Hab ich dein Herz erobert?

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Vermögend, attraktiv und erfolgreich - sämtliche Patientinnen der Sugar-Hill-Klinik liegen Dr. Thomas Emerson zu Füßen. Dass sich dieser umschwärmte Mann ausgerechnet um die eher unscheinbare Buchhändlerin Rebecca Hartwell bemüht, kann keiner verstehen! Ist es aber wirklich Liebe?


  • Erscheinungstag 10.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755478
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Wer wird die nächste Braut?“ Alison Broussard reckte den Rosenstrauß hoch in die Luft und sah dabei gezielt zu ihrer Cousine Rebecca.

„Ich! Ich!“, riefen einige Frauen.

„Nein, ich!“

Rebecca schwieg und verschränkte abweisend die Arme. Von allen Brautjungfern bei Alisons Hochzeit würde sie ganz sicher nicht heiraten. Wahrscheinlich kam ihre sagenhaft aussehende Schwester Suzanne als Nächste an die Reihe, sofern sie sich überhaupt jemals für einen Mann entscheiden konnte. Derzeit fehlten die Wörter „Heirat“ und „Treue“ in ihrem Wortschatz.

Rebecca war das genaue Gegenteil ihrer Schwester. Sie sehnte sich danach, verheiratet zu sein und von einem Mann geliebt und umsorgt zu werden. Leider war ihre Wahl auf Thomas Emerson gefallen, der zuvor mit Alison verlobt gewesen war. Diesem Mann liefen die Frauen reihenweise nach. Außerdem liebte er Alison womöglich immer noch.

Hätte Rebecca ihm nicht bei Vivi Broussards Hochzeit einen Kuchenteller auf den Kopf fallen lassen, hätte er wohl kaum Notiz von ihr genommen. Mit Schlagsahne im Haar und im Gesicht hatte er sie betrachtet, als wäre sie das ungeschickteste Wesen auf der ganzen Welt.

Das traf vermutlich sogar zu, besonders wenn sie nervös war. Und in Thomas Emersons Nähe war sie äußerst nervös.

„Kommt schon, Mädchen, stellt euch auf!“, rief Alison und trat unter das Rosenspalier. „Brady und ich wollen aufbrechen. Diesmal hat er mir endlich Flitterwochen versprochen“, erklärte sie und legte den Arm um ihren Mann. „Ich musste ihn nur zum zweiten Mal heiraten.“

Alle lachten, und die Ehemänner von Alisons Schwestern Hannah und Mimi – Jake Tippins und Seth Broadhurst – lächelten so zufrieden, dass sie sich zweifellos an die Höhepunkte ihrer Flitterwochen erinnerten.

Brady drückte seine Frau an sich. „Schatz, das Warten hat sich bestimmt gelohnt.“

Während die anderen wieder lachten, wurde Rebecca neidisch. Ihre drei Cousinen hatten in der letzten Zeit in diesem Pavillon in Grammy Roses Garten auf dem Pine Mountain geheiratet, und ihre Ehemänner liebten sie abgöttisch. Nach einer solchen Liebe und einer so tiefen Bindung zu einem Mann sehnte sie sich, doch sobald sie einem Mann auch nur in die Nähe kam, verlor sie die Nerven. Dann stolperte sie und brachte keinen vernünftigen Satz zu Stande.

„Becca, komm her!“ Suzanne winkte sie zu den Frauen, die sich mit im Wind flatternden langen Kleidern auf dem Rasen versammelt hatten. „Angie und Caitlin werden sich gleich auf Alison stürzen und ihr den Brautstrauß entreißen!“

Die dreiundzwanzig Jahre alten Zwillinge, Töchter von Rebeccas Tante Shelby, kämpften lachend um den besten Platz vor dem Pavillon. Trotz aller unvermeidlichen Rivalitäten untereinander waren die Zwillinge doch durch geschwisterliche Zuneigung miteinander verbunden. Das Gleiche galt für Hannah, Mimi und Alison, aber nicht für Rebecca und Suzanne. Möglicherweise lag es daran, dass sie beide zu unterschiedlich waren.

Neid erfüllte Rebecca auch, als Mimi ihr gerade erst drei Monate altes Baby an die Brust drückte. Ihre eigene biologische Uhr tickte unüberhörbar, und sie wünschte sich geradezu verzweifelt ein Kind. Dafür brauchte sie aber vorher einen Ehemann.

„Hallo, Becca, komm wieder zu dir!“ Suzanne winkte vor Rebeccas Augen mit der Hand, da sah Thomas zu ihnen herüber, und Rebecca erstarrte.

Ihr Blick fiel auf seine Lippen und das schwarze Haar, und sie fand ihn so attraktiv, dass sie ihn wie gebannt anstarrte. Der dunkle Anzug spannte sich über den breiten Schultern. Eins achtzig, muskulös und mit leuchtend grünen Augen – er war anbetungswürdig. Im Moment wirkte er jedoch irgendwie entrückt. Ob er sich vielleicht wünschte, Alison hätte ihn und nicht Brady geheiratet?

Sie wollte zu ihm gehen und ihn trösten, tat einen Schritt und blieb prompt mit dem Fuß an einem Zeig hängen, stieß einen Schrei aus und versuchte, sich irgendwo festzuhalten. Weit und breit war jedoch nichts, das einen Sturz hätte verhindern können. Thomas streckte die Hand nach ihr aus, als wollte er sie auffangen, war jedoch zu weit entfernt. Suzanne rettete Rebecca in letzter Sekunde und stützte sie.

Verlegen blickte Rebecca zu Thomas hinüber. Der entrückte Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen lächelte er ihr dermaßen freundlich zu, dass ihr fast das Herz stehen blieb.

„Sag mal“, raunte Suzanne ihr zu, „wer ist denn der tolle Typ, der ein Stück Torte isst?“

Auch das noch! Suzanne wohnte zwar weit weg in Atlanta, aber wenn sie ihn haben wollte, würde sie ihn auch bekommen. Suzanne erreichte alles.

„Das … das ist … Thomas Emerson, der Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.“ Rebecca atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Er arbeitet mit Hannah.“

„Nicht schlecht“, stellte Suzanne fest. „Für den könnte man doch glatt sein Adressbuch wegwerfen.“

Rebecca seufzte lautlos. Sie hatte es geahnt. Thomas blickte noch immer unverwandt zu ihnen herüber. Bestimmt interessierte er sich für Suzanne, ihre dunkelhaarige und exotisch aussehende Schwester. Das war nur allzu verständlich. Suzanne war nicht nur schön, sondern geradezu hinreißend. Noch dazu war sie so nett, dass Rebecca sie nicht einmal hassen konnte. Suzanne versuchte nicht, die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken. Die Leute fühlten sich automatisch zu ihr hingezogen.

Rebecca dagegen war die unscheinbare Blondine, die sich hinter Büchern, Kunst und einer schmucklosen Brille versteckte und aus Schüchternheit stammelte und stolperte.

„Schnell, sie wirft gleich die Rosen!“ Suzanne schob Rebecca weiter, als Alison die Blumen warf.

Der Strauß flog durch die Luft, prallte von Caitlins und Angies Armen ab und landete schließlich in Rebeccas Händen. Sie hielt ihn zwar fest, aber das Band verfing sich im Brillengestell und hing ihr so über die Augen, dass sie nichts mehr sah, und ein Rosendorn bohrte sich tief in ihren Finger.

Thomas Emerson hätte beinahe gelacht, als Rebecca Hartwell mit dem Brautstrauß kämpfte. Sie war so reizend und zerbrechlich, dass ihr Anblick seinem verletzten Herzen gut tat. Trotzdem wollte er derzeit nichts von Frauen wissen, auch nichts von einer netten Blondine mit großen blauen Augen und tollen Kurven, die sie unter weiter Kleidung verbarg.

Die zahlreichen Hochzeiten in der letzten Zeit hatten ihn nicht unberührt gelassen. Vermutlich hatte er deshalb vor einigen Monaten Alison einen Heiratsantrag gemacht. Rückblickend stellte er jedoch fest, dass er gar nicht für den Bund des Lebens bereit war.

Die Karriere war im Moment wichtiger. Zurzeit teilte er sich eine Praxis mit Hannah Hartwell, Rebeccas Cousine, doch er strebte nach mehr. Deshalb hatte er Rebecca beobachtet und nicht, weil er sich zu der scheuen Frau hingezogen fühlte.

Thomas wollte ihren Vater Bert Hartwell kennen lernen. Dr. Hartwell war ein bekannter Schönheitschirurg und außerdem Vorstandsvorsitzender der neuen Frauenklinik in Atlanta. Dieses Krankenhaus war in jeder Hinsicht das modernste. Darum wollte Thomas dort arbeiten. Er hatte gehofft, Dr. Hartwell auf dieser Hochzeit zu sehen, doch Rebeccas Vater war offenbar der Hochzeit seiner Nichte fern geblieben. Es hieß, er würde mit seiner vierten Ehefrau Flitterwochen machen.

Seine Töchter waren nicht bei seiner Hochzeit gewesen. Sonderbar. Man erzählte sich auch, dass Bert Hartwell sich nicht gut mit Alisons Vater Wiley verstand. Seltsame Familie, doch Thomas durfte keine strengen Maßstäbe anlegen. Seine eigene Familie war schließlich schon vor Jahren zerfallen.

Beinahe tat Rebecca ihm Leid, wie sie da versuchte, sich von dem in der Brille verfangenen Band zu befreien, doch er hielt sich zurück. Nette Männer waren die Verlierer. Das hatte ihm die Erfahrung gezeigt.

Zuerst hatte er nach dem Studium eine tolle Stelle an einen Typen verloren, der sich als sein Freund ausgegeben hatte. Und dann hatte er auch noch Alison verloren.

Genau genommen hatte sie ihm nie gehört. Mochte es ihn auch verletzen, so stand doch fest, dass Alison jetzt glücklich war. Letztlich zählte nur das, und er klammerte sich bestimmt an keine Frau, die ihn nicht liebte.

Thomas fragte sich, ob er vielleicht etwas an sich hatte, dass ihn keiner liebte. Er dachte an das Verhalten seiner Mutter, als sie seinen kleinen Bruder verlor, oder daran, wie schnell sein Vater gegangen war, als ihn seine Frau hinauswarf. Sicher, sein Dad hatte damals auch gelitten, vor allem weil seine Mom zugegeben hatte, dass sie ihn nur benützt hatte, um noch ein Kind zu bekommen. Trotzdem fragte Thomas sich, warum er den beiden nicht genügt hatte.

Vielleicht hatte er versucht, mit Hilfe von Alison in dieser hübschen Kleinstadt Frieden zu finden. Dabei wollte er gar nicht für immer in Sugar Hill bleiben, sondern an diese neue Frauenklinik gehen. In einigen Wochen fand ein Vorstellungsgespräch statt. Hätte er jetzt schon Bert persönlich kennen gelernt, würde dieses Gespräch bestimmt besser ablaufen.

Thomas hatte gehört, wie Mimi und Hannah darüber sprachen, für ihre Großmutter eine Überraschungsparty zu deren Geburtstag zu organisieren. Wiley und Bert würden auch da sein. Thomas musste nur noch eine Einladung ergattern, um Bert unter idealen Bedingungen zu treffen.

Er hatte schon Hannah bitten wollen, ihn vorzustellen, doch vorerst verriet er ihr lieber nicht, dass er die Praxis verlassen wollte. Wenn Rebecca ihn mit Bert zusammenführte, konnte er seine Absichten noch eine Weile für sich behalten. Auf diese Weise vermied er Spannungen am Arbeitsplatz, solange er noch keine neue Stelle sicher in der Tasche hatte.

Rebecca war vor Verlegenheit rot, als sie sich endlich von dem Braustrauß befreite. Hoffentlich floh sie nicht wieder vor ihm wie bei Vivis Hochzeit, als sie ihm Cremetorte auf den Kopf hatte fallen lassen. Damals hatte sie ihn angesehen, als wäre er der große, böse Wolf, der sie gleich fressen wollte.

Nun, er war nicht der große, böse Wolf, aber er war auch nicht länger ein netter Junge. Ab sofort konzentrierte er sich nur noch auf seine Ziele, und auf der Rangliste ganz oben stand ein guter Job. Dafür wollte er alles tun.

Rebecca und ihre Großmutter stiegen soeben auf die Veranda hinauf. Thomas fröstelte in der kühlen Luft des Dezembertages, als er den Rasen überquerte, um Rebecca abzufangen. Es war höchste Zeit, seinen Plan auszuführen.

Rebecca betrat das Wohnzimmer ihrer Großmutter Rose mit den hübschen antiken Gegenständen, Familienfotos in Silberrahmen, gestickten Kissen, Ziertassen und Duft-Potpourris.

So ein Zimmer wünschte sie sich auch, ebenso ein Haus voller Kinder und irgendwann Enkelkinder. Dann würde sie Duftsäckchen mit Rosenblättern verteilen und Bilder der Kinder und Enkelkinder aufstellen oder an die Wand hängen.

„Höchste Zeit, dass du deine Aussteuertruhe bekommst“, sagte die Großmutter.

Bei dem Anblick der kunstvoll verzierten Truhe schnürte es Rebecca die Kehle zu. Alison und ihre Schwestern hatten angedeutet, diese Aussteuertruhen würden eine geheime Macht besitzen und die Zukunft beeinflussen. Aber war es denn möglich, dass nun auch ihr in naher Zukunft eine Hochzeit bevorstand? Nein, davon durfte sie nicht einmal träumen.

„Grammy, ich werde nie heiraten.“

„Unsinn, natürlich wirst du.“

Am liebsten hätte Rebecca die Truhe berührt und geöffnet, um die darin verborgenen Schätze zu erforschen, doch das durfte sie nicht zugeben.

„Nein, ich will gar nicht heiraten“, behauptete sie daher. „Mir gefällt mein Leben so, wie es ist.“

Thomas hörte sehr erleichtert, was Rebecca zu ihrer Großmutter sagte. Wenn sie gar nicht heiraten wollte, kam sie auch nicht auf falsche Gedanken, wenn er sich an sie heranmachte. Sehr gut!

Er wollte sie nicht verletzen, sondern sich nur mit ihr anfreunden, um an die neue Stelle heranzukommen. Wenn ihm das gelang, konnte er sich als Arzt einen Namen machen und endlich das Versprechen einlösen, das er sich vor Jahren selbst gegeben hatte.

Rebecca war für ihn der Schlüssel, um Sugar Hill zu verlassen.

Die Frauen sprachen drinnen im Haus jetzt so leise, dass er nichts mehr verstand. Beschämt zog er sich ein Stück zurück, gerade rechtzeitig, bevor sich die Tür öffnete.

„Hallo, junger Mann!“, sagte Grammy Rose. „Sie sind doch Dr. Emerson, nicht wahr?“

Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, dass er gelauscht hatte. „Ja, Ma’am.“

„Hören Sie, könnten Sie mir einen Gefallen tun?“

„Was immer Sie wollen.“ Und hoffentlich täuschte sie keine Krankheit vor, die er behandeln sollte, wie das einige Frauen in seiner Praxis machten.

„Sehr schön. Helfen Sie doch bitte meiner Enkelin, die Aussteuertruhe zum Auto zu tragen. Sie ist im Wohnzimmer.“

Merkwürdig, dachte Thomas. Seines Wissens nach erhielten Frauen eine solche Truhe zur Verlobung. Dabei hatte Rebecca doch soeben erklärt, nie heiraten zu wollen.

Trotz aller guten Vorsätze konnte Rebecca nicht warten, bis sie zu Hause war, sondern öffnete den Deckel der Truhe, die innen mit rotem Samt ausgeschlagen war. Obenauf lag ein Stück alter Spitze, daneben ein Brautbuch mit silbernen Hochzeitsglocken auf dem Einband.

Hinter ihr ertönten plötzlich Schritte auf dem Holzfußboden. Hastig schloss sie den Deckel, drehte sich um und entdeckte Thomas Emerson in der Tür.

„Ihre Großmutter hat mich gebeten, für Sie etwas zum Wagen zu bringen.“

Seine tiefe Stimme verwirrte Rebecca dermaßen, dass sie kaum antworten konnte, und zu allem Überfluss kam er auch noch näher. „Danke, aber ich … ich schaffe das schon.“

Aus seinen grünen Augen traf sie ein Blick, der ihr Innerstes erwärmte. Kein Wunder, dass ihm in der Stadt alle Frauen zu Füßen lagen. „Ich helfe gern, Rebecca“, versicherte er und betrachtete die Truhe. „Passt die überhaupt in Ihren Wagen?“

Sie nickte und stand auf. „Ja, hinten.“

Mühelos hob er die Truhe hoch, und Rebecca griff nach der Handtasche, ging voraus und befahl sich, diesmal nicht zu stolpern.

Auf der Veranda umarmte sie ihre Großmutter und verabschiedete sich. Die meisten Gäste waren schon fort. Hannah und Mimi standen bei ihren Eltern und unterhielten sich mit ihnen. Beneidenswert! Manchmal fühlte Rebecca sich ihrem Onkel Wiley näher als ihrem eigenen Vater. Sie sah sich nach ihrer Schwester um, doch Suzanne war offenbar auch schon weg.

Den alten zuverlässigen Kombi hatte sie unten am Ende der langen Zufahrt zwischen zwei Bäumen abgestellt. Thomas’ silberfarbenes Porsche Coupé parkte auf der anderen Seite der Straße.

Thomas stellte die Kiste auf die Ladefläche ihres Wagens. „So, fertig“, sagte er und strich sich das dunkle Haar aus der Stirn.

„Danke.“ Mehr brachte sie nicht hervor.

Der Wind spielte mit seinem Haar und zerzauste es. „Haben Sie es eilig?“, fragte er mit einem unwiderstehlichen Lächeln. „Wir könnten irgendwo einen Kaffee trinken und reden.“

Reden? Wie sollte sie das machen, wenn ihr jedes Wort im Hals stecken blieb? „Ich … ich habe … ich muss nach Hause.“

„Wirklich?“, fragte er, als sie hastig einstieg. „Rebecca …“

„Danke.“ Mit zitternden Fingern schob sie den Schlüssel ins Zündschloss. Hatte er sie wirklich eingeladen? Was sollte das schon bringen? Flirten konnte sie nicht, und diese lockeren Unterhaltungen, die heute die meisten Frauen mühelos beherrschten, waren auch nicht ihr Ding.

Sie trat die Kupplung, drehte den Schlüssel herum, atmete auf, als der Motor ansprang, und legte den Rückwärtsgang ein.

Ein Blick in den Rückspiegel, und sie sah gerade noch, wie Thomas zur Seite sprang. Um Himmels willen! Beinahe hätte sie ihn überfahren.

Er winkte zum Abschied und versetzte sie damit so in Panik, dass sie aufs Gaspedal trat. Leider hatte sie vergessen, den Automatikhebel auf vorwärts zu stellen.

Ihr Wagen tat einen Satz rückwärts und prallte gegen ein Hindernis. Metall kreischte, Glas splitterte. Rebecca wurde hin und her geschleudert und stieß mit Stirn und Brust gegen das Lenkrad. Die Hupe gellte.

Sie hielt sich krampfhaft am Lenkrad fest, hob den Kopf und blickte nach hinten.

Die Truhe war umgekippt, der Inhalt lag überall im Wagen verstreut. Doch das war nicht das Schlimmste.

Sie hatte Thomas’ brandneues Coupé zu Schrott gefahren.

2. KAPITEL

Thomas lief schon los, während es noch knirschte und klirrte. Hoffentlich war Rebecca nichts passiert. Er riss die Wagentür auf.

Sie klammerte sich am Lenkrad fest und zitterte am ganzen Körper. Das Haar fiel ihr ins Gesicht.

„Rebecca!“ Vorsichtshalber bewegte er sie nicht, für den Fall, dass sie sich ernsthaft verletzt hatte. Prüfend drückte er zwei Finger an ihren Hals und fühlte, wie sie zusammenzuckte.

„Es tut mir ja so Leid!“, schluchzte sie und sah ihn verstört an.

Sie hatte eine Beule auf der Stirn, und die Brille hing schief, aber sonst war ihr vermutlich nichts passiert. „Alles in Ordnung?“, fragte er eindringlich. „Rebecca, antworten Sie! Haben Sie Schmerzen?“ Auf den ersten Blick entdeckte er keine Verletzungen. „Rebecca!“

„Ich bin so dumm!“

Er drückte sie gegen die Sitzlehne, nahm ihr vorsichtig die Brille ab und kontrollierte die Pupillen. „Haben Sie sich den Kopf hart gestoßen? Sie waren nicht angeschnallt.“

„Ich wollte es noch tun.“

„Was ist mit den Rippen? Sind Sie gegen das Lenkrad geprallt?“

Sie nickte benommen. „Ich … Ihr Wagen!“

„Vergessen Sie den Wagen, und sagen Sie mir endlich, ob Sie Schmerzen haben!“ Als er das weite Kleid wegzuschieben versuchte, stieß sie entsetzt seine Hände weg.

„Ich will Sie doch nur untersuchen“, beruhigte er sie.

„Mit mir ist alles in Ordnung“, versicherte sie bebend und schniefte. „Aber ich habe Ihren Porsche demoliert. Ich wollte losfahren und habe vergessen, den Vorwärtsgang einzulegen, und dann ist der Wagen so schnell rückwärts …“

„Sie sollen mein Auto vergessen. Und wenn Sie sich von mir nicht untersuchen lassen, rufe ich einen Krankenwagen.“

„Nein!“ Rebecca hielt sich an seinen Händen fest. „Mir ist nichts passiert. Ich fühle mich nur furchtbar albern.“

„Es ist schon gut“, versicherte er, weil sie ihm Leid tat, und berührte ihre Wange. „Machen Sie sich keine Gedanken, ich bin versichert.“

Ihre Unterlippe bebte, und ihr Gesicht war leichenblass. Thomas ertrug den Anblick nicht, zog Rebecca an sich, wiegte sie und redete beruhigend auf sie ein. Sein Beschützerinstinkt erwachte, weil sie sich so zierlich und viel femininer als erwartet anfühlte. Ihr Atem strich über seinen Hals, und der Duft ihres Parfums weckte bei ihm Empfindungen, die man besser ruhen ließ.

„Was war das für ein Lärm?“, rief jemand. Schritte kamen den Hang herunter.

Thomas löste sich von Rebecca und drehte sich zu Hannah, Jake und Wiley Hartwell um.

„Ist jemand verletzt?“, rief Wiley.

„Nein.“ Thomas gefiel es gar nicht, dass der Mann schwer atmete. Ein Herzinfarkt hätte jetzt gerade noch gefehlt.

„Rebecca, Schätzchen, alles in Ordnung?“ Wiley beugte sich herunter und blickte in den Wagen. Jake, Hannah, Mimi, Seth und auch Grammy Rose scharten sich besorgt um das Auto.

„Du lieber Himmel“, murmelte Grammy Rose.

„Becca, geht es dir gut?“, rief Hannah.

„Ja.“ Rebecca strich sich über die Augen, setzte die Brille mit dem Drahtgestell wieder auf und stieg aus. Thomas half ihr dabei. Sie zitterte zwar noch, hielt sich jedoch aus eigener Kraft aufrecht. „Aber ich habe Thomas’ Wagen zu Schrott gefahren.“

Erst jetzt drehten sich alle zu dem Porsche um, den sie an der Fahrertür getroffen hatte. Er war eingedrückt. Windschutzscheibe und Fenster waren geborsten, und die beigen Ledersitze waren mit Glasscherben übersät. Auch Rebeccas Kombi hatte einiges abbekommen. Die Stoßstange war verbeult, das Auspuffrohr verbogen.

„Der Porsche hat eine Delle abbekommen“, stellte Mimi fest.

„Die Beifahrerseite ist aber noch in Ordnung“, verkündete Hannah aufmunternd.

Wie auf Stichwort fiel die rechte vordere Radkappe ab und rollte ihr vor die Füße.

„Ach du lieber Himmel“, flüsterte Grammy Rose.

„Man kann die Tür noch öffnen“, stellte Jake fest, um einen positiven Beitrag zu liefern. Als er jedoch am Türgriff zog, hielt er die ganze Tür in der Hand. Der linke Vorderreifen gab zischend die Luft von sich, bis er völlig platt war.

Rebecca schluchzte entsetzt auf.

„Dir ist auch wirklich nichts passiert?“, erkundigte sich Hannah.

Rebecca deutete verstört auf das Wrack. „Das alles habe ich allein angerichtet!“

„Komm schon, es ist ja gut“, versicherte Grammy Rose und tätschelte ihr den Rücken. „Jedem stößt mal ein Missgeschick zu, Schätzchen. Ich werde nie vergessen, wie ich mit dem Wagen die Veranda gerammt habe. Dabei habe ich ein Hornissennest zerstört, und die verdammten Biester haben mich angegriffen.“

„Ich habe mir auch schon Beulen in der Stoßstange eingehandelt“, warf Mimi ein. „Noch dazu in meiner eigenen Einfahrt!“

„Ich bin Zeuge“, bemerkte Seth.

Mimi stieß ihn an. „Was kann ich denn dafür, wenn mir die Mülltonne in die Quere kommt? Und du hattest deinen Minivan viel zu nahe an meinem Wagen geparkt.“

Seth wollte schon widersprechen, verzichtete jedoch unter Mimis vorwurfsvollem Blick darauf. Thomas hätte beinahe gelacht.

„Also, letztlich ist es nur ein Haufen Metall“, stellte Grammy Rose fest.

„Sehr teures Metall“, fügte Jake hinzu und lehnte die Tür gegen den Wagen.

„Metall kann man reparieren.“ Hannah schoss ihm einen warnenden Blick zu. „Dafür braucht man lediglich eine gute Werkstatt.“

„Oder einen Wundertäter“, murmelte Rebecca.

„Ach nein, Kleines, das kriegen wir schon wieder hin.“ Wiley nahm sie in den Arm. „Aber im Moment kann man mit dem Wagen nicht fahren.“

„Stimmt“, bestätigte Thomas.

Mimi drückte ihr Baby schützend an sich. „Soll Seth einen Abschleppwagen rufen?“

Thomas nickte. „Ja, danke.“

„Unfug“, wehrte Wiley ab. „Ich rufe meine eigene Werkstatt an, damit der Wagen abgeschleppt wird. Und Sie können sich einen von meinen Gebrauchtwagen nehmen, bis Ihrer repariert ist. Und du, Becca, nimmst dich jetzt zusammen, ja?“

Rebecca schniefte noch ein Mal und nahm von ihrem Onkel ein Taschentuch an, um sich die Nase zu putzen.

„Sehr gut, vielen Dank, Mr. Hartwell.“ Thomas war froh, dass Rebecca nicht mehr weinte. Was hatte sie eigentlich von ihm erwartet? Dass er sie auffressen würde, nur weil sie seinen Wagen demoliert hatte?

Rebecca wischte sich mit dem Taschentuch ihres Onkels über die Augen. Wie hatte sie sich bloß so dumm anstellen können? Und wieso stand Thomas dermaßen ruhig da? Der Porsche war bestimmt sein Traumauto und hatte mehr gekostet, als sie in zwei Jahren verdiente. Männer waren für gewöhnlich von Autos besessen und liebten sie sogar mehr als Frauen oder die Fernbedienung ihres Fernsehers.

Bestimmt stieg ihre Versicherung ins Uferlose, und sie musste sich nach einem zweiten Job umsehen. Außerdem redeten bestimmt bald alle in der Stadt über ihre Ungeschicklichkeit.

Plötzlich ertönte lauter Donner. Dann fing es an zu regnen, und es herrschte ein totales Chaos, weil alle so schnell wie möglich ins Haus zurückwollten.

Grammy Rose drückte Rebecca noch einmal an sich. „Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut. Wenigstens hat die Aussteuertruhe nicht gelitten.“

Rebecca seufzte. Na toll. Sie hatte eine Aussteuertruhe, aber keinen Mann. Und der einzige Mann, den sie seit den schlimmen Erfahrungen mit Jungs an der High School wollte, stand neben ihr und seinem Wagen, den sie wie eine Blechdose zerquetscht hatte.

Ein Blitz zuckte über den Himmel. Dann donnerte es. „Ich sorge dafür, dass Ihr Wagen abgeschleppt wird“, versprach Wiley. „Becca, nimmst du den Doc mit in die Stadt?“

„Gute Idee“, meinte Thomas lächelnd. „Es macht Ihnen doch nichts aus?“

„Ich … ja, gern“, erwiderte Rebecca. Schließlich konnte sie ihn jetzt nicht einfach hier stehen lassen.

Thomas deutete in den Kombi. „Wir sollten erst die Sachen wieder einräumen, bevor wir losfahren.“

Das Brautbuch lag auf dem Boden, ein blauer Strumpfbandgürtel daneben.

„Nein, nein, schon gut.“ Sie drängte sich an Thomas vorbei zum Wagen. „Wir brechen besser auf, bevor das Gewitter losgeht.“

Rebecca stieg ein, bevor sie womöglich noch mehr anrichtete. Thomas setzte sich auf den Beifahrersitz, schnallte sich an und legte gelassen den Arm auf die Sitzlehne.

Rebecca wandte sich möglichst ruhig an ihn. „Ich wundere mich, dass Sie überhaupt mit mir fahren wollen. Haben Sie keine Angst, ich könnte Sie unterwegs umbringen?“

Thomas lachte. Doch, er hatte Angst, aber das konnte er nicht zugeben, wenn er nicht als Feigling dastehen wollte. „Natürlich nicht.“

Autor

Rita Herron
Schon im Alter von 12 schrieb Rita Herron ihre ersten Krimis. Doch sie wuchs in einer Kleinstadt auf – noch dazu in bescheidenen Verhältnissen – und konnte sich eigentlich nicht vorstellen, das „echte“ und einfache Leute wie sie Autoren werden könnten. So dauerte es viele Jahre, bis sie den Weg...
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