Ich küsse dich in meinen Träumen

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Seit Jahren hat die hübsche Alexandra ein erklärtes Ziel: Sie will Dimitrios! Doch eine Affäre kommt für den mächtigen Unternehmer nicht infrage. Also bewirbt Alex sich als seine Assistentin. Aber noch immer ist sie in heißen griechischen Nächten viel zu allein - bis Dimitrios sie bittet, ihn nach Thessaloniki zu begleiten …


  • Erscheinungstag 25.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759155
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mitten in der Nacht hörte Dimitrios Pandakis Schritte auf dem Flur. Sogleich stand er aus dem Bett auf und ging neugierig zur Zimmertür, um nachzusehen, was draußen los war.

„Leon?“, flüsterte er, als er seinen geliebten großen Bruder mit einem Koffer erblickte. „Was machst du?“

Leon drehte sich um. „Geh wieder ins Bett, Dimi.“

Der Zwölfjährige ignorierte die Anweisung und eilte auf seinen Bruder zu. „Wohin willst du?“

„Das erfährst du noch früh genug. Und red leiser!“

„Aber du kannst nicht einfach weggehen.“ Leon war für ihn im letzten Jahr Vater, Bruder und Beschützer zugleich gewesen. „Egal, wohin du musst, ich komme mit dir. In zwei Minuten bin ich fertig.“

„Nein, Dimi, du musst bei Onkel Spiros und unseren Vettern bleiben. Ich bin in etwa einer Woche zurück.“

„Mit dir ist es viel lustiger als mit den Cousins.“ Tränen liefen dem Jungen über die Wangen. „Und Onkel Spiros ist so streng.“

„Seit dem Tod unserer Eltern hat er sich auf seine Art gut um uns gekümmert. Es wird schon nicht so schlimm werden.“

Angsterfüllt legte Dimitrios seinem Bruder die Arme um die Taille, um ihn aufzuhalten. „Bitte, nimm mich mit.“

„Nein, das kann ich nicht. Weißt du, ich heirate heute Nacht. Es ist alles arrangiert.“

Leon heiratete? Dimitrios hatte das Gefühl, als würde die Welt plötzlich stillstehen. „Welche deiner Freundinnen ist es?“

„Ananke Paulos.“

„Den Namen habe ich noch nie gehört. Wirst du sie mit hierher bringen?“

„Nein.“ Leon seufzte. „Wir werden im Haus unserer Eltern leben.“

„Dann komme ich auch und schlafe wieder in meinem alten Zimmer.“

Sein Bruder schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Dimi, das geht nicht. Eine Frau möchte ihr eigenes Reich.“

„Aber dann können wir beide nie mehr zusammenwohnen!“

„Wir werden stets Brüder bleiben. Ich werde dich jeden Tag besuchen, und du besuchst uns auch.“

„Liebst du sie mehr als mich?“ Seine Stimme bebte, und Dimitrios spürte, wie er immer verzweifelter wurde.

Leon blickte ihn gequält an. „Bestimmt nicht. Ich würde sogar viel darum geben, wenn ich sie nicht heiraten müsste. Doch sie erwartet ein Kind von mir.“

Überrascht sah Dimitrios ihn an. „Sie erwartet ein Kind von dir?“

„Ja.“

„Du hast mit einer Frau ein Kind gezeugt, die du nicht liebst?“ Dimitrios konnte es nicht begreifen.

„Oh Dimi, hör mir zu. Du bist erst zwölf und kennst die Gefühle noch nicht, die einen Mann überkommen können. Eines Tages wird dein Körper allerdings beim Anblick einer schönen Frau reagieren. Du möchtest sie umarmen und mit ihr schlafen. Die Freuden, die du mit einer Frau erleben kannst, sind toll. Dafür könnte man sterben.“

„Sterben?“ Dimitrios runzelte die Stirn.

„Wenn ein Mann und eine Frau miteinander schlafen, ist das unvorstellbar – eben zum Sterben – schön.“

„Und mit Ananke war es so?“

„Ja.“

„Aber wenn du sie nicht liebst?“

„Man kann eine Frau auch sehr begehren, ohne sie zu lieben. Ich würde sie nie heiraten, wenn sie nicht von mir schwanger wäre. Doch als ein Pandakis muss ich jetzt meine Pflicht tun.“

„Nein, das machst du nicht!“, stieß Dimitrios verzweifelt hervor. „Welche Frau würde schon mit dir leben wollen, wenn sie wüsste, dass du sie nicht liebst?“

Leon stöhnte auf. „Dimi, sie möchte mich aus anderen Gründen heiraten.“

„Aus welchen?“

„Wegen des Geldes und meiner gesellschaftlichen Stellung.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Sieh mal, unsere Familie leitet seit Generationen erfolgreich ein Finanzimperium in Griechenland und ist in der ganzen Geschäftswelt bekannt. Onkel Spiros hat gute Kontakte zu mächtigen Leuten, wie sie auch unser Vater bis zu seinem Tod gehabt hat. Aus diesen Gründen hat mich Ananke in die Falle gelockt. Sie hat darauf gehofft, von mir schwanger zu werden, damit sie so ein Mitglied unserer Familie wird. Ihr Wunsch geht nun in Erfüllung, wenngleich sie sich die Hochzeit anders erträumt hat. Bei der kirchlichen Trauung wird nur ihre Großmutter anwesend sein.“

„Ich hasse sie!“, platzte Dimitrios gequält heraus.

„Sag das nicht. Denn noch heute wird sie eine von uns sein.“

„Das sage ich wohl!“ Mit tränenüberströmtem Gesicht wich Dimitrios zwei Schritte zurück. „Glaubst du, dass unsere Mutter unseren Vater wegen seines Geldes geheiratet hat?“

„Wahrscheinlich“, antwortete Leon nach längerem Schweigen.

Dimitrios war zutiefst bestürzt. „Kann ein reicher Mann keine Frau finden, die ihn um seiner selbst willen liebt?“

„Ich weiß es nicht, und ich möchte, dass du nicht den gleichen Fehler machst wie ich. Das wird allerdings schwierig werden.“

„Wie meinst du das?“

„Eines Tages wirst du das Pandakis-Unternehmen leiten, denn Onkel Spiros hält dich für den fähigsten von uns allen. Außerdem siehst du besser aus als alle männlichen Mitglieder unserer Familie zusammengenommen. Die Frauen werden sich um dich reißen, sodass du noch vorsichtiger als die meisten Männer sein musst, damit dich nicht eine einfängt, indem sie von dir schwanger wird.“

„Das wird mir nicht passieren.“

Leon lächelte traurig. „Woher willst du das wissen?“

„Ich brauche mir deshalb keine Gedanken zu machen, weil ich mit keiner Frau schlafen werde.“

„Natürlich wirst du es.“ Leon zerzauste ihm das gewellte schwarze Haar. „Wir reden nächste Woche noch einmal darüber, wenn wir zusammen wandern.“

Dimitrios sah seinem Bruder nach, bis dieser aus seinem Blickfeld verschwunden war. Er fühlte sich genauso sterbenselend wie vor einem Jahr, als man ihm gesagt hatte, dass seine Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen wären.

Wann immer Alexandra Hamilton sich die Haare neu färben lassen musste, fuhr sie in ihre Heimatstadt Paterson in New Jersey zu Michael, der ein Meister seines Fachs war und nicht nur deswegen ihr volles Vertrauen besaß.

„Wann hörst du endlich mit der Maskerade auf und enthüllst ihm deine herrlich blonde Mähne, die sich unter dem langweiligen Braun verbirgt?“

„Nicht bevor er sich in mich verliebt hat, so wie ich bin.“

Mit „er“ war natürlich Dimitrios Pandakis gemeint, den Alex aus tiefstem Herzen liebte.

„Ich erinnere dich nur ungern daran, aber das sagst du, seitdem du in seinem Unternehmen arbeitest. Das ist jetzt vier Jahre her, oder?“

Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, und Alex streckte Michael die Zunge heraus.

„Entschuldige.“ Seine Stimme klang nicht im Mindesten reumütig.

„Ich mache allerdings Fortschritte.“

„Seit du seiner Privatsekretärin vor sechs Monaten etwas Gift in den Kaffee gemischt hast?“

„Michael!“ Alex blitzte ihn mit ihren grünen Augen an. „Das ist nicht komisch. Sie war eine wunderbare Frau. Ich vermisse sie noch immer und er ebenfalls.“

„Es war nur ein Spaß. Ich dachte, die Reise nach China wäre problemlos verlaufen?“

„Das ist sie auch, und ich habe eine Sondervergütung bekommen.“

„Schon wieder. Er sollte besser aufpassen, sonst sieht er sich am Ende noch einer feindlichen Übernahme durch seine eigene Sekretärin, Miss Hamilton, gegenüber.“ Michael lächelte schalkhaft. „Lässt du dich immer noch so von ihm anreden?“

„Ja.“

„Du genießt es, stimmt’s?“

„Ausgesprochen. Ich schätze, ich bin die einzige Frau auf Erden, die sich nicht überschlägt, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.“

„Ja, und das sieht man.“

„Genau dadurch unterscheide ich mich von all den anderen Frauen. Und eines Tages wird er mich bemerken.“

„Hoffentlich bevor er eine Frau aus seinen Kreisen heiratet, um mit ihr einen Erben zu zeugen. Weißt du, er wird nicht jünger.“

Alex spürte einen Stich im Herzen. „Vielen Dank, dass du mich an meine schlimmste Befürchtung erinnerst.“

„Das magst du ja gerade an mir – dass ich dir die Wahrheit sage.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Er hat einen Neffen, den er wie einen Sohn liebt. Mrs. Landau hat mir erzählt, dass Dimitrios’ Bruder gestorben ist und er deshalb die Vormundschaft für seinen Neffen übernommen hat. Er bekommt immer einen ganz besonderen Blick, wenn Leon ihn aus Griechenland anruft.“

„Na, dann wirst du dich wohl nicht darum sorgen, dass er schnell eine eigene Familie gründen will“, erwiderte Michael, während er ihr langes Haar zu einem Zopf aufdrehte und am Hinterkopf feststeckte.

„Hör auf.“

Lächelnd betrachtete er sie von oben bis unten. „Ich muss schon sagen, ich habe mit deiner Verwandlung gute Arbeit geleistet.“

„Diese Bescheidenheit passt nicht zu dir. Warum gibst du nicht einfach zu, dass du ein Meisterwerk vollbracht hast?“

Michael war wirklich ein vortrefflicher Hairstylist und hatte auch sein Können als Maskenbildner schon bei vielen seiner Freunde vom Theater unter Beweis gestellt. Er hatte sie, Alex, in eine ziemlich unscheinbare, etwas altjüngferlich wirkende Sekretärin verwandelt, die wesentlich älter als fünfundzwanzig Jahre aussah.

„Das ist möglich“, meinte er spöttisch. „Allerdings habe ich es vielleicht etwas übertrieben, als ich dir vorgeschlagen habe, diese Nickelbrille zu tragen. Damit würdest du ohne Weiteres in einen Film aus den vierziger Jahren passen.“

„Genau das wollte ich ja. Ich bin dir sehr zu Dank verpflichtet.“ Sie reichte ihm einen Hundertdollarschein, den er jedoch nicht annahm.

„Hast du vergessen, was wir vereinbart haben? Ich mache dir mehrere Male kostenlos die Haare, und dafür dürfen meine Freunde und ich während der Messe in Thessaloniki mit in deiner Hotelsuite übernachten.“

Alex schüttelte den Kopf. „Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dabei viel besser abschneide.“

Michael zog die Augenbrauen hoch. „Hast du überhaupt eine Vorstellung, wie viel dort eine Suite am Tag kostet?“

„Nein.“

„Als Privatsekretärin von Dimitrios Pandakis brauchst du die wohl auch nicht zu haben. Ehrlich, Alex, wenn der Rest der Welt ahnen würde, wie du derzeit lebst“, fügte er theatralisch hinzu.

„Das ist mir egal, wie du weißt.“

Michael blickte sie einen Moment lang ernst an. „Ist es das wert, immer nur die Brautjungfer zu sein, aber nie die Braut?“, erkundigte er sich und wusste genau, dass er mit dieser Frage einen wunden Punkt bei ihr berührte.

„Ich kann mir nicht vorstellen, ihn nicht jeden Tag zu sehen.“

„Du bist ein hoffnungsloser Fall, Alex.“

„Wem sagst du das.“ Sie stand auf und küsste ihn zum Abschied auf die Wange. „Bis nächste Woche in Griechenland.“

„Wir kommen als Troubadoure aus Mysien. Bist du sicher, dass ich dir zusammen mit seinem nicht auch ein Kostüm mitbringen soll?“

„Miss Hamilton verkleidet sich nicht“, erklärte sie lächelnd. „Es passt nicht zu ihr.“

„Wie schade!“

„Guten Flug, Michael.“

„Ein frommer Wunsch angesichts der Tatsache, dass wir in der Chartermaschine wie Sardinen in einer Büchse zusammengedrängt sein werden. Du hast Glück, im Privatjet reisen zu dürfen.“

„Ja, zumindest das ist ein angenehmer Begleitumstand. Also, bis dann.“

Zufrieden verließ Alex den Friseursalon. Michael hatte wieder einmal hervorragende Arbeit geleistet. Dank seiner Verwandlungskünste hatte sie vor vier Jahren den Job in Dimitrios Pandakis’ Unternehmen bekommen, und inzwischen war es ihr auch gelungen, sein Vertrauen zu gewinnen. Aber dass sich vielleicht nicht mehr daraus entwickeln würde, daran wollte sie lieber nicht denken.

Eine andere Angst schien allerdings unbegründet zu sein. Denn wenn Dimitrios sie offenbar nicht erkannt hatte, warum sollte sich ausgerechnet Giorgio, sein Vetter in Griechenland, noch an sie erinnern?

Es war jetzt neun Jahre her, dass dieser ihr in stark angetrunkenem Zustand vor dem Seidenmuseum ihrer Eltern zu nahe getreten war. Glücklicherweise hatte jemand an jenem Abend nach ihm Ausschau gehalten und sie schreien gehört.

Dieser gewisse Jemand war Dimitrios gewesen. Er hatte seinen Cousin von ihr weggezerrt und anschließend zu Boden geschlagen, wo dieser bewusstlos liegen geblieben war. Anschließend hatte er ihr aufgeholfen und ihr erklärt, dass er sie unterstützen würde, sollte sie Giorgio verklagen wollen. Sie hatte zitternd dagestanden, war dankbar für die Rettung gewesen und sprachlos vor Verwunderung, dass er sich gegen seinen Vetter auf die Seite einer ihm unbekannten Sechzehnjährigen stellte.

Weder hatte er sie beschuldigt, seinen Cousin ermutigt zu haben, noch hatte er versucht, ihr Schweigen zu erkaufen. Auch hatte er nicht die geringste Angst vor dem Skandal gezeigt, den es zweifellos gegeben hätte, wenn sie ihrem Vater von dem Zwischenfall erzählt hätte. Der Name Pandakis war einfach zu bekannt, sodass die Geschichte für Schlagzeilen gesorgt hätte. Doch Dimitrios war um ihretwillen bereit gewesen, seine Familie dieser peinlichen Situation auszusetzen.

In jenem Moment hatte sie angefangen, ihn zu lieben.

Als sie sich dann wieder einigermaßen gefangen hatte, hatte sie ihm versichert, dass es nicht nötig wäre, die Polizei zu rufen, er früh genug eingeschritten wäre und sie die ganze Sache schnellstmöglich vergessen wollte. Sie hatte ihm noch einmal gedankt, die zerrissene Bluse über der Brust zusammengerafft und war auf ihr Elternhaus zugeeilt.

An der Haustür hatte sie sich noch einmal umgedreht und beobachtet, wie er sich seinen Vetter über die Schulter geworfen hatte. Wie gebannt hatte sie ihm nachgeblickt, bis seine Silhouette in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen gewesen war. Aber auch wenn sie ihn nicht länger vor sich gesehen hatte, war er ihr dennoch im Sinn geblieben.

Als sie schließlich im Bett gelegen hatte, hatte sie sich vorgenommen, ihn irgendwann wieder zu treffen, wenn sie etwas älter wäre. Und dann würde sie versuchen, dafür zu sorgen, dass auch sie ihm nicht mehr aus dem Sinn ging.

Als Dimitrios sich das Hemd zuknöpfte, klopfte jemand an die Schlafzimmertür. Eigentlich konnte das nur die Haushälterin Serilda sein, die sich schon liebevoll um ihn gekümmert hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, und so rief er sie herein.

Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, und verharrte einen Moment mitten in der Bewegung, als er nicht wie üblich mit einem Wortschwall überschüttet wurde. Das konnte nur bedeuten, dass Serilda eines der Hausmädchen mit dem Frühstück geschickt hatte oder es sein geliebter Neffe sein musste.

Leon war jetzt auch schon zweiundzwanzig Jahre alt und erinnerte ihn sowohl äußerlich als auch im Verhalten stark an seinen großen Bruder, der auf der Hochzeitsreise leider tödlich verunglückt war. Wie durch ein Wunder hatte seine schwangere Frau den Unfall überlebt, und auch dem ungeborenen Baby war nichts passiert.

Der kleine Leon war ein glückliches Kind gewesen, hatte als Teenager die üblichen Probleme gehabt und war nun ein lebensfroher junger Mann, der Betriebswirtschaft studierte.

Allerdings war er ihm gestern bei seiner Rückkehr aus China verändert vorgekommen. Sein Neffe suchte normalerweise bei jeder Gelegenheit seine Nähe, um ihm alle Neuigkeiten zu erzählen. Doch dieses Mal hatte Leon ihn nur kurz begrüßt und das Haus danach ohne ein weiteres Wort verlassen. Irgendetwas war mit ihm los. Was es war, würde er, Dimitrios, vielleicht jetzt erfahren.

„Du bist früh auf, Leon“, sagte er laut, während er sich im Ankleideraum das Jackett überstreifte. „Es ist schön, dass du da bist. Ich hätte dich sonst gesucht, denn ich habe dich vermisst und mich schon auf eine Unterhaltung mit dir gefreut.“

Er kam ins Schlafzimmer und blieb verblüfft stehen, als er Ananke im Negligé und Morgenmantel dort stehen sah. Entrüstung machte sich in ihm breit, dass sie es wagte, in seine Privaträume einzudringen.

Gleich von Anfang an hatte er seine Schwägerin nicht gemocht, denn sie hatte seinen Bruder praktisch zur Ehe gezwungen. Als er schließlich die Vormundschaft für den jungen Leon übernommen hatte, hatte ihm die Liebe zu seinem Neffen geholfen, seine Abneigung ihr gegenüber zu unterdrücken und ihre Anwesenheit im Haus zu ertragen. Allerdings würde er wohl nie vergessen, dass diese geldgierige Frau seinen Bruder in ihr Bett gelockt hatte, um von ihm schwanger zu werden, und Leonides letztlich ihretwegen umgekommen war.

Ananke war damals eine frühreife Achtzehnjährige gewesen, die um ihre Reize gewusst und sie glänzend zu nutzen verstanden hatte. Noch heute fanden die meisten Männer sie attraktiv, doch sie interessierte sich nicht für sie.

Dimitrios hatte sich schon mehrfach gefragt, ob sie womöglich darauf hoffte, seine Frau zu werden. Sie hatte zwar der Familie und auch in ihrem Freundeskreis erklärt, dass sie keine zweite Ehe in Betracht ziehen würde, bevor ihr Sohn verheiratet wäre. Er hielt dies allerdings nur für eine Ausrede. Ananke wollte weiter im Haus bleiben, denn kein anderer Mann konnte ihr den Lebensstil der Pandakis bieten.

Neulich auf einem Familienfest hatte sein Vetter Vaso ihm gegenüber einen ähnlichen Verdacht ausgesprochen, und er hatte ihn daraufhin so entsetzt angeblickt, dass Spiros Pandakis’ ältester Sohn das Thema sofort fallen gelassen und seither nicht mehr angeschnitten hatte.

Leider schien Ananke kaum noch Skrupel zu kennen, damit sie ihr Ziel erreichte. Wie konnte sie es wagen, ihn um sieben Uhr morgens in seinem Schlafzimmer aufzusuchen! Aus Liebe zu seinem Bruder und seinem Neffen war er ihr all die Jahre stets höflich begegnet. Aber heute hatte sie eindeutig die Grenzen überschritten und würde seinen Zorn zu spüren bekommen.

„Du hast kein Recht, diesen Teil des Hauses zu betreten, Ananke.“

„Bitte sei nicht böse. Ich muss mit dir reden, bevor du auf Leon triffst. Es ist wichtig.“

Sie sieht aus, als hätte sie geweint, schoss es Dimitrios durch den Kopf. „Wichtig genug, um das Personal, ganz zu schweigen von Leon, auf falsche Gedanken zu bringen?“, fragte er trügerisch leise. „Wenn du von jetzt an etwas mit mir zu besprechen hast, kontaktier mich im Büro.“

„Warte!“, rief sie, als er an ihr vorbei aus dem Zimmer ging und den Flur entlang auf die Haustür zueilte. „Dimi“, flehte sie, um ihn aufzuhalten.

So hatten ihn nur seine Eltern und sein Bruder genannt. Die schmerzliche Erinnerung ließ ihn noch zorniger werden und größere Schritte machen. Er hörte, wie seine Schwägerin, die nur Sandaletten trug, ihm zu folgen versuchte, und war erleichtert, als sie es endlich aufgab.

Kaum hatte er die Haustür hinter sich geschlossen und strebte auf sein Auto zu, als er Leons Stimme hörte. Er drehte sich um und sah seinen Neffen auf sich zukommen.

„Onkel, ich muss mit dir reden. Allein“, fügte Leon in vertraulichem Ton hinzu. „Darf ich dich ins Büro fahren?“

Einen Moment lang verspürte Dimitrios Gewissensbisse, weil er Ananke abgewiesen hatte. Offenbar hatte sie ihn auf etwas aufmerksam machen wollen. Doch dann führte er sich vor Augen, wie rücksichtslos sie sich benommen hatte und dass ihr Verhalten von seinem zweifellos loyalen Personal missverstanden werden musste, und es tat ihm nicht mehr leid, dass er sie stehen gelassen hatte.

„Die Arbeit kann warten. Lass uns einen Ausflug machen und irgendwo zu Mittag essen. Ich rufe Stavros an und sage ihm, dass ich erst am Nachmittag im Büro sein werde.“

„Willst du die Zeit nicht lieber mit einer deiner Freundinnen verbringen? Du bist gerade aus China zurückgekehrt.“

„Keine Frau ist wichtiger als du, Leon.“

„Bist du dir sicher? Als ich neulich Abend im Theater war, ist Ionna auf mich zugekommen und hat sich erkundigt, wann du wieder zurück sein würdest, denn sie müsse dich dringend sprechen. Sie hat mich sogar nach deiner Handynummer gefragt, aber ich habe behauptet, ich wüsste sie nicht auswendig.“

Dimitrios schüttelte den Kopf. „Damit hat sie ihr eigenes Todesurteil unterschrieben.“

„Sie ist eine Schönheit.“

„Das stimmt, doch du kennst meinen Grundsatz. Wenn eine Frau die Initiative ergreift, wende ich mich von ihr ab.“

„Ich halte das für einen guten Grundsatz und habe auch schon selbst danach gehandelt“, erwiderte Leon. „Offengestanden, bin ich froh, dass du heute Morgen lieber mit mir zusammen sein willst.“

Dimitrios umarmte ihn kurz, und wenige Minuten später fuhren sie in die Berge bei Thessaloniki, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den Thermaischen Golf hatte. Und während sein Neffe sich auf die Straße konzentrierte, telefonierte Dimitrios mit seinem Assistenten.

„Stavros, kannst du noch einige Stunden länger ohne mich auskommen?“

„Willst du eine ehrliche Antwort?“

„Immer.“

„Miss Hamilton und ich arbeiten zwar auf verschiedenen Kontinenten, aber seit sie deine Privatsekretärin ist, fange ich an, mich überflüssig zu fühlen.“

„Du bist für das Unternehmen unentbehrlich, Stavros, und das weißt du auch“, erklärte Dimitrios dem Sechsundsechzigjährigen, der seit Jahrzehnten dafür sorgte, dass hier in Griechenland alles wie am Schnürchen lief.

Miss Hamilton war die Assistentin von Mrs. Landau gewesen, seiner Privatsekretärin in New York. Nach deren plötzlichem Tod vor sechs Monaten hatte Miss Hamilton diese Position übernommen und sich bestens bewährt. Sie war eine ausgesprochen kreative Frau, die nicht nur wie besessen arbeitete, sondern zugleich auch sehr effektiv. Zweifellos war sie keine Schönheit, besaß allerdings ein außerordentlich angenehmes Wesen. Sie vereinte viele Fähigkeiten in sich – zu viele, als dass man sie in eine Schublade hätte stecken können. Mrs. Landau hatte wieder einmal hervorragendes Gespür bewiesen, als sie sie eingestellt hatte.

Während der einwöchigen Geschäftsreise nach China hatte er Miss Hamilton genau beobachten können. Sie hatte wie viele Frauen einen Blick für Einzelheiten, dachte aber wie ein Mann. Und am allerbesten war, dass sie sich nicht für ihn interessierte.

„Miss Hamilton bringt ihre eigene Genialität ins Unternehmen ein, wie du es einst vor vielen Jahren getan hast und noch immer tust. Du hast mich ausgezeichnet an meine Aufgaben herangeführt, Stavros. Ich freue mich schon auf nächste Woche, wenn ihr beide euch kennenlernt. Sie hat große Hochachtung vor dir.“

„Ich bin auch schon ganz gespannt auf dieses amerikanische Muster an Tugendhaftigkeit. Es ist, als würden sich Frühling und Winter begegnen.“

„Sommer und Winter würde ich sagen, denn Miss Hamilton ist Ende dreißig. Stavros, du klingst ungewöhnlich sentimental.“

„Das kommt in meinem Alter zuweilen vor.“

Dimitrios lachte, erkannte allerdings, dass sein Assistent hinter der humorigen Bemerkung seine Verletzlichkeit verbarg. Vielleicht konnte er ihm helfen, indem er Miss Hamilton gegenüber andeutete, sie möge Stavros im Rahmen der Messe eine wichtige Aufgabe überlassen.

„Auch wenn wir uns verstehen, erlaube ich dir nicht, vor mir in den Ruhestand zu gehen. Bis später.“

„Was ist los mit Stavros?“, erkundigte sich Leon, sobald Dimitrios die Verbindung unterbrochen hatte.

„Ihm wird plötzlich bewusst, dass er älter wird“, antwortete er, während er es sich auf dem Beifahrersitz bequem machte.

„Ich weiß, wie er sich fühlt“, erwiderte Leon, und Dimitrios hätte gelacht, hätte sein Neffe nicht so ernst geklungen.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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