Karriere oder Liebe?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Für Lydia - Dozentin für Mikrobiologie - gibt es nur ein Ziel: Sie will Karriere machen. Die lockere Beziehung zu dem Anwalt Scott kommt ihr da gerade recht, denn auch er geht ganz in seinem Beruf auf. Nur ihre Familien haben andere Pläne - sie sähen sie gerne verheiratet. Um den lästigen Verkupplungsversuchen zu entgehen, tun Lydia und Scott so, als seien sie ein echtes Paar. Ein gefährliches Spiel! Brennend heiße Sehnsucht, für immer bei Scott zu sein, erwacht in Lydia …


  • Erscheinungstag 14.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758219
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Und deshalb kann die Vaterschaft mit dem PCR und RFLP-DNA-Test mit einer Sicherheit von über 99,9 Prozent bestimmt werden. Irrtum ist so gut wie ausgeschlossen.“

Als Scott Pearson bemerkte, dass Lydia McKinley nach einem beinahe fünfzehnminütigen Vortrag gleich eine Pause einlegen würde, nickte er zustimmend. Inständig hoffte er, dass es so aussah, als ob er ihr die ganze Zeit über interessiert zugehört hätte. „Faszinierend.“

Sie stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch des Restaurants und zog die Stirn kraus. Der Ausdruck in ihrem hübschen, ovalen Gesicht wurde weicher. „Ich habe zu viel geredet, nicht wahr? Selbst die einfachsten Fragen beantworte ich immer viel detaillierter, als es eigentlich nötig wäre. Sogar meine Schwester hat inzwischen Angst, mir Fragen über meine Arbeit zu stellen.“

Scott schüttelte den Kopf. „Nein. Deine Erklärung zum DNA-Test ist für mich sehr wertvoll. Außerdem bist du wirklich toll, wenn es darum geht, ein kompliziertes Thema leicht verständlich zu machen. Bestimmt bist du bei deinen Studenten sehr beliebt.“

„Nicht bei allen. Für manche bin ich der wahre Horror.“

„Sicher für die, die ihre Prüfungen ohne jegliche Anstrengung bestehen wollen.“

Sie lachte auf. „Genau. Woher weißt du das?“

Er zuckte die Schultern. „Du machst nicht den Eindruck, als würdest du jemanden durchkommen lassen, der sich im Stoff nicht auskennt.“

„McKinley Eisenhart“, seufzte sie. „So nennt man mich.“

„Ein paar jammernde Studenten werden dich doch nicht aus der Bahn werfen. Sicher konzentrierst du dich auf die Studenten, die wirklich etwas lernen wollen.“

Sie lächelte. Ihre blauen Augen strahlten vor Freude und erinnerten Scott daran, dass Lydia McKinley ebenso attraktiv wie intelligent war. Sie kannten sich seit ungefähr zehn Monaten und trafen sich mehr oder weniger regelmäßig. Zum ersten Mal waren sie sich auf dem Parkplatz des Apartmenthauses begegnet, in dem sie beide wohnten. Lydia war ein Stapel mit Hausarbeiten ihrer Studenten auf den Boden gefallen. Scott hatte ihr geholfen, die Arbeiten aufzusammeln, bevor der gerade einsetzende Regen das Papier ruinieren konnte.

Bei dieser Gelegenheit hatte sie ihm erzählt, dass sie auf dem Gebiet der Mikrobiologie und der forensischen Biologie forschte und diese Fächer an der Universität lehrte. Scott, ein ehrgeiziger, junger Anwalt, der in einer erstklassigen Kanzlei in Dallas arbeitete, hatte sie gebeten, ihm ein paar Fragen bezüglich DNA-Analysen zu beantworten. Erfreut hatte sie zugestimmt.

Seit diesem Treffen hatte sie ihm drei oder vier Male spontane Vorträge zum Thema DNA-Analysen gehalten, wenn Scott sie darum gebeten hatte. Er hatte jedes Mal darauf bestanden, sie zum Essen einzuladen, weil sie sich weigerte, irgendeine andere Entschädigung für ihren Aufwand zu akzeptieren. Ihr Verhältnis war angenehm freundschaftlich und unpersönlich, ihre Gespräche kreisten mehr um wissenschaftliche Fragen als um private Dinge. Mehrmals hatte Scott versucht, sich auf privates Gebiet zu begeben, aber sie hatte das Gespräch schnell wieder in geschäftliche Bahnen zurückgelenkt.

Eigentlich fühlte Scott sich in der Gesellschaft von Frauen wohl, aber Lydias Gegenwart ließ ihn leicht unsicher werden. Er hatte schon oft mit kompetenten und intelligenten Frauen zu tun gehabt. Lydias berufliche Fähigkeiten konnten ihn also nicht einschüchtern. Nur fragte er sich immer wieder, was sie wohl insgeheim dachte. Es gelang ihr ganz ausgezeichnet, ihre Gefühle hinter einem ernsten, aber freundlichen Gesichtsausdruck zu verbergen.

Ich weiß wirklich wenig über sie, grübelte er, und beobachtete sie über den Tisch hinweg, während der Kellner das Dessert servierte. Normalerweise konnte er andere Menschen auf Anhieb einschätzen, doch Lydia war eine echte Herausforderung für ihn. Er mochte sie, aber er wusste einfach nicht, was in ihr vorging. Noch nicht.

Sie nahm ihre Dessertgabel und fing seinen Blick auf. „Stimmt irgendetwas nicht, Scott? Du wirkst heute Abend ein bisschen unkonzentriert.“

„Verzeihung. Es war ein langer Tag.“ Scott lächelte entschuldigend. „Du hast neulich erzählt, dass du eine Schwester hast?“, lenkte er dann ab.

„Ja. Larissa.“

„Ist sie älter oder jünger als du?“

„Zwei Jahre älter.“ Lydia zog wieder die Stirn kraus. „Und sie sorgt dafür, dass ich den Altersunterschied nicht vergesse. Mein ganzes Leben lang kommandiert sie mich schon herum. Jedenfalls versucht sie es.“

Er grinste. „Dann verstehst du, warum ein halbstündiges Telefongespräch mit meiner Schwester am Ende eines anstrengenden Tages mir fast den Rest gegeben hat. Sie hat entschieden, dass mein Leben eine Veränderung braucht und dass sie die Einzige ist, die diese Veränderung herbeiführen kann.“

„Klingt sehr vertraut“, stimmte Lydia leise seufzend zu. „Larissa ist in letzter Zeit so aufdringlich geworden, dass ich ihren Anrufen schon regelrecht aus dem Weg gehe. Und das hasse ich, weil ich auf sie sehr stolz bin.“

„Mir geht’s genauso. Ich mag Heather sehr. Man nennt sie allerdings auch ‚Heather die Glucke‘. Und sie hat ihren Spitznamen wirklich verdient.“

Lydia lachte auf, als sie den Spitznamen hörte. „Ist sie viel älter als du?“

„Vier Minuten“, gab Scott niedergeschlagen Auskunft.

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Zwillinge?“

Er nickte.

„Interessant. Ich hätte nie gedacht, dass ein Zwilling sich als älter als der andere bezeichnen würde. Jedenfalls dann nicht, wenn er nur vier Minuten im Vorteil ist.“

„,Vorteil‘ wäre das passende Wort. Aber wenn ich mir Heathers Persönlichkeit vor Augen führe, dann ist es egal, wer zuerst geboren wurde. Sie würde mir immer vorschreiben wollen, was ich zu tun und zu lassen habe.“

Lydia nahm einen Schluck Kaffee. „Trotzdem machst du nicht den Eindruck, als würdest du dir von deiner Schwester Vorschriften machen lassen.“

„Natürlich nicht“, stimmte er zu. „Aber manchmal habe ich diese ewigen Diskussionen satt.“

Seufzend stimmt Lydia zu. Sie kannte das Problem. „Es ist ganz schön anstrengend, nicht wahr?“

Scott nickte und freute sich, dass er eine Leidensgenossin gefunden hatte. „Und womit bedrängt deine Schwester dich?“

„Larissa und ich sind sehr verschieden. Sie ist Malerin, sehr kreativ und etwas exaltiert. Und sehr gesellig. Ich vermute, dass sie wünscht, ich wäre ihr ähnlicher.“

Scott konnte sich nur schwer vorstellen, dass die ruhige und zurückhaltende Lydia McKinley eine exaltierte Schwester hatte. Das machte ihn neugierig auf den Rest ihrer Familie – wenn sie eine hatte. Darüber hatten sie auf ihren rein geschäftsmäßigen Treffen bisher nämlich nie gesprochen. Wenn ich mehr über meine eigene Schwester erzähle, dachte er, erfahre ich vielleicht mehr über Lydias Leben.

„Heather ist sehr zielstrebig“, begann er. „Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann tut sie alles, um ihr Ziel auch zu erreichen. Ganz gleich, was es ist. Sie arbeitet in der Werbebranche, und wahrscheinlich ist sie deshalb beruflich so erfolgreich. Aber manchmal weiß sie einfach nicht, wo die Grenze ist.“

„Meine Schwester ist genauso“, meinte Lydia nachdenklich.

„Heather ist überglücklich, weil sie im Juni heiratet. Steve Carter, einen Arzt, den sie im vergangenen Jahr kennengelernt hat. Ein netter Kerl, der nach ihr genauso verrückt zu sein scheint wie sie nach ihm. Jetzt hat sie beschlossen, dass mir dasselbe Glück zuteilwerden soll.“

„Sie will dich mit jemandem zusammenbringen?“ Lydia legte ihre Gabel ab und presste die Handflächen gegen die Schläfen. „Genau das hat Larissa mit mir vor! Jedes Mal, wenn sie sich bei mir meldet, weiß sie jemanden, mit dem ich mich unbedingt treffen soll.“

„Genau wie Heather. In den letzten Monaten hat sie mir wahrscheinlich jede alleinstehende Frau vorgestellt, die sie kennt. Sie mag die Frauen nicht, mit denen ich mich getroffen habe. Aber ich werde sie kaum davon überzeugen können, dass ich im Moment einfach nicht bereit bin, mich ernsthaft auf jemanden einzulassen. Ich möchte gern Teilhaber der Anwaltskanzlei werden, in der ich arbeite. Das heißt, dass ich oft bis in die Nacht im Büro sitze. Im Moment habe ich für eine Beziehung einfach keine Zeit. Natürlich habe ich versucht, ihr klarzumachen, dass ich immer noch eine Familie gründen kann, wenn meine Karriere erst mal in den richtigen Bahnen läuft. Aber weil sie sich selbst gerade häuslich niederlässt, erwartet sie dasselbe von mir. Sie treibt diese Zwillingsgeschichte wirklich ein bisschen zu weit.“

„Larissa spielt das gleiche Spiel. Vor einigen Monaten ist sie mit ihrem Traummann zusammengezogen. Einem ‚Seelenverwandten‘, wie sie ihn nennt. Jetzt sucht sie einen für mich. Ich mag mich schon gar nicht mehr mit ihr zum Essen treffen. Zwei ihrer Einladungen haben sich als Verkupplungsversuch entpuppt. Und zwar mit Männern, die ich mir nicht unbedingt ausgesucht hätte.“

„Du also auch?“ Scott rieb sich den Nacken. „Vor ein paar Wochen hat Heather mich gebeten, ihr Waschbecken zu reparieren. Rein zufällig war eine ihrer Freundinnen da, als ich zu ihr kam. Ich konnte gerade noch entkommen. Ein Wunder, dass sie keinen Standesbeamten eingeladen hatten, der die Trauung gleich vor Ort vollziehen wollte.“

Lydia lachte. Ein schönes Lachen, dachte Scott beiläufig, leider lacht sie viel zu selten.

„Es muss am Valentinstag liegen“, murmelte sie und betrachtete die Dekoration aus Herzen mit Spitzenbesatz, die auf jedem der Tische im Restaurant standen. „Hoffentlich lässt Larissas Eifer ein wenig nach, wenn dieser Kitsch vorbei ist.“ Unwillig schüttelte sie den Kopf, sodass ihr braunes, kinnlanges Haar sanft über ihre Wangen strich.

Ihre private Unterhaltung über die vergeblichen Versuche ihrer Schwestern, sie zu verheiraten, lief gut. Scott fühlte sich ermutigt, einen Schritt weiter zu gehen. Jetzt war die Gelegenheit, mehr über Lydia zu erfahren. „Dann bist du im Moment also auch nicht daran interessiert, dich mit jemandem einzulassen, oder?“

„Wenn du wissen willst, ob ich eine feste Beziehung suche – nein, im Moment nicht. Ich schreibe meine Doktorarbeit, und ich will im Mai damit fertig sein. Im Herbst möchte ich dann eine Professur annehmen. Ich habe meine Bewerbungsunterlagen an mehrere Universitäten verschickt. Und in den nächsten Jahren muss ich einige Forschungsprojekte abschließen, um meine Karriere nicht aus den Augen zu verlieren. Die Männer, mit denen ich mich zuletzt verabredet habe, störte es sehr, dass ich mich so sehr auf meine Arbeit konzentriere. Aber im Moment habe ich nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.“

„Hört sich sehr nach gezielter Karriereplanung an. Wir haben viel gemeinsam, nicht wahr?“, meinte er und berührte freundschaftlich ihre Hand.

Lydia sah plötzlich nervös aus und zog ihre Hand weg. „Schwestern als Heiratsvermittler und beide Workaholic? Das ist nicht gerade viel.“ Offensichtlich hatte Lydia beschlossen, dass sie genug über ihre Privatangelegenheiten gesprochen hatten. „Hast du noch Fragen zur Polymerasen-Kettenreaktionstechnik?“, fragte sie.

„Oh, mir fällt bestimmt noch etwas ein, wenn ich ein wenig darüber nachdenke. Im Moment allerdings nicht.“„Du kannst mich gern wieder ansprechen. Und ich kopiere dir den Artikel, der für dich wichtig sein könnte.“

„Danke, gerne.“

Sie hatten sich direkt nach der Arbeit im Restaurant getroffen. Scott brachte Lydia jetzt zum Auto. „Vielen Dank, Lydia. Du hast mir heute Abend viele Fragen beantwortet. Und danke schön, dass du dir mein Gejammer über meine Schwester angehört hast.“

„Für ein Essen, das ich nicht selber kochen muss, erzähle ich gern etwas über DNA-Analysen und höre mir Klagen über heiratswütige Schwestern an. Jederzeit“, gab sie schmunzelnd zurück.

Scott lachte und öffnete ihr die Wagentür. Zufrieden stieg Lydia ein. Lächelnd sah Scott ihr nach, als sie davonfuhr. Interessante Frau, dachte er.

Und er war froh, dass sie Freunde geworden waren.

Zwei Tage später kam Lydia abends um acht in ihr Apartment. Im Arm hielt sie einen Stapel Papiere, die sie bis zum nächsten Tag durchsehen musste. Sie legte sie auf dem Tisch ab und beschloss, sich erst mal umzuziehen und etwas zu essen, bevor sie sich an die Arbeit machte. Das Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte. Sie drückte auf den Wiedergabeknopf und spulte die Nachricht ab, während sie sich ihren Rock und ihre Jacke auszog.

„Hier ist Connie Redman“, meldete sich eine Frauenstimme. „Ich rufe an, um Sie an das Treffen von ‚Frauen in der Wissenschaft‘ zu erinnern. Am nächsten Dienstagabend um sieben Uhr. Es wird sicher eine spannende Debatte. Ich hoffe, wir sehen uns dort.“

„Ich werde da sein, Connie“, murmelte Lydia und zog sich ein T-Shirt über den Kopf.

„Lydia, hier ist George“, sagte eine Männerstimme. Lydia zog sich gerade eine bequeme Hose über. „Ich hoffe, Sie haben nicht vergessen, dass Sie mich nächste Woche im Seminar vertreten wollten. Von eins bis drei. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie Hilfe brauchen.“

„Danke, George“, antwortete sie und runzelte die Stirn. „Ich denke, ich komme zurecht.“

„Lyddie?“ Lydia stöhnte laut auf, diese Stimme kannte sie nur zu gut.

„Bist du noch nicht zu Hause?“, fragte Larissa missbilligend. „Es ist schon nach sechs. Wirklich, du musst aufhören, so viel zu arbeiten. Eigentlich rufe ich an, um dich einzuladen. Am Wochenende ist Valentinstag, und dazu steigt eine Party mit einer Versteigerung zugunsten der Neugeborenenstation im Metro-General-Krankenhaus. Ich habe ein paar meiner Bilder beigesteuert und ich würde mich sehr freuen, wenn du auch kommst. Ich kenne da einen großartigen Typ, Gary, eine Bekanntschaft von Charlie – wirklich süß. Du würdest ihn mögen. Ruf mich an, wenn du Interesse hast, okay? Oder lass uns einfach annehmen, dass du interessiert bist. Ich arrangiere alles und rufe dich dann wieder an. Ja, so machen wir’s.“

„Das wirst du nicht wagen!“, schimpfte Lydia, als ob ihre Schwester sie hören konnte. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass …“ Das Telefon klingelte und Lydia wusste, wer sie am anderen Ende der Leitung erwartete. „Larissa, ich will keine arrangierte Verabredung, verstanden? Ich werde nicht mitkommen.“

„Kann ich gut verstehen“, entgegnete eine männliche Stimme. „Das habe ich meiner Schwester auch gesagt.“

„Scott?“, fragte sie nach kurzem Zögern.

„Ja. Hoffentlich bist du nicht enttäuscht.“

„Keineswegs. Im Moment freue ich mich gar nicht über die Anrufe meiner Schwester.“

„Ich mich auch nicht. Deswegen genau rufe ich an“, meinte Scott. „Gerade hatte ich einen schrecklichen Anruf von Heather. Das Valentinstagfieber scheint ausgebrochen und hat auch sie erwischt. Sie ist wild entschlossen, mich mit einem Gesundheitsmanager zusammenzubringen, der sie und ihren Verlobten nächste Woche besucht.“

„Anlässlich einer Party mit einer Auktion für die Neugeborenenstation im Metro-General-Krankenhaus, stimmt’s?“

„Ja, genau. Gehst du da etwa auch hin?“

„Ein paar Bilder meiner Schwester werden versteigert. Sie möchte, dass ich dort bin und kennt zufällig einen netten Mann, der mich begleiten könnte“, fügte sie grimmig hinzu.

„Und ich habe keine Lust, eine der überspannten Freundinnen meiner Schwester zu begleiten“, ergänzte er. „Aber Nein sagen macht keinen Sinn. Sie ist entschlossen, mich unter die Haube zu bringen und erzählt überall herum, dass ich frei bin und nach einer Partnerin suche. Sie benimmt sich einfach unmöglich.“

„Warum triffst du dann nicht einfach eine Verabredung nach deinem Geschmack?“, meinte Lydia.

„Genau das habe ich vor. Lydia, würdest du mich begleiten?“

Sie blinzelte irritiert und glaubte einen Moment lang, dass sie sich verhört hatte. „Verzeihung, hast du gerade gefragt, ob ich dich begleiten würde?“

„Ja. Es wäre die perfekte Lösung. Wir sind Freunde, die im Moment an einer Beziehung nicht interessiert sind. Wir könnten einen angenehmen Abend miteinander verbringen und wären unsere Schwestern los.“

In ihren Ohren klang die Sache alles andere als perfekt. Sie und Scott waren kaum befreundet, sondern vielmehr gute Bekannte. „Ich weiß nicht …“

„Denk nach. Larissa wird nicht so schnell aufgeben. Und wäre es für dich nicht viel einfacher, den Abend mit mir zu verbringen als mit irgendeinem wildfremden Mann?“

„Eigentlich wollte ich gar nicht hingehen.“ Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich fühle mich auf Partys nicht besonders wohl. Ein Reagenzglas in der Hand ist mir lieber als ein Glas Champagner.“

„Und ich halte lieber ein Plädoyer, als dass ich mich mit Fremden unterhalte. Aber wenn ich schon hingehen muss, dann würde ich den Abend gern mit dir verbringen.“

Das war zwar nicht die schmeichelhafteste Einladung, die sie je bekommen hatte, aber bestimmt die ehrlichste. „Ich kann nicht gut tanzen“, warnte sie ihn schließlich.

„Dann sollten wir aufpassen, dass wir uns nicht verletzen.“

Sie lachte und dachte an die Befriedigung, die sie verspüren würde, wenn sie Larissa erzählen konnte, dass sie bereits eine Begleitung für den Abend hätte. Das gab ihr den letzten Anstoß. „Gut. Ich komme mit.“

„Danke, Lydia. Zum ersten Mal freue ich mich auf die Sache.“

So weit wollte Lydia nicht gleich gehen. Aber dennoch wollte sie den Abend lieber mit Scott verbringen als mit einem unbekannten Mann, den ihre Schwester für sie ausfindig gemacht hatte.

Lydia saß auf dem Bett und dachte nach. Jetzt hatte sie sich mit Scott Pearson verabredet. Nicht, dass sie in den vergangenen Monaten nie daran gedacht hatte, aber sie hatte es auch nicht wirklich erwartet.

Sie fand Scott durchaus attraktiv. Er sah gut aus, war charmant, freundlich und hatte gute Manieren.

Ein paar Male hatte er mit ihr geflirtet, aber es schien mehr eine Gewohnheit zu sein als ein ernsthaftes Interesse an ihrer Person. Auch sie hatte mit ihm geflirtet, obwohl sie diese Kunst nicht besonders gut beherrschte. Und jetzt hatte er sich zum ersten Mal mit ihr verabreden wollen, auch wenn der Anlass nur zufällig war.

Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich in romantische Fantasien verstrickten. Aber sie musste vorsichtig sein, wenn es um Scott Pearson ging. Mit Männern wie ihm hatte sie nicht genügend Erfahrung. Und außerdem hatte sie wirklich keine Zeit. Noch nicht einmal für einen Mann, der so ausnehmend attraktiv war wie Scott Pearson.

„Sag schon, wer ist dieser Mann? Warum hast du ihn nie erwähnt?“

Lydia begutachtete ein langes, silberfarbenes Kleid, schüttelte den Kopf und ging zum nächsten Kleiderständer. Sie und ihre Schwester waren in einer Boutique, um etwas Passendes für die Party zu kaufen. „Ich habe es dir doch schon gesagt, Larissa. Sein Name ist Scott Pearson. Er ist Anwalt und wohnt im gleichen Apartmenthaus wie ich. Ich kenne ihn noch nicht sehr lange, und es gab bisher keinen Grund, ihn zu erwähnen.“

„Ein Anwalt?“, wiederholte Larissa erstaunt. „Und wie alt ist er?“

Lydia warf ihrer Schwester einen überraschten Blick zu. „Weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht gefragt. Ungefähr so alt wie ich, denke ich. Warum?“

„Nur so. Ich möchte gern mehr über ihn wissen. Du benimmst dich so merkwürdig.“

„Du wirst ihn Samstagabend treffen. Und ich benehme mich keineswegs merkwürdig. Ich weiß nur nicht, was ich sonst noch über ihn erzählen soll.“

„Sag mir wenigstens, ob er gut aussieht.“

Lydia sah Scott genau vor sich. Er hatte kastanienbraunen Haare und glitzernde grüne Augen. Wenn er ihr ein sanftes, verführerisches Lächeln zuwarf, zeigte sich ein tiefes Grübchen auf seiner Wange. Sein Lächeln war einfach entwaffnend. „Ja“, erwiderte sie betont beiläufig. „Er sieht sehr gut aus.“

Larissa verstand den versteckten Unterton und begriff, dass sie nicht zu weit gehen durfte. „Wirklich?“, meinte sie zurückhaltend und hob ein schillerndes rotes Kleid hoch, das gerade so viel bedeckte, wie das Gesetz es verlangte. „Probier das doch mal an.“

„Du machst wohl Witze“, gab Lydia zurück und hielt ein langes, schwarzes Kleid im klassischen Stil dagegen. „Das hier gefällt mir.“

„Laaaangweilig“, kommentierte Lydias Schwester. „Aber wie wäre es damit?“ Larissa steuerte auf einen Ständer mit tiefblauen Kleidern zu. „Konservativ, aber nicht so bieder wie das Schwarze. Probier es doch mal an.“

Lydia schob sich die Haare hinter das Ohr. „Ja, das könnte mir auch gefallen.“ Seufzend hängte sie das schwarze Kleid zurück. „Na schön, ich probier dieses.“

Lydia verschwand in der Umkleidekabine. „Nein, ich glaube, es steht mir nicht“, rief sie ein paar Minuten später durch die angelehnte Tür der Kabine. „Es ist zu … zu eng. Und viel zu hoch geschlitzt. Vielleicht sollte ich doch lieber das Schwarze nehmen.“

„Erst, wenn ich dich gesehen habe“, protestierte Larissa.

Lydia öffnete die Tür und trat heraus. „Perfekt“, stieß Larissa hervor und klatschte in die Hände.

Unsicher betrachtete Lydia sich im Spiegel. „Findest du es nicht zu eng?“

„Lydia, du hast eine großartige Figur. Hör auf, sie zu verstecken. Du zeigst nicht zu viel Haut. Man sieht nur ein bisschen von deinem Bein, wenn du dich bewegst. Das Kleid passt wundervoll zu dir.“

Lydia schwankte. „Meinst du wirklich?“, fragte sie unentschlossen.

„Wenn dein Anwalt dich in diesem Kleid sieht, wird er vor Staunen den Mund nicht wieder zubekommen“, meinte Larissa überzeugt.

Lydia erinnerte sich daran, dass sie nicht allein für Scott attraktiv aussehen wollte. Aber sie nahm an, dass es ihr nicht wehtun würde, wenn sie sich für das Ereignis ein wenig zurechtmachte. Schließlich bot sich ihr nicht gerade oft die Gelegenheit zu einem glamourösen Auftritt. „Ich nehme es“, entschied sie schnell, bevor sie ihre Meinung noch einmal ändern konnte.

Ihre Schwester lächelte zufrieden.

2. KAPITEL

Scott sah auf die Uhr, als er sich Lydias Apartment näherte. Erleichtert stellte er fest, dass er pünktlich war. Sicher gehörte Lydia zu den Frauen, die Pünktlichkeit zu schätzen wussten.

Lächelnd stand er vor ihrer Tür und freute sich auf einen angenehmen und entspannten Abend. Das Lächeln erfror jedoch auf seinen Lippen, als Lydia die Tür öffnete.

Sie sah großartig aus. Vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Das braune Haar hatte sie aufgesteckt, sodass die sanfte Kurve ihres Nackens zu sehen war. Süße Locken umspielten ihre Schläfen und verliehen ihr ein romantisches Aussehen. Sie trug ein bisschen mehr Make-up als gewöhnlich. Ihre blau geschminkten Augen faszinierten ihn ebenso wie ihre hohen Wangenknochen. Der glänzende Lippenstift ließ ihn zum ersten Mal erkennen, wie sinnlich ihre Unterlippe war. Und erst das Kleid …

Das mitternachtsblaue Kleid schmiegte sich perfekt um ihren Körper und machte es Scott schwer, seinen Blick auf ihr Gesicht zu konzentrieren. Es war nicht übertrieben sexy, aber seine Wirkung war atemberaubend. Im Schnitt ausgesprochen konservativ, betonte es dennoch ihre Kurven. Nur an den langen, hauchzarten Ärmeln und an einer Seite des Schlitzes gab es den Blick auf ihre Haut frei.

Soweit er sich erinnerte, hatte Lydia McKinley großartige Beine. Aber jetzt fand er sie geradezu spektakulär. Durch die hochhackigen Schuhe wirkten sie noch länger und wohlgeformter, als er sie in Erinnerung hatte.

Er räusperte sich. „Du siehst wundervoll aus“, sagte er und war sich bewusst, dass das eine Untertreibung war.

„Danke.“ An der Röte, die ihr übers Gesicht flog, konnte er erkennen, dass Lydia sich nicht besonders wohl fühlte. „Du siehst auch großartig aus.“

„Ich würde viel lieber Jeans und ein T-Shirt tragen“, gestand er und zuckte bedauernd die Schultern.

Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich. „Und ich würde mich in meinem Laborkittel besser fühlen“, stimmte sie zu.

Er lachte. „Dann fühlen wir uns beide nicht wohl. Aber wir sehen großartig aus.“ Jetzt erst erinnerte er sich, dass er ihr etwas mitgebracht hatte. „Alles Gute zum Valentinstag“, wünschte er und überreichte ihr einen Strauß korallenroter Rosen.

„Oh, das wäre doch gar nicht nötig gewesen“, meinte sie überrascht. Sie steckte ihre Nase in den Strauß und atmete den Duft der Rosen tief ein. „Ich liebe Rosenduft“, murmelte sie.

Wieder räusperte er sich. „Vielleicht solltest du sie ins Wasser stellen, bevor wir losfahren?“

„Ja, natürlich. Ich bin gleich zurück.“

Hastig arrangierte sie die Rosen in einer Kristallvase, stellte sie auf den Tisch und trat einen Schritt zurück, um sich den Strauß noch einmal anzusehen. „Die Rosen sind wirklich wundervoll, Scott. Vielen Dank.“

„Ob, bitte sehr. Es ist mir ein Vergnügen.“

„Kann ich dir etwas anbieten? Vielleicht möchtest du etwas trinken, bevor wir uns auf den Weg machen?“

Er schüttelte den Kopf. Es wäre mir viel lieber, wenn ich es mir hier mit ihr gemütlich machen könnte, anstatt mit einer Menge anderer Leute an einem Wohltätigkeitsbasar teilzunehmen, dachte er. Die Vorstellung, den Abend mit Lydia McKinley allein zu verbringen und sie besser kennenzulernen, gefiel ihm ausgesprochen gut. Besonders, seitdem klar war, dass sie nur Freunde werden würden. „Wir sollten jetzt besser gehen“, antwortete er dagegen.

Sie seufzte leise und nahm ihre Handtasche. „Wahrscheinlich hast du recht. Je eher wir losfahren, desto früher ist die ganze Sache vorbei.“

Scott zuckte unmerklich zusammen. Das ist wohl kaum das schmeichelhafteste Kompliment, dass man jemandem zu Beginn eines gemeinsamen Abends machen kann, dachte er.

Scott und Lydia konnten kaum ein paar Schritte durch den überfüllten Ballsaal gehen, ohne einem seiner Bekannten zu begegnen.

In der Schule hätte Scott sicher zu der „coolen“ Clique gehört, dachte sie. Beliebt, gut aussehend, sportlich und charmant. Sie dagegen gehörte eher zu den unauffälligen Schülern. Ernsthaft, zielstrebig, arbeitsam und schüchtern. Sie traf sich nicht oft mit den anderen, und zum Abschlussball ging sie mit einem Jungen, der genauso ungesellig war wie sie. Der Abend war nicht gerade lustig für sie gewesen.

„Du liebe Güte“, murmelte Scott ihr ins Ohr. „Jetzt geht’s los.“

Verwirrt sah sie ihn an. „Was meinst …“

„Scott! Endlich“, rief eine Stimme, bevor Lydia ihre Frage beenden konnte.

Autor

Gina Wilkins

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden!

Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt...

Mehr erfahren