Ein, zwei Dinge über die Liebe

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Mit blauen Flecken auf der Seele kehrt Issa nach Hause zurück. Nie wieder ein Mann! Doch dann klopft der attraktive Hausbesitzer Hutch Kincaid an ihre Tür. Zu spät versteckt Issa die Broschüre für Schwangere: Sein warmer Blicke sagt ihr, dass er für sie da ist - wenn sie will …


  • Erscheinungstag 23.05.2016
  • Bandnummer 17
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774240
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ash! Komm zurück, Asher!“

Da ist ein Mann, der etwas von Asche flüstert …

Issa McKendrick schreckte aus dem Schlaf auf. Zunächst glaubte sie zu träumen.

Bis sie eine Stimme ganz nah an ihrem Ohr sagen hörte: „Ups!“

Wieso ups? Müde schlug sie die Augen auf und fand sich beinahe Nase an Nase mit einem kleinen Jungen wieder.

„Hi!“, rief er fröhlich.

„Entschuldigung.“

Wieder die Männerstimme. Diesmal flüsterte sie nicht. Sie kam von der Wohnungstür her, die weit offen stand.

Issa fuhr auf dem Sofa hoch. Dass ein Fremder und ein Kind bei ihr waren, jagte ihr einen gewaltigen Schrecken ein.

„Komm zu mir, Ash!“

Der Junge gehorchte.

Ihr Blick folgte ihm zur Tür.

Wow! Der Mann, der dort stand, sah einfach atemberaubend aus. Vielleicht träume ich doch noch …

„Entschuldigen Sie bitte, ich wollte eigentlich nicht hier hereinplatzen. Ich bin Hutch Kincaid, Ihr Vermieter.“

Seine tiefe Stimme überzeugte Issa davon, dass sie hellwach war. Trotzdem brauchte sie einen Moment, um im Geist zwei und zwei zusammenzuzählen.

Der Besitzer des Duplex, dessen obere Etage sie bewohnte, hieß tatsächlich Hutch Kincaid. Ihr Bruder hatte das Apartment für sie angemietet, weil sie für die Rückkehr in ihre Heimatstadt Northbridge eine vorübergehende Unterkunft brauchte.

Hutch bewohnte die untere Hälfte des Gebäudes, war aber bei ihrem Einzug vor zwei Tagen verreist gewesen.

„Ich habe die Nachricht gefunden, die Sie unter meiner Tür durchgeschoben haben“, erklärte er nun. „Sie haben recht. Das Schloss wurde aufgebrochen. Ich wollte anklopfen, und schon ist die Tür aufgesprungen. Und dann ist Ash reingelaufen, bevor ich es verhindern konnte.“

Begierig sog Issa seinen Anblick in sich auf. Er wirkte verdammt attraktiv und bärenstark – mit den breiten Schultern eines Athleten, schmaler Taille und langen Beinen. All das war äußerst ansehnlich verpackt in enge Jeans und ein limettengrünes Polohemd.

Und dieses Gesicht! Markante Kieferpartie, wohlgeformte Lippen, klassische schmale Nase. Ein reizvolles Grübchen im Kinn – und Augen von dem Blau eines wolkenlosen Sommerhimmels. Gekrönt von sonnengebleichtem Haar, etwas zu lang und verwegen zerzaust. Alles in allem wirklich ein sehenswerter Anblick.

„Schon gut“, sagte sie schließlich. Ihre Stimme klang heiser. Es war ihr peinlich, bei einem Schläfchen am frühen Sonntagnachmittag erwischt zu werden. „Kommen Sie doch herein.“

Mehr Einladung brauchte der kleine Junge nicht, um prompt zum Sofa zurückzulaufen.

Währenddessen schwang Issa die Füße auf den Boden. Sie wollte aufstehen, um einen Teil ihrer Würde wiederzugewinnen und ihre Gäste gebührend zu begrüßen. Doch es brauchte nicht mehr als diesen kleinen Schwenk, damit sich der Raum um sie zu drehen schien. „Moment bitte“, murmelte sie verlegen. „Mir ist plötzlich ganz schwindlig.“

„Lassen Sie sich nur Zeit“, beschwichtigte Hutch.

Seine Beine kamen in ihr Sichtfeld – hinter dem Couchtisch, auf dem mehrere bebilderte Bücher und Broschüren zum Thema Schwangerschaft lagen.

Verräterische Hinweise auf das größte Geheimnis, das ich je gehütet habe und auf keinen Fall preisgeben will.

Ihre Hoffnung, dass Hutch Kincaid die Lektüre übersah, schwand dahin, als der Junge mit einem Finger auf einen Einband deutete und krähte: „Baby!“

„Komm doch zu mir, Kumpel“, schlug Hutch vor.

„Nein.“ Der Kleine pikste ihr mit einem Zeigefinger in die Wange. „Ups!“

Wieso drückte er nun schon zum zweiten Mal Bedauern aus? Er konnte unmöglich wissen, dass sie schwanger war und der Erzeuger sich aus dem Staub gemacht hatte. „Findet er mich peinlich?“

Hutch lachte. „Er findet Sie hübsch.“

Der Schwindelanfall verging allmählich. Issa konnte wieder klar sehen und musterte den Jungen, dessen auffällige Ähnlichkeit mit dem Mann auf eine enge Verwandtschaft schließen ließ. „Danke schön.“

„Pit.“

„Das heißt bitte“, übersetzte der Vermieter. „Der Kleine heißt übrigens Asher. Mein Sohn. Er ist zweieinhalb und sehr eigenwillig.“ Belustigt fügte er hinzu: „Und seit Neuestem findet er anscheinend Gefallen an Frauen.“

Issa stand auf und betrachtete ihren Besucher genauer. Er wirkte nun noch umwerfender, weil er lachte und sich Fältchen von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln zogen.

Doch sie rief sich in Erinnerung, dass es ihr in ihrer Situation nicht zustand, sich mit seinem blendenden Äußeren zu beschäftigen. „Entschuldigen Sie. Normalerweise schlafe ich tagsüber nicht“, behauptete sie. Dabei wollte sie in letzter Zeit bei Tag und bei Nacht schlafen und machte häufig ein Nickerchen.

„Kein Problem“, versicherte er verständnisvoll.

Sein bedeutungsvoller Blick zu den Büchern machte ihr ein ganz anderes Dilemma bewusst. Obwohl sie ihm nie zuvor begegnet war, wusste sie von ihren Geschwistern, dass er mit ihrer Familie und ihrem Freundeskreis Kontakt hatte. Da sich in Northbridge sämtliche Neuigkeiten in Windeseile verbreiteten, erschien es ihr ratsam, ihn gleich um Verschwiegenheit zu bitten.

„Ja. Ich bin schwanger. Und dazu Single“, erwiderte sie und fragte sich gleich darauf, warum sie ihn von ihrem Status unterrichtete.

Weil es mir einfach nicht liegt, neue Bekanntschaften zu schließen. Und jetzt, wo ich durch die anderen Umstände aus dem Tritt geraten bin, benehme ich mich besonders ungeschickt.

„Niemand hier weiß davon. Absolut niemand. Also bitte …“

Beschwichtigend hob er eine Hand. „Von mir erfährt es keiner.“

Trotzdem raffte Issa die Bücher zusammen und versteckte sie unter dem Polster der Couch. Um wieder in die Normalität zu finden, bat sie: „Geben Sie mir bitte eine Minute, um mich etwas frisch zu machen. Vielleicht könnten Sie sich inzwischen das Schloss ansehen?“

„Sicher.“

Sie floh ins Badezimmer, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich für einen Moment dagegen. Kopfschüttelnd verfluchte sie ihre Schüchternheit, die sie immer wieder dazu brachte, sich wie ein Trottel aufzuführen. Warum konnte sie nicht einfach lässig sein?

Ihr Vermieter hielt sie bestimmt für einen Dummkopf. Einen ledigen schwangeren Dummkopf.

Nichts geht über einen guten ersten Eindruck.

Und sie hatte sich nicht einmal vorgestellt! Sogar diese schlichte Geste der Höflichkeit war ihr entfallen.

Ärgerlich stieß Issa sich von der Tür ab und ging zum Waschbecken.

Das Apartment war klein. Es bestand aus einem einzigen Schlafzimmer, einem winzigen Bad und einem offenen Bereich für Wohnen, Kochen und Essen. Doch ihr gefiel es hier. Das Gebäude war erst kürzlich renoviert worden, und alles darin war neu, einschließlich der Einrichtung. Issa hatte nur Handtücher, Bettwäsche und Geschirr mitbringen müssen, sodass ihr das Auspacken rasch von der Hand gegangen war.

Sie befeuchtete einen Waschlappen mit kaltem Wasser, presste ihn sich auf das Gesicht und hoffte auf einen kräftigen Schub jener Energie, die ihr die Schwangerschaft raubte.

Doch sie fühlte sich trotzdem nur müde und erschöpft. Vielleicht beruhte es auf dem Drang, der peinlichen Situation zu entfliehen, in der sie sich befand.

Sie trocknete sich das Gesicht ab und musterte sich im Spiegel über dem Waschbecken. Zu ihrer Überraschung sah sie den rosigen Schimmer, von dem allerorts die Rede war. Normalerweise war sie eher blass, doch nun hatten ihre Wangen auch ohne Rouge eine gesunde Farbe.

Eine der wenigen Vorzüge der Schwangerschaft, dachte sie. Das und die Tatsache, dass ihre Brüste von Körbchengröße A auf B angewachsen waren. Auch darüber konnte sie sich nicht beklagen.

Und auch wenn sie sich meistens müde fühlte, lagen unter ihren blaugrünen Augen doch zumindest keine dunklen Ringe.

Nun konnte sie nur noch hoffen, dass sich die Broschüren bezüglich Haarausfall oder stumpfen Haaren irrten. Ihre flachsblonde Mähne gefiel ihr nämlich, obwohl sich etliche schulterlange Locken aus der Spange gelöst hatten und völlig zerzaust waren.

Na toll, du Schlafmütze!

Schnell nahm sie die Spange heraus, bürstete sich die Haare und band sie wieder zusammen.

Brezelst du dich etwa für deinen attraktiven Vermieter auf? höhnte eine innere Stimme.

Überhaupt nicht. Ich will bloß halbwegs präsentabel aussehen.

Allein aus diesem Grund legte sie Lipgloss auf. Und die Wimpern tuschte sie sich auch nur, damit ihre Augen strahlender wirkten und sie nicht wie ein Faulpelz aussah, der den lieben langen Tag verschlief.

Noch dazu voll angezogen.

Issa sah an sich hinunter und stellte fest, dass ihrer Jeans nichts davon anzumerken war. Aber leider war es ihre bequemste Freizeithose, deren Hosenboden durchhing.

Das T-Shirt mit Flügelärmeln war leicht zerknittert. Daher zog sie es straff, um es zu glätten. Dadurch wurde der V-Ausschnitt tiefer, und ihr Busen kam voll zur Geltung.

Wieso freust du dich eigentlich so darüber?

Sie redete sich ein, dass es ihr lediglich um ihr generelles Erscheinungsbild ging und nicht darum, wer sie so sah. Ihr größerer Brustumfang stärkte einfach ihr Selbstvertrauen, an dem es ihr seit jeher mangelte.

Okay, jetzt sah sie einigermaßen vorzeigbar aus und konnte sich dem Vermieter wieder stellen.

Sie atmete tief durch und nahm sich vor, sich aufgeschlossener als gewöhnlich zu geben. Ihre Schüchternheit hatte ihr noch nie weitergeholfen.

Sie verließ das Badezimmer und sah Hutch Kincaid mit dem Rücken zu ihr an der Eingangstür stehen und an dem Schloss hantieren.

Von hinten war sein Anblick nicht weniger eindrucksvoll als von vorn. Sein Hosenboden hing nicht durch. Im Gegenteil. Seine hautenge Jeans betonte einen aufreizend knackigen Po.

Sie ließ den Blick an ihm hinaufwandern, über die schmale Taille zu den unglaublich breiten Schultern und den kraftvollen Armen mit den ausgeprägten Muskeln, um die sich die kurzen Ärmel des Shirts spannten. Der Mann hatte wirklich eine Traumfigur.

Aber das ist mir egal, redete sie sich ein. „Mir ist gerade eben bewusst geworden, dass ich mich noch gar nicht vorgestellt habe“, eröffnete sie, sobald er sich zu ihr umdrehte. „Ich bin Issa McKendrick. Das wussten Sie wahrscheinlich schon, aber ich wollte nicht unhöflich sein.“

„Itta?“, krähte der kleine Junge, der bei der Tür auf dem Fußboden saß und mit einem Schraubenzieher spielte.

„Issa“, korrigierte sie.

„Itta“, wiederholte er eigensinnig.

Hutch Kincaid steckte sich die Kombizange in eine Gesäßtasche, legte eine Hand auf den äußeren und die andere auf den inneren Türknauf und drehte langsam vor und zurück, vor und zurück …

Ganz unverhofft sah Issa im Geist, wie diese Hände sich weniger unschuldig beschäftigten – mit ihren neuen B-Cups.

Vor lauter Verblüffung über diese erotischen Fantasien wusste sie einen Moment lang nicht, wie sie sich verhalten sollte. Dann wurde ihr zum Glück bewusst, dass ihr Vermieter nicht ahnen konnte, was ihr in den Sinn gekommen war.

Um nicht wie ein gehemmtes Mauerblümchen zu wirken, versuchte sie sich in Small Talk und eröffnete: „Ich kenne Ihren Bruder Chase seit meiner Kindheit. Er war so oft bei uns zu Hause, dass er für mich wie ein Familienmitglied ist.“

„Ich habe davon gehört. Er war sehr unglücklich bei seinem Pflegevater. Es ist bedauerlich, dass er nicht wie wir anderen adoptiert wurde.“

„Wir waren alle verblüfft, als wir erfuhren, dass er leibliche Geschwister hat.“

„Das war auch für uns eine große Überraschung.“

Mit zwei Jahren hatte Hutch seine Eltern durch einen Autounfall verloren. Genauer gesagt, er und sein Zwillingsbruder Ian, seine Schwester Shannon, sein großer Bruder Chase und seine wesentlich ältere Halbschwester Angie.

Angie war zu ihrem leiblichen Vater zurückgekehrt; die drei jüngsten Kinder waren von zwei verschiedenen Familien adoptiert worden; Chase war zu einer Pflegefamilie in Northbridge gekommen und der beste Freund von Issas Halbbruder Logan geworden.

Als Angie spürte, dass sie nicht mehr lange leben würde, hatte sie auf der Suche nach einem Vormund für ihren Sohn Cody ihre vier Geschwister aufgespürt.

„Wie seltsam, dass Chase die ganze Zeit über nicht wusste, dass er noch Angehörige hat“, sinnierte Issa.

„Und jetzt zieht er sogar Cody auf – den Sohn unserer Halbschwester Angie.“

„Es fällt mir schwer, mir den Chase, den ich von früher kenne, als Vater vorzustellen. Die ganze Sache ist erstaunlich. Als ich über Weihnachten hier war, habe ich Shannon und Cody kennengelernt und gehört, dass die beiden sich mit Ihnen und … Ihrem Zwillingsbruder getroffen haben.“

„Ian“, warf er ein.

„Genau. Ich bin erst seit zwei Tagen in der Stadt und ihm noch nicht begegnet, aber ich kannte seinen Namen. Und Sie sind Hutch Kincaid, und demnach …“ Sie merkte, dass sie zu viel plapperte, und unterbrach sich verlegen. Bekanntschaften schließen lag ihr nun einmal nicht.

„… sind wir seit Neuestem verschwägert und sollten uns duzen.“

„Ach ja.“ Seine Schwester Shannon hatte kürzlich ihren Bruder Dag geheiratet. „Das habe ich noch gar nicht bedacht, weil ich nicht zur Trauung kommen konnte.“

„Ich war dabei. Das war mein erster Besuch hier in Northbridge, seit Ian und ich adoptiert und nach Billings gebracht wurden.“

„Und jetzt bleiben S… bleibst du hier wohnen?“

„In diesem Gebäude nur vorläufig. Ich habe es als Investitionsobjekt gekauft und möchte es im Herbst an Studenten vermieten. Für Ash und mich will ich ein Einfamilienhaus kaufen. Dag hat mir erzählt, dass du auch bloß eine vorübergehende Bleibe brauchst.“

„Stimmt. Weil ich ebenfalls ein Haus kaufen möchte.“

„Dann willst du dich wieder hier in deiner alten Heimatstadt niederlassen?“

„Ja.“

„Northbridge hat mir auf den ersten Blick zugesagt, und ich habe hier bisher noch nichts entdeckt, was mir nicht gefällt. Ich habe sogar das alte Sportartikelgeschäft gekauft.“

Abgesehen von der Tatsache, dass Hutch Kincaid der Bruder von Chase und der der beste Freund ihres Halbbruders Logan war, wusste Issa nur zwei Dinge über ihn: erstens, dass er zusammen mit seinem Zwillingsbruder bei dem Footballstar Morgan Kincaid aufgewachsen war, dem die Kincaid Corporation gehörte – ein riesiges Imperium aus Hotels, Restaurants und Autohäusern. Seit Neuestem zählte dazu auch das Footballteam The Monarchs, das in der Profiliga spielte und dem ein Trainingscenter in Northbridge errichtet werden sollte.

Und zweitens wusste sie, dass auch Hutch im Football Karriere gemacht hatte und nun in der Sportartikelbranche tätig war.

„Wie heißt dein neuer Laden denn?“

Kincaid’s All Sports – genau wie die anderen vier und das Online-Geschäft, das ich recht erfolgreich betreibe.“

„Cool!“, rief Issa unbedacht und ärgerte sich sofort über den abgedroschenen Ausdruck. Um ihre Verlegenheit zu vertuschen, heftete sie den Blick auf seinen Sohn. „Wie steht’s mit dir, Asher? Magst du Sport?“, fragte sie und befürchtete, dass es fast so dumm klang wie cool.

„Mag Kekse.“

„Ich habe aber keine“, entgegnete sie betroffen.

Hutch lachte. „Das ist auch nicht nötig. Mein Sohn hat leider noch keine Manieren.“ Er wandte sich von der Tür ab. „Ich muss mich geschlagen geben. Dieses Schloss ist nicht zu reparieren. Ich kaufe ein neues und komme dann zurück.“

Die Vorstellung, ihn wiederzusehen, wirkte irgendwie belebend. Warum auch immer – und obwohl dem nicht so sein sollte.

In ihre Gedanken erklärte er: „Allerdings geht das erst am frühen Abend. Ich muss vorher einige Dinge in meinem neuen Geschäft erledigen und für Ash etwas zu essen auf den Tisch bringen.“

„Das macht nichts. Ich bin den ganzen Abend zu Hause“, erwiderte Issa und hoffte, dass ihre Stimme für Hutch nicht so eifrig und erwartungsvoll klang wie in ihren eigenen Ohren. „Aber denk bitte daran, niemandem etwas zu sagen, ja?“

Er packte gerade sein Werkzeug und das defekte Schloss ein und warf ihr einen verständnislosen Blick zu.

„Na ja, du weißt schon … die Bücher …“

„Ach ja. Das hatte ich schon ganz vergessen.“ Er grinste. „Nein, ich werde niemandem etwas verraten. Das ist ganz allein deine Angelegenheit.“

„Vielleicht habe ich ja Kekse, wenn ihr zurückkommt“, verkündete Issa allzu fröhlich.

„Ich mag Kekse“, wiederholte Asher.

„Bloß keine Umstände“, entgegnete Hutch. Er wandte sich an seinen Sohn. „Komm, Kumpel, gehen wir. Gib mir die Zange und den Schraubenzieher.“

Asher stand vom Fußboden auf. Doch anstatt das Werkzeug abzugeben, zog er sich das gestreifte T-Shirt hoch, bis sein ganzer Bauch entblößt war. Er drehte den Oberkörper so weit wie möglich nach hinten und steckte sich die Geräte in die Gesäßtasche, wie er es sich offensichtlich bei seinem Vater abgeguckt hatte.

„Wenn du hinfällst, tust du dir mit den Dingern in der Tasche ganz doll weh“, erklärte Hutch und nahm das Werkzeug an sich. „Sag bye zu Issa.“

„Bye, Itta.“

„Bye, Ash.“

„Wir kommen gegen sieben Uhr wieder“, versprach Hutch.

„Okay.“

„Und dein Geheimnis ist bei mir sicher. Also keine Sorge.“

Issa forschte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Missbilligung, sah aber nur Freundlichkeit und Verständnis in seinen bemerkenswerten blauen Augen. „Danke.“

Er deutete zu dem Loch in der Tür, wo das Schloss gesteckt hatte. „Ich schließe unten die Eingangstür ab. Du hast das Haus ganz für dich allein, bis wir zurückkommen, und brauchst keine weiteren Überraschungsbesuche zu befürchten.“

„Okay.“ Sie lehnte die Tür an und verhielt sich daraufhin höchst seltsam. Sie beugte sich vor und spähte durch das Loch, um zu beobachten, wie ihr Vermieter die Treppe zu seiner eigenen Haushälfte hinunterging.

Als Issa bewusst wurde, wie albern sie sich benahm, richtete sie sich abrupt wieder auf. Es war absurd, einem Mann Beachtung zu schenken – so groß und stark und umwerfend er auch sein mochte –, wenn man von einem anderen schwanger war.

2. KAPITEL

„Noch ein paar Bissen“, drängte Hutch. „Dann gehen wir nach oben zu Issa und reparieren die Tür.“

„Itta“, plapperte Asher nach. Er zog eine Fritte durch einen Ketchupklecks und stopfte sie sich auf gut Glück in den Mund. Während er kaute, verkündete er zum dritten Mal: „Fettig.“

„Oh nein, du bist noch nicht fertig. Dein Teller ist ja immer noch halb voll. Und sprich bitte nicht mit vollem Mund.“

„Okay“, erwiderte Asher und zeigte dabei erneut die halb durchgekaute Kartoffelmasse.

Anscheinend ist ein Zweieinhalbjähriger noch zu klein für Benimmregeln, dachte Hutch seufzend. Ihm Tischmanieren beizubringen – das hätte Iris gefallen, auch wenn es nicht funktioniert. Fast Food am Sonntagabend hätte sie allerdings nicht geduldet.

Immerhin saß er mit seinem Sohn zusammen am Tisch und bemühte sich um eine gute Kinderstube. Das war weit besser als die Situation direkt nach Iris’ Tod. Auch wenn er kein Kandidat für die Auszeichnung „Vater des Jahres“ sein mochte, gab er sein Bestes.

Er bemühte sich, Fast Food zu vermeiden. Doch diesmal war es ihm nicht gelungen. Denn sie waren gerade erst von einer siebentägigen Reise aus Denver nach Hause gekommen, wo er den Verkauf seiner Immobilie abgewickelt hatte. Bei der Rückkehr hatten ihn dringende geschäftliche Angelegenheiten erwartet – und dazu eine Mieterin, die in seiner Abwesenheit eingezogen war.

Manchmal ist Fast Food einfach eine Notwendigkeit.

Hutch stand auf und sammelte die Überreste der Hamburger und Pommes ein. Beim Abwaschen spähte er über die Schulter zum Tisch. Ashers Schnabeltasse stand noch immer unberührt dort. „Trink deine Milch“, drängte er, „damit du groß und stark wirst.“

„Wie du.“

„Genau wie ich“, bestätigte er und freute sich, dass die Heldenverehrung seines Sohnes ihm galt – zumindest derzeit. „Lass mal deine Muskeln sehen.“

Asher hob die Arme und beugte sie mit geballten Händen – ganz im Stil eines Bodybuilders.

„Das sieht schon ganz gut aus, aber ich glaube, sie brauchen noch etwas Milch.“ Hutch hoffte, dass solche Ermunterungen nicht in den Druck ausarteten, den Morgan Kincaid auf seine Söhne ausgeübt hatte, damit sie ihm nacheiferten und zu Sportskanonen wurden.

Asher trank eifrig seine Tasse aus und beugte wieder die Arme. „Guck jetzt mal!“

„Ja, ich sehe, wie deine Muskeln schon wachsen. Gut gemacht.“ Hutch befeuchtete ein Papiertuch und trat damit an den Tisch.

„Nein!“, protestierte Asher wie üblich.

„Komm schon, Issa wartet auf uns, und wir können eine Lady nicht mit Ketchup auf dem ganzen Gesicht und den Händen besuchen.“

„Itta ups“, erklärte Asher und ließ die Reinigungsprozedur prompt über sich ergehen.

„Stimmt. Issa ist sehr hübsch“, bestätigte Hutch. Dornröschen war ihm in den Sinn gekommen, als er sie an diesem Nachmittag schlafend auf der Couch entdeckt hatte, und seitdem musste er immer wieder an sie denken und sah sie im Geist vor sich.

Autor

Victoria Pade

Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...

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