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Schlaf nicht zweimal mit ein und derselben Frau! Eine eiserne Regel von Kane, der feste Bindungen scheut. Die temperamentvolle Wilma Nelson ist da anderer Meinung -weil sie spürt, wie sehr er sich nach einer zweiten Nacht mit ihr sehnt, nach einer dritten und vierten …


  • Erscheinungstag 13.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754228
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ungefähr acht Sekunden zu spät wurde Wilma Anastasia Nelson klar, dass ihr Plan einen Schwachpunkt hatte. Sie war zum Anwesen Ted Astons, dem Dritten, gefahren, um dem aalglatten und heimtückischen Mistkerl gehörig den Marsch zu blasen. Doch sie war dem Mann noch nie persönlich begegnet, sodass sie nicht genau wusste, wie er aussah. Natürlich hatte sie eine vage Vorstellung von seinem Erscheinungsbild. Er war groß, attraktiv und hatte viel Geld. Aber waren seine Haare nicht dunkel, und hatte er nicht braune Augen? Warum hatte sie nicht daran gedacht, im Internet nachzusehen? Wahrscheinlich prangte ein Foto von ihm auf „Schufte-des-Monats.com“.

Und wenn es stimmte, dass der widerliche Ted Aston dunkelhaarig war, wer war dann der blonde Prachtkerl, der jetzt direkt vor ihr stand?

„Oh, hallo.“ Wilma lächelte den Mann an, der ihr die Haustür aufgemacht hatte. Sie hoffte, dass sie nicht ganz so deplatziert wirkte, wie sie sich fühlte. „Ich wollte mit Ted sprechen. Das hier ist doch sein Haus, nicht wahr? Meine Schwester hat erwähnt, dass er hier wohnt, und …“ Sie stöhnte. Das hatte sie nicht richtig formuliert. Ihr Gestammel hatte geklungen, als wäre sie ein Groupie. „Meine Schwester kennt ihn“, fügte sie hinzu.

Der blonde Mann trat nicht zur Seite, um sie ins Haus zu lassen, und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war groß, sehr muskulös und wirkte kraftvoll und geschmeidig. Sie würde jede Wette eingehen, dass er ihr den Arm brechen könnte, ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen. Er sah gut aus mit seinen grünen Augen und machte einen vertrauenswürdigen Eindruck. Aber natürlich wusste sie absolut nichts über ihn. Er könnte ein … Wilma schüttelte den Kopf. Sie musste sich auf ihre Mission konzentrieren.

„Schauen Sie“, sagte sie so resolut wie möglich, denn sie war entschlossen, sich von dem Mann nicht einschüchtern zu lassen. „Ich muss mit Ted sprechen. Eigentlich würde ich gern noch viel mehr tun. Er hat eine Menge vermasselt, was meine Schwester angeht. Am Ende ist alles noch einmal gut gegangen, aber trotzdem … Ich werde so sauer, wenn ich daran denke, dass ich ihm am liebsten eine ordentliche Tracht Prügel verpassen würde. Und das wäre noch das Mindeste.“

Der Mann in der Tür hob eine Augenbraue. Dann schob er sein Jackett zur Seite.

Wilma wurde ganz blass, als sie sah, dass der Mann eine Waffe in einer Art Pistolenhalfter unter dem Arm trug. Es war wie im Kino – nur dass sie jetzt vor lauter Angst einen dicken Kloß im Hals spürte.

„Was haben Sie mit Mr. Aston zu tun?“, fragte er mit einer leisen Stimme, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Also ist er nicht Ted, dachte sie. Das hatte sie bereits vermutet. Aber jetzt wusste sie es mit Sicherheit. „Ich … Er …“ Es wäre wohl jetzt am klügsten, wenn sie wieder verschwinden würde. Sie wollte Ted gehörig den Kopf waschen, aber nicht erschossen werden. Doch ihr Dickkopf sorgte dafür, dass sie wie angewurzelt auf der großen Veranda stehen blieb. „Ich finde Ihre Reaktion ziemlich übertrieben.“ Sie zwang sich, den Blick von der Waffe zu wenden und wieder den Mann anzusehen, der sie damit bedrohte. Nun, nicht wirklich bedrohte, aber einschüchterte – was ihm wirklich sehr gut gelang.

„Dafür werde ich bezahlt.“

„Hat der heimtückische Kerl schon das Haus verlassen und ist in sein Büro gefahren?“, fragte sie zuckersüß. „Dann werde ich ihn mir dort schnappen.“

„Sie werden ihn sich nirgendwo schnappen. Wer sind Sie, und was wollen Sie von Mr. Aston?“ Er wollte nach Ihrem Arm greifen, um sie festzuhalten.

Wilma hatte auf der Highschool jedes Jahr versucht, in die Truppe der Cheerleader aufgenommen zu werden. Aber dafür war sie einfach zu klein geraten. Egal, wie gut sie die Bewegungsabläufe auch beherrscht hatte, in die Reihe der Mädchen, die alle etwa gleich groß waren, hatte sie einfach nicht gepasst. Doch sie war sehr wendig und schnell gewesen. Diese Eigenschaften wurden ihr jetzt wieder bewusst. Sie täuschte eine Drehung nach rechts vor. Dann duckte sie sich und rannte unter dem Arm des großen Mannes hindurch ins Haus.

Ihre Laune besserte sich schlagartig. Wenn Ted hier im Haus war, würde sie ihn finden. Dann würde sie ihn gehörig zusammenstauchen, und ihre Welt wäre wieder in Ordnung. Sie sprintete durch die große Eingangshalle, während ihr der Griesgram mit der Waffe auf dem Fuß folgte. Dann rannte sie durch riesige Räume mit irrwitzig hohen Decken. Dieses Gebäude gleicht eher einem Museum als einem Wohnhaus, dachte sie, während sie einen Raum durchquerte, der aussah wie ein Arbeitszimmer, und in einen langen Gang gelangte. Sie hörte, dass der bewaffnete Mann dicht hinter ihr war. Obwohl sie ziemlich sicher war, dass er nicht tatsächlich auf sie schießen würde, schlug sie einen Haken und hielt sich immer möglichst nah an der Wand.

„Ted“, rief sie, während sie weiter durch das Haus lief, „sind Sie da? Bewegen Sie Ihr Hinterteil hier herunter, Sie verlogener Schleimer. Sie haben nicht das Recht, das Leben anderer Menschen zu ruinieren. Das ist absolut nicht in Ordnung.“ Vielleicht waren es nicht die gerade richtigen Worte, um ihm Angst zu machen, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.

Als Wilma hörte, dass die Schritte hinter ihr näher kamen, lief sie noch schneller und fand sich plötzlich in einem Raum mit nur einer Tür wieder. Panik erfasste sie. Doch dann bemerkte sie einen Vorhang, der von der Decke bis zum Boden reichte, und eilte darauf zu. Gewonnen, dachte sie erleichtert. Eine Verandatür führte auf einen riesigen Innenhof. Sie stürmte nach draußen und sah sich kurz um. Die Grünanlagen waren fantastisch. Ein paar Stufen führten hinunter in einen terrassenförmig angelegten Garten, der sie an die Gärten von Versailles erinnerte. Dahinter lag ein kleiner Wald. Wusste Ted nicht, dass er mitten in Los Angeles wohnte?

„Stopp!“, rief der kräftige Mann, als er ihr nach draußen folgte. „Oder ich werde Sie dazu bringen, dass Sie stehen bleiben!“

Ha! Er hat mich bisher ja auch noch nicht dazu bringen können, dachte Wilma. Aber hatte er vielleicht bereits die Polizei verständigt? Sie wartete nicht, um ihn zu fragen, sondern sprintete auf die Bäume zu. Leider verschaffte das offene Gelände ihrem Verfolger Vorteile. Vor allem weil er längere Beine hatte. Hinzu kam, dass sie sich nur ab und zu um ihre körperliche Fitness kümmerte und nicht regelmäßig trainierte. Ihr ging schlichtweg die Puste aus. Die drohende Niederlage vor Augen, preschte sie nach vorn, um im Schutz der Bäume unterzutauchen. Lebendig kriegt er mich nicht, dachte sie, während sie nach Atem rang und sich eingestand, dass sie eine leicht dramatische Ader hatte. Wenn sie erst einmal den Wald erreicht hätte, könnte sie vielleicht doch noch eine Chance haben, dem Mann zu entwischen. Sie spürte, dass er nach ihr greifen wollte, und wich nach links aus, stolperte jedoch über eine Baumwurzel, die vom Gras verdeckt war, und fiel hin.

Während sie stürzte, passierten mehrere Dinge auf einmal. Ein furchtbarer Schmerz durchzuckte ihren linken Fußknöchel, sie sah grauweiße Fellknäuel in dem ausgehöhlten Baumstamm und spürte, dass jemand mit ungeheurer Wucht von hinten auf sie knallte. Sie schlug so hart auf dem Boden auf, dass sie keine Luft mehr bekam und nur noch Sterne sah.

Als sie auf den Rücken gedreht wurde und jemand ihr sagte, dass sie Atem holen sollte, kam sie langsam wieder zu sich.

Atem holen? Sie konnte nicht atmen. Sie würde wirklich nicht lebendig aus der Sache herauskommen. Oh, um Himmels willen – sie hatte nur Spaß gemacht. Sie wollte nicht hier sterben. Nicht jetzt und nicht so.

„Holen Sie Luft“, wiederholte der Mann. „Sie sind okay.“

Wie konnte er da sicher sein? Wilma öffnete den Mund, atmete ein und bemerkte, dass ihre Lungen sich mit Luft füllten. Langsam konnte sie ihre Umgebung wieder klar und deutlich erkennen. Der Mann mit der Waffe saß neben ihr. Er hatte sein Jackett ausgezogen. Die gute Nachricht war, dass sie jetzt richtig sehen konnte, wie muskulös er war. Sie war ziemlich beeindruckt. Die schlechte Nachricht war, dass sie nun auch die Waffe vor Augen hatte und sie nicht einfach ignorieren konnte.

„Wer sind Sie?“, fragte er. „Irgendeine verrückte Exfreundin? Normalerweise kenne ich sie, aber hier und da …“

Wilma stützte sich auf den Ellbogen. „Eine Exfreundin? Auf keinen Fall! Ich würde mich nicht mal mit Ted verabreden, wenn das Schicksal der Erde davon abhinge. Na ja vielleicht, wenn es einige vom Aussterben bedrohte Arten retten würde. Wir müssen schließlich alle unseren Beitrag dazu leisten, dass dieser Planet weiterhin bewohnbar bleibt.“

Ihr Verfolger hob abwehrend die Hände. „He, machen Sie mal eine Pause. Wer sind Sie?“

„Ach, entschuldigen Sie. Ich bin Wilma. Meine Schwester ist Gillian Nelson. Sie ist mit Teds Cousin Ryan verlobt. Aber Ted, diese miese Ratte, hat alles Mögliche getan, um die beiden auseinanderzubringen. Das kann ich nicht einfach so hinnehmen. Ich weiß, dass ich es einfach akzeptieren und weitermachen sollte wie bisher. Aber er hat Mist gebaut. Dieser Idiot denkt offenbar, nur weil er reich ist, kann er den großen King spielen. Aber wer sind Sie?“

„Kane Dennison. Ich bin für die Sicherheit verantwortlich.“

„Sie meinen für dieses Haus?“

Sein Gesichtsausdruck wurde härter. Anscheinend hatte sie ihn gerade beleidigt. „Nein, für alle Unternehmen, die ihm und seinem Partner gehören.“

„Oh, sicher. Das erklärt, weshalb Sie eine Waffe tragen.“ Wilma setzte sich auf und strich sich die Grashalme vom Pullover. „Ich wollte Ted nicht verletzen. Ich meine, sehen Sie mich an. Mache ich ernsthaft einen gefährlichen Eindruck?“

Kane neigte den Kopf zur Seite, als ob er über die Antwort nachdenken würde. „Sie sind klein und dürr. Also sind Sie nicht gefährlich, vermute ich.“

Damit, dass er sie als klein bezeichnete, konnte sie umgehen. Das war eine Realität, die sie nicht ändern konnte. Aber dürr? „Wie bitte? Ich bin zierlich.“

„Nennt man das so?“

„Ich habe Kurven.“ Wilma war verärgert und verletzt. Zugegeben, sie hatte nicht gerade die ausgeprägtesten Rundungen, aber sie hatte immerhin welche. „Es liegt an dem Pullover. Er ist so groß, dass Sie nicht erkennen können, was sich darunter verbirgt. Aber ich bin sehr sexy.“ Das war sie nicht. Natürlich versuchte sie, sexy zu sein, doch sie war ein hoffnungsloser Fall. Dennoch fand sie es mehr als ärgerlich, dass dieser Mann ihr einfach jegliche Kurven absprach.

„Ich bin sicher, dass Sie atemberaubend sind“, entgegnete Kane mürrisch, der plötzlich den Eindruck erweckte, als wäre er überall lieber als hier. „Es tut mir leid, dass Sie sauer auf Ted sind. Aber Sie können nicht einfach in seinem Haus auftauchen und ihm drohen. Das verstößt gegen das Gesetz.“

„Wirklich?“ Hatte sie das Gesetz gebrochen? „Werden Sie mich jetzt verhaften lassen?“

„Nicht, wenn Sie jetzt das Grundstück verlassen und nie mehr zurückkommen.“

„Aber ich muss mit ihm reden. Außerdem muss ihm einmal jemand tüchtig die Meinung sagen.“

Kane verzog den Mund zur Andeutung eines Lächelns. „Denken Sie, dass Sie ihm Angst machen können?“

„Vielleicht.“ Doch in Wahrheit hatte sie irgendwie die Lust an ihrer Mission verloren. „Ich kann später wiederkommen.“

„Ich bin sicher, dass Ted sehr erfreut sein würde, das zu hören. Haben Sie ein Auto?“

„Natürlich.“

„Dann lassen Sie uns zu Ihrem Auto gehen, und wir werden einfach so tun, als wäre all das nie passiert.“

Das klang vernünftig. Allerdings gab es ein paar Probleme, die ihr dabei im Weg standen. Das Hauptproblem war, dass sie nicht stehen konnte. „Ich kann nicht“. Sie bewegte ihren Fuß. Sofort tat ihr der Knöchel so weh, dass sie die Zähne zusammenbeißen musste. „Ich glaube, ich habe mir den Knöchel gebrochen.“

Kane murmelte etwas vor sich hin und rutschte ein Stück weiter nach unten, sodass er ihren Fuß inspizieren konnte. Er hob ihn sanft hoch und hielt ihn mit einer Hand fest, während er mit der anderen Hand die Schnürsenkel ihres Turnschuhs aufmachte.

Wilma beobachtete ihn dabei, wie er ihr vorsichtig den Turnschuh auszog.

Sie hatte Schuhgröße sechsunddreißig. Ihr Fuß war also in Anbetracht ihrer Größe von eins fünfundfünfzig nicht allzu zierlich. Dennoch ließ seine große Hand ihren Fuß sehr klein erscheinen.

„Bewegen Sie die Zehen“, meinte er.

Sie tat es und zuckte vor Schmerz zusammen.

Er zog ihr die Socke aus und begann, den Fuß vorsichtig zu untersuchen.

Als sie entdeckte, dass ihr Knöchel anschwoll, zuckte sie erneut zusammen. „Das kann nicht gut sein“, murmelte sie. „Jetzt werde ich wohl für den Rest meines Lebens hinken.“

Kane sah sie an. „Sie haben sich den Knöchel verstaucht. Sie werden dem Fuß ein paar Tage lang Ruhe gönnen und Eispackungen machen müssen. Dann werden Sie wieder in Ordnung sein.“

„Woher wissen Sie das?“

„Ich habe schon genug verstauchte Fußknöchel gesehen.“

„Gibt es im Sicherheitsdienst viele davon? Arbeiten Sie mit besonders unbeholfenen Leuten?“ Wilma wurde neugierig.

Er atmete tief ein. „Ich weiß es einfach, okay?“

„He, ich bin diejenige mit der potenziell lebensgefährlichen Verletzung. Wenn hier irgendjemand tief Luft holen müsste, dann bin ich es.“

Kane murmelte etwas, das sich anhörte wie: „Warum muss das ausgerechnet mir passieren?“ Dann stand er auf und hob sie auf seine Arme.

Beim letzten Mal, als Wilma irgendwohin getragen wurde, war sie sieben Jahre alt gewesen. Damals war ihr von zu vielen Süßigkeiten auf dem Jahrmarkt schlecht geworden. Sie kreischte und schlang die Arme um seinen Nacken. „Was tun Sie da? Lassen Sie mich sofort runter!“

„Ich bringe Sie nach drinnen, damit wir Ihren Knöchel mit Eis kühlen können. Dann werde ich Ihren Fuß verbinden und mir Gedanken machen, wie Sie nach Hause kommen.“

„Ich kann fahren.“

„Das denke ich nicht.“

„Sie sagten doch, dass es nicht allzu schlimm ist“, erinnerte sie ihn und stellte bewundernd fest, dass es Kane offenbar nicht die geringste Anstrengung kostete, sie zu tragen.

„Sie sind in einer Art Schockzustand. Sie sollten nicht fahren.“

Schockzustand oder nicht – Wilma mochte gerade das Gefühl gar nicht, weggetragen zu werden. Sie bevorzugte es, selbst für ihr Schicksal verantwortlich zu sein. Außerdem gab es da noch mehr zu bedenken. „Sie haben meinen Schuh und meine Socke dort liegen lassen. Und Ihr Jackett.“

„Ich werde die Sachen holen, sobald Ihr Knöchel versorgt ist.“

„Was ist mit der Katze?“

Ihr Retter warf ihr einen Blick zu, der deutlich machte, dass er an ihrem Verstand zweifelte.

„Die in dem Baum. Ich denke, dass sie gerade im Begriff ist, Nachwuchs zu bekommen. Ich habe sie gesehen, als ich hingefallen bin. Ich bin gut darin, verschiedene Dinge zur gleichen Zeit zu tun. Hören Sie, es ist kalt. Wir können die Katze nicht dort draußen lassen. Haben Sie einen Karton und ein paar alte Handtücher? Oder zuerst Zeitungspapier und die Handtücher lieber später. Ist eine Geburt nicht ein ziemlicher Schlamassel? Ich weiß, dass es ein Teil des Lebenszyklus ist und all das, aber dabei sind eine Menge Flüssigkeiten im Spiel.“

Kane betrat jetzt einen gepflasterten Weg und ging auf ein Pförtnerhaus zu.

Sie ließ das Thema fallen, als sie das hübsche Holzhaus mit den vielen Fenstern sah, das perfekt in die Umgebung passte. „He, wo bringen Sie mich hin?“

„In mein Haus. Dort habe ich meinen Erste-Hilfe-Kasten.“

Oh, richtig, dachte sie. Das klingt logisch. „Sie wohnen auf dem Grundstück?“

„Es ist am praktischsten so.“

„Es verkürzt auf jeden Fall den Weg zum Arbeitsplatz.“ Wilma warf einen Blick auf den Garten. „Nette Südlage. Hier können Sie alles anpflanzen.“ Gartenarbeit war ihr Lieblingshobby. Sie hatte einen grünen Daumen.

„Wenn Sie das sagen.“ Kane ließ sie jetzt langsam herunter, umschlang aber weiterhin mit dem Arm ihre Taille, um Wilma zu stützen.

Sie lehnte sich an ihn und war ihm ganz nah. Er musste weit über eins achtzig groß sein und wog bestimmt an die neunzig Kilo. Auf einmal kam ihr der Gedanke, dass er ein Mann war, der einer Frau Sicherheit bieten könnte – egal, was auch immer passieren würde.

Er holte die Hausschlüssel aus der Hosentasche, schloss dann die Tür auf und trug Wilma hinein.

„Wenn wir ein Paar wären, dann wäre das jetzt eine herrlich romantische Szene“, meinte sie mit einem Seufzer. „Können wir nicht so tun, als ob?“

„Als ob wir ein Paar wären? Nein.“

„Aber ich bin verletzt. Ich könnte sterben, und Sie wären schuld daran. Sind Sie verheiratet? Ist das der Grund, weshalb Sie nicht so tun wollen, als ob?“

Kane setzte sie auf einem Sessel vor dem Kamin ab und bettete ihren verstauchten Fuß auf einen gepolsterten Hocker.

„Sie sind diejenige, die weggerannt ist“, entgegnete er. „Also sind Sie daran schuld. Ich bin nicht verheiratet. Rühren Sie sich nicht von der Stelle.“ Er verschwand nach nebenan.

Wilma vermutete, dass dort die Küche war. In Ordnung, dachte sie. Kane hat nichts dagegen, den Retter zu spielen, aber er verhält sich nicht gerade sehr freundlich dabei. Damit konnte sie umgehen. Sie ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Die hohe Decke und die warmen Erdtöne, in denen die Einrichtung gehalten war, gefielen ihr. Das Haus war größer, als sie gedacht hatte, aber dennoch behaglich. Die großen Fenster auf der Südseite konnten allerdings einige Töpfe mit schönen Pflanzen vertragen. Auf dem Tisch neben ihr lag ein Buch über den Mittleren Osten, und der Couchtisch vor ihr war mit mehreren Finanzmagazinen bedeckt. Eine interessante Lektüre für einen Sicherheitsbeauftragten.

„Sind Sie verlobt?“, rief sie.

Er murmelte etwas, das sie nicht verstehen konnte. „Nein“, antwortete er dann.

„Also ist Ihr fehlender Wille, so zu tun, als ob, eine persönliche Angelegenheit. Holen Sie Eis?“

„Ja.“

„Vergessen Sie den Karton für die Katze nicht.“

„Dort ist keine Katze.“

„Oh doch, dort ist eine Katze. Es ist zu kalt. Selbst wenn die Katze damit zurechtkommen würde, was ist mit den Kätzchen? Es sind Neugeborene. Wir können sie nicht einfach da draußen dem Tod überlassen.“

„Dort ist keine verdammte Katze.“

Dort ist tatsächlich eine Katze, registrierte Kane grimmig, als er in den ausgehöhlten Baumstamm starrte. Eine magere Katze mit schmutzigem grauweißem Fell und drei winzigen Jungen. Eine Streunerin, dachte er und fragte sich, womit er das verdient hatte. Er war ein vernünftiger Mann und versuchte immer, das Richtige zu tun. In Ruhe gelassen zu werden war alles, was er wollte. Meistens wurde ihm dieser Wunsch auch erfüllt. Bis heute.

Er kannte sich nicht aus mit Haustieren, aber selbst er wusste, dass Katzen Krallen, Zähne und Launen hatten. Diese Katze hatte jedoch erst vor Kurzem drei Kätzchen geboren. Also war sie vielleicht schwach und deshalb eher zur Zusammenarbeit bereit. Aber sie war auch eine frischgebackene Mutter und deshalb wahrscheinlich darauf eingestellt, ihren Nachwuchs um jeden Preis zu beschützen. So oder so würde aller Voraussicht nach Blut fließen – und es würde sein Blut sein.

Kane streckte die Hand in den hohlen Baumstamm und griff nach dem ersten Kätzchen. Die Mutter starrte ihn an und legte die Pfote auf seine Hand. Als er versuchte, das winzige Katzenbaby anzuheben, fuhr die Mutter, wie er es erwartet hatte, ihre Krallen aus.

„Sieh mal, ich muss dich und die Kätzchen nach drinnen holen. Es ist kalt und wird neblig werden heute Nacht. Ich weiß, dass du hungrig und müde bist. Also gib Ruhe und arbeite mit mir zusammen.“

Die Katze blinzelte und fuhr ihre Krallen wieder ein.

Er hob die Jungen eins nach dem anderen hoch und setzte sie in das Nest aus Handtüchern, das er in dem Karton gebaut hatte. Dann streckte er die Hand nach der Mutter aus. Sie fauchte, sprang dann anmutig auf die Handtücher und legte sich zu ihren Babys. Nachdem Kane sein Jackett, Wilmas Turnschuh und ihre Socke aufgelesen hatte, nahm er den Karton und ging zu seinem Haus zurück.

So hatte sein Tag nicht verlaufen sollen. Er hatte ein ruhiges Leben. Das hatte er sich selbst so ausgesucht. Er mochte sein Heim – es war abgelegen, und es kamen keine Besucher vorbei. Die Einsamkeit war sein Freund, und er brauchte keine anderen. Also warum hatte er das unbehagliche Gefühl, dass sich von jetzt an alles ändern würde?

Wilma telefonierte, als er zurückkam. „Ich muss Schluss machen“, sagte sie, als sie ihn sah. „Kane ist mit der Katze und ihren Kätzchen zurück. Ja … Nein, das ist toll. Danke, Marina. Ich weiß das zu schätzen.“

„Sie haben jemanden angerufen?“ Er stellte den Karton in der Nähe des Kamins ab.

„Sie haben mir das Telefon doch hingestellt. Sollte ich es nicht benutzen?“

„Das war nur für den Notfall.“

„Das haben Sie nicht gesagt. Es war auch nur ein Ortsgespräch. Ich habe meine Schwester angerufen. Sie bringt Katzenfutter und eine Box mit Katzenstreu vorbei. Oh, und einige Näpfe, weil ich nicht annehme, dass Sie Ihr Geschirr für das Katzenfutter benutzen wollen. Ich habe meine Schwester gebeten, unsere Mutter anzurufen und ihr zu sagen, was passiert ist. Das bedeutet, dass Doktor Greenberg mich wahrscheinlich hier untersuchen wollen wird.“

„Sie haben einen Arzt, der Hausbesuche macht?“

„Meine Mutter arbeitet seit vielen Jahren für ihn. Er ist großartig.“ Wilma sah auf ihre Armbanduhr. „Bis zwei oder drei Uhr sollten wir das alles über die Bühne gebracht haben. Aber wenn Sie irgendwohin müssen, lassen Sie sich durch mich nicht aufhalten.“

Als wenn er sie allein in seinem Haus lassen würde! „Ich kann heute von hier aus arbeiten.“

„Dann ist ja alles gut.“

Sie lächelt mich an, als wenn all das normal wäre, dachte er. Als wenn sie normal wäre. „Das können Sie nicht machen. Sie können nicht so einfach in mein Leben hineinplatzen.“

„Das bin ich nicht. Ich bin in Ihr Leben gestolpert. Buchstäblich.“

Da war wieder dieses Lächeln, das sie von einer hübschen zu einer schönen Frau werden ließ und ein Glitzern in ihre Augen zauberte. „Wer, zum Teufel, sind Sie?“, fragte Kane.

„Gillians Schwester. Das sagte ich Ihnen doch.“

„Warum sind Sie nicht bei der Arbeit?“

„Oh, ich arbeite auch zu Hause“, antwortete Wilma. „Ich bin Cartoonistin und habe meine eigene Comicreihe, die in mehreren Zeitungen erscheint. Haben Sie etwas zu essen da? Ich sterbe vor Hunger.“

Kane hatte nicht viele Lebensmittel im Haus. Er fand es bequemer, sich unterwegs etwas zu essen mitzunehmen. Aber irgendetwas würde er wohl im Schrank haben. „Ich werde mal nachsehen.“ Er ging in Richtung Küche.

„Nichts mit Fleisch. Ich bin Vegetarierin.“

„Natürlich sind Sie das“, murmelte er. Die Katze folgte ihm in die Küche. Er durchforstete seinen fast leeren Küchenschrank und fand eine Dose mit Thunfisch. Nachdem er die Dose aufgemacht hatte, schüttete er den Inhalt auf einen Teller und stellte ihn auf den Boden. Sofort stürzte sich die Katze darauf.

„Sie muss furchtbar hungrig gewesen sein.“

Er sah hoch und entdeckte Wilma, die auf einem Fuß in der Tür stand und sich am Türrahmen abstützte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Aufmerksam beobachtete sie die Katze. „Das arme Ding! Ganz allein in der Welt und schwanger. Wissen Sie, wer auch immer der Vater der Kätzchen ist, er hat sich nicht die Mühe gemacht, bei ihr zu bleiben. Das ist so typisch. Es spiegelt unsere gesellschaftlichen Zustände nur allzu gut wider.“

Kane rieb sich die Schläfen, um seine beginnenden Kopfschmerzen zu vertreiben. „Sie sollten sitzen. Sie müssen Ihren Knöchel in Eis packen.“

„Mir wird ganz kalt von dem Eis. Haben Sie irgendeinen Tee da?“

Er wollte entgegnen, dass dies hier nicht die Küche im Hotel Four Seasons wäre und er keinen verdammten Tee hatte. Dass sie dankbar sein sollte, weil er sie und die blöde Katze nicht einfach draußen gelassen hatte, wo sie sich zu Tode frieren würden. Es war nur so, dass sie hier in Los Angeles waren, wo die Temperaturen nie unter dem Gefrierpunkt lagen. Außerdem war da etwas in Wilmas blauen Augen, das ihn innehalten ließ. Offenbar war sie jemand, der das Beste von den Menschen erwartete und ihnen ihr volles Vertrauen schenkte. Kane würde eine große Summe seines beträchtlichen Guthabens auf der Bank verwetten, dass ihr Vertrauen schon oft enttäuscht worden war.

„Ich habe keinen Tee“, antwortete er.

Sie nickte. „Sie sind nicht der Typ für Tee, hm? Dafür sind Sie ein zu großer Macho.“

„Ein Macho?“

„Männlich, über den Dingen stehend – wie auch immer Sie es nennen mögen.“

„Über den Dingen stehend?“

„Das war nur eine Vermutung von mir. Das muss nicht stimmen. Es scheint keine Frau in Ihrem Leben zu geben.“

Er hätte sie am liebsten angeknurrt. „Sie haben mir den Tag ruiniert und meinen Boss bedroht. Sie sind vor mir weggerannt, haben mir die Schuld daran gegeben, dass Sie dabei gestolpert sind, und jetzt stellen Sie meine … meine …“

„Ihre Männlichkeit infrage?“, ergänzte Wilma höflich. „Mache ich Sie wütend? Das passiert ab und zu. Ich versuche, mich zusammenzureißen und es nicht zu tun. Manchmal passiert es trotzdem, ohne dass ich es merke.“

„Es passiert gerade“, meinte Kane trocken.

„Dann werde ich damit aufhören. Wäre es hilfreich, wenn ich wieder zu meinem Sessel humple?“

„Mehr, als Sie ahnen.“

„Okay.“ Sie drehte sich um und hielt sich am Türrahmen fest, weil sie beinahe die Balance verloren hätte.

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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