Kann es wieder Liebe werden?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Als Nick Konrads den in der Nähe von Sydney gelegenen Landsitz Bellemont der ehemals reichen Sheffields kauft, will er sich an ihnen rächen. Doch dann trifft er Suzanah Sheffield, seine erste große Liebe, wieder - und erkennt, dass er der hinreißenden Frau niemals wehtun kann …


  • Erscheinungstag 11.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759025
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es gibt sie, die seltsamen plötzlichen Vorahnungen. Die Gewissheit aus heiterem Himmel, für die es keine wissenschaftliche Erklärung gibt. Dennoch wusste Nick Konrads in dem Moment, als seine Sekretärin Bebe in sein Büro kam und die neueste Ausgabe des Luxusimmobilienmagazins Preview durchblätterte, was sie darin finden würde.

Zum Teufel mit dir, Suzannah! dachte Nick. Warum musst ausgerechnet du erneut in mein Leben treten?

„Ich denke, hier finden wir, was Sie suchen, Nick“, erklärte Bebe zufrieden, ohne von den farbigen Hochglanzseiten aufzublicken. Bebe Marshall war achtundvierzig, fröhlich, begeisterungsfähig, unerhört tüchtig und loyal. Obwohl sie sich um ihre behinderte Mutter kümmern musste, hatte sie mit ihm den Absprung von Ecos Solutions gewagt, als er vor vier Jahren seine eigene Firma für Informationstechnik gegründet hatte. Seitdem hatten sie nicht mehr zurückgeblickt. Inzwischen war er mehrfacher Millionär. Bebe hatte ihre Mutter in einem erstklassigen Pflegeheim unterbringen können und war jetzt wohlhabend genug, um nicht mehr berufstätig sein zu müssen. Auch die übrigen Mitglieder seines hoch qualifizierten, brillanten jungen Teams teilten seine kühnen Zukunftsvisionen und wurden für ihre unermüdliche Arbeit fürstlich bezahlt. Konrads hatte sich anfangs einen Namen mit einem neuartigen Computerprogramm gemacht, das die Arbeit von Pathologen bei der DNA-Analyse erheblich beschleunigte. Nicks jüngstes Projekt, an dem sein gesamter Stab arbeitete, galt dem Aufbau einer internationalen Datenbank, in die medizinische Fachleute aus aller Welt Daten aus allen Bereichen der Gentechnik, einschließlich Gentests, zur Klassifizierung und Entwicklung von Genmutationen einspeisten und laufend auf den neuesten Stand brachten. Die Erkenntnisse dieser wichtigen und tief greifenden Arbeit würden nicht nur die medizinische Welt, sondern auch Juristen und Gesetzgeber entscheidende Schritte voranbringen.

Sein Geistesprodukt.

„He, was ist?“ Bebe war bewusst geworden, dass das Schweigen drückend wurde. Es war Viertel vor acht. Sie war besonders zeitig ins Büro gekommen, um Liegengebliebenes aufzuarbeiten, doch wie gewöhnlich hatte Nick bei ihrer Ankunft bereits an seinem Schreibtisch gesessen. „Schlafen Sie überhaupt nicht?“ Mütterlich und sehnsüchtig zugleich betrachtete sie ihn.

„Meine liebe Bebe, ich arbeite hier. Das wissen Sie doch. Außerdem brauche ich nicht viel Schlaf.“ Er stand auf und reckte sich.

„Das kommt davon, wenn man ein Genie ist.“ Bebe schüttelte den Kopf und sah Nick bewundernd an. Nick Konrads war ein erstaunlicher Mann. Die Verkörperung von Macht und schöpferischer Energie. Er überragte alle, obwohl es in seinem Team mehr als genug brillante Köpfe gab. All seine Mitarbeiter hatten in Informatik promoviert. Sie war heute noch dankbar für den Tag, an dem sie Nick begegnet war, der als junges Genie frisch von der Universität zu Ecos gekommen war. Nicht, dass er sich dort lange hätte ausnutzen lassen. Er war der geborene Erfolgsmensch mit allen Voraussetzungen für eine atemberaubende Karriere: ein wahres Computer- und Mathematikgenie, überzeugend durch bestimmtes Auftreten, eine dynamische Persönlichkeit, überragende Führungsqualitäten und Kameradschaftsgeist. Alle bei Konrads empfanden es als Privileg, dort arbeiten zu dürfen. Nick war ein großartiger Chef, der alle in wichtige Projekte einbezog. Er hatte seine glanzvolle Karriere verdient, obwohl es in der Branche auch viele Neider gab, die ihm den meteorhaften Aufstieg nicht gönnten. Nick war ein Überflieger, ein Mann, der unter enormem Druck arbeitete.

Das erinnerte Bebe daran, warum sie die neueste Ausgabe des Preview gekauft hatte. Nick brauchte einen Zufluchtsort. Einen angemessenen Wohnsitz, an den er sich zurückziehen und mit seinen Freunden entspannen konnte. Sie war es gewesen, die ihn davon überzeugt hatte, und sie war stolz auf sich, weil er ihren Vorschlag gut gefunden hatte.

„Nun verraten Sie mir endlich, welche Grundstücke Sie mir zeigen wollen.“ Nick ging zur Fensterfront, die einen malerischen Blick über Sydney und das in der Sonne glitzernde blaue Meer bot. Bilder aus der Vergangenheit tauchten vor seinem geistigen Auge auf … Erinnerungen an die Zeit, als er zehn gewesen war und seine Eltern in der friedlichen, wohlhabenden kleinen Stadt Ashbury im Norden von Neusüdwales gewohnt hatten. Er war in Wien zur Welt gekommen, als Sohn eines Deutschen und einer Tschechin, doch als er fünf gewesen war, hatten seine Eltern als politische Flüchtlinge Zuflucht in Australien gesucht, dem einzigen Kontinent der Welt, der noch keinen großen Krieg auf eigenem Boden erlebt hatte.

„Was ist denn heute mit Ihnen los?“ Bebe spürte seine Stimmungen stets sofort. „Sie scheinen mir gar nicht zuzuhören.“

„Doch, doch.“ Nick drehte sich um, und sein Lächeln erhellte seine markanten, eben noch nachdenklichen Züge. Er überragte sie, die auch nicht gerade klein war, um einiges, sodass sie zu ihm aufsehen musste. In seinen lebhaften dunklen Augen lag ein schmerzlicher, vielleicht sogar kummervoller Ausdruck. Nick war ein vielschichtiger, verschlossener Mann, der nicht viel von sich preisgab.

„Na ja.“ Bebe lächelte liebevoll. „Ich fasse mich kurz, weil Sie vermutlich den größten Teil der Nacht auf gewesen sind. Insgesamt gibt es hier drei Anwesen, die Sie sich ansehen sollten. Ich habe sie gelb markiert. Da wäre ein wunderschöner Landsitz in den Blue Mountains. Tolles Anwesen, herrliche Gartenanlagen. Oder da ist eine Privatinsel am Großen Barriereriff, Herrenhaus inbegriffen – mein Favorit, etwas wirklich Klassisches …“

Bellemont Farm. Nick wusste es, noch ehe Bebe den Namen ausgesprochen hatte. Eine schwärende Wunde in seinem Herzen. Er spürte, wie seine Nackenmuskeln sich schmerzhaft anspannten.

„Ein vierhundert Hektar großer Besitz, rund dreißig Kilometer von Ashbury entfernt“, las Bebe ahnungslos weiter. „Bellemont Farm war früher ein sehr erfolgreicher Pferdezucht- und Weinanbaubetrieb. Klingt verlockend! Hügeliges Weideland, ein gewundener kleiner Fluss, der mitten durch das Besitztum führt, prächtiger Kolonialbau mit acht Schlafzimmern und fünf Bädern, separate Angestelltenquartiere, Stallungen, eingezäunte Koppeln, Reitanlagen, Tennisplatz, Swimmingpool, gute Angelmöglichkeiten im nahe gelegenen Fluss Ashbury. Genau der richtige Wohnsitz für einen hochkarätigen Geschäftsmann.“

„Sie kümmern sich wirklich rührend um mich, Bebe“, versuchte Nick zu scherzen.

Sie nickte lächelnd. „Klar. Sie haben sich schließlich auch um mich gekümmert. Mum und ich schließen Sie in unsere Nachtgebete ein.“ Das stimmte. Seit sie Nick gefolgt war, hatte ihr Leben sich entscheidend verändert.

„Sie wollen dafür sorgen, dass ich in den Himmel komme?“, erwiderte Nick belustigt.

„Wenn Sie Ihren Charme spielen lassen, essen die Engel Ihnen aus der Hand“, versicherte Bebe treuherzig.

„Danke, Bebe.“ Nick kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und tätschelte ihr im Vorbeigehen die Schulter. Bebe bemerkte, dass er lächelte, doch in seinen dunklen Augen lag ein schwermütiger Ausdruck. Was mochte er haben? So niedergeschlagen hatte sie ihren Chef noch nie erlebt. Einen Moment betrachtete Bebe ihn besorgt, dann ging sie zur Tür. „Professor Morganthals Sekretärin hat seinen Termin um halb vier bestätigt.“

„Wusste ich’s doch, dass er zu uns zurückkommt“, sagte Nick. „Ich kann ihm am besten helfen.“

„Das scheint er inzwischen gemerkt zu haben. Wenn Sie sich die Immobilienangebote angesehen haben, kann ich Ihnen sofort weitere Informationen dazu beschaffen. Sie sind nur einmal jung, Nick.“ Erst einunddreißig, und schon ganz oben auf der Erfolgsleiter, dachte Bebe. „Sie sind erstaunlich belastbar, aber der ständige Arbeits- und Termindruck ist Gift für Sie. Sie müssen auch mal abschalten wie gewöhnliche Sterbliche.“

„Also gut, Bebe“, gab Nick nach. „Ich sehe mir die Angebote an, wenn ich etwas Zeit habe. Das verspreche ich Ihnen. Bitte schicken Sie Chris und Sarah herein, sobald sie da sind. Sie müssen die Daten schneller beschaffen. Wir haben ein Riesenprojekt zu bewältigen.“

„Mach ich“, versprach Bebe.

Nick arbeitete eine Viertelstunde weiter, dann gab er auf und zog sich das Magazin heran. Zögernd schlug er die erste Seite auf, die Bebe markiert hatte. Da war sie, die Immobilie am Großen Barriereriff, eine smaragdgrüne ovale Insel, umgeben von blendend weißem Sand inmitten des türkisfarbenen Meeres – malerisch, aber vielleicht zu weit entfernt, obwohl sie damals Mittelpunkt seines Lebens gewesen war … Bellemont Farm.

Das Anwesen, das er erst lieben, dann auf grausame, unauslöschliche Weise hassen gelernt hatte. Bellemont Farm, der Sitz der Sheffields seit der Kolonialzeit. Während seiner, Nicks, Kindheit hatte Marcus Sheffield mit seinem einzigen Kind, seiner schönen Tochter Suzannah, dort gelebt. Suzannah. Ein Schauer überlief Nick. Würde er je von ihr loskommen?

Der bloße Name löste eine Lawine von Gefühlen aus – Wut und unendliche Trauer. Suzannah mit dem langen dunklen Haar, das ihr herzförmiges Gesicht wie eine seidige Wolke umwallte. Sie war zwei Jahre jünger als er gewesen, als er ihr als Junge zum ersten Mal begegnet war. Selbst damals war sie ihm so wunderschön, vornehm gekleidet, verwöhnt und vom Schicksal begünstigt erschienen, dass er fast Scheu vor ihr empfunden hatte. Noch jetzt erinnerte er sich, dass es ihm bei ihrem Anblick den Atem verschlagen hatte. Wie ein Film lief die Vergangenheit wieder vor ihm ab …

Auf sein ehrfürchtiges Schweigen hin begann Suzannah, Grimassen zu schneiden und ihn mit verrückten und sogar derben Ausdrücken herauszufordern. Woher sie diese Wörter als prinzessinnengleiche Tochter eines Vaters wie Marcus Sheffield hatte, wunderte Nick. Ihre koboldhafte Art wirkte ansteckend, und über Nacht wurden sie dicke Freunde.

Nach einiger Zeit begann sein Vater, Suzannah Mathematik- und Sprachunterricht zu geben, nachdem Marcus Sheffield erfahren hatte, dass der „Ausländer“ in seiner Heimat ein hoch angesehener Universitätsprofessor gewesen war. Seine Mutter, eine Konservatoriumsabsolventin, erteilte Kindern aus der Nachbarschaft Musikunterricht, um zusätzlich etwas Geld ins Haus zu bringen, und bald nahm nun auch Suzannah bei ihr Klavierstunden. Drei Jahre später, an seinem dreizehntem Geburtstag, erlag sein Vater einer langjährigen Lungenerkrankung. Er, Nick, und seine Mutter blieben gebrochen und allein in dem fremden neuen Land zurück, in dem ihnen alle so unglaublich sorglos und vergleichsweise reich vorkamen.

So fing es an. Er übernahm jede Arbeit: Mähen, Ställe ausmisten, Wagen waschen, Haus- und Hofputz, einfache Tischlerarbeiten. Der Ausländerjunge, der alles konnte und wie ein erwachsener Mann schuftete. Es dauerte nicht lange, bis seine angeborene Intelligenz zum Durchbruch kam und er seine Lehrer zu übertreffen begann.

Auch nach dem Tod seines Vaters kam Suzannah, die ihn sehr verehrt hatte, weiter zweimal die Woche zum Klavierunterricht ins Haus der Konrads und entwickelte sich unter Anleitung seiner Mutter von einem musikalischen Kind zu einer hervorragenden Klavierspielerin. Er, Nick, half ihr bei den Sprachen, für die sie besondere Begabung zeigte, und auch in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern, sodass aus der anfänglich durchschnittlichen Schülerin die Klassenbeste wurde. Sie besuchten gemeinsam die High School in Ashbury. Suzannah hatte sich geweigert, auf eins der exklusiven Internate in Sydney zu gehen, um ihren Vater und ihn nicht verlassen zu müssen.

„Ich könnte es nicht ertragen, von dir getrennt zu sein, Nick“, gestand sie ihm mit leuchtenden Augen. „Wir sind Seelenverwandte.“

Auch er empfand es so. Suzannah ersetzte ihm die Schwester, die er sich immer gewünscht hatte. Ihre Gefühle füreinander waren gänzlich unschuldig. Erst als er fast sechzehn und einen Meter achtzig groß war, begann sich in ihrer Beziehung etwas zu ändern, das er sich anfangs nicht erklären konnte. Bald darauf wurde für ihn und Suzannah alles sehr kompliziert. Ihr Vater betrachtete ihn nun nicht mehr wie bisher als harmlosen Jugendgefährten seiner Tochter. Kritisch verfolgte der Gutsbesitzer, wie er, Nick, rasch zum Mann heranwuchs. Als er sechzehn war, wurde ihm bewusst, dass er Marcus Sheffield als Suzannahs bester Freund nicht mehr genehm war.

Diese Rolle sollte jetzt Martin White übernehmen, der vorbildliche Sohn einer der angesehensten Familie des Bezirks. Der blonde, blauäugige Martin, der alles getan hatte, um ihm das Leben schwer zu machen. Er war ein „Ausländer“, das ließ Martin ihn nie vergessen. Dennoch wussten sie beide, dass die Feindschaft zwischen ihnen, die gelegentlich offen ausbrach, letztlich darauf zurückzuführen war, dass sie beide Suzannah liebten. Schon mit dreizehn war sie von Verehrern umgeben, die von ihrer Schönheit und Fröhlichkeit, ihrem gesellschaftlichen Ansehen als einzige Tochter eines der vermögendsten und einflussreichsten Männer der Gegend beeindruckt waren.

River Road. Ein romantisches Plätzchen mit wunderschönen alten Bäumen am kristallklaren Ashbury River. Die jungen Leute aus dem Ort gingen in Scharen dort schwimmen, während er, Nick, und Suzannah die Zweisamkeit vorzogen. Sie hatten einen Lieblingsplatz, Jacaranda Crossing, wo eine Wasserstelle als besonders tief bekannt war. Doch sie schwammen wie Fische. Das wiederum verdankte er ihr, obwohl Suzannah behauptete, er sei ein Naturtalent. Auf ihren Fahrrädern brausten sie über den schmalen Feldweg am Fluss entlang bis zu ihrer privaten jadegrünen Lagune.

„Mann, ist das heiß!“ Suzannah sprang leichtfüßig vom Fahrrad und wollte es hinwerfen, doch Nick fing es auf und stellte es an einen Baum. „Noch nie ist mir so nach Schwimmen gewesen!“ Prompt begann sie, sich ihrer Schulkleidung zu entledigen, bis sie im dunkelblauen Badeanzug dastand. Sie war groß für ihr Alter, gertenschlank, ihre langen Beine waren von der Sommersonne gebräunt, und ihre kleinen Brüste zeichneten sich unter dem festen, dünnen Stoff ab.

So hatte er sie unzählige Male gesehen, doch plötzlich verspürte er einen Stich, als hätte ein heißes Messer ihn direkt zwischen die Lenden getroffen.

„Komm schon. Worauf wartest du noch?“ Lachend drehte Suzannah sich zu ihm um, und ihre Augen leuchteten erwartungsvoll.

Nick stand einfach nur da und konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Er hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, und brachte kein Wort hervor.

„He, Dummkopf, was guckst du so?“, rief Suzannah. „Du stehst da wie eine Holzfigur.“

Was konnte er anderes tun, während er ihre Schönheit, ihre Weiblichkeit durch alle Poren einsog? Zum ersten Mal wusste er, was es bedeutete, von einer Frau verzaubert zu sein. Aber Suzannah war noch keine Frau, sondern ein dreizehnjähriges Mädchen. Eine kleine Jungfrau. Die Prinzessin ihres Vaters.

Die Erkenntnis brachte Nick wieder zu sich. Er zog sich bis auf die Badehose aus und hechtete mit einem Kopfsprung ins Wasser. Prickelnde Kälte umfing ihn und dämpfte den Sturm der Gefühle, die in ihm erwacht waren. Suzannah war wie eine Flamme, an der er sich verbrennen konnte, das war ihm klar.

Dennoch erfüllte die neue Entdeckung ihn mit einer wunderbaren Erregung. Es war herrlich, mit Suzannah zu schwimmen wie ein Delfinpaar. Hinterher zogen sie sich auf das sandige Ufer hinauf.

„Das war toll! Genau was ich brauchte.“ Suzannah frottierte sich rasch trocken und reichte Nick das Handtuch, weil er seins stets vergaß.

Schweigend nahm er das Tuch. Das Leben wird nie mehr wie vorher sein, dachte er. Nie wieder so unschuldig und süß und ohne sexuelle Spannung. Ihm war bewusst, was geschehen war, und er konnte seine Gefühle nicht verdrängen. Er hatte sich verliebt.

„Nick?“ Ihre Stimme klang seltsam unsicher.

„Wir werden nicht mehr hierher kommen“, sagte er. „Jedenfalls nicht allein“, setzte er schnell hinzu.

„Aber Nicko, das ist doch unser Platz“, widersprach Suzannah schmollend. „Ich will die anderen hier nicht haben.“

„Dein Vater würde nicht wollen, dass wir hier allein sind“, beharrte Nick.

„Natürlich nicht!“ Suzannah lachte. „Er würde uns umbringen.“

„Du weißt also, was ich meine, Suzy?“ Er sah sie eindringlich an.

Sie stand regungslos da und wirkte so zerbrechlich wie eine Nymphe. „Bei dir bin ich sicherer als bei jedem anderen auf der Welt.“ Plötzlich schimmerten in ihren blauvioletten Augen Tränen.

„Natürlich bist du das. Aber ich möchte nichts tun, was dir schaden könnte. Du bist noch ein Kind.“

„Du doch auch“, erwiderte sie aufsässig.

„Nein, Suzy. Ich war nie ein Kind wie du und deine Freunde. In gewisser Weise seid ihr alle gleich.“

„Pah! Ich bin anders.“ Suzannah kam auf ihn zu, und ihre Wangen glühten.

„Du siehst nicht, was ich sehe“, widersprach Nick. „Du fühlst nicht wie ich.“

„Ich weiß, dass ich dich liebe.“ Sie warf das seidige dunkle Haar zurück. „Du bist mein allerbester Freund.“

„Dummerchen. Ich schwöre, dass ich auf dich aufpassen werde.“ Unvermittelt wandte Nick sich ab, ohne sich bewusst zu sein, dass seine Rückenmuskeln unter der sonnengebräunten Haut spielten.

Suzannah legte die Hand auf seinen nackten Oberkörper. „Nick?“

„Nimm deine Sachen, und zieh dich an“, befahl er schroff.

„Sei mir nicht böse, Nick“, bat sie.

„Ich bin dir nicht böse. Dir könnte ich gar nicht böse sein. Also beeil dich“, drängte er. „Dein Vater würde nicht wollen, dass wir hier sind.“

„Bald werde ich vierzehn.“ Folgsam wandte Suzannah sich ab. „Genauso alt wie Julia.“

„Jetzt redest du Unsinn.“ Es kostete ihn Mühe, ruhig zu sprechen. Er streifte seine Hose über, zog den Reißverschluss zu und griff nach dem schlichten braunen Hemd mit dem weißen Besatz. Seine Mutter hatte es ihm gerade erst gekauft, aber es wurde ihm schon wieder zu klein. Sein Vater war ein Meter neunzig groß gewesen, und offensichtlich würde sein Sohn ebenfalls ein Hüne werden.

„Spiel dich nicht auf“, fuhr Suzannah ihn an. „Du bist nicht mein älterer Bruder.“ Etwas an ihrem Tonfall verriet Nick, dass sie den Tränen nahe war – Suzannah, die nie weinte. Nicht einmal, wenn sie vom Pferd gefallen war.

„Ach komm, Suzy! Ich wollte dir nicht wehtun“, lenkte er ein.

„Du hast es aber getan. Ich mag das ganze Gerede übers Erwachsenwerden nicht und versteh nicht, was das soll.“

Bis heute.

Und plötzlich konnte er nicht anders, er musste sie küssen. Sanft nahm er ihr schmales Gesicht in beide Hände und berührte ihren Mund mit seinem. Ihre Lippen schmeckten unendlich frisch und süß.

Als Nick sich von ihr löste, hielt Suzannah seine Handgelenke fest und wollte etwas sagen, doch sie kam nicht dazu.

Eine wütende junge Männerstimme ließ sie zusammenfahren. „Was fällt dir ein, Konrads?“ Martin White trug ein weißes Hemd, Jeans und Turnschuhe, und sein dichtes blondes Haar schimmerte in der Sonne.

Drohend kam er zum Ufer gerannt, ein kräftiger junger Mann, dem er, Nick, nicht gewachsen war. „Trefft ihr beide euch hier heimlich?“ Er konnte seine Eifersucht kaum zügeln. „Suzannah, ich bin entsetzt. Warte nur, bis dein Vater davon erfährt. Lässt du dich von diesem Kerl befummeln?“

Statt zu antworten, ballte Suzannah die Hände zu Fäusten und schlug auf ihn ein. „Dieser ‚Kerl‘ ist zehnmal so viel wert wie du!“, schrie sie zornig. „Er ist mit Abstand der Klügste, den wir je im Ort hatten. Und er hat viel vor und arbeitet schwer. Du dagegen bist ein Schwachkopf und kannst nichts als dumm daherreden!“ Sie war jetzt so wütend, dass ihr Gesicht sich rötete. „Und falls du meinem Vater auch nur das kleinste bisschen verrätst, spreche ich für den Rest meines Lebens kein Wort mehr mit dir, das schwöre ich!“

Martin White nahm sich die Drohung zu Herzen. Einige Jahre später heiratete er Suzannah.

Seine, Nicks, Suzannah.

2. KAPITEL

Die Scheinwerfer eines Wagens auf der Auffahrt erhellten das Schlafzimmer und weckten Suzannah. Sofort war sie hellwach und lauschte. Sie blickte auf den Wecker: kurz nach halb drei. Die rechte Seite des großen Doppelbetts war leer und unberührt. Martin kam jetzt erst nach Hause. Was ist nur aus meinem Leben geworden? dachte Suzannah dumpf. Ich hab’s versucht, wirklich versucht, aber unsere Ehe war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Lügen, der Kummer. Die Wunden, die tief saßen und nicht heilen wollten. Selbst jetzt noch mochte sie Martin, aber geliebt hatte sie ihn nie. Und er hatte das die ganze Zeit über gewusst.

Das Scheinwerferlicht schwenkte nicht zu den Garagen hinüber, wie Suzannah erwartet hatte. Jetzt wurde ihr bewusst, dass der Motor anders klang. Der Wagen fuhr knirschend über die breite Auffahrtschleife und hielt vor der vorderen Veranda.

Sie fuhr auf, und eine böse Vorahnung überkam sie. Seit einer ganzen Weile trank Martin zu viel. Hatte er einen Unfall gehabt? Schnell warf Suzannah sich ihren dunkelblauen Morgenmantel über, schlüpfte in ihre Hausschuhe und huschte durch die offene Tür auf den Balkon hinaus.

Unten stand ein Polizeiwagen mit Blaulicht.

Um Himmels willen! Suzannah wirbelte herum und begann zu zittern. Was konnte einem mehr Angst einjagen, als in den frühen Morgenstunden ein Polizeiauto vor der Haustür stehen zu sehen? Das konnte nur Schlimmes bedeuten. Auf dem Weg nach unten schloss sie rasch Charleys Tür, damit ihre kleine Tochter nicht gestört wurde. Suzannah wusste, dass ihr Vater tief schlafen würde, denn seit dem leichten Schlaganfall nahm er Schlafmittel. Fast war sie am Fuß der Treppe angekommen, als die Türglocke ging.

„Suzannah! Tut mir ehrlich leid, dass ich dich wecken muss.“ Draußen stand Frank Harris, der Polizeichef des Ortes, und knetete seinen Hut. Sein Stellvertreter, Will Powell, der zwei Schritte hinter ihm stand, machte ein ungewohnt ernstes Gesicht. „Dürfen wir reinkommen?“

Wortlos trat sie zur Seite, und ihre Angst wuchs. Reglos sah Suzannah sah zu, wie die beiden Männer die Eingangshalle mit der breiten, sich teilenden Treppe betraten, dann drehte sie sich um und wappnete sich gegen das, was sie ihr zu sagen hatten.

„Was ist passiert, Frank?“, fragte sie mit einer Stimme, die sie kaum als ihre eigene erkannte. „Ist etwas mit Martin?“ Sie konnte es in den Augen des Polizeichefs lesen.

„Pass auf, dass sie nicht in Ohnmacht fällt“, warnte Will Powell und stürzte auf sie zu.

Auf einmal befanden sie sich im Salon, und Frank stützte Suzannah fürsorglich. „Tut mir schrecklich leid, Suzannah.“ Seine dunkle Stimme klang sanft und besorgt, und er half ihr in einen Sessel. „Es war ein Unfall. Martin ist mit dem Wagen von der River Road abgekommen und gegen einen Baum gerast.“

„Nein!“ Suzannah sank in sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. Nein … nicht Martin …

„Tut mir so leid“, wiederholte Harris hilflos. Er hatte Suzannah noch längst nicht alles gesagt. Martin White war nicht allein gewesen. Seine Beifahrerin war ebenfalls ums Leben gekommen. Cindy Carlin aus der Stadt. Er, Frank, hatte sie sofort an ihrem langen blonden Haar erkannt. Schließlich hatte er sie alle schon als Kinder gekannt. Suzannah, Martin, Cindy, den Einwandererjungen Nicholas Konrads, der die Stadt auf Betreiben von Marcus Sheffield verlassen musste. Sieben Jahre war das her, aber er, Frank, hatte deswegen immer noch ein schlechtes Gewissen. Konrads hatte sich inzwischen als genialer Geschäftsmann entpuppt. Suzannah hatte den Falschen geheiratet. Und Marcus Sheffield, der arrogante, reiche Intrigant, hatte sein beachtliches Vermögen verloren und war krank. Nun war sein Schwiegersohn tot, der Mann, den er selbst für Suzannah ausgesucht hatte, der Vater der kleinen Charlotte. Trotz seiner Pracht war Bellemont Farm, das historische Wahrzeichen der Gegend, ein trauriger Ort.

Suzannah erinnerte sich später kaum noch an die Ereignisse bis zur Beerdigung. Irgendwie schaffte sie es, alles durchzustehen. Von den Gerüchten, dem Klatsch, der sich wie ein Buschfeuer im Ort verbreitete, hörte sie nichts. Sie weigerte sich, Hilfe anzunehmen, wies wohlmeinende Freunde sanft ab, erklärte Charlotte, was mit ihrem Daddy geschehen war, besprach das Ganze kurz mit ihrem Vater und nahm alles Erforderliche selbst in die Hand. Martin war tot, und sie war schuld daran. Ihre Welt war schon vor Jahren zerbrochen.

Am Tag der Beerdigung weinte der Himmel keine Tränen. Martin White wurde von seiner Familie, seinen Freunden und allen, die ihn gekannt hatten, bei strahlendem Sonnenschein in der anglikanischen Kirche zu Grabe getragen, in der er und Suzannah getraut worden waren. Es war eine große, feierliche Beerdigung, zu der die Familien sich versammelten. Man sprach gedämpft, ganz gleich, welche Gefühle man hegte, stand in Gruppen beieinander. Bei Cindy Carlins Bestattung am Vortag war das genaue Gegenteil der Fall gewesen. Ihre Eltern hatten Martin White und die Familie Sheffield, die sich einbildete, die Stadt zu beherrschen, laut verwünscht. Man hatte auch wieder darüber getuschelt, wie sie Nick Konrads aus der Stadt gejagt hatten, und lange zurückliegende Skandale wieder aufgewärmt.

Das Ganze ist nur ein böser Traum, dachte Suzannah, während der Geistliche sich in endlosen Floskeln erging, wie es ihr vorkam. Ihr Vater, groß, hager, nur noch ein Schatten seiner selbst, stand neben ihr. Ihnen gegenüber hatte sich die blonde Familie White aufgereiht. Sie alle trauerten, aber sie hielten sich so aufrecht wie sie, Suzannah. Auf Wunsch seiner Angehörigen sollte Martin in der Familiengruft der Whites begraben werden. Sie war stets sehr gut mit seiner Mutter und den Schwestern ausgekommen, doch jetzt vermieden diese es, sie anzusehen. Weil sie schuld an Martins Tod war. Das würden sie nur niemals aussprechen. Die vornehmen Familien der Gegend hielten zusammen. Sie überließen es Leuten wie Cindy Carlins Sippe, schmutzige Wäsche zu waschen.

Am Rand der Trauergemeinde, die Augen hinter einer dunklen Brille verborgen, stand Nick Konrads und blickte zu der jungen Frau hinüber, die er einst so leidenschaftlich geliebt hatte. Nicht einmal diese schreckliche Tragödie konnte ihrer Schönheit etwas anhaben. Im Kontrast zu dem großen schwarzen Hut und dem schwarzen Kostüm wirkte ihre Haut zart wie Magnolien. Er wusste, dass sie ein Kind hatte, ein kleines Mädchen, doch ihre Figur war immer noch so mädchenhaft wie früher.

Marcus Sheffield, ihr Vater, der ihm so viel Schaden und Leid zugefügt hatte, stand beschützend neben Suzannah. Er war immer noch ein beeindruckender Mann, obwohl er sich jetzt leicht gebeugt hielt. Er, Nick, hatte von dem Schlaganfall erfahren und auch von Marcus Sheffields fehlgeschlagenen Geschäften, dem Verlust seines Vermögens. Die von ihm beauftragte Maklerfirma verhandelte inzwischen über den Kauf von Bellemont Farm, den Schauplatz seiner schlimmsten Demütigung. Nie hätte er gedacht, dass Martin White so jung sterben würde. Obwohl sie sich angefeindet hatten und Martin und Marcus Sheffield gegen ihn intrigiert hatten, hätte er das nicht gewollt.

Im Grunde genommen war es gewagt gewesen, heute hierher zu kommen. Trotz seiner äußerlichen Veränderungen – er war reifer geworden, trug das Haar inzwischen kurz war teuer gekleidet – würden viele ihn sicher wieder erkennen. Aber er hatte einfach nicht wegbleiben können. Erst letzten Abend hatte er von Martin Whites Tod erfahren. Die Nachricht hatte ihn schmerzlich berührt. Ein junger Mensch von noch nicht einmal dreißig, in seinem Alter, war grausam aus dem Leben gerissen worden. Wie sehr musste Suzannah das getroffen haben. Er, Nick, wusste, dass die Ehe nicht glücklich gewesen war … und noch viel mehr.

Die schlichte Trauerfeier war fast zu Ende. Er musste gehen. An seinen Plänen würde es jedoch nichts ändern. Es war nicht seine Art, sich zu verstecken. Er würde triumphierend in die Stadt zurückkehren, als neuer Besitzer von Bellemont Farm. Marcus Sheffields Schloss.

Mit raschen Schritten ging Nick zu seinem Wagen, und er hätte es geschafft, unerkannt davonzufahren, wenn Jock Craig, sein alter Mathematiklehrer aus der High School, ihm nicht nachgelaufen wäre und seinen Arm ergriffen hätte.

„Sind Sie nicht Nick Konrads? Bist du es, Nick?“ Sein Tonfall verriet Überraschung und Anerkennung.

Autor

Margaret Way
Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
Mehr erfahren