Inselfieber

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Stürmisch erwidert die bekannte Schauspielerin Rosalind Marlow die Küsse des charmanten Luke, der wie sie Urlaub auf einer malaysischen Insel macht. Bis sie merkt, dass Luke jeden ihrer Schritte notiert. Hat sie sich in einen Skandalreporter verliebt, der sie nur benutzt?


  • Erscheinungstag 30.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779672
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich soll das Land verlassen?“

Rosalind Marlow, die in dem eleganten Wohnzimmer ihrer Eltern auf und ab gegangen war, blieb stehen und schaute ihre Mutter bestürzt an.

„Nur für kurze Zeit, Schatz.“ Nachdem Constance Marlow ihren Tee ausgetrunken hatte, lehnte sie sich auf der Couch zurück, ohne sich von dem wütenden Gesichtsausdruck ihrer Tochter aus der Ruhe bringen zu lassen. „Nur bis sich die Aufregung etwas gelegt hat.“

„Soll das heißen, dass ich weglaufen soll?“, entgegnete Rosalind ungläubig. Ihre Eltern hatten sie und ihre fünf Geschwister nach dem Grundsatz erzogen, dass man immer die Verantwortung auf sich nehmen musste, egal, wie schmerzhaft oder peinlich es auch sein mochte. Erwartete ihre Mutter jetzt etwa, dass sie dafür ihren guten Ruf aufs Spiel setzte?

Rosalind blickte Hilfe suchend zu ihrem Vater, doch er zuckte lediglich die Schultern, als wollte er damit sagen, er wäre ohnehin Wachs in den Händen ihrer Mutter. Das war er natürlich auch, aber nur, wenn es ihm gerade in den Kram passte. Als renommierter Theaterregisseur mit über dreißig Jahren Berufserfahrung verfügte Michael Marlow über die Fähigkeit, die zumeist egozentrischen Schauspielerinnen und Schauspieler zu beherrschen, mit denen er sowohl beruflich als auch privat zu tun hatte – seine berühmte Frau eingeschlossen.

„Betrachte es einfach als Urlaub, Schatz“, erwiderte ihre Mutter leise. „Du musst zugeben, dass es eine Ewigkeit her ist, seit du das letzte Mal richtig Urlaub gemacht hast. Und nach deinem letzten Engagement hast du dir wirklich eine Erholungspause verdient.“

Rosalind schauderte bei der Erinnerung an ihren letzten Abstecher in die Filmbranche, der sie nur in der Annahme bestätigt hatte, dass sie wie ihre Mutter eher für die Bühne als für den Film geboren war. Obwohl sie sich für vielseitig genug hielt, um alles zu bewältigen, hatte es ihr im Grunde nie Spaß gemacht, vor der Kamera zu agieren, wo alles in kurzen Einstellungen festgehalten wurde und irgendein namenloser Cutter letztendlich darüber bestimmte, wie man eine Rolle interpretierte.

Es war ein Fehler gewesen, die weibliche Hauptrolle in dem ambitionierten Film anzunehmen. Doch die Regisseurin, eine alte Freundin von der Schauspielschule, hatte sie in einem schwachen Moment erwischt und sie davon überzeugt, dass es Spaß machen würde, wieder zusammenzuarbeiten.

Von wegen Spaß! Da sie alle gefährlichen Szenen ohne Double gedreht hatte, hatte sie sich das Handgelenk gebrochen und wäre beinahe von Haien gefressen worden!

„Es geht ums Prinzip.“ Rosalind fuhr sich durch das kurze rote Haar, das einen scharfen Kontrast zu ihrer hellen Haut und dem schwarzen Rollkragenpullover bildete. „Warum sollte ich die Flucht ergreifen? Schließlich habe ich nichts getan.“

„Natürlich hast du nichts getan“, beschwichtigte ihre Mutter sie.

Rosalind war völlig frustriert. Sie wusste, dass ihre Mutter ihre Schuldgefühle schamlos ausnutzte, aber sie hatte ein Versprechen gegeben, das sie auf keinen Fall brechen wollte. Allerdings konnte sie ihren Lieben keinen Vorwurf daraus machen, dass sie versuchten, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen.

„Und selbst wenn es so wäre, weißt du, dass du auf uns zählen könntest“, bemerkte ihr Vater leise.

„Ich würde es euch ja erzählen, wenn ich könnte“, platzte Rosalind heraus. „Ihr müsst mir einfach glauben, dass ich nichts getan habe, dessen ich mich schämen müsste.“

Bewusst vermied sie es, zum Couchtisch zu schauen, auf dem diverse Revolverblätter lagen. In den Schlagzeilen wurde sie als Sexkätzchen bezeichnet, als Mannweib, als armes Kind, das sich nach Liebe sehnte, weil es von seiner Familie zu wenig bekommen hatte, und als hilfloses Werkzeug Außerirdischer, die die Herrschaft über die Erde anstrebten.

„Ich dachte, darüber wären wir uns schon einig“, ließ sich ihr ältester Bruder Hugh vernehmen, der auf der Fensterbank saß. Bisher hatte er seine Frau und seine drei kleinen Kinder im Garten beobachtet, aber nun betrachtete er nachdenklich seine Schwester. „Dadurch, dass du dich geweigert hast, irgendwelche Fragen zu beantworten, hast du der Presse Anlass zu den wildesten Spekulationen gegeben.“

„Ich habe eine Erklärung abgegeben, das hätte genügen müssen. Du bist doch Anwalt. Kann ich keine gerichtliche Verfügung erwirken, damit sie mich in Ruhe lassen?“

Sie ging zum Fenster und schaute hinaus. Sicher warteten die Reporter, die sie seit einer Woche verfolgten, immer noch vor dem Tor. Doch nachdem Hugh ihnen damit gedroht hatte, sie wegen unbefugten Betretens verhaften zu lassen, klopften sie wenigstens nicht mehr an die Tür. Im Gegensatz zu ihren anderen, leiblichen Geschwistern, die alle groß und schlank waren, wirkte er nämlich allein durch seine stämmige Statur Furcht einflößend.

Er zuckte die Schultern. „Vielleicht, aber das würde sie dir lediglich vom Leib halten, denn sie könnten weiterhin über dich berichten, und dich in der Öffentlichkeit fotografieren. Wahrscheinlich würdest du damit genau das Gegenteil erreichen. Sie könnten damit argumentieren, dass das öffentliche Interesse wegen der politischen Folgen Priorität vor deiner Privatsphäre hat …“

„Aber das Ganze hat überhaupt nichts mit Politik zu tun“, wandte Rosalind wütend ein.

„Oh doch, weil die Frau eines Politikers darin verwickelt ist“, widersprach Hugh. „Wegen der bevorstehenden Nachwahl werden alle Seiten versuchen, die Publicity zu ihren Gunsten auszuschlachten.“

„Mir ist allerdings nicht klar, was es nützen soll, wenn ich weglaufe.“ Ihre grünen Augen funkelten vor Zorn. „Sicher werden die Leute mich doch für schuldig halten.“

„Na und? Das tun sie sowieso“, ließ sich nun Richard vernehmen, der der Länge nach neben dem Sofa lag und gerade den Angriff seiner beiden Kinder abwehrte.

„Lass es dir von jemandem sagen, der es weiß, Roz. Für die Regenbogenpresse bist du ein gefundenes Fressen: eine bekannte Schauspielerin mit einem traumhaften Körper, die für ihre Ausschweifungen bekannt ist. Wenn die Geschichte nicht mehr interessant ist, brauchen sie nur einen Schnappschuss von dir in irgendeinem Fummel, und schon bist du auf Seite drei …“

„Nicht vor den Kindern, Richard“, schalt seine Mutter und gab ihm dabei einen Klaps aufs Knie.

Richard lächelte jungenhaft, wodurch er viel jünger als dreißig wirkte, und setzte sich auf. „Solange du hier bist, werden sie dich nicht in Ruhe lassen, Roz. Es wird eher schlimmer, und wir müssen alle mit dir leiden.“ Er machte eine ausholende Geste.

Rosalind war in dem Glauben zu ihren Eltern gefahren, dass sie ruhig mit ihnen zusammensitzen und Tee trinken würde. Stattdessen hatte sie jedoch den ganzen Marlow-Clan angetroffen. Die einzigen, die fehlten, waren ihr Bruder Steve, der Komponist war und gerade in Hollywood an einer Filmmusik arbeitete, und ihr jüngster Bruder Charlie, der Automechaniker bei einem Rennwagenteam war, und gerade in Übersee weilte.

Normalerweise war Rosalind froh darüber, aus einer Familie zu kommen, in der ein so starker Zusammenhalt bestand. Momentan allerdings fühlte sie sich nur zusätzlich unter Druck gesetzt.

Leider hatte ihre Familie immer noch nicht gemerkt, dass sie, Rosalind, mit siebenundzwanzig Jahren längst erwachsen war. Sicher, sie war immer noch kontaktfreudig und gesellig und bei allem, was sie machte, mit ganzem Herzen bei der Sache. Manche Leute hielten ihre übersprudelnde Lebensfreude vielleicht für Leichtsinn, aber ihre Familie hätte es eigentlich besser wissen müssen.

In den letzten fünf Jahren hatte Rosalind ihre Energie hauptsächlich auf ihren Beruf verwandt. Sie hatte zwar immer noch einige ziemlich wilde Freunde, doch es war lange her, seit sie das letzte Mal eine Dummheit begangen hatte.

Nun blickte sie in die Ecke, wo Olivia mit ihrem Mann, Jordan Pendragon, saß.

Normalerweise war Olivia auf ihrer Seite, aber an diesem Tag wirkte sie seltsam reserviert. Wie Richard und Steve waren Olivia und Rosalind zweieiige Zwillinge und hatten sich immer sehr nahe gestanden, bis Olivia im Vorjahr geheiratet hatte.

Obwohl Olivia Künstlerin war und daher häufig in höheren Regionen schwebte, hatte Rosalind das Gefühl, dass ihre Schwester diesmal absichtlich so distanziert war, und das verletzte sie. Nichts war mehr so wie vorher. Kein Wunder, dass sie mit ihren Nerven am Ende war.

„Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm wird.“ Rosalind schob die Hände in die Taschen ihrer engen schwarzen Jeans. „Das Ganze hat ungeahnte Ausmaße angenommen … nur weil ein geldgieriger Hotelangestellter seine Version der Ereignisse an den Meistbietenden verkaufen musste. Warum können die Leute sich nicht um ihre Angelegenheiten kümmern?“

„Du bist eine Person des öffentlichen Interesses“, sagte Richard ungerührt. „In meinem Büro steht das Telefon nicht still, und ich bin es langsam leid, Interviews zu geben, die sich als reine Zeitverschwendung erweisen – ganz zu schweigen davon, dass ich Sicherheitsbeamte engagieren musste, die die Reporter von meinen Schauspielern und Mitarbeitern fern halten.“

„Ich dachte, du glaubst, dass Publicity immer gut ist.“ Rosalind blickte demonstrativ von ihm zu seiner Frau Joanna, um ihn daran zu erinnern, wie er diese mit Hilfe der Klatschspalten dazu gedrängt hatte, seinen Heiratsantrag anzunehmen.

„Wenn es um mich geht, ja“, bestätigte er trocken. „Aber es macht mich wahnsinnig, all die Fragen über dich zu beantworten. Ich hinke sowieso schon dem Terminplan hinterher und kann keine Störungen mehr am Set gebrauchen.“

Natürlich hätte sie sich denken können, dass sein kostbarer Film ihn mehr interessierte als ihre Probleme. Wütend beobachtete sie, wie Richard seine beiden rothaarigen Söhne abzuwehren versuchte, die immer noch an seinem Pullover zerrten.

„Hör auf, an Daddys Pullover zu nuckeln, Sean“, schalt er. „Und du auch, David. Du musst deinem Bruder nicht immer alles nachmachen.“

Wie üblich ignorierten die Zwillinge seine Aufforderung, bis ihre Mutter sie leise ermahnte. Richard blickte ihnen zerknirscht lächelnd nach, als sie zu ihr krabbelten, und stand dann auf. Schließlich wandte er sich wieder an Rosalind.

„Ich schlage dir vor, dass du für eine Weile verschwindest, bis sich die erste Aufregung gelegt hat. Da du zurzeit kein Engagement hast, brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen, dass du deine Arbeit vernachlässigst“, fügte er ein wenig schadenfroh hinzu.

„Ich habe nur eine kreative Pause eingelegt“, informierte Rosalind ihn herablassend, denn sie hatte fast kontinuierlich gearbeitet, seit sie die Schauspielschule abgeschlossen hatte. „Ich kann momentan unter mehreren Angeboten wählen.“

„Aber du hast doch gesagt, dass alle Engagements erst in einigen Wochen beginnen“, mischte ihre Mutter sich ein. „Also warum nutzt du die Zeit nicht? Dein Vater und ich kennen den perfekten Ort für dich: friedlich, exotisch und warm. Und er ist herrlich abgelegen.“

„Es ist doch keine Insel, oder?“, erkundigte Rosalind sich misstrauisch. „Von abgelegenen Inseln habe ich nämlich ein für alle Mal genug.“

Der Film, den sie gerade gedreht hatte, spielte an einem solchen vermeintlich idyllischen Ort. Auf der im Südpazifik gelegenen Insel hatte das Filmteam buchstäblich in der Wildnis gezeltet und unter den primitivsten Bedingungen arbeiten müssen. Zu allem Überfluss war ein subtropischer Zyklon über die Insel hinweggefegt, und bei den Unterwasserszenen war ihr ein Hai bedrohlich nahe gekommen.

Umso erleichterter war sie gewesen, als sie unversehrt nach Neuseeland zurückgekehrt war. Doch sie war vom Regen in die Traufe gekommen.

„Es wird dir gefallen“, versicherte ihre Mutter. „Dein Vater und ich haben eine unserer Hochzeitsreisen dorthin gemacht. Es ist das reinste Paradies – eine wundervolle Landschaft und herrliches Wetter. Der perfekte Zufluchtsort.“

„Und wo genau liegt dieses Paradies?“, fragte Rosalind missmutig.

„Tioman Island“, erwiderte ihre Mutter genüsslich.

„Ist das in der Nähe des Großen Barriereriffs?“

Joanna, die Lehrerin war, machte einen gequälten Gesichtsausdruck. „Es liegt im Südchinesischen Meer.“

„Ach so …“ Rosalind schloss die Augen, während sie versuchte, an Asien zu denken. Doch sie sah nur die Szenen vor sich, die sich in Zimmer vierhundertfünf im Harbour Point Hotel in Wellington abgespielt hatten … Peggy Staines, die sich unter Schmerzen auf dem zerwühlten Doppelbett wand, die verzweifelten Rettungsversuche der Sanitäter und die neugierigen Blicke der Hotelangestellten und Gäste, als sie, Rosalind, die auf dem Fußboden verstreuten Geldscheine aufsammelte.

„Es liegt vor der Ostküste von Malaysia, im Nordosten von Singapur“, half ihr Vater ihr auf die Sprünge.

„Du hast sicher davon gehört, Schatz“, erklärte ihre Mutter. „Es ist ziemlich bekannt. Sie haben Teile von South Pacific dort gedreht. Erinnerst du dich an die Szene mit dem Wasserfall? Das wurde auf Tioman gedreht.“

Rosalind öffnete die Augen wieder. Sie liebte alte Musikfilme. Sie hatte eine gute Stimme und hatte bereits bei mehreren Musicals auf der Bühne mitgewirkt, unter anderem auch bei South Pacific. An die Szene mit dem Wasserfall erinnerte sie sich noch sehr gut. Obwohl sie sich dagegen wehrte, war sie neugierig geworden.

„Wenn die Insel bekannt ist, ist sie vermutlich völlig überlaufen“, beharrte sie. „Ich hasse Touristenfallen.“

„Komisch, als du mich in L. A. besucht hast, warst du aus Disneyland gar nicht mehr wegzubekommen“, erinnerte sie Richard, der mehrere Jahre in Los Angeles gelebt und als Schauspieler gearbeitet hatte, bevor er Regisseur geworden war.

Rosalind zeigte ihm die Zunge. „Disneyland ist anders.“

„Tioman auch“, beeilte ihre Mutter sich zu sagen. „Es gibt dort einige Urlaubsorte, aber ansonsten ist die Insel noch weitgehend unberührt, und das Leben ist sehr ruhig. Niemand kennt dich dort, und es ist überhaupt nicht gefährlich. Ich glaube, ich habe hier irgendwo noch Prospekte … Wo habe ich sie bloß hingelegt? Michael, hast du sie gesehen?“

Sie schaute sich um und befestigte dabei eine Strähne ihres roten Haars, die sich aus dem Knoten gelöst hatte. Misstrauisch beobachtete Rosalind, wie ihr Vater den Stapel Prospekte hervorholte, der ganz zufällig unter einer der Zeitungen auf dem Couchtisch lag.

Ihr Misstrauen wuchs, als alle sich begeistert auf die Hochglanzbroschüren stürzten und ihr anschließend die Attraktionen der Insel beschrieben – unberührte Regenwälder, weiße Korallenstrände, klare tropische Gewässer, in denen man tauchen konnte, und die köstliche malaysische Küche.

„Hier steht, dass Tioman schon vor zweitausend Jahren in der arabischen Literatur erwähnt wurde“, bemerkte Hugh. Er blätterte gerade in einem Buch, das offensichtlich aus der Bücherei stammte. Rosalind glaubte nicht mehr an einen Zufall.

„Man braucht nicht einmal ein Visum für Malaysia“, sagte Olivia, die das Kleingedruckte auf der Rückseite eines Prospekts las. „Dein Pass ist doch noch gültig, oder, Roz?“

„Natürlich ist er gültig. Roz ist es gewohnt, mit leichtem Gepäck zu reisen. Sie kann jederzeit abfliegen, stimmt’s, Schatz?“, fragte ihre Mutter.

Rosalind fand, dass es an der Zeit war, ein Machtwort zu sprechen.

„Selbst wenn ich mit dem Gedanken spielen würde, dorthin zu reisen, würde ich sicher kein Zimmer finden“, erklärte sie. „Und bei den Flügen Richtung Osten gibt es sogar Wartelisten für die Wartelisten. Außerdem habe ich in diesem Monat kein Geld mehr …“

Obwohl sie vor einigen Jahren ein beträchtliches Treuhandvermögen geerbt hatte, rührte sie dieses kaum an und bestritt ihren Lebensunterhalt vorrangig von ihrem Verdienst, weil sie ohnehin nicht so gut mit Geld umgehen konnte. Außerdem waren Theaterschauspieler traditionsgemäß arm, und es ging ihr gegen den Strich, mit ihrem unverdienten Reichtum zu protzen. So lebte sie genügsam in dem Bewusstsein, dass ihre Altersvorsorge gesichert war.

„Als mir klar war, dass du einen Zufluchtsort brauchst, habe ich Jordan gebeten, seinen Einfluss bei der Pendragon Corporation geltend zu machen“, sagte ihre Mutter. „Er hat bereits durch die Reiseabteilung alles für dich gebucht. Die Touristenklasse war natürlich ausgebucht, daher wirst du erster Klasse fliegen … Zieh nicht so ein Gesicht. Wegen der Kosten brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich habe alles mit der Kreditkarte deines Vaters bezahlt, und selbst auf Tioman brauchst du immer nur zu unterschreiben. Hier sind deine Tickets und alle wichtigen Unterlagen. Übermorgen kannst du fliegen, und vor dir liegen drei herrliche Wochen.“

Verwirrt nahm Rosalind die blaue Mappe entgegen, die ihre Mutter ihr reichte. „Du hast schon für mich gebucht?“, fragte sie mit bebender Stimme, während sie darin blätterte. Sie wusste nicht, ob sie sich angesichts der hohen Preise über die Großzügigkeit ihrer Eltern freuen oder ob sie beleidigt sein sollte. „Und was erwartet ihr jetzt von mir?“

Ihre Mutter lächelte und sprang auf, um sie zu umarmen. „Du brauchst dich nicht bei uns zu bedanken, Schatz. In Zeiten wie dieser sollte die Familie zusammenhalten …“

Rosalind befreite sich aus ihrer Umarmung. „Zusammenhalten? Das ist glatte Bestechung!“

„Wir dachten, es wäre ein schönes verfrühtes Geburtstagsgeschenk“, warf ihr Vater ein.

„Mein Geburtstag ist erst in sieben Monaten“, erinnerte sie ihn spöttisch.

Daraufhin änderte Constance Marlow ihre Taktik. „Wir sind sehr stolz darauf, dich als Tochter zu haben. Wir wollen nur nicht, dass du unnötig verletzt wirst. Und was du da auf dich nimmst, ist wirklich unnötig, es sei denn, du möchtest gern die Märtyrerin spielen. Die meisten Kinder wären entzückt, wenn ihre Eltern ihnen einen Urlaub spendieren würden …“

„Ich ganz bestimmt.“ Richard seufzte sehnsüchtig.

„Für das nächste Wochenende hat man eine Kaltfront vorhergesagt“, verkündete Michael Marlow. „Der Winter soll mit Macht hereinbrechen.“

„Tioman scheint ein richtiges Paradies zu sein.“ Olivia lächelte, aber es wirkte ein wenig gequält.

Sie sah viel eher aus, als könnte sie einen Urlaub gebrauchen, und am liebsten hätte Rosalind es ihr gesagt. Als sie jedoch sah, dass Jordan seine Frau besorgt betrachtete, überlegte sie es sich anders.

„Du solltest deine Freiheit nutzen“, riet Joanna, während sie einen angekauten Zwieback aufhob. „Wenn du erst mal Kinder hast, ist Urlaub eher wie ein militärisches Manöver.“

Wie aufs Stichwort kamen in dem Moment Hughs Kinder ins Wohnzimmer gestürmt, gefolgt von ihrer zierlichen, blonden Mutter. Alle drei Sprösslinge waren im Vorschulalter.

„Oh, du fliegst also nach Tioman? Das ist ja toll!“, rief Julia atemlos, als sie die Mappe in Rosalinds Hand sah. „Ich habe Hugh gesagt, dass du es tust, und sei es nur, um diesen Reportern ein Schnippchen zu schlagen. Einer von diesen Klatschkolumnisten ist uns gestern sogar in den Supermarkt gefolgt und hat versucht, mit Suzie zu reden, als ich sie mit dem Wagen einen Moment allein gelassen habe.“ Sie zauste Suzie, die an ihrem Bein lehnte, den lockigen braunen Schopf. „Zum Glück hat sie ihn mit ihrem Lieblingswort bombardiert.“

Suzie blinzelte Rosalind aus ihren großen blauen Augen an. „Nein!“, schrie sie stolz. „Nein! Nein! Nein!“

Julia lachte. „Sie hat so einen Krach gemacht, dass der arme Kerl Mühe hatte, die Leute davon zu überzeugen, dass er kein Perverser ist.“

Rosalind lächelte schwach. Das ist typisch für mich, ging es ihr durch den Kopf. Ich war so mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, dass ich mich blind auf die Unterstützung meiner Familie verlassen habe, ohne daran zu denken, was es für sie bedeutet. Vielleicht sollte ich doch die Flucht ergreifen.

Andererseits erschien es ihr gefühllos in Anbetracht der Tatsache, dass Peggy Staines immer noch im Wellington Hospital auf der Intensivstation lag und mit dem Tode rang. Doch sie konnte ihr ohnehin nicht helfen – im Gegenteil. Wenn Peggy erfuhr, dass sie in der Nähe war, erlitt sie womöglich einen zweiten Herzinfarkt.

Rosalind hatte lediglich im Warteraum einige mitfühlende Worte an Donald Staines gerichtet und ihm erzählt, was passiert war. Nach dem Grund hatte er allerdings nicht gefragt. Anschließend war sie nach Auckland zurückgeflogen, bevor er oder ein anderes Mitglied der Familie Staines sich von dem Schock erholt hatte, und sich nach Einzelheiten erkundigen konnte. Falls Peggy je wieder gesund wurde, würde sie, Rosalind, aus Gewissensgründen den Mund halten.

Zum Glück hatte man nicht die Polizei eingeschaltet. Sie hatte jedoch das ungute Gefühl, dass sie irgendwann nicht mehr schweigen konnte, wenn die Publicity immer schlimmer wurde, und entweder die Staines oder ein Mitarbeiter des Geheimdiensts unangenehme Fragen zu stellen begannen.

„Und, was sagst du dazu, Schatz?“, hakte ihre Mutter nach. „Ich verstehe nicht, dass du noch zögerst …“

Als Rosalind sich umschaute und in die erwartungsvollen Gesichter ihrer Verwandten blickte, fühlte sie sich plötzlich verletzlich. Es war ein vertrautes Gefühl, das sie lähmte, aber sie war entschlossen, es zu bekämpfen.

Überraschenderweise kam Jordan ihr zu Hilfe. Als er aufstand, wirkte sogar Hugh klein neben ihm.

„Ich finde, wir sollten Roz die Gelegenheit geben, erst einmal in Ruhe über alles nachzudenken und sich zu gegebener Zeit zu entscheiden“, erklärte er mit der Ungezwungenheit eines Mannes, der sich seiner Autorität bewusst war.

Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu. Er kam zu ihr und umfasste ihren Arm. „Ich bringe dich jetzt nach Hause, Roz. Hier, nimm das mit.“ Nachdem er ihr einen Stapel Prospekte in die Hand gedrückt hatte, nahm er ihre Tasche vom Stuhl und hängte sie ihr über die Schulter. „Am besten lässt du deinen Wagen hier stehen und kletterst über den Zaun. Ich sammle dich dann in der nächsten Straße ein.“

„Aber ich brauche meinen Wagen nachher noch“, wandte sie ein, als er sie zur Tür dirigierte. Obwohl Jordan und sie sehr höflich miteinander umgingen, hatte sie immer Distanz zu ihm gewahrt. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Olivia ihren Mann besorgt beobachtete.

„Einer deiner Brüder kann ihn dir später vorbeibringen“, sagte er. „So bist du die Reporter wenigstens für eine Weile los.“

Die Vorstellung war natürlich verlockend. „Na ja … Okay, danke.“ Rosalind warf einen Blick über die Schulter. „Kommst du, Olivia?“

„Olivia möchte lieber hier bleiben und mit Connie plaudern, stimmt’s, Schatz?“, meinte Jordan, als seine Frau zu einer Antwort ansetzte. „Wir fahren nämlich heute Abend nach Taupo zurück, und da sie demnächst die Ausstellung hat, wird sie wohl erst mal nicht herkommen …“

Ehe Rosalind sich versah, fand sie sich in der Eingangshalle wieder. „Was soll das?“, fragte sie erbost, als er sie praktisch durch die Hintertür hinausschubste. „Hast du gesehen, wie misstrauisch Olivia gewirkt hat?“

„Vielleicht denkt sie, du versuchst wieder, mich zu verführen“, bemerkte er spöttisch, während er ihr den Rückweg versperrte.

Obwohl sie normalerweise nie errötete, schoss ihr nun das Blut in die Wangen, als sie sich an eine der peinlichsten Begegnungen ihres Lebens erinnerte. „Du weißt genau, dass es ein Missverständnis war. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihr beide euch schon kanntet, als ich mich für Livvy ausgab. Außerdem ist gar nichts passiert …“

„Ja. Zwischen uns knistert es nicht einmal. Ich weiß es, du weißt es, und Olivia weiß es auch. Denn sogar als ich dich für sie gehalten habe und wollte, dass du mich anturnst, hast du versagt.“

„Vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass du genauso versagt hast“, entgegnete sie unwirsch, bevor sie sich aus seinem Griff befreite.

Jordan lächelte jungenhaft. „Stimmt. Und nachdem wir das endlich zur Sprache gebracht haben, können wir vielleicht etwas lockerer miteinander umgehen.“

Rosalind lächelte ebenfalls. „Na ja, wenn du akzeptierst, dass du überhaupt kein Sex-Appeal hast, kann ich es auch.“ Sie drückte sich bewusst doppeldeutig aus.

„Wie großzügig von dir! Soll ich dir über den Zaun helfen, oder schaffst du es allein?“

Da sie einen Meter fünfundsiebzig maß, war sie es nicht gewohnt, von Männern wie ein Porzellanpüppchen behandelt zu werden, und lehnte sein Angebot daher dankend ab. Als sie wenige Minuten später in einer ruhigen Sackgasse auf der anderen Seite des Nachbargrundstücks wartete und sich die zerschrammten Handflächen abwischte, dachte sie zerknirscht daran, dass sie allmählich anfangen sollte, sich wie eine erwachsene Frau zu benehmen.

Wie sich herausstellte, fuhr Jordan einen Geländewagen, der kaum weniger Aufsehen erregend war als ihr leuchtend grüner Wagen. Doch die Reporter hatten ihn tatsächlich ungeschoren davonkommen lassen.

„So, und jetzt möchte ich wissen, was der eigentliche Grund dafür ist, dass du mich nach Hause bringst“, sagte Rosalind leise, während sie in Richtung City fuhren. „Es ist wegen Livvy, nicht? Sie macht so einen … distanzierten Eindruck …“

Rosalind beobachtete, wie Jordan den Griff um das Lenkrad verstärkte. Da er Bildhauer war, hatte er zahlreiche Narben an den Händen.

„Sie ist schwanger“, erklärte er unverblümt.

Unwillkürlich erschauerte Rosalind. Ihr war, als hätte man ihr einen Schlag versetzt.

„Schwanger?“, flüsterte sie. Olivia … ihre Zwillingsschwester … ihre andere Hälfte würde ein Kind bekommen?

Rosalind war schockiert. Was sie empfand, wollte sie lieber nicht näher ergründen.

Autor

Susan Napier

Passend für eine Romance-Autorin wurde Susan Napier genau an einem Valentinstag, in Auckland, Neuseeland, geboren. Mit 11 Jahren veröffentlichte sie ihre erste Geschichte, und als sie die High School abschloss, wusste sie, dass sie hauptberuflich Autorin werden wollte.

Zuerst arbeitete sie für den Auckland Star, und hier traf sie...

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