Expedition ins Paradies

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Auf eine romantische Malexpedition ins idyllische Outback hat sich Elizabeth gefreut. Und nun der Schock: Der Tourguide, der sie am Steuer des Jeeps erwartet, ist ausgerechnet Tom Scanlon, der verwegene Buschpilot und der Mann, der sie wegen einer anderen verlassen hat!


  • Erscheinungstag 19.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779122
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Elizabeth nahm gerade die letzten Pinselstriche an dem Ölgemälde vom Ayers Rock vor, als ihr Vater den Kopf zur Ateliertür hereinsteckte. „Da ist jemand, der dich sprechen möchte, Liz.“

Etwas in seinem Ton ließ sie aufblicken. „Wer ist es?“

„Tom Scanlon.“

Der Pinsel glitt Elizabeth aus der Hand, und ihr schoss das Blut ins Gesicht. Dann erbleichte sie, und eisige Kälte breitete sich in ihr aus. Seit eineinhalb Jahren hatte sie von ihrem Exverlobten nichts mehr gehört. Und sie hatte geglaubt, er wäre für immer aus ihrem Leben verschwunden.

Es kostete sie Mühe, zu sprechen. „Schick ihn weg. Ich will ihn nicht sehen.“

Vorsichtig kam ihr Vater näher. „Aber er ist …“

„Sag ihm, ich hätte keine Zeit und könnte ihn nicht sehen.“ Wie konnte Tom Scanlon es wagen, nach allem, was er ihr angetan hatte, plötzlich wieder bei ihr aufzukreuzen? Noch dazu unangemeldet! Dachte er etwa, sie würde ihn mit offenen Armen empfangen? „Nein, sag ihm lieber, ich wolle ihn nicht sehen. Weder jetzt noch irgendwann.“

„Wenn du nicht kommst, Liz, wird er hier einfach reinplatzen. Er scheint fest entschlossen zu sein, dich zu sprechen.“

„Und ich bin ebenso fest entschlossen, ihn nicht zu empfangen.“

Doch in Elizabeths Magen kribbelte es, und ihre Nerven flatterten. Warum kam Tom sie besuchen? Damals hatte er sie rücksichtslos verlassen, und das nur zwei Wochen nachdem er ihr einen Heiratsantrag gemacht und ihr ewige Liebe geschworen hatte. Und warum wollte er sie unbedingt sprechen? Um festzustellen, ob sie auch ohne ihn auskam?

„Wenn du nicht mit ihm sprichst, Liebes, wirst du ständig darauf gefasst sein müssen, dass er dich irgendwo abzupassen versucht. Wenn du ihn nicht mehr sehen willst, sag’s ihm doch einfach.“

Zähneknirschend gab Elizabeth nach. „Also gut. Ich spreche mit ihm. Schick ihn rein, Charlie. Ich gebe ihm eine Minute.“ Seit sie und ihr Vater vor einem Jahr Geschäftspartner geworden waren – sie besaßen eine Kunstgalerie mit einem daran angeschlossenen Bilderrahmengeschäft – hatte Elizabeth sich angewöhnt, ihn „Charlie“ statt „Dad“ zu nennen. Was hätte sie in den letzten eineinhalb Jahren ohne ihren Vater angefangen? Er hatte dafür gesorgt, dass sie stets gut beschäftigt war, er hatte sie aufgemuntert und dazu gebracht, nach vorn zu schauen, nicht zurück.

Und jetzt stand er ganz ruhig da und wollte ihr Tom Scanlon wieder schmackhaft machen!

„Gib ihm eine Chance, Liz“, bat Charlie. „Hör dir wenigstens an, was er dir zu sagen hat. Er kommt mir verändert vor. Da ist etwas in seiner Art …“ Als Elizabeth ihn eisig ansah, zuckte ihr Vater die Schultern. „Also gut. Ich schicke ihn rein.“ Er drehte sich um und wollte gehen, doch ehe er die Tür erreichte, erschien eine große Gestalt im Türrahmen.

„Hallo, Elizabeth.“

Vor ihr begann sich alles zu drehen. Ihr Herz pochte wie wahnsinnig, und ihre Beine fühlten sich plötzlich so schwach an, dass sie Halt suchend nach der Staffelei griff.

Tom Scanlon sah anders aus als vor eineinhalb Jahren. Auch damals war er groß, breitschultrig und kräftig gebaut, vielleicht sogar leicht übergewichtig gewesen. Doch jetzt sah er – Elizabeth musste erst einmal tief durchatmen – fantastisch aus: schlanker, drahtiger, gesünder, als sie ihn je gekannt hatte. Er musste inzwischen sechsunddreißig sein, wirkte jedoch bedeutend jünger.

Hatte seine neue Freundin das bewirkt?

In Elizabeths Augen erschien ein eisiger Glanz. Es war ein Fehler gewesen, Tom überhaupt vorzulassen, und sei es auch nur, um ihm zu sagen, dass er sie in Ruhe lassen solle. Jetzt lebten Empfindungen wieder auf, die sie längst für tot gehalten hatte.

Taktvoll versuchte ihr Vater, sich zurückzuziehen. „Ich lasse euch beide jetzt besser allein …“

„Du brauchst nicht zu gehen, Dad!“ Ihre Stimme klang, wie Elizabeth fand, unnatürlich hoch. Und das verräterische „Dad“ war ihr auch wieder herausgerutscht. „Mr. Scanlon bleibt nicht.“

Kalt, mit zusammengekniffenen Augen, musterte sie den unerwünschten Besucher, und ein Schauer überlief sie.

Das war nicht der Tom Scanlon, den sie gekannt und geliebt hatte. Vor ihr stand ein Fremder – ein glatt rasierter Fremder, der völlig anders aussah und eine neue, dynamische Ausstrahlung besaß. Wo waren der Bart und das ungebärdige lange Haar geblieben, das ihm über den Kragen und ins Gesicht gefallen war? Wo die verwaschenen Jeans und das Buschhemd mit den aufgekrempelten Ärmeln? Die staubigen, alten Stiefel, der zerknitterte, abgewetzte Hut?

Und wo war die unvermeidliche Zigarette in Toms Hand?

Er trug jetzt helle, weiche Lederslipper und ein sauberes hellgraues Hemd – ohne Krawatte. Das wäre mal was, Tom mit einer Krawatte zu sehen! Das Hemd hatte einen modernen Stehkragen, und der oberste Knopf war offen. Aber nur der oberste – nicht alle, wie früher, als stets die muskulöse, sonnengebräunte Brust zu sehen gewesen war.

Das braune Haar war immer noch lockig und widerspenstig. Diese wirre Mähne konnte nichts völlig bändigen. Aber jetzt reichten die Locken nur noch knapp bis zum Kragenrand. Sie waren ordentlich aus dem sonnengebräunten Gesicht gekämmt, und obwohl es immer noch verwegen wirkte, fiel es Tom nicht mehr wirr in die Stirn.

Elizabeth atmete tief ein und versuchte, sich zu fangen. „Also … Tom Scanlon“, sagte sie so verächtlich, wie sie konnte. „Der Mann, der erkannt hat, dass er nicht für die Ehe geschaffen ist.“ Oder hatte seine neue Flamme ihn davon abgebracht?

„Beth …“

Beth. Sie verspürte einen Stich im Herzen, und Verbitterung erfüllte sie. Nur Tom hatte sie so genannt. Es war ein ganz besonderer Kosename gewesen … früher. Jetzt empfand Elizabeth ihn als unerträglich.

„Wage es ja nicht noch einmal, mich so zu nennen!“ Elizabeth ballte die Hände zu Fäusten, und ihre Augen blitzten. „Du hast Nerven, herzukommen und mir gegenüberzutreten, als ob nichts gewesen wäre.“ Gerade jetzt, da ich angefangen habe, über dich hinwegzukommen, und dachte, ich könnte gut ohne dich leben.

Tom atmete tief durch. „Seitdem ist viel Wasser den Berg hinuntergeflossen, Beth … Elizabeth.“

Er wollte sich also nicht entschuldigen oder um Verzeihung bitten. Aber das wäre eigentlich auch nicht Tom Scanlons Art gewesen. Wasser den Berg hinunter… so sah er die vergangenen eineinhalb Jahre also. Elizabeth neigte den Kopf zur Seite, und ihre blauen Augen glitzerten eisig. Koste es, was es wolle, sie würde Tom nicht merken lassen, wie tief er sie verletzt hatte.

„Ja, alles ist im Fluss“, gab sie ihm kalt Recht.

Auf keinen Fall würde sie ihn fragen, was er in der Zwischenzeit gemacht habe. Ob er noch in Sydney sei. Oder was er beruflich tue, nachdem er seine Stellung als Hubschrauberpilot an den Nagel gehängt hatte. Wie sie Tom kannte, konnte er praktisch alles. Ehe er Pilot geworden war, hatte er als Grünhorn auf einer Rinderfarm als Pferdezureiter, Sprengstoffarbeiter, Dachdecker gearbeitet, und der Himmel wusste, was sonst noch. Doch wie Elizabeth ihn einschätzte, hätte er sich niemals in einem Stadtbüro wohl gefühlt. Tom Scanlon zog das Leben im Busch, in der Wildnis vor. Die Freiheit …

Hatte seine neue Freundin es geschafft, ihn an einen Schreibtisch zu bekommen? Er habe gute Buchführungskenntnisse, hatte er Elizabeth einmal verraten, was sich nützlich erweisen würde, wenn er eine eigene Rinderfarm besaß – sein langjähriger Traum.

Ein Wolkenkuckucksheim. Nichts als ein schönes, fernes Luftschloss.

Elizabeths Miene versteinerte sich. Bei Tom Scanlon hatte es nur Luftschlösser gegeben. Ehrgeizige Tagträume. Nichts von dem, was er gesagt oder versprochen hatte, war eingetreten. Wenn du die große Liebe triffst, möchtest du sie mit beiden Händen festhalten und sie nie mehr gehen lassen, hatte er ihr an dem Abend gesagt, als er ihr den Heiratsantrag gemacht hatte.

Elizabeths Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken, wie sie sich geliebt, miteinander gelacht und über Gott und die Welt geredet hatten. Obwohl sie sich während ihrer zweimonatigen stürmischen Romanze aus beruflichen Gründen oft hatten trennen müssen, waren sie einander so nah gewesen, wie zwei Menschen es nur sein konnten … zumindest hatte sie das gedacht.

Nie wäre sie auch nur eine Sekunde auf den Gedanken gekommen, dass etwas sich zwischen sie stellen könnte …

„In eineinhalb Jahren kann viel geschehen“, sagte Tom nachdenklich und versuchte, in Elizabeths Augen zu lesen. Rasch wandte sie den Blick ab, ehe Tom zu viel ergründen konnte. „Ich bin nicht einfach weggegangen und habe dich vergessen, Beth. Im Gegenteil, ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“

Sorgen? Wollte er sie für dumm verkaufen?

Als Elizabeth schwieg, beließ Tom es dabei. „Ich bin heute Morgen nach Brisbane geflogen“, berichtete er in umgänglichem Ton. „Wollte unbedingt mal sehen, wie es dir geht. Was deine Malerei macht. Wie das Leben mit dir umgegangen ist.“

Und sehen, ob sie ihm immer noch nachtrauerte? Ob sein Verlust ihr das Herz gebrochen hatte? Oder ob sie über ihren Kummer hinweggekommen war und sich jemand anders gesucht hatte … so wie er?

Ein Eispanzer schien ihr Herz zu umgeben. Vielleicht würde Tom sich weniger schuldbewusst fühlen, wenn sie sich mit einem anderen Mann getröstet hätte, so wie er vermutlich mit einer anderen Frau glücklich geworden war. Oder hoffte er, dass es keinen anderen Mann gab? Bestimmt würde er sich geschmeichelt fühlen, unersetzlich zu sein.

„Tja, wie du siehst, geht es mir bestens.“ Mehr brauchte er nicht zu wissen. Mehr verdiente er nicht. Sollte er denken, was er wollte.

„Das freut mich. Du siehst wunderbar aus, Beth.“ Sie spürte, dass Tom sie prüfend betrachtete, wie sie es vorher mit ihm getan hatte. Er musterte sie so eingehend, dass sie sich irgendwie nackt und preisgegeben vorkam.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ein mit Farbspritzern übersätes Oberteil und nur knappe Shorts trug, sodass ihre nackten Beine und Füße zu sehen waren, die ebenfalls voller Farbkleckse sein mussten.

Elizabeths stufig geschnittenes, langes honigblondes Haar wurde von einer schwarzen Spange zusammengehalten, doch einige Strähnen hatten sich daraus gelöst und fielen ihr über die geröteten Wangen auf den nackten Hals. Als Toms Blick auf ihrem Gesicht verweilte, hatte Elizabeth das unbehagliche Gefühl, dass auch ihre Nase Farbspritzer abbekommen haben musste.

„Vielen Dank, aber spar dir die Schmeicheleien, Tom“, erwiderte sie spitz. „Und ich habe dir schon gesagt, dass du aufhören sollst, mich Beth zu nennen!“ Da sie wusste, wie fürchterlich sie aussah, empfand sie sein Kompliment als noch unerträglicher. Unwillkürlich fragte sie sich, wie die neue Frau in seinem Leben aussehen mochte … die unwiderstehliche Sirene, die ihn einfach umgeworfen hatte, wie er es nannte, als er Elizabeth vor eineinhalb Jahren aus Sydney angerufen hatte, um die Verlobung zu lösen.

Der Gedanke an seinen Verrat brachte Leben in Elizabeth. Sie warf den Kopf zurück und sah Tom so kalt und verächtlich an, dass er unmöglich ahnen konnte, wie sehr sie in den vergangenen achtzehn Monaten gelitten hatte.

„So, jetzt hast du mich gesehen“, erklärte sie schneidend. „Nun weißt du, dass ich mir weder die Pulsadern aufgeschnitten habe noch zusammengebrochen bin. Und jetzt entschuldige mich. Ich habe zu tun. Charlie, würdest du Tom bitte hinausbegleiten?“ Sie musste ihren treulosen Exverlobten loswerden, ehe er merkte, was sein bloßer Anblick bei ihr anrichtete.

Elizabeths Vater seufzte und wandte sich Tom zu. „Tut mir leid, mein Lieber, aber du hast einen ungünstigen Augenblick erwischt. Liz ist sehr beschäftigt. Also komm, ich bringe dich zur Tür.“

Mein Lieber? Ungünstiger Augenblick? Elizabeth warf ihrem Vater einen empörten Blick zu. Verräter! dachte sie. Charlie hatte Tom immer gemocht. Trotz Toms ungebärdiger, ungeschliffener Art und seines abenteuerlichen Zigeunerlebens war ihr Vater von Tom auf Anhieb begeistert gewesen und seinem unwiderstehlichen Macho-Charme genauso erlegen wie sie selbst. Charlie konnte nicht verstehen, warum sie sich so unverhofft getrennt hatten, obwohl sie doch so wahnsinnig ineinander verliebt gewesen waren.

Damals hatte Elizabeth sich zu verletzt und gedemütigt gefühlt, um ihrem Vater gestehen zu können, dass Tom sich in eine andere verliebt hatte. Und in den Wochen und Monaten nach dem Bruch hatte Elizabeth sich geweigert, Tom auch nur zu erwähnen. Sie hatte ihrem Vater einfach erklärt, was Tom ihr gesagt hatte, ehe er zugab, eine andere Frau kennen gelernt zu haben … er habe erkannt, er sei nun mal nicht für die Ehe geschaffen, und wolle wieder frei sein.

Tom schien gehen zu wollen, blieb dann jedoch stehen und betrachtete das Gemälde. „Du hast die Stimmung genau getroffen“, sagte er leise. „Die unwirklichen Farben des Sonnenuntergangs … die Wolken … die Schatten. Genauso habe ich diesen Abend in Erinnerung.“

Dieser Abend … Elizabeths Herz setzte einen Schlag lang aus. Sie dachte daran, dass Tom bei ihr gewesen war, als sie die Sonne zum ersten Mal über Ayers Rock hatte untergehen sehen, und bittersüße Erinnerungen übermannten sie.

Damals war sie zum Red Centre gereist, um dort auf Motivsuche zu gehen, und Tom war der Hubschrauberpilot gewesen, der sie von Alice Springs zum Ayers Rock geflogen hatte. Zwischen ihnen hatte es sofort gefunkt. Während der darauf folgenden beiden Monate waren sie, sooft sie konnten, zusammen gewesen. Sie waren so sicher gewesen, füreinander bestimmt zu sein – zwei Freigeister, die einander gesucht und gefunden hatten und beide dasselbe wollten … jedenfalls hatte Elizabeth das geglaubt.

Doch der Traum war geplatzt, als Tom nach Sydney geflogen war und ihr nur erklärt hatte, er „müsse etwas erledigen“.

„Verkaufst du es?“

Toms Stimme riss Elizabeth aus ihren Erinnerungen. Er wollte ihr Gemälde kaufen? Hatte er denn keine Ahnung, was ihre Werke inzwischen kosteten? Ihre traditionellen australischen Landschaften waren in den letzten Monaten berühmt geworden und überall in Australien hoch begehrt. Sogar der Premierminister hatte eins fürs Parlament in Canberra bestellt. Als Folge davon waren ihre Preise sprungartig in die Höhe geschnellt. So hoch, dass sie inzwischen außerhalb der Reichweite von Toms Brieftasche waren – vorausgesetzt, er sparte auch jetzt noch jeden Cent, um sich eines Tages die Rinderfarm kaufen zu können, von der er träumte. Auf keinen Fall konnte Elizabeth sich vorstellen, dass Tom genug Geld übrig hatte, um sich Luxusgüter wie ein Original-Ölgemälde von ihr leisten zu können.

Aber vielleicht hatte er seinen langjährigen Traum ja auch aufgegeben, seit er dieser Sirene aus Sydney verfallen war. Ich brauche neue Herausforderungen, Tapetenwechsel, hatte er damals behauptet. Seine Stelle als Hubschrauberpilot hatte er da bereits aufgegeben, offenbar entschlossen, seine Bande zum australischen Busch zu kappen, den er bis dahin so geliebt hatte. Möglicherweise hatte er seine schwer erarbeiteten Ersparnisse dazu benutzt, um für sich und seine neue Liebe ein schickes Apartment in der Stadt zu kaufen. Ein Zuhause, das er jetzt mit ebenso schicken Gemälden schmücken wollte.

Um gefasst zu erscheinen, versuchte Elizabeth, ruhig zu atmen. Wo war die neue Frau in Toms Leben? Ob er sie mit nach Brisbane gebracht hatte? Ahnte seine Freundin, dass er seine Exverlobte besuchte?

Es lag Elizabeth auf der Zunge, Tom diese Fragen zu stellen, doch dann verzichtete sie darauf. Er sollte nicht denken, dass sie sich für ihn und sein neues Leben interessierte. Denn das tat sie natürlich nicht!

„Es ist unverkäuflich“, erwiderte Elizabeth kurz angebunden. Sie hatte ähnliche Gemälde vom Sonnenuntergang über Ayers Rock für eine Vernissage angefertigt, die sie vor einigen Monaten veranstaltet hatte, und alle Bilder waren im Nu verkauft worden. Es hatte ihr leid getan, auch das letzte abzugeben, und sie hatte impulsiv beschlossen, noch eins zu malen, das sie behalten würde. Warum, wusste sie selbst nicht genau. Sie besaß nicht einmal einen freien Platz an der Wand, um es aufzuhängen. Die Galerie nebenan und die Apartments der Familie im Obergeschoss platzten bereits aus allen Nähten.

Beunruhigt bewegte Elizabeth sich. Vielleicht würde sie das Gemälde doch nicht behalten. Es würde sie zu stark an eine Zeit erinnern, die sie vergessen wollte. Eigentlich war es verrückt, so etwas überhaupt ins Auge zu fassen. Verkaufen ließe es sich mühelos. Außerdem konnte sie dieses Motiv jederzeit unzählige Male nachmalen, wenn ihr danach war.

Doch falls sie dies hier verkaufte, dann bestimmt nicht an Tom Scanlon. Das wäre das Allerletzte. Es wäre einfach zu demütigend, zu wissen, dass er diese ganz besondere Stimmung, diesen unvergesslichen Abend, diesen einmaligen Augenblick in ihrem Leben mit der Frau teilte, die ihre Nachfolgerin geworden war.

„Wirklich schade.“ Tom zuckte die Schultern, und Elizabeth presste die Lippen zusammen. Wahrscheinlich bereute er sein übereiltes Kaufangebot bereits wieder. Auch er wollte vermutlich nicht an diesen berauschend romantischen Abend erinnert werden.

Flehend blickte Elizabeth zu ihrem Vater, und endlich begleitete Charlie den Besucher, wenn auch mit bedauernder Miene, nach draußen. Sicherheitshalber wandte Elizabeth sich ab. Die Begegnung mit ihrer alten Liebe hatte ihr mehr zugesetzt, als sie sich eingestehen wollte.

Glücklicherweise würde sie morgen mit Ihrem Vater eine zweiwöchige Flugreise in den Busch antreten, um auf Motivsuche für neue Bilder zu gehen. Dort bestand für sie keine Gefahr, Tom erneut über den Weg zu laufen. Vermutlich blieb er einige Tage in Brisbane, oder aber er flog schleunigst zu seiner neuen Liebe zurück.

Nachdem Tom gegangen war, konnte Elizabeth sich nicht mehr aufs Malen konzentrieren. Sie ging zum Fenster und blickte geistesabwesend auf die belebte Straße hinaus. Das Wiedersehen mit Tom hatte sie zutiefst aufgewühlt, und unbeantwortete Fragen schossen ihr durch den Kopf. Vielleicht hätte sie Tom nach der neuen Frau in seinem Leben fragen sollen. Ob er jetzt in Sydney wohne und arbeite – oder ob ihn sein geliebter Busch wieder gelockt habe. Nachdem ihre Neugier gestillt war, hätte sie ihn aus ihren Gedanken, ihrem Leben löschen und für immer vergessen können.

Auf der anderen Seite wäre es Elizabeth hart angekommen, Tom von seiner neuen Liebe erzählen zu hören, der tollen Frau, der er nicht hatte widerstehen können. „Ich wollte nicht, dass es passiert, Beth“, hatte er gesagt. „Es hat mich wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel getroffen.“

Jetzt fragte Elizabeth sich, ob er bei ihr auch so empfunden hatte. In ihren Augen erschien ein verbitterter Ausdruck. Er hatte sie zumindest glauben lassen, dass es so sei. „In dir habe ich meine Seelenverwandte gefunden, Beth … Du und ich, wir sind füreinander bestimmt … Nie hätte ich geglaubt, dass ich so lieben kann …“

Aber das war nicht genug gewesen. Innerhalb einer Woche in Sydney hatte er …

Wie erstarrt stand Elizabeth da und traute ihren Augen nicht. Soeben hatte sie Tom Scanlon entdeckt. Er kam nebenan aus der Galerie, in der sich auch das Rahmengeschäft befand. Nicht zu fassen! Also war er nicht gegangen, wie sie angenommen hatte. Er musste sich die ganze Zeit über in der Galerie mit ihrem Vater unterhalten haben!

Elizabeths Augen funkelten empört. Was fiel ihm ein, sich an ihren Vater zu halten, statt zu verschwinden, wie sie gefordert hatte? Ganz offenbar hatte er versucht, Charlie um den Bart zu gehen, nachdem er bei ihr abgeblitzt war.

Wenn Charlie mit Tom Scanlon über mich gesprochen hat, bringe ich ihn um, dachte Elizabeth. Wutentbrannt verließ sie ihr Atelier und stürmte in die benachbarte Kunstgalerie. Ihr Vater arbeitete im rückwärtigen Raum an einem Rahmen.

„Worüber hast du mit Tom Scanlon gesprochen, nachdem er bei mir abgezogen ist?“, fragte Elizabeth aufgebracht. „Was hat er so lange hier gemacht? Du weißt doch, dass ich ihn hier nicht haben will. Für mich ist er gestorben, und ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Außerdem dürfte er inzwischen mit einer anderen verheiratet sein.“

„Verheiratet? Wie kommst du denn darauf, Liebes? Tom wollte frei sein, hast du mir gesagt. Da wird er doch kaum davongelaufen sein, um eine andere zu heiraten.“

„Ein Mann macht sich den Abgang leichter, wenn er behauptet, nicht für die Ehe geschaffen zu sein und seine Freiheit zu brauchen. Er würde doch wohl kaum zugeben, dass er frei sein will, um sich mit anderen Frauen zu vergnügen!“ Elizabeth verzichtete darauf, ihrem Vater zu eröffnen, dass Tom bereits bei einer neuen Flamme gelandet war, als er die Verlobung gelöst hatte. Charlie sollte sie nicht schon wieder bemitleiden.

„Also? Was hattet ihr beide so lange zu bereden?“, drängte Elizabeth. „Worum ging es?“ Sie wusste selbst nicht genau, warum sie das wissen wollte.

„Tom wollte sich nur mal in der Galerie umsehen, weiter nichts, Liebes.“ Warum konnte ihr Vater sie nicht ansehen? Er beugte sich verdächtig tief über den Rahmen, an dem er arbeitete, dabei runzelte er die Stirn. „Schließlich hat er sogar ein Bild gekauft“, fügte Charlie hinzu, als wäre ihm das eben erst wieder eingefallen.

Betroffen schwieg Elizabeth. Tom hatte also tatsächlich ein Bild kaufen wollen. „Welches Bild?“ Neben ihren eigenen Werken hingen in der Galerie auch Arbeiten viel versprechender junger Künstler aus Brisbane. Einige dieser Bilder waren sogar sehr gut und trotzdem recht preisgünstig. Sehr viel billiger als Elizabeths.

„Eins von deinen.“ Ihr Vater blickte immer noch nicht auf. „Das mit den blühenden Kirschbäumen im Botanischen Garten.“

Nicht zu fassen! Warum hatte Tom ausgerechnet dieses Bild gekauft? Einmal waren sie eng umschlungen durch den Garten geschlendert und hatten sich an den Frühlingsblüten erfreut. Unter diesen Bäumen hatten sie sich sogar geküsst! Wieso wollte Tom ausgerechnet daran erinnert werden? Es war ihr schwer genug gefallen, im Frühjahr dorthin zurückzukehren, um zu malen.

Das in der Galerie zum Verkauf angebotene Bild war eins von ihren kleineren Arbeiten, ein zartes Aquarell, das weniger kostete als ihre großen Ölgemälde. Vielleicht war es das einzige Bild von ihr, das Tom sich leisten konnte. Aber wieso kaufte er sich überhaupt ein Werk von ihr?

Vielleicht, weil es ihm gefiel. Oder weil er ein romantisches Mitbringsel für seine Geliebte in Sydney brauchte. Aber würde Tom so taktlos sein, seiner Freundin ein erinnerungsträchtiges Werk seiner Exverlobten zu schenken?

Falls er ihr überhaupt von einer Exverlobten erzählt hatte.

Elizabeths Miene verfinsterte sich. Nichts, was Tom Scanlon im Moment tat, ergab einen Sinn. Er war nicht mehr der Mann, den sie gekannt hatte. Nicht, dass sie das kümmerte. Er gehörte nicht mehr zu ihrem Leben.

„Das ist alles? Er wollte nur ein Gemälde kaufen? Sonst habt ihr über nichts geredet?“ Er ist mir gleichgültig, warum frage ich also überhaupt danach? rief Elizabeth sich zur Ordnung.

Endlich blickte ihr Vater auf und schien nachzudenken. „Wenn du ihn etwas fragen wolltest, Liz, hättest du das vorhin tun sollen, als er da war. Ich hatte keinen Grund, ihn mit Fragen zu überschütten.“

„Nein, das wohl nicht.“ Stolz warf Elizabeth den Kopf zurück. „Natürlich habe ich Tom Scanlon nichts mehr zu fragen! Ich konnte ihn gar nicht schnell genug loswerden, wie du selbst gesehen hast.“ Ihr wurde bewusst, dass sie am ganzen Körper bebte. Gut, dass sie zu malen aufgehört hatte.

„Liz …“, begann Charlie und schien zu zögern. „Allein schon der Umstand, dass Tom zurückgekommen ist, um dich zu sprechen, zeigt ja wohl, dass er immer noch viel für dich empfindet … dass er an dich gedacht hat“, setzte er hinzu, als Elizabeth ihn gequält ansah. „Er hat seine Freiheit gehabt … achtzehn Monate lang. Inzwischen hat er sie wohl zur Genüge ausgekostet. Wenn dir noch etwas an ihm liegt …“

„Mir liegt nicht das Geringste an ihm!“, brauste Elizabeth auf. „Dad, du verstehst ja nicht, was los ist.“ Sie hatte ihn wieder „Dad“ genannt, ein Zeichen, dass sie sich nicht im Griff hatte. Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust, um zu verbergen, dass ihre Finger zitterten. „Er hat mir sehr wehgetan, und das passiert mir nicht ein zweites Mal. Inzwischen bin ich längst über ihn hinweg und will ihn nie wieder sehen.“

Ihr Vater betrachtete sie prüfend. „Vielleicht kenne ich dich besser, Liz, als du dich selbst.“

„So?“ Tapfer hielt sie seinem Blick stand, doch sie spürte, dass ihre Lippen bebten.

„Ich glaube, im tiefsten Innern liebst du ihn immer noch. Und ich denke, Tom liebt dich auch. Die Zeit heilt Wunden, Liz.“

„Dad …“ Sie seufzte schwer. „Vergiss es. Es gibt kein Happy End, also hör auf, dir eins zu wünschen. Es wird nicht dazu kommen. Was zwischen uns war, ist tot und begraben. Tom hat alles zerstört. Er …“ Sie befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen. Jetzt musste sie es ihrem Vater sagen. Nur dann würde er sie verstehen. „Tom hat mich damals wegen einer anderen Frau verlassen.“

Endlich war es heraus.

Autor

Elizabeth Duke
Mehr erfahren