Ein Traummann aus Neuseeland

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Ein dunkles Geheimnis umgibt die Herkunft des Architekten Philip. Das glaubt die zierliche Historikerin Antonia herausgefunden zu haben. Als er sie auf seinen Landsitz in Auckland einlädt, lässt sie sich fast von ihm verführen. Hat er Laurie vergessen, mit der er doch offenbar verlobt ist?


  • Erscheinungstag 01.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758929
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Antonia Ridd am späten Montagvormittag im Büro eintraf, hatte sie ein anstrengendes Interview mit einer alten Dame hinter sich, die halb taub war und noch dazu einen asthmatischen Kater besaß. Jetzt genügte ein Blick auf ihre Assistentin, und sie merkte, es würde weiteren Ärger geben. Antonia ließ den Blick ihrer veilchenblauen Augen nachdenklich auf Heather ruhen. Heather saß über ihr Computer-Keyboard gebeugt, hatte den Kopf gesenkt und konnte dennoch nicht verbergen, dass ihr vor lauter Schuldbewusstsein die Röte ins Gesicht schoss.

Betroffen fragte Antonia: „Was ist los?“

„Nichts“, nuschelte Heather.

Antonia runzelte die Stirn, dann nickte sie. „Das glaube ich dir aufs Wort. Trotzdem, falls die Sache, die dir gerade durch den Kopf geht, dich weiterhin beschäftigen sollte, nimmst du dir den Rest des Tages besser frei.“

„Oh, vielen Dank“, sagte Heather und war plötzlich ganz wach.

Antonia lächelte ironisch, und ihre sinnlichen Lippen hätten dabei jeden Mann um den Verstand gebracht. „Jederzeit.“

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch – er stammte von der Stiftung, aus der vor achtzehn Monaten das Institut für überlieferte Geschichte aus dem Nachlass eines Millionärs gegründet worden war – und strich sich eine weißblonde Strähne aus dem Gesicht. Die meisten Leute glaubten, ihr Haar sei gebleicht, aber ihre helle Haarfarbe war ebenso natürlich, wie ihre dunklen Wimpern es waren.

Nach einem kurzen, finsteren Blick auf den Kalender begann sie, die restlichen Termine, die für diesen Tag noch anstanden, zu überprüfen. Da war nur dieses Einführungsgespräch am späten Nachmittag. Also konnte sie mit dem ewigen Briefeschreiben weitermachen und einige Tonbänder registrieren. Außerdem musste sie noch Material für ein Interview am Wochenende zusammenstellen.

Nur noch ein Monat, und sie würde in Urlaub sein. Lächelnd griff sie nach ihren Notizen. Ihr Job war einer von Tausenden, aber die Aussicht auf einen vierzehntägigen Wanderurlaub in Northland war mehr als verlockend.

„Antonia“, sagte Heather plötzlich, und ihre Stimme klang angespannt.

„Ja?“

„Philip Angove kommt heute, um Sie zu treffen.“

Überrascht warf Antonia ihr einen Blick zu. „So?“, sagte sie nach einem Moment, als ihr klar wurde, dass Heather eine Antwort erwartete.

Aus Sir Edward Angoves Nachlass war das Institut gegründet worden. Als Antonia ihr Vorstellungsgespräch für diesen Job hatte, war Philip, sein Neffe und der einzige noch lebende Angove, geschäftlich in Europa gewesen. Aus verschiedenen Gründen hatte sie ihn niemals kennengelernt. Aber der Respekt, den jeder zeigte, sobald sein Name fiel, machte deutlich, dass er wie ein großes Ereignis seinen Schatten vorauswarf.

Bei dem plötzlichen zapfenstreichähnlichen Lärm vor der Tür quiekste Heather erschrocken auf. „Der König der Könige ist eingetroffen“, sagte Antonia leichtfertig. Dann schweifte ihr Blick zu Heathers Gesicht, auf dem sich Entsetzen abzeichnete. Was immer Heather beunruhigt hatte, musste eindeutig mit Philip Angoves unerwarteter Ankunft zu tun haben.

Aus einem typisch weiblichen Impuls heraus überprüfte Antonia rasch ihr Äußeres. Sie zog ihr Hemdblusenkleid gerade, das zeitlos und dezent wirkte. Seine Farben, veilchenblau und zartlila, betonten das intensive Blau ihrer Augen. Ihr im Verhältnis zu ihrer Größe, einssechzig, etwas zu üppiger Busen kam durch den Hemdblusenstil weniger zur Geltung, wie auch ihre schmale Taille, die ihre Brüste so betonte.

Antonia nickte, wobei ihr das exakt geschnittene Haar um das schmale Gesicht wippte, und atmete tief aus, um sich zu beruhigen. „Nun, worauf wartest du? Lass den Mann herein.“

Heather sagte: „Antonia …“

„Lass ihn nicht draußen herumstehen. Ich kann mir denken, dass er das nicht gewöhnt ist. Als Multimillionär, und so weiter.“

Heather, die immer noch wie gehetzt aussah, zögerte, dann warf sie Antonia einen flehenden Blick zu und ging hinüber, um die Tür zu öffnen. „Oh, Mr. Angove“, sagte sie, und unverhohlene Bewunderung gab ihrer Stimme einen warmen Klang, als sie jemanden anlächelte, der etwa zwanzig Zentimeter größer war als sie.

„Heather.“ Die Stimme klang tief und klar und Respekt einflößend.

Antonia sah von einem Gesicht zum anderen. Von dem ihrer Assistentin, auf dem ein bewundernder, fast gezierter Ausdruck lag, zu dem des Mannes mit den strengen habichtähnlichen Zügen, die sich zu einem Lächeln entspannten, das etwas Väterliches an sich hatte. Einer der Gründe, weshalb man Heather diese Stelle übertragen hatte, war der, dass sie auf der Angove-Farm aufgewachsen war. Obwohl Philip Angove mit dem Institut nichts zu tun hatte und auch nicht mit dem Vorstand, der es beaufsichtigte, konnte er auf derlei Dinge bestehen.

Da Heather das Wochenende zu Hause verbracht hatte, musste sie von Philip Angoves Besuch gewusst haben.

„Ich sehe Sie später“, sagte Philip Angove jetzt. „Ich möchte Miss Ridd unter vier Augen sprechen, falls ich darf.“

Ein ungutes Gefühl beschlich Antonia. Sie nahm ihren Stift in die Hand und blickte auf ihren Schreibtisch.

„Ja, natürlich. Antonia?“, rief Heather atemlos. „Mr. Angove ist hier.“

Antonia stand auf und ging auf ihn zu, während er Heather die Tür aufhielt, mit einer Autorität, die so lässig wie überheblich wirkte. „Kommen Sie herein, Mr. Angove“, sagte sie höflich, als Heather ging, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.

Der Mann, der sich ihr näherte, war groß, hatte breite Schultern, schmale Hüften und strahlte eine nahezu knisternde Energie aus. Seine Bewegungen waren geschmeidig und kraftvoll. Er hatte schwarzes Haar und einen dunklen Teint. Und er hatte ungewöhnlich grüne Augen. Als er vor Antonia stand, entdeckte sie die goldfarbenen Punkte darin.

Jetzt musterte er sie unverhohlen. Er sah sie an, als wäre sie jemand, den er gehofft hätte, niemals zu sehen. Sein Blick schweifte von ihrem Gesicht zu ihren Händen und verweilte dort für den Bruchteil einer Sekunde. Um zu sehen, ob ich verheiratet bin, dachte Antonia ärgerlich.

Sie straffte sich, schob entschlossen das Kinn vor, aber die unverschämte Musterung nahm kein Ende, bis sein Blick schließlich an ihrem Mund haften blieb, endlose Sekunden lang, wie es ihr schien.

Zynisch zog er die Augenbrauen hoch. Männern schien es zu gefallen, ihren Mund zu betrachten. Ihre in ihrem schmalen Gesicht so überraschend üppigen Lippen. Wer ihren Mund sah, dachte an die wilden zwanziger Jahre, in denen Gentlemen blonde Damen bevorzugten. Das wusste sie, und das machte sie verrückt, aber sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, sich ihre Verlegenheit darüber nicht anmerken zu lassen. Jetzt benutzte sie sogar Lippenstift, der die geschwungenen, scharfen Konturen ihrer Lippen betonte.

Sein Blick glitt nach oben und begegnete, schnell und einschüchternd, dem ihrer veilchenblauen Augen. Hilflos hielt Antonia ihm stand. Er lächelte, und ein Schauer überlief sie.

Sie musste dem ein Ende setzen. Jetzt, sofort.

Denn in seinem Ausdruck lag keine Spur von Wärme. Weiße Zähne zeigten sich, bevor ein aggressives Lächeln wieder verschwand. Goldene Punkte glitzerten in den grünen Augen unter den schwarzen Wimpern. Und Philip Angoves schöner Mund, eine dünne Oberlippe über einer schön geschwungenen vollen Unterlippe, nahm einen harten Zug an.

„Miss Ridd“, sagte er sanft. „Also lernen wir uns endlich einmal kennen. Guten Tag.“

„Guten Tag.“ Sie wollte ihm die Hand nicht reichen, aber aus Gewohnheit tat sie es doch. Kräftige, sonnengebräunte Finger schlossen sich fest um ihre schmale, blasse Hand. Er trug formelle Geschäftskleidung, aber die verräterischen Schwielen, die sie jetzt spürte, deuteten auf einen Mann hin, der es gewöhnt war, mit den Händen zu arbeiten.

Ihr lief ein Prickeln über den Arm, das sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete und dort, wo sie die Lust am stärksten empfand, sie in einen Zustand der Erregung versetzte.

Wie gebannt beobachtete sie, wie sich ein jadegrüner Ring um Philip Angoves erweiterte Pupillen bildete. Trotz ihrer Verwirrung wurde sie mitgerissen von einem tiefen, wilden, gefährlichen Verlangen. Denn auch er fühlte es.

Natürlich hatte er es schon vor ihr bemerkt. Er hatte mehr Erfahrung als sie. Zweifellos. Er wirkte routiniert in sinnlichen Dingen. Schnell trat Antonia einige Schritte zurück, um Abstand zwischen sich und Philip Angove zu bringen. Dann merkte sie, dass er die Schlacht gewonnen hatte. Wieder einmal hatte sein eiserner Wille über seine ungezügelte Reaktion gesiegt.

Antonia wollte die Worte nicht aussprechen, die ihr auf der Zunge lagen. Dumme Worte. Worte, die diese Leere des angespannten Schweigens ausgefüllt hätten. Stattdessen bemühte sie sich eisern, seiner männlichen Ausstrahlungskraft zu widerstehen.

Mit dem Ergebnis, dass, als er sprach, seine Worte sie wie ein Schlag trafen.

„Ich nehme an, Sie wissen, weshalb ich hier bin.“

„Nein“, antwortete sie, ohne den abwehrenden Unterton in ihrer Stimme verbergen zu können.

„Wenn Sie sich setzen“, sagte er mit einer Höflichkeit, die sie noch mehr aufbrachte, „werde ich es Ihnen sagen.“

Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte, dann nahm er selbst in einem Sessel Platz. Ohne Vorrede begann er: „Man sagte mir, Sie hätten eine Frau interviewt, die Ihnen Klatsch erzählt hätte – unwahre Geschichten über meine Eltern.“

Es musste Mrs. Collins sein.

Ein Ausdruck von Wut zeigte sich in Antonias veilchenblauen Augen. Damit war Heathers ungewöhnliches Verhalten jetzt erklärt. Wie konnte sie es wagen! „Heather hatte kein Recht, Ihnen das zu erzählen“, sagte sie steif. „Sie ist diesem Institut gegenüber zu Loyalität verpflichtet.“

„Ihre Loyalität meiner Familie gegenüber reicht weiter zurück.“ Die Worte klangen kalt und bestimmt und hatten einen warnenden Unterton. Er hatte eindeutig keine Absicht, Heather unter ihrer Illoyalität leiden zu lassen. Er wartete einen Moment, und als Antonia nicht antwortete, fuhr er fort: „Zufällig hat nicht Heather es mir erzählt. Sie machte sich natürlich Gedanken über diese Geschichte, weil sie wusste, dass sie nicht stimmte. Deshalb zog sie ihre Eltern zurate. Sie haben es mir gesagt. Miss Ridd, ich möchte, dass Sie dieses Band löschen.“

„Das kann ich leider nicht tun.“ Bemüht, sich ihren inneren Aufruhr nicht anmerken zu lassen, atmete Antonia tief durch und begegnete seiner scharfen Musterung mit so viel Feindseligkeit, wie sie nur aufbringen konnte. Sie hatte keine Ahnung, ob Mrs. Collins’ Enthüllungen auf der Wahrheit beruhten oder nicht, aber das änderte nichts an dem Wert der Tonbandaufnahmen. Das wollte sie gerade erklären, als er anfing zu sprechen.

„Die Information, die man Ihnen gegeben hat, ist völlig falsch. Die Frau, von der Sie sie haben, ist eine mitleiderregende Kreatur, die meine Familie für den Tod ihrer Tochter vor dreiunddreißig Jahren verantwortlich macht. Sie brachte diese ganze Lügengeschichte in Umlauf. Dann aber überredete man sie dazu“, er hielt kurz inne, „damit Schluss zu machen. Offensichtlich hält sie es wieder für sicherer, dieses ganze schmutzige Hirngespinst jetzt weiterzuspinnen. Mein Onkel hat sein Geld nicht in ein Institut gesteckt, um Lügen und Gerüchte verbreiten zu lassen, die Elva Collins nicht zu wiederholen wagte, solange er noch lebte.“

Antonia schluckte. Die Andeutung war unmissverständlich, dennoch überlegte sie ihre Worte genau. „Ich kann die Bänder nicht löschen, nicht einmal schneiden. Denn dieses Institut wurde aus Sir Edward Angoves Nachlass gegründet, um Informationen zu sammeln und zu archivieren. Selbst wenn wir wissen, dass es sich um unwahre Äußerungen handelt, lassen wir es dabei. Was wir aufzubauen versuchen, ist ein Archiv für überlieferte Geschichte. Ein Archiv dessen, was einst gesagt, gedacht und erlebt worden ist. Klatsch hat dabei ebenso viel Bedeutung wie die Wahrheit, vorausgesetzt, man hielt ihn für wahr und handelte danach.“

„Aber in diesem Fall handelt es sich offenkundig und unbestreitbar um falsche Angaben“, sagte er unnachgiebig. „Davon abgesehen, ist diese Sache einzig und allein für meine Familie von Bedeutung.“

Antonia reckte das Kinn. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, kühl und ebenso unnachgiebig. „Wenn es bekannt werden würde, dass wir Bänder löschen, hätten die Leute jedes Recht, uns weitere Interviews zu verweigern. Ihr Onkel selbst hat die Regeln und Richtlinien, nach denen wir arbeiten, aufgestellt.“

Er hob die breiten Schultern und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an, als er sagte: „Er war ein Angove. Er hätte dieses Gebäude bis auf die Grundmauern abbrennen lassen, ehe es zuzulassen, dass schmutzige Lügen wie diese gegen ihn verwendet werden. Das war schon ganz gut, Miss Ridd, aber es funktioniert nicht. Ich möchte, dass Sie dieses Band löschen.“

Das konnte er nicht verlangen! Verärgert erwiderte sie: „Dann müssen Sie leider meine Kündigung annehmen. Ich kann einer Zensur nicht zustimmen.“

Jetzt hatte sie ihn überrascht. Es lag natürlich an ihrem Gesicht, an diesen puppenähnlichen, feinen Zügen, an ihrem hellen Haar und an ihrer verlockenden Figur, dass Männer glaubten, sie sei eine hohlköpfige kleine Blondine, leicht zu manipulieren und zu beeinflussen. Es machte ihr ziemlich viel Spaß, Männern diese Illusion zu rauben.

Philip Angove zog die dunklen Augenbrauen zusammen. „Sie wollen also Ihre Karriere aufgeben? In einem so kleinen Land wie Neuseeland ist die Nachfrage nach Ihrem etwas ausgefallenen Beruf nicht sehr groß. Und der Konkurrenzkampf ist hart. Überlieferte Geschichte steht zur Zeit hoch im Kurs. Was wollen Sie tun, wenn Sie empört das Handtuch geworfen haben?“

Wütend sprang sie auf und bedauerte es im nächsten Moment, als auch er aufstand und auf sie herabsah. Er tat es auf eine Art und Weise, die sie unangenehm an Bryan erinnerte, der ebenso selbstsicher und selbstbewusst war und seinen einträglichen, gesicherten Platz in der Gesellschaft hatte. Aber damals, als sie sich die Finger an Bryan Howard verbrannt hatte, war sie eine naive Achtzehnjährige gewesen. Die neun folgenden Jahre hatten ihr das Selbstvertrauen gegeben, um es mit jedem Mann aufzunehmen.

„Das“, versetzte sie eisig, „ist meine Sache. Und falls Sie glauben, Sie könnten einen überzeugten Historiker dazu bringen, in seinem Beruf Bänder zu löschen, die gewissen Leuten unlieb sind, so irren Sie gewaltig. Und jetzt …“

Ruhig und bedacht unterbrach er sie. „Sind Sie da nicht etwas voreilig?“

„Nein, das bin ich nicht. Das bin ich niemals …“, begann sie, ohne sich ihre Worte überlegt zu haben, und verstummte schlagartig, als er die Brauen hochzog.

„Nein?“, fragte er spöttisch und sichtlich amüsiert.

„Nein.“ Sie atmete tief durch und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. „Und jetzt, Mr. Angove, wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen. Ich habe noch einiges zu erledigen.“

„Zum Beispiel einen Kündigungsbrief schreiben“, sagte er und lächelte plötzlich. Dieses Lächeln gab ihm eine sexuelle Ausstrahlung, die sie unwillkürlich in ihren Bann zog. Und dann erschien ein Grübchen an seinem Mundwinkel.

Fasziniert sah Antonia ihn an. Es war so widersinnig. Ein Grübchen hätte den harten Zug um seinen Mund weicher machen sollen, aber das tat es nicht. Stattdessen betonte es ihn, so wie seine langen Wimpern die hohen Wangenknochen betonten.

Er warf einen Blick auf seine Uhr, ein schmales goldenes Ding an einem sonnengebräunten Handgelenk, das kräftig wie Stahl wirkte. „Vielleicht war ich zu voreilig. Darf ich Sie zum Lunch ausführen? Wobei wir die Angelegenheit auf etwas zivilisiertere Art besprechen könnten.“

Erschrocken über ihren plötzlichen Impuls zuzustimmen, schüttelte Antonia den Kopf. „Es gibt nichts zu besprechen. Sie haben mir eine genaue Anweisung gegeben, die ich mich weigere auszuführen. Sie drohten mir, ich könnte dabei meinen Job verlieren. Deshalb werde ich kündigen.“

„Ich glaube“, sagte er und lächelte selbstgefällig, „wir beide haben vielleicht in der Hitze des Gefechts unseren gesunden Menschenverstand ausgeschaltet. Sie sollten sich zumindest meine Gründe anhören, weshalb ich das Band gelöscht haben möchte, und das können Sie beim Lunch.“

Sie sah ihn an und spürte seinen unerbittlichen Willen. Nach einem Moment sagte sie fest: „Mr. Angove, ich kenne den Grund, und ich verstehe Ihre Reaktion. Glauben Sie mir, auch wenn Sie mich zum Lunch ausführen, wird das nichts an der Sache ändern.“

Sein Lächeln verriet das Selbstbewusstsein eines Mannes, der sich über seine Attraktivität im Klaren war. Eines Mannes, der seinen Charme so mühelos einsetzte, dass er sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewusst war. Antonia wurde nervös. Genau so hatte Bryan immer gelächelt.

„Ich möchte nicht, dass Sie wegen einer Grundsatzfrage Ihren Job aufgeben, wenn ein Gespräch beim Essen vielleicht helfen könnte. Nun kommen Sie schon.“

Was konnte es schon schaden? Gegen Männer wie ihn war sie gewappnet. Und dann würde er sie vielleicht endlich in Ruhe lassen. Jetzt lächelte sie auch, ließ sich ihre Verachtung für ihn nicht anmerken und sagte freundlich: „Na gut, aber ich werde meine Meinung nicht ändern.“

„Ich werde mein Bestes tun, um Sie dazu zu überreden“, sagte er ebenso freundlich, aber mit einem harten Unterton.

Es dauerte nur einen Augenblick, und sie hatte den Anrufbeantworter eingeschaltet und ihre Tasche genommen. Schweigend ging Philip Angove neben Antonia durch die Gänge, in denen es selbst jetzt noch kühl war.

Die Eingangshalle des Greek-Revival-Building war überfüllt mit Touristen, die umherliefen in einem ständigen Kommen und Gehen. Und alle, dachte Antonia verärgert, haben einen Blick für den Mann übrig, der sich seinen Weg durch die Menge bahnt – durch bloße Persönlichkeit. Antonia hasste Menschenansammlungen. Sie machten sie nervös. Aber die nervöse Anspannung, die sie jetzt plagte, rührte nicht von den Leuten her, die sich um sie herum drängelten.

Sobald sie die riesige Säulenhalle verlassen hatten, atmete Antonia tief aus und sah stirnrunzelnd zu einem Himmel hinauf, den durchscheinende Federwolken bedeckten.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Philip Angove plötzlich.

Überrascht schaute Antonia auf in sein sonnengebräuntes Gesicht. Dann wandte sie schnell den Blick ab. Für so einfühlsam hatte sie ihn nicht gehalten, aber offensichtlich hatte er den scharfen Instinkt eines Raubtiers. „Ja“, antwortete sie höflich und beachtete ebenso wenig wie er die offene Bewunderung in den Gesichtern zweier hübscher Japanerinnen, die gerade zu ihrem Touristenbus zurückkamen.

Philip Angove öffnete die Tür eines Mercedes Benz, einer schnittigen silbergrauen Limousine, ganz Leder und Luxus im Innern, die er auf dem Parkplatz des Direktors abgestellt hatte.

„Es ist ein Wunder, dass Sie keinen Strafzettel bekommen haben“, sagte Antonia beiläufig.

Er lächelte. „Ich kenne den Direktor. Mein Vater war ein Freund von ihm“, erklärte er.

Natürlich!

Als sie im Wagen saß, faltete Antonia die Hände und gab sich alle Mühe, Philip Angoves markantes Profil nicht zu beachten und den inneren Aufruhr zu bekämpfen, der ihre mühsam gefundene Beherrschung bedrohte. Doch obwohl sie den Blick entschlossen nach rechts gerichtet hatte, konnte sie immer noch seine Hände auf dem Steuerrad sehen, während er durch die verstopften Straßen Aucklands fuhr. Der Verkehr schreckte ihn nicht ab, aber schließlich wohnte er auch nur eine Stunde Fahrzeit von hier entfernt und war, wie Heather gesagt hatte, oft in Auckland.

Andere Dinge fielen ihr ein, die Heather ihr erzählt hatte. Der erste Angove, ein Engländer, hatte in den Jahren um 1870 sein Glück in den Kolonien versucht. Er hatte sich an der Küste von Kaipara Harbour, nordwestlich von Auckland, niedergelassen. Vielleicht war es das übliche Glück der Neuankömmlinge, das ihn dazu bewog, das riesige Gebiet von den Maori zu kaufen, denen das Land gehörte, das Land, das seitdem im Besitz seiner Nachkommen war. In den folgenden Jahren war die Familie zu ungeheurem Wohlstand gelangt und spielte eine wichtige Rolle in diesem Land.

Jetzt wünschte Antonia, sie hätte Heather etwas aufmerksamer zugehört. Denn seinen Gegner zu kennen war immer von Vorteil.

Jetzt tat sie alles, um sich in ihrem einmal gefassten Entschluss zu bestärken. Natürlich diente Philip Angoves Einladung zum Lunch nur dem Zweck, sie weich werden zu lassen. Nachdem er gemerkt hatte, dass sie nicht klein beigeben würde, hatte er beschlossen, seinen Charme und seine Überredungskünste auszuprobieren. Zweifellos hatte er die Absicht, sie mit seiner männlichen Ausstrahlung zu blenden, bis sie schließlich mit seiner Forderung einverstanden wäre.

Antonia warf einen kurzen Blick auf sein scharf geschnittenes Profil. Er sah aus, als hätte er schon seit seiner Kindheit Geschäfte gemacht und dabei nur selten den Kürzeren gezogen.

Wahrscheinlich hatte Philip Angove noch nie erlebt, dass eine Frau ihm etwas ablehnte, aber sie würde es tun müssen. Denn ihre Berufsehre war ihr wichtiger, als seiner männlichen Faszination zu erliegen.

Er fuhr in eine unterirdische Garage, und wieder parkte er auf einem Platz, der mit dem Zeichen des Direktors markiert war.

Ohne nachzudenken, sagte Antonia: „War Ihr Vater auch ein Freund dieses Direktors?“

Einen Moment lang blitzten seine weißen Zähne in seinem dunklen Gesicht auf. „Nein. Dieser Parkplatz gehört mir.“

Der Schlag saß. Nachdem sie ausgestiegen waren, fasste Philip sie leicht am Ellbogen und führte sie über einen Gang zum Lift hinüber. Seine kühlen Finger auf ihrer nackten Haut jagten ihr ein Prickeln über den Körper, das sie fast wieder die Kontrolle über sich verlieren ließ.

Das, dachte Antonia in einem Anflug von Panik, ist körperliche Anziehungskraft. Sie hatte sie schon einmal erlebt, obwohl sie nicht vergleichbar war mit jetzt, nicht so unkontrollierbar. Aber schließlich hatte Bryan Howard auch nicht so umwerfend gut ausgesehen wie Philip Angove. So schnell wollte sie das nicht noch einmal erleben. Doch wenn sie sich aus seinem Griff befreite, würde sie sich damit nur verraten. Sie musste alle Selbstbeherrschung aufbringen, um seine Berührung zu ertragen. Aber sie schaffte es mit zusammengebissenen Zähnen und wartete, bis sie im Lift waren, bevor sie sich von ihm löste.

Acht Stockwerke höher, als sie aus dem Fahrstuhl stiegen, tat er es wieder. Offensichtlich hatte er die Angewohnheit, Frauen durch die Gegend zu lotsen. Wie viele mögen es wohl schon gewesen sein, dachte sie in einem Anflug von Ärger und Aufsässigkeit, die er in Feuer und Flamme versetzt hat? Mit Sicherheit zu viele, warnte sie eine innere Stimme.

Das Restaurant kam Antonia vertraut vor, obwohl sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Als eines der drei renommiertesten war es ebenso teuer wie bekannt. Sie sah an ihrem hübschen, unauffälligen Hemdblusenkleid hinab und hatte plötzlich den beschämenden Wunsch, die Flucht zu ergreifen.

Natürlich war Philip Angove hier bekannt. Und natürlich wurde er sofort zu einem Tisch an den Fenstern geführt, von wo aus man einen herrlichen Blick über die traumhaft schönen Gewässer des Waitemata Harbour hatte. Auch die Bedienung, die die steifen Leinenservietten ausbreitete und sie ihnen beiden auf den Schoß legte, kannte Philip Angove. Das Lächeln, das sie ihm zuwarf, war warm, mit einer Spur weiblicher Verehrung und Respekt.

„Schön, Sie wiederzusehen, Mr. Angove“, sagte sie. „Wollen Sie heute eine Show besuchen?“

Das Lächeln, mit dem er antwortete, war gekonnt. Antonia konnte der Frau keinen Vorwurf daraus machen, dass sie diesem unwiderstehlichen Charme auf der Stelle erlag. Weiß er überhaupt, was er macht? Fragte sie sich missmutig.

„Nein, dieses Mal nicht“, sagte er in einem freundlichen, aber unpersönlichen Ton. „Wir möchten das Essen sofort, da Miss Ridd nur eine kurze Mittagspause hat.“

Die Kellnerin war in ihrem Beruf viel zu versiert, um mehr als höfliches Interesse zu zeigen, als sie Antonia anlächelte. Aber natürlich, das wusste Antonia, hatte sie sofort bemerkt, dass ihre Kleidung weder modern noch teuer war, und hatte sie entsprechend abgetan. Zweifellos war sie es gewöhnt, Philip Angove mit eleganten, schick und teuer gekleideten Frauen zu sehen.

Ein Gefühl der Beschämung beschlich sie und drohte ihr die Laune zu verderben, aber sie bezwang es. Sie wollte sich nicht in den Sumpf des Selbstmitleids hinabziehen lassen.

Entschlossen sagte sie, sobald die Bedienung gegangen war: „Mr. Angove, ich werde nicht nachgeben, selbst wenn es bedeutet, dass ich meinen Job verliere. Und kein noch so charmanter Mann, wie überwältigend er auch sein mag, wird an meiner Meinung etwas ändern.“

Die goldenen Punkte in seinen Augen waren plötzlich verschwunden. „Es freut mich“, sagte er leise, lehnte sich zurück und beobachtete sie mit einem Lächeln, das ebenso gefährlich war wie seine Verärgerung kurz zuvor, „dass Sie mich für charmant halten. Wenigstens habe ich keinen Schaden angerichtet, der nicht wieder gutzumachen wäre. Aber darüber reden wir später. Erzählen Sie mir jetzt ein bisschen über sich.“

Natürlich wollte er nichts über Antonia Ridd hören, die nur auf Eines stolz sein konnte, nämlich darauf, dass ihre Augen die gleiche Farbe hatten wie die von Elizabeth Taylor. Es war jedoch einfacher, ihn beim Wort zu nehmen, deshalb sagte sie ganz höflich: „Ich fürchte, ich bin nicht sehr interessant.“

„Lassen Sie das mich beurteilen.“

Eingebildeter Kerl! Bewusst gleichgültig sagte sie: „Ich bin an der Westküste auf einem Bauernhof aufgewachsen. Mein Vater war Farmarbeiter.“

Bis er von dort verschwunden war und sie und ihre Mutter allein und ohne einen Pfennig zurückgelassen hatte. Danach hatte ihre Mutter Zuflucht bei Alkohol und Männern gesucht, bis sie schließlich eines Nachts gegen einen Telegrafenmasten raste. Von da an hatte Antonia bei der Familie ihrer besten Freundin gelebt und, nachdem sie die Schule verlassen hatte, einen Bürojob in einer Reparaturwerkstatt gefunden. Kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag war Bryan Howard nach vier Jahren in Übersee wieder nach Hause zurückgekommen. Und diese Begegnung hatte ihrem Leben eine ganz andere Richtung gegeben, als ursprünglich von ihr beabsichtigt.

Autor

Robyn Donald

Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich.

Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende Abenteuer...

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