Heißer Sommer in Alaska

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Callie weiß genau, wen sie will: Mike! Einen Sommer lang hat sie Zeit, ihn zu erobern. Wer Callie kennt, weiß dass ihr das gelingen wird. Tatsächlich stellt Mike schnell fest, dass seine neue Sekretärin eine tolle Frau ist. Doch ihm kommt nicht der Gedanke, dass sie extra seinetwegen bis nach Alaska gereist ist …


  • Erscheinungstag 03.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754877
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich bin spät dran!“, schimpfte Michael Fitzpatrick, als er mit quietschenden Reifen in seinem Dodge Dakota auf das Flugfeld von Kachelak fuhr. In der Ferne sah man eine kleine Cessna stehen, in deren Schatten zwei Personen standen.

Mike schmunzelte. Sein Kollege, Pilot Donovan Masters, flirtete ganz offensichtlich mit seiner Gesprächspartnerin. Mike musste seine Schwester unbedingt davor warnen, dass Donovan ein notorischer Charmeur war!

„Hallo, Schwesterherz!“, rief er, nachdem er ausgestiegen war und auf sie zu eilte. „Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, ich wurde aufgehalten.“

Erst kurz bevor er ganz herangekommen war, sah er, dass die Frau gar nicht seine Schwester, sondern kleiner war, und dass sie kastanienbraunes Haar hatte.

„Hallo“, begrüßte sie ihn, als er sich näherte. „Überraschung! Ich bin es, Callie.“

Callie Webster? Mike schüttelte den Kopf. Was machte denn die in Alaska? Er ging um den Flügel der Cessna herum. „Oh. Callie“, sagte er verwirrt. Unwillkürlich schaute er auf ihr Dekolleté, das von schmalen roten Stoffträgern eingerahmt war, was die üppigen Kurven besonders betonte.

„Ja.“ Sie löste sich von dem Flugzeugflügel, an den sie sich gelehnt hatte, und begrüßte Mike mit einer Umarmung. „Schön, dich wieder zu sehen. Meine Güte, ist das lange her!“

Er umarmte sie ebenfalls, ließ die Arme aber gleich wieder sinken und musterte sie kritisch. „Wieso bist du so luftig angezogen?“ Dabei ging ihn das doch gar nichts an! „So warm ist es hier ja wohl nicht, oder?“

„Wir haben schließlich Sommer.“ Callie zuckte mit den Schultern.

Mike war nicht der Einzige, der auf Callies Busen starrte, Donovan tat es ebenfalls. Mike biss sich auf die Lippen. Geschäftspartner oder nicht, Donovan sollte sich in Acht nehmen! Callie und seine Schwester waren Freundinnen von klein auf, und Mike fühlte sich für sie genauso verantwortlich wie für Elaine.

Er zog sein Flanellhemd aus und reichte es Callie. „Hier, sonst wirst du von Mücken zerfressen.“

„Danke“, sagte sie und legte es sich über den Arm, „aber mich beißt nie etwas.“

Er sah sie mit schmalen Augen an. „Callie, bei uns gibt es mehr als fünfundzwanzig verschiedene Sorten Mücken. Zieh das verdammte Ding an.“

„Na, hör mal“, entgegnete sie leicht empört, „das ist ja höflich, du hast noch nicht mal Guten Tag gesagt.“

„Guten Tag! Wieso bist du überhaupt hier?“

Callie sah Donovan. „Mike und ich sind zusammen aufgewachsen“, sagte sie erklärend zu ihm. „Er ist so etwas wie ein Bruder für mich. Da freut er sich nicht so, mich zu sehen.“

Donovan lächelte amüsiert. „Achten Sie einfach nicht darauf. Ich bin entzückt, und jeder andere bestimmt ebenfalls. Mike zählt nicht.“

„Sie sind wirklich lieb“, sagte Callie freundlich, und ihr Grübchen war zu sehen.

„Natürlich“, murmelte Mike. Lieb hätte er seinen Partner wirklich nicht genannt, besonders wenn es um Frauen unter neunzig ging. Was Callie anbetraf … Er schaute sie wieder an und konnte noch immer nicht fassen, was er da sah. Es war nicht nur ihre Kleidung, sondern vor allem ihre Art, so selbstbewusst und sexy!

Sein Hemd hatte sie noch immer nicht angezogen.

Es war schon lange her, dass er Callie Webster gesehen hatte. Und zwar war das auf einem seiner seltenen Besuche zu Hause in Washington gewesen. Wie immer an Weihnachten war die gesamte Familie zur Mitternachtsmesse gegangen. Callie hatte in einem festlichen Chorgewand Orgel gespielt, das lange Haar war zu einem Zopf gebunden – ganz die klassische Pfarrerstochter.

Nach dem Gottesdienst hatte er sie begrüßt, sie kurz umarmt – und sie sofort wieder vergessen. Schließlich war sie die Freundin seiner kleinen Schwester. Die beiden waren als Kinder ziemlich nervig gewesen, und die Tatsache, dass er mit Elaine, seitdem sie erwachsen waren, besser auskam, änderte nicht viel.

„Callie“, fragte Mike, der die Situation endlich wieder in den Griff bekommen wollte, „wo ist denn Elaine?“

„Ach“, Callie machte eine Handbewegung, „sie hatte ja angeboten, diesen Sommer für euch zu arbeiten, ist aber schrecklich beschäftigt und kann nicht einfach irgendwo aufhören und woanders weitermachen.“

„Ich weiß, aber …“

„Und da ich diesen Sommer keine besonderen Pläne hatte, hat sie mich gebeten, ihren Platz einzunehmen“, fuhr Callie unbeirrt fort.

„Ach, so.“

Mikes Gesichtsausdruck schien sie zum Widerspruch zu reizen. „Keine Sorge, ich bin durchaus in der Lage, die Organisation eines Büros zu übernehmen.“

„Bestimmt“, meinte er höflich, „aber Kirchenarbeit ist nicht unbedingt das Gleiche, wie mit Kunden umzugehen, Transportaufträge zu übernehmen, Flugpläne zu koordinieren und Prioritäten festzulegen.“

„Ich betrachte es als Herausforderung.“ Callie warf den Kopf zurück, so dass ihre Haare durcheinander wirbelten Ihr schulterlanges Haar bedeckte die nackten Schultern, und einige Strähnen lagen direkt auf ihrer Brust. Mike stöhnte innerlich. Dabei – was ging ihn Callie Websters Körper an?

Sie war eine nette junge Frau, die sich um ihren Vater kümmerte und in der Sonntagsschule unterrichtete. So eine war sicher nicht fähig, mit harten Geschäftsleuten zu verhandeln und mit anderen Unwägbarkeiten im Flugtransportwesen umzugehen. Außerdem war es nicht leicht, in Alaska zu leben, selbst im Sommer nicht. Vermutlich würde er sich die meiste Zeit um sie kümmern müssen!

Mike versuchte, sich daran zu erinnern, was Elaine über Callies zurückgezogenes Leben in Crockett erzählt hatte. „Aber was macht denn dein Vater? Ich weiß, dass er auf deine Hilfe angewiesen ist und vermutlich allein gar nicht klar kommt, auch nicht bei der Kirchenarbeit.“

„Pop geht es gut. Und die Kirche hat endlich Geld genug für eine Renovierung. Bei all dem Gipsstaub und dem Baulärm werden die mich nicht mal vermissen.“

Außerdem habe ich gar nicht vor, wieder dorthin zurückzukehren, fügte Callie in Gedanken hinzu. Dass sie plante, in Alaska zu bleiben, durfte sie Mike jedoch auf keinen Fall sagen. Wenn er wüsste, dass sie vorhatte, sich zu verheiraten, würde er das garantiert verhindern. Auch wenn sie damit nicht die Wahrheit sagte.

Sollten ihre Reize bei ihm nicht landen, würde sie schon jemand anders finden. Sie war es leid, die stille, pflichtbewusste Pfarrerstochter zu sein, die sich so verhielt, wie jeder es von ihr erwartete. Callie Webster würde von nun an jemand anders sein: kühn, geheimnisvoll, wagemutig. Eben eine Frau, die klare Vorstellungen hatte von dem, was sie wollte, und die alles unternehmen würde, um das zu erreichen!

Jeder wusste, dass es in Alaska von Junggesellen nur so wimmelte. Ein idealer Platz, um sein Image zu ändern. Mike würde es kaum merken, wie ihm geschah.

„Ich denke, es wird ausgezeichnet klappen mit Callie“, meinte Donovan freundlich.

„Das kann ich mir vorstellen“, murmelte Mike.

„Vielen Dank“, sagte Callie zu Donovan, die Mike nun ignorierte. „Wir werden sicher prima miteinander auskommen. Ich bin froh, dass Sie mich in Anchorage abgeholt haben. Mike hätte mich bestimmt am Flughafen stehen lassen.“

„Gern geschehen, Ma’am.“

„Hör mal, Callie, das funktioniert so nicht“, unterbrach Mike sie. „In Kachelak kannst du nicht bleiben. Die Hotels sind zu teuer, und Mietwohnungen gibt es nicht.“

Callie schaute unschuldig drein. „Aber Elaine hätte doch auch bei dir gewohnt, oder?“

„Ja, schon, na ja, das war ursprünglich der Plan, aber du bist schließlich nicht Elaine.“

Hoffentlich vergisst du das nicht, Freundchen, dachte sie. Callie hatte nicht vor, sich wie eine kleine Schwester von ihm behandeln zu lassen. Nicht mehr, jedenfalls. „Das verstehe ich nicht, ich würde doch nicht stören.“

„Darum geht es n…“

„Sie können bei mir wohnen“, bot Donovan schnell an und legte den Arm um Callies Taille.

Und Callie wusste, dass Donovan ahnte, worauf sie es abgesehen hatte, nämlich auf Mr. Fitzpatrick. Genauer gesagt, auf einen Trauschein mit ihm.

Er schien das gutzuheißen, was nur bedeutete, dass überzeugte Junggesellen nichts gegen eine Ehe hatten – jedenfalls bei anderen.

„Ausgezeichnete Lösung.“ Callie lachte innerlich, denn Mike schien kurz davor zu explodieren. „Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht störe?“

„Kein bisschen“, versicherte Donovan, „es wird mir ein Vergnügen sein.“

„Das wird es nicht“, fuhr Mike dazwischen. „Sie wohnt bei mir.“

Donovan legte den Kopf schief. „Nun sieh mal einer an! Erst wolltest du Callie nicht. Und nun willst du ihr auf einmal nicht das Gefühl geben, unwillkommen zu sein, nachdem sie den ganzen Weg gemacht hat, nur um uns zu helfen.“

„Es ist ja nicht so, dass ich sie nicht will“, sagte Mike so ärgerlich, dass er Callie schon beinahe wieder leid tat. „Wir brauchen sie ja dringend.“

Obgleich das keineswegs romantisch klang, erfüllte es Callie mit Freude. Sie hatte einige Beziehungen gehabt – aber eigentlich nur, um Mike zu vergessen. Vor langer Zeit war sie sogar mal verlobt gewesen, aber mehr aus Freundschaft und nicht aus Liebe. Und wenn Keith nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen wäre, hätte sie mit ihm vermutlich eine gute Ehe geführt.

Einen Moment lang dämpfte die Erinnerung Callies Freude. Sie hatte Keith wirklich gemocht, auch wenn es kein bisschen geknistert hatte. Ganz anders als bei Mike – bei dem einen und einzigen Mal, als er sie geküsst hatte.

Du liebe Güte! Das war am Abend seines Schulabschlussfestes gewesen, und er war so betrunken gewesen, dass er sich vermutlich gar nicht mehr daran erinnerte!

Callie verdrängte die Gedanken und wappnete sich für das Hier und Jetzt. Vamps ließen sich durch nichts ablenken, sie handelten – und bekamen, was sie wollten.

„Danke für dein Angebot“, sagte sie lässig, „aber ich denke, ich wohne besser bei Donovan.“

„Das wirst du nicht tun.“ Mikes Augen blitzten aufgebracht. „Ich bin für dich verantwortlich. Wo ist dein Gepäck?“

„Das ist noch in der Maschine.“

Indem er etwas vor sich hin murmelte, holte Mike die drei Koffer, die sie mitgebracht hatte, und trug sie zu seinem Wagen.

„Das ist ja nett“, sagte Callie mehr zu sich. „Ich hoffe, er erinnert sich daran, dass ich zu dem Gepäck gehöre.“

Donovan lachte leise. „Der Arme. Er hat keine Chance, wie?“

„Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen, Mr. Masters.“

„Natürlich nicht.“

Sie sahen zu, wie Mike die Koffer mit mehr Schwung als nötig auf dem Rücksitz des Dakota verstaute, die Tür zuwarf, sich an den Kühler lehnte und ungeduldig mit dem Fuß klopfte.

Worauf habe ich mich da nur eingelassen, dachte Callie besorgt.

Michael Fitzpatrick war kein Junge mehr. Seine Muskeln waren das Resultat von harter Arbeit. Sein Haar war noch braun, aber man konnte schon einige silbrige Strähnen darin entdecken. Eigentlich war er ihr völlig fremd. Sie waren zwar zusammen aufgewachsen, doch die Jahre, die sie sich nicht gesehen hatten, hatten viel verändert.

Sie war inzwischen einunddreißig. Auch kein Kind mehr. Mike war vierunddreißig. Für ihn wurde es ebenfalls Zeit, eine Familie zu gründen. Callie wollte herausfinden, ob sie die beiden Hälften eines Ganzen sein konnten. Aber es war eine Sache, von einem Jungen zu träumen, für den man immer geschwärmt hatte, und eine andere, herauszufinden, ob man auch den Mann noch liebte, der er inzwischen geworden war.

Bis sie dreißig wurde, war Callie das nicht so dringend erschienen. Dann hatte sie sich allmählich vorgestellt, den Rest ihres Lebens allein zu verbringen. Ohne Kinder. Ohne Mann. Ohne Mike. Und als sich das mit der Reise nach Alaska plötzlich ergab, hatte sie die Gelegenheit beim Schopfe gepackt.

„Wird schon schief gehen“, murmelte sie, straffte die Schultern und machte ein paar Schritte auf den Wagen zu.

„Sie können immer noch bei mir wohnen“, bot Donovan an.

„Mit getrennten Betten?“, scherzte sie. Bei Donovan Masters war sie locker, in Mikes Gegenwart dagegen … Liebe und körperliche Anziehung machten Beziehungen eindeutig kompliziert!

„Nur wenn Sie darauf bestehen.“

Callie lachte und ging weiter.

Als Mike sah, wie Callie mit Donovan lachte und flirtete, ballte er die Hände zu Fäusten. Es ging ihn ja nichts an, wenn sie sich die Finger verbrennen wollte, aber er musste sie trotzdem warnen, genauso wie er Elaine gewarnt hätte.

„Bis heute Abend!“, rief sie Donovan zu und winkte fröhlich.

„Um Punkt sechs. Sie brauchen nichts Besonderes anzuziehen, es sei denn, Sie bestehen darauf“, antwortete Donovan augenzwinkernd.

Mike grummelte vor sich hin. War Callie etwa mit Donovan verabredet?

„Gehst du mit ihm aus? Ich dachte, du wolltest dich im Büro nützlich machen“, sagte er, sobald sie den Wagen erreicht hatten. „Uns aushelfen. Unsere Büroangestellte bekommt ein Kind. Sie kann also nicht kommen.“

„Ja.“ Callie lächelte einschmeichelnd.

„Ja, was?“

„Ja, ich bin gekommen, um euch auszuhelfen. Aber das ist doch wohl kein Vierundzwanzigstundenjob. Neben dem Papierkram kann ich auch ein bisschen Privatleben haben, oder?“

Mike seufzte. Beide wussten, dass es bei „Triple M“ nicht nur Papierkram gab. Aber sie gab es ihm zurück, dass er an ihren Fähigkeiten gezweifelt hatte. Na ja, immerhin war sie bestimmt besser als nichts. Seitdem Delia nicht mehr da war, herrschte im Büro ein heilloses Durcheinander, und nun hatte Delia auch noch angedeutet, dass sie womöglich gar nicht mehr zurückkommen würde.

Das brachten Schwangerschaften wohl so mit sich. Dann wollten die Frauen nur noch zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern, egal, wie verzweifelt die Männer waren, die sie da hängen ließen. Vielleicht wäre es anderswo weniger schlimm, aber an einem Ort wie Kachelak … Das war einer der Nachteile daran, dass sie ihr Hauptquartier nicht in der Nähe größerer Städte wie Fairbanks oder Anchorage eingerichtet hatten.

„Schon gut“, lenkte Mike ein, während er Callie die Autotür öffnete. „Ich wollte dich nur vor Donovan warnen. Der ist überzeugter Junggeselle.“

„Tatsächlich?“

Mike stieg auf der Fahrerseite ein. „Das ist kein Witz, Callie. Donovan ist wirklich nett, aber sobald er glaubt, dass eine Beziehung fester wird, ist er auf und davon.“

„Ah, ja?“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Wer sagt dir denn, dass ich nicht als Erste gehe?“

Mike, der sich gerade anschnallte, staunte. Callie hörte sich an, als hätte sie dauernd Affären! Dabei wusste er doch, dass es nicht stimmte. Das heißt, er war sich dessen ziemlich sicher. In der Kleinstadt Crockett würde man es bestimmt nicht akzeptieren, wenn die Tochter des Pfarrers dauernd neue Beziehungen hatte. Außerdem war sie gar nicht so ein Typ Frau.

Und genau das sagte er ihr.

„Was hast du gesagt?“, fragte Callie mit blitzenden Augen.

„Ich sagte, du seist nicht der Typ Frau …“

„Ich weiß, was du gesagt hast“, unterbrach sie ihn. „Nur zu deiner Information: Es gibt eine Menge Männer, die an mir interessiert sind. Du beleidigst mich! Bloß weil mein Vater Pfarrer ist, heißt es noch lange nicht, dass es für mich keine Romanzen gibt.“

„Ich sage ja nicht, dass du nicht attraktiv bist“, versuchte Mike, sie zu beruhigen. Ihr Blick bewies, dass sie kein Stück besänftigt war. „Du bist ja sehr nett.“

„Nett? Das reicht. Ich werde bei Donovan wohnen. Niemand nennt mich nett!“

Mike atmete tief durch. „Das war ein Kompliment! Und du wirst nicht bei Donovan wohnen.“

„Schönes Kompliment! Was würdest du dazu sagen, wenn ich dich nur als nett bezeichnete?“

Die Frage saß. Es würde einen Mann ziemlich treffen, wenn er nett genannt wurde. Nett hieß so viel wie langweilig. Und wenn eine Frau einen Mann nett fand, bedeutete das eine Art Todesstoß. Ein Mann wollte lieber gefährlich sein. Oder sogar schlecht. Aber keinesfalls nett!

Nie hätte er gedacht, dass eine Frau ähnlich auf so etwas reagieren würde. Schon gar nicht Callie.

„Also gut, du bist nicht nett.“ Verflixt, das klang auch komisch. Mike konnte sich schon vorstellen, was sie auf seinen Versuch, sich zu entschuldigen, sagen würde.

„Vielen Dank.“

Im Gegensatz zu dem, was er erwartet hatte, klang das tatsächlich erfreut. Mike rollte mit den Augen. Frauen! Da waren ihm seine Flugzeuge und der misstrauische Elch, der in der Nähe seines Hauses weidete, doch lieber.

„Willst du mir nicht erst mal das Büro zeigen?“, schlug Callie vor, als er den Motor anstellte. „Es ist hier in der Nähe, oder?“ Sie gähnte, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Mike überlegte. Sie brauchten wirklich jemanden, der im Büro sein würde. Und sei es nur, um Telefonanrufe entgegenzunehmen. Aber Callie war morgens um halb zwei Uhr in der Frühe abgeflogen, so dass man nicht von ihr erwarten konnte, dass sie gleich mit der Arbeit anfing. Andererseits könnte er das Unausweichliche auf diese Weise noch ein bisschen hinausschieben. Seltsames Gefühl, sich vorzustellen, dass sie bei ihm wohnen würde! Das roch nach Katastrophe.

„Das Büro zeige ich dir morgen. Du brauchst sicher erst mal ein bisschen Schlaf.“ Vor deiner Verabredung, fügte er im Geiste hinzu. Der Gedanke störte ihn richtig! Donovan sollte sich nicht gleich an die neue Mitarbeiterin heranschmeißen!

Mitarbeiterin? Ja, als solche könnte er Callie behandeln. Auch wenn sie es nicht wirklich war. Denn im Grunde tat sie ihrer Freundin Elaine einen Gefallen. Und damit wiederum tat sie ihm einen Gefallen. Irgendwie gefiel ihm das alles nicht.

„Callie?“

Sie öffnete die Augen. „Ja?“

„Wieso habt ihr mich eigentlich nicht angerufen und mir mitgeteilt, dass du statt Elaine kommst?“

„Das hat sich erst in letzter Minute entschieden. Außerdem“, sie lächelte schläfrig, „dachten wir, dass du dich aufregen und Nein sagen würdest.“

„Natürlich hätte ich Nein gesagt“, grummelte Mike vor sich hin.

Den Braten, dass Elaine versuchte, ihn mit Callie zusammenzubringen, hätte er gleich gerochen. Allein der Gedanke! Er wollte nicht heiraten! Schließlich war er die meiste Zeit nicht zu Hause, flog Warenladungen oder Touristen im Land herum und hatte ein schönes, freies Leben. Genau das, was er wollte. Keine Ehefrau, die herumquengelte, wieso er nicht zu Hause war, wenn es einen Rohrbruch gab oder die Kinder Masern bekamen.

Mike stellte den Motor ab. „Callie, ich habe das komische Gefühl, Elaine will uns miteinander verkuppeln.“

Callie lächelte. „Natürlich versucht sie das, aber mach dir deswegen keine Sorgen. Ich werde dir aus dem Weg gehen und du mir.“

„Dann willst du also nicht …“ Mike wusste nicht, wie er die Frage formulieren sollte.

„Schon möglich, dass ich mir einen Ehemann suchen will“, sagte sie nachdenklich, „aber du brauchst keine Angst zu haben.“ Sie gähnte wieder und kuschelte sich in den Sitz, wobei Mike an jeden Zentimeter nackter Haut von ihr erinnert wurde. „Elaine kann Pläne schmieden, wie sie will, das heißt ja nicht, dass wir da mitmachen müssen. Wir beide? Nein, der Gedanke ist wirklich absurd.“

Mike zog die Brauen zusammen. Alles, was Callie da sagte, hätte ihn in beruhigen können. Das tat es aber nicht.

„Wieso absurd?“

Callie lachte leise und zog die Beine an. „Ich weiß nicht, du bist viel zu groß für mich, das sieht doch lächerlich aus. Außerdem kennen wir uns schon ewig. Da knistert nichts mehr.“

Ihr Lächeln irritierte ihn. Wie konnte sie so etwas sagen? Sie hatten sich in den letzten Jahren ja kaum gesehen! Es hatte ja gar keine Gelegenheit zum Knistern gegeben!

Nicht dass er daran interessiert war. Er war einfach neugierig, theoretisch. Neugierig, wie Männer nun mal waren. Keiner mochte von einer Frau abgelehnt werden, egal von welcher!

Callie schüttelte sich und setzte sich auf. „Nun da das geregelt ist, frage ich mich … Es hörte sich vorhin so an, als würde ich überhaupt keine Freizeit haben. Aber das ist doch kein Siebentagejob, oder?“

„Äh, nein. Wenn es keinen Notfall gibt, hast du die normalen Bürostunden, eine Fünftagewoche und zwei Tage frei.“

„Ah, gut. Ich möchte mir nämlich auch die Gegend etwas ansehen, vielleicht sogar auf einen Eisberg klettern. Ich habe gehört, dass hier in der Gegend viele Ausflüge gemacht werden. Meinst du, ich könnte Grizzlybären sehen? Ich würde auch liebend gern mal einen Eisbären in freier Natur sehen, aber die gibt es vermutlich nur direkt in Polnähe, oder?“

Auf einmal wurde Mike wieder nervös. Wieso war seine Schwester bloß nicht gekommen? Die interessierte sich nicht für Bären und war oft genug in Alaska gewesen, um Besichtigungstouren nicht mehr allzu wichtig zu finden.

„Du solltest auf keinen Fall allein herumlaufen“, warnte er. „Das ist gefährlich.“

„Das habe ich auch nicht vor.“

Mike seufzte. „Ich habe für so etwas keine Zeit, Callie.“

„Kein Problem. An dich habe ich auch gar nicht gedacht.“

Das klingt richtig abweisend, dachte Mike fast beleidigt. Er startete den Motor und schaute kurz zu ihr hinüber. Obgleich sie sichtlich müde war, blickte sie interessiert in die Landschaft, als er auf eine kiesbestreute Straße in Richtung Stadt einbog.

Er räusperte sich. Was sollte es, das war doch schließlich immer noch die gute alte Callie, auch wenn sie im Moment wie eine Strandschönheit aus Kalifornien aussah. „Wir haben hier keine Wanderclubs, Callie, und die offiziellen Touren sind ziemlich teuer.“

„Die brauche ich auch nicht.“ Sie lächelte milde. „Donovan nimmt mich mit in den Kenai-Wildpark, und …“

„Heute Abend?“, unterbrach Mike sie und bremste scharf. „Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Wir haben hier länger Tageslicht als anderswo, aber das ist ziemlich weit, und so spät solltet ihr nicht mehr dorthin fahren.“

„Natürlich nicht“, entgegnete Callie geduldig. „Wir machen das an dem ersten Tag, an dem wir beide Zeit haben. Heute Abend gehen wir nur essen.“

Mike schimpfte leise etwas vor sich hin.

Besorgt legte sie ihm eine Hand auf den Arm. „Ist dir nicht gut?“

„Doch, doch.“

„Na, prima. Übrigens sagte Travis Black, dass er gern wandert und mich überallhin begleiten würde. Aber vielleicht hat er das nur aus Höflichkeit gesagt.“

Noch jemand! dachte Mike säuerlich. Allerdings war Travis immerhin ein erfahrener Führer. „Woher kennst du denn den?“

„Nur per Funk. Er bat Donovan, mich zu beschreiben, und als Donovan dann sagte, ich hätte Hasenzähne und sei faltig wie ein Walross, bot Travis sofort seine Dienste an. Ich glaube allerdings, dass er das mit den Zähnen nicht recht geglaubt hat.“

Das hätte ich auch nicht getan, ging es Mike durch den Kopf. Donovan verteidigte nur seine Beute. Ein Blick auf Callies luftiges Oberteil, und man konnte einen völlig falschen Eindruck von ihr bekommen! Mike hatte natürlich keinen Einfluss auf das Privatleben seiner Kollegen, aber was Travis betraf, so würde er, Michael Fitzpatrick höchstpersönlich, dafür sorgen, dass der nicht zur selben Zeit frei hatte wie Callie! Noch war Travis nämlich nicht sein Partner.

„Ross McCoy hat mir angeboten, mich über die Prince-William-Bucht zu fliegen, so dass wir auf den Worthington-Eisberg klettern können. Das wird vermutlich ein Zweitagetrip werden“, überlegte Callie laut. „Er sagte, er kennt einen hübschen Platz, so dass wir in Valdez übernachten können.“

„Ach, tatsächlich?“ Mike hatte das Gefühl, sein Kragen wäre zu eng, dabei trug er nur ein T-Shirt. „Wann hast du denn mit Ross gesprochen? Auch über Funk?“

Ross war sein anderer Geschäftspartner. Ein prima Typ, aber nichts für ein Heimchen wie Callie. Außerdem hatte der seit seiner Scheidung mit Frauen nichts mehr am Hut und war bestimmt nicht daran interessiert, wieder zu heiraten.

Callie biss sich auf die Lippen, um nicht zu lachen. Der arme Mike, er wirkte alles andere als glücklich. „Ich habe Ross in Anchorage getroffen, als er gerade eine Ladung Frischgemüse für Nome in Empfang nahm. Ich mag ihn. Er ist wirklich charmant.“

„Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

„Das liegt daran, dass du keine Frau bist. Er meinte, ich könnte bei einem seiner Trips zum Polarkreis mitkommen, und wir würden vielleicht sogar auf einer Eisscholle landen, so dass ich Fotos von Eisbären machen kann.“

„Na, großartig, dann ist ja schon alles geregelt“, bemerkte Mike missmutig, und Callie verkniff sich erneut ein Lächeln.

„Ja, es wird sicher wunderbar. Zumindest Donovan, Ross und Travis scheinen sich darüber zu freuen, dass ich hier bin – ganz im Gegensatz zu dir.“

„Die versprechen sich davon ebenso einiges. Und auch, dass ich nichts dagegen unternehme, da du ja nicht meine Schwester bist.“

Callie, der durchaus bewusst war, dass Mike sie beobachtete, streckte sich genüsslich. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich richtig fraulich und sexy.

„Du machst dir zu viele Sorgen. Die bekommen nichts, was ich nicht bereit bin, ihnen zu geben.“

„Ach, und was wäre das?“

Callie überlegte einen Moment. „Genug, Mike, genug.“

„Ich verstehe.“

Seinem verbissenen Gesicht nach zu schließen schien ihm ihre Antwort nicht zu gefallen. Was ihr wiederum umso besser gefiel.

2. KAPITEL

Genug? Was meinte sie wohl damit?

Wenn Mike an Callies verführerisches Lächeln dachte, fürchtete er zu wissen, was sie damit meinte. Sie war nicht gekommen, um ihn sich als Ehemann zu schnappen, sondern, um ihre Flügel auszubreiten! Verständlich! Bislang war ihm nie so richtig aufgefallen, dass Callie ausgesprochen attraktiv war. Gut dreißig Jahre in Crockett als „die Tochter des Pfarrers“ zu leben war bestimmt frustrierend genug.

Na schön, das hieß also, dass er den Sommer damit verbringen würde, Callie vor Dingen zu bewahren, von denen er wusste, dass sie sie später bereuen würde. Er müsste sie beschützen. Das war schon in Crockett so gewesen. Selbst die forschesten Jungs hatten sich in der Nähe der Tochter von Pastor Webster immer vorgesehen, nicht allzu vorlaut zu sein.

Autor

Julianna Morris
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