marschieren, egal, ob Simpson das passte oder nicht. Himmel, sie würde gerade deshalb, weil sie wusste, dass es ihm nicht passte, dort auftauchen.

Ja, Sally hatte recht. Es war wirklich besser, wenn sie in ihrem Zimmer blieb und nichts tat.

„Sagen Sie Mr. Simpson, dass ich mich nicht blicken lasse.“

Sally warf ihr einen besorgten Blick zu. „Geht es Ihnen gut?“

„Bestens.“

Das war glatt gelogen gewesen. Es war ihr überhaupt nicht gut gegangen. Sie hatte noch mehr Kaffee getrunken und noch mehr Pralinen in sich hineingestopft und die ganze Zeit versucht, nicht daran zu denken, dass Jerry Simpson und Seine Hoheit, der Scheich von und zu Selbstgefälligkeit, sich wahrscheinlich gerade auf ihre Kosten bestens amüsierten.

Und warum sollte sie das zulassen? Sie sollte sich wenigstens sehen lassen, nur um darauf aufmerksam zu machen, dass sie zwar zu Boden gegangen, aber noch nicht besiegt war.

Deshalb war sie sich mit einer Bürste durchs Haar gefahren, hatte ihre Strumpfhose hoch und den Rock ihres dunkelblauen Kostüms nach unten gezogen und war mit größter Selbstverständlichkeit in den Konferenzraum marschiert.

Dort hatte man die Begrüßungsformalitäten bereits hinter sich gebracht. Jerry Simpson hatte ihr einen finsteren Blick zugeworfen, aber natürlich hatte er nichts sagen können. Der Scheich, der umringt war von seinen Hofschranzen, hatte ihr Erscheinen nicht einmal zur Kenntnis genommen.

Megan hatte Jerry ein Tausend-Watt-Lächeln zugeworfen, während er allem Anschein nach verzweifelt zu ergründen versucht hatte, warum sie jetzt doch auftauchte. Dann war sie zum Büfett gegangen, wo sie noch mehr Kaffee getrunken hatte, bevor sie zu Mimosa übergegangen war.

Sie brauchte nur zu bleiben, bis sich Jerry vor Verlegenheit wand, überlegte sie jetzt. Wenn der Scheich samt seinem Hofstaat weg war, konnte sie immer noch zurückrudern. Obwohl es natürlich alles andere als angenehm werden würde.

Sie hatte keine Eile. Alle schienen sich prächtig zu amüsieren. Sie hörte Jerrys Stimme und eine tiefere, leicht heisere, vermutlich die des Scheichs. Das Kichern einer Frau, ein männliches Hahaha, dann ein affektiertes: Oh, wie weise, Hoheit!

Megan fuhr herum, starrte die in Tweed gewickelten zweihundert Pfund an, die Geraldine McBride auf die Waage brachte, und schnaubte verächtlich.

Wie lächerlich das alles war. Sie schnaubte wieder. Diesmal herrschte leider gerade eine Gesprächspause. Die Anwesenden, die ihr den Rücken kehrten, fuhren herum. Jerry war anzusehen, dass er sie am liebsten erwürgt hätte. Und der Scheich …

Oje. Er sah wirklich atemberaubend aus, das musste man ihm lassen. Diese Augen!

Schön, aber kalt, dachte sie, als sich ihre Blicke trafen.

Was sie darin las, war eindeutig. Abneigung. Der Scheich mochte sie nicht. Kein bisschen. Wahrscheinlich hatte ihm Jerry erzählt, dass sie Scherereien gemacht hatte.

Na und?

Ich mag dich auch nicht, dachte sie, und dann hob sie auch schon ihr Glas, um ihm spöttisch zuzuprosten.

Sollte er doch denken, was er wollte, was kümmerte es sie? Und was kümmerte es sie, was Jerry dachte? Was kümmerte es sie, was irgendwer dachte? Sie war ein freier Mensch in einem freien Land und konnte tun und lassen, was …

„Miss O’Connell“, sagte eine tiefe Stimme.

Megan schrak aus ihren Gedanken auf. Der Scheich kam auf sie zu, gemessenen Schrittes, aber so entschlossen, dass sie Herzklopfen bekam. Was natürlich albern war. Sie brauchte vor nichts Angst zu haben, sie konnte höchstens ihren Job verlieren, mehr nicht. Und selbst das würde nicht passieren, wenn sie sich nur ein bisschen zusammennahm.

Jetzt war er bei ihr angelangt. Oh, ja, er war wirklich eine Wohltat für die Augen. Hochgewachsen, schlank, der maßgeschneiderte Anzug ließ den muskulösen Körper darunter erahnen.

D und G würde Bree sagen, dachte sie, und ihr Herz machte wieder einen kleinen Satz.

Dunkel und gefährlich.

Er verzog den Mund zu etwas, was vielleicht für ein Lächeln gehalten werden sollte, aber keines war. Diese Augen waren so kalt, dass Megan erschauerte.

Sie straffte die Schultern. „Eure Hochherrlichkeit.“

Er durchbohrte sie mit seinen Blicken. Dann gab er, ohne sich umzudrehen, den Leuten hinter sich ein Handzeichen. Irgendjemand sagte etwas, und eine Sekunde später war der Raum leer.

Megan lächelte zuckersüß. „Muss nett sein, sich wie der Herrscher des Universums zu fühlen.“

„Wahrscheinlich genauso nett, wie sich nicht darum zu scheren, was andere Leute von einem denken.“

„Wie bitte?“

Er taxierte sie von Kopf bis Fuß. „Sie sind beschwipst.“

„Was erlauben Sie sich!“, fauchte Megan.

„Stellen Sie das Glas ab“, befahl er mit unbewegtem Gesicht.

„Was?“, fragte Megan verblüfft.

„Ich sagte, Sie sollen dieses Glas abstellen.“

„Fällt mir ja nicht im Traum ein. Sie haben mir nichts zu sagen.“

„Das sollte wahrscheinlich öfter jemand tun“, gab er finster zurück. „Das hätte Sie vielleicht davon abgehalten, mich zu bedrohen.“

„Ich bedrohe Sie?“, fragte sie verblüfft. „Sind Sie verrückt? Warum sollte ich Sie …“

„Ich sage es jetzt zum letzten Mal, Miss O’Connell. Stellen Sie dieses Glas ab.“

Megan reckte das Kinn. „Ich sage es jetzt zum letzten Mal, oh, allmächtiger König. Hören Sie auf, mir Befehle zu ert…“

Ihr Satz endete mit einem überraschten Aufschrei, als Scheich Qasim al Daud al Rashid, König von Suliyam und Alleinherrscher über sein Volk, sie sich über die Schulter warf und den Raum verließ.

2. KAPITEL

Qasim hatte nicht vorgehabt, sich die Frau wie einen Mehlsack über die Schulter zu werfen.

Eigentlich hatte er sich gar nicht mit ihr abgeben wollen – obwohl er gute Lust gehabt hatte, ihr die Meinung zu sagen. Himmel, ja wirklich. Simpson hatte ihm erzählt, dass sie empört war, weil sie sich übergangen fühlte, dabei hatte sie bei dem Angebot nur ein bisschen Zuarbeit geleistet. Aber sie sah das offenbar anders und hatte Simpson das Wort im Mund herumgedreht.

Und schließlich hatte sie damit gedroht, ihn, Qasim, und sein Land an den Pranger zu stellen, falls sie den gewünschten Job nicht bekäme.

Für wen hielt sie sich, dass sie es wagte, ihn zu erpressen?

Er war fuchsteufelswütend gewesen. Seine Vorfahren hätten gewusst, was in einem solchen Fall zu tun war.

Verdammt, und dann war sein Temperament mit ihm durchgegangen.

Diesmal war es Qasim, der verächtlich schnaubte, als er mit seiner Last über der Schulter, an ungläubigen Gesichtern vorbei, den Flur hinuntermarschierte. Die O’Connell traktierte ihn mit Fäusten und brüllte Worte, die eine anständige Frau nicht einmal denken sollte.

Es war gar nicht nötig, sich auf irgendwelche Vorfahren zu besinnen. Gut neunzig Prozent der männlichen Bevölkerung von Suliyam hätten gewusst, wie mit einer solchen Frau zu verfahren wäre, das war ja das Problem. Nach der kurzen Unterredung mit ihrem Chef war ihm natürlich sofort klar gewesen, dass er sich seine Wut keinesfalls anmerken lassen durfte. Sonst hätte er genauso gut am Times Square ein Schild hochhalten können, auf dem stand, dass sein Land immer noch im finstersten Mittelalter lebte.

Deshalb hatte er beschlossen, sie einfach zu ignorieren. Warum sich einmischen? Immerhin hatte Simpson ihm gegenüber klargestellt, dass er nicht die Absicht hatte, ihr das Projekt zu überlassen.

„Ich kümmere mich darum, Hoheit“, hatte Simpson erklärt. „Das ist bloß so eine zickige Emanze, Sie wissen schon.“

Oh, ja, Qasim wusste. In der westlichen Welt wimmelte es nur so von ihnen. Sie waren nicht sanft und anschmiegsam, kein sicherer Hafen für einen Mann, der seine Tage auf den wirtschafts- und finanzpolitischen Schlachtfeldern dieser Welt verbrachte, wo Imperien gewonnen und verloren wurden.

Diese Frauen waren stur und aggressiv, unattraktiv und unweiblich.

Er fühlte sich unwohl in ihrer Gesellschaft. Und verstehen konnte er sie schon gar nicht. Warum, um alles in der Welt, wollte eine Frau unbedingt sein wie ein Mann? Obwohl man die berufliche Kompetenz dieser Emanzen natürlich nicht unterschätzen durfte. Das hatte er mittlerweile gelernt.

Aber wenn eine Frau schon unbedingt in der Männerwelt mitspielen wollte, durfte man ja wohl wenigstens erwarten, dass sie sich an die Spielregeln hielt, oder?

Mit einer Klage zu drohen, obwohl einem niemand etwas zugesichert hatte, war unseriös und wieder mal typisch für diese Art Frauen.

Auf so eine Idee würde ein Mann nie kommen.

Megan O’Connell hieb ihm mit der Faust zwischen die Schulterblätter. Qasim unterdrückte ein Aufstöhnen, während er sie in Simpsons Büro auf einer Besuchercouch absetzte. Dann trat er einen Schritt zurück, verschränkte die Arme und taxierte sie mit finsterem Blick.

Ihr Blick war nicht minder finster. Besaß sie denn gar kein Gefühl für Anstand? Ihn starrte niemand finster an. Niemand! Wusste sie nicht, wer er war?

Natürlich wusste sie es. Es war ihr nur schlicht egal. Couragiert war sie ja, das musste er ihr lassen.

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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